Objektivitätsstreben und Volkspädagogik in der NS-Forschung

Das Beispiel der Reichstagsbrand-Kontroverse

von UWE BACKES

Einführende Bemerkungen

Wer eine »Historisierung« des Nationalsozialismus fordert, sieht sich mancherlei Verdächtigungen gegenüber. Handelt es sich um eine raffiniert ausgedachte Strategie? Soll etwa durch die Beschönigung von Theorie und Praxis des Nationalsozialismus ein kulturrevolutionärer Prozeß in Gang kommen, an dessen Ende eine neue Hegemonie[1] der politischen Rechten steht? Zu den Formulierungen, an denen sich der »Historikerstreit« entzündete, gehört bezeichnenderweise die These Michael Stürmers, wonach »in geschichtslosem Land die Zukunft gewinnt, wer die Erinnerung füllt, die Begriffe prägt und die Vergangenheit deutet«[2]. Sie wurde vielfach als Kampfansage des politischen Konservativismus gegen die kulturelle Oberhoheit der »Linken« verstanden.

»Historisierung« meint jedoch nicht - oder jedenfalls nicht in erster Linie - eine neue wertevermittelnde Interpretation vergangener Ereignisse. Gefragt ist vielmehr größere subjektive Distanz zum Untersuchungsobjekt. Die Geschichte des Nationalsozialismus soll ebenso sine ira et studio behandelt werden, wie dies für weiter zurück liegende Epochen, etwa die Revolution von 1848, seit langem selbstverständlich ist.

Die Forderung nach »Historisierung« gewinnt nur dann Sinn wenn die geschichtswissenschaflliche Aufarbeitung der Zeit des Dritten Reiches vielfach mit hochgradiger emotionaler Befangenheit geschehen ist, mangelnder Abstand zum Gegenstand der Analyse nachweisbar zu Verzerrungen und Verfälschungen in der Darstellung historischer Ereignisse geführt hat. Hierfür ist die Kontroverse um die Urheberschaft am Reichstagsbrand ein Schulbeispiel. Im folgenden soll gezeigt werden, zu welch fragwürdigen Konsequenzen eine moralisierende, von volkspädagogischen Ambitionen getriebene Geschichtsbetrachtung führen kann. Ausgehend von den historischen Ereignissen, rekonstruiert der Beitrag zunächst in groben Zügen den Forschungsverlauf. Danach werden die Hintergründe der sich über Jahre hinziehenden Kontroverse beleuchtet. Dabei treten persönliche, wissenschaftlich-konzeptionelle und politisch-kulturelle Faktoren zutage, deren Bedeutung weit über das kriminalistische Detailproblem der Urheberschaft am Reichstagsbrand hinausreicht.

Forschungsverlauf

Am Abend des 27. Februar 1933 stand der Plenarsaal des Berliner Reichstages in Flammen. In den Gängen des Gebäudes wurde der 24jährige holländische Bauarbeiter und Ratekommunist Marinus van der Lubbe gestellt. In ersten Verhören behauptete er, der alleinige Täter zu sein. Er habe ein Fanal setzen wollen, um die Arbeiterklasse zum Aufstand gegen das kapitalistische System anzustacheln. Die Nachricht, ein »Kommunist« sei im brennenden Reichstagsgebäude verhaftet worden, verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Der preußische Innenminister Hermann Göring, als einer der ersten am Tatort, sah in der Brandstiftung den Beginn des von der nationalsozialistischen Führung erwarteten kommunistischen Aufstands[3] und gab Befehl, mit allen verfügbaren Mitteln gegen die Erhebung vorzugehen. Noch in der Nacht setzten die Verhaftungen ein. Die tags darauf erlassene »Verordnung zum Schutz von Volk und Staat« beschnitt »zur Abwehr kommunistischer staatsgefährdender Gewaltakte« zentrale Freiheitsrechte, drohte nur bestimmte Delikte verschärfte Strafen an, griff tief in die Autonomie der Länder ein und begründete den zivilen Ausnahmezustand in Deutschland. Die Nationalsozialisten nutzten die Situation, um durch den Einsatz ihrer Parteiarmee, der SA, gegen ihre »marxistischen« Feinde vorzugehen. So bot der Brand des Parlamentsgebäudes in der extrem gespannten innenpolitischen Situation vor den Reichstagswahlen (5. März) die willkommene Gelegenheit zur nachhaltigen Befestigung der Macht.

Da die Nationalsozialisten offenkundig von dem Ereignis profitierten, lag die Vermutung nahe, diese konnten selbst die Initiatoren des Brandes gewesen sein. Auch in NSDAP-Kreisen wurde dies gemunkelt, zumal sich bald herausstellte, das es mit dem »kommunistischen Aufstandsversuch« nicht so weit her gewesen sein konnte, die KPD, strategisch noch immer an der Sozialfaschismus-These orientiert, sich statt dessen erstaunlich passiv verhalten hatte[4]. Die der Dritten Internationale verpflichteten Kommunisten drehten daher geschickt den Spieß um und bezichtigten ihrerseits die Nationalsozialisten der Brandstiftung. Vom Ausland aus entwickelten sie unter der Ägide des legendären Willy Munzenberg eine rege propagandistische Tätigkeit[5]. Bereits wenige Monate nach dem Brand fand ein erstes »Braunbuch« auch in Deutschland Verbreitung, in dem die brutalen Praktiken der neuen Machthaber angeprangert und die Nationalsozialisten als die wahren Brandstifter beschuldigt wurden[6]. Unter der Leitung des Reichstagspräsidenten Hermann Göring habe ein SA-Kommando grobe Mengen brennbaren Materials durch einen unterirdischen Gang in das Reichstagsgebäude gebracht und die Hauptarbeit geleistet, Marinus van der Lubbe, der auf der »Liebesliste« des homosexuellen SA-Führers Ernst Röhm stehe, lediglich als ein vorgeschobenes »Werkzeug« fungiert[7].

Im September 1933 tagte in London ein unter kommunistischer Regie inszenierter »Gegenprozeß«, bei dem die Behauptung einer kommunistischen Täterschaft zurückgewiesen und den Nationalsozialisten selbst die Schuld zugesprochen wurde. Einen Tag nach der Urteilsverkündung in London trat in Leipzig das Reichsgericht zusammen[8]. Auf der Anklagebank saßen neben dem Holländer Marinus van der Lubbe der ehemalige Vorsitzende der kommunistischen Reichstagsfraktion, Ernst Torgler, Georgi Dimitroff - Leiter des Exekutivkomitees der Komintern und ab 1935 deren Generalsekretär - sowie die bulgarischen KP-Mitglieder Popoff und Taneff. Die verhafteten Kommunisten wurden im Dezember 1933 mangels Beweisen freigesprochen. Gleichwohl hielt das Reichsgericht bis zuletzt an der Annahme kommunistischer Hintermänner fest. Marinus van der Lubbe wurde aufgrund eines rückwirkend erlassenen Spezialgesetzes zum Tode verurteilt und im Januar 1934 hingerichtet.

Zwischen 1933 und 1945 blieben ernstzunehmende Anläufe zur Lösung des Reichstagsbrand-Rätsels aus. In Deutschland war für eine unabhängige Forschung in dieser Zeit kein Raum. Zwei im Jahre 1934 erschienene Publikationen lagen auf der Linie der offiziellen Version von der kommunistischen Taterschaft[9]. Diese sich ausschließlich auf Spekulationen stützende, unbewiesene Behauptung fand auch Eingang in die NS-Geschichtsschreibung[10]. Im Ausland gab man sich vielfach mit den kommunistischen Propagandaelaboraten zufrieden, deren Authentizität nicht ernsthaft angefochten wurde, zumal viele Aussagen bei oberflächlicher Betrachtung plausibel erschienen[11]. Das 1933 in Holland noch vor Prozeßbeginn von politischen Weggefährten van der Lubbes als Gegenschrift zum »Braunbuch« in geringer Auflage verbreitete »Roodboek« (»Rotbuch«)[12] blieb von der internationalen Öffentlichkeit unbeachtet.

Vor dem psychologischen Hintergrund auch geistiger Entnazifizierung und »Vergangenheitsbewältigung« fand die NS-Taterschaftsthese nach 1945 Eingang in die Geschichtsbücher[13]. Ein im Jahre 1956 von dem Journalisten Richard Wolff veröffenlichter Forschungsbericht, erschienen in der Beilage der von der Bundeszentrale für politische Bildung herausgegebenen Wochenzeitung Das Parlament, bestätigte die landläufige Meinung: Wolff hielt es »für erwiesen, das van der Lubbe im Reichstag mit gänzlich unzulänglichen Mitteln Feuer legte. Zur gleichen Zeit waren auf Grund eingehender Vorbereitungen andere am Werk, den Reichstag, vor allem den Plenarsaal, durch Feuer gründlichst zu Zerstören. Diese anderen sind nicht die Kommunisten, sondern die Nationalsozialisten gewesen«[14]. Auch der Historiker Walther Hofer bezeichnete es in der ersten Auflage (1957) seiner heute millionenfach verbreiteten Dokumentensammlung zum Nationalsozialismus als »geschichtlich erwiesen«[15], daß die Nationalsozialisten den Brand gelegt hatten.

Die Lage änderte sich freilich grundlegend, als im Jahre 1959/60 eine historische Reportage erschien, in der die Alleintäterschaft van der Lubbes behauptet wurde[16]. Eine dickleibige, quellengesättigte Studie lieferte 1962 detaillierte Nachweise pur die im Nachrichtenmagazin Der Spiegel ausgebreiteten provokativen Thesen[17]. Verfasser des Werkes war der damalige Oberregierungsrat Fritz Tobias, ein Amateur, der die professionelle Historikerschaft mit seiner auf jahrelangen Recherchen basierenden Untersuchung herausforderte. Als erster hatte er das vorhandene Material systematisch sondiert, auf seine Tragfähigkeit hin überprüft und noch lebende Zeugen befragt. Ein Teil der Polizei- und Prozeßakten wurde erstmals erschlossen und ausgewertet. Zahllose Legenden, die sich um das historische Ereignis rankten, konnte Tobias zerstören. So entlarvte er die angebliche »Oberfohren-Denkschrift« als kommunistische Fälschung und wies nach, daß der Leiter der Berliner Feuerwehr, Walter Gempp, fälschlich zum Widerstandskampfer stilisiert worden war. Ausführlich wurde die Person van der Lubbes gewürdigt, der weder homosexuell noch intellektuell minderbemittelt gewesen sei. Vielmehr habe es sich um einen politischen Überzeugungstäter gehandelt, dessen Engagement in ratekommunistischen Gruppierungen außer Zweifel stehe. Tobias rekonstruierte minuziös die verschiedenen Aufenthaltsorte van der Lubbes in Berlin und wartete mit einer so detaillierten wie plausiblen Darstellung der Brandentwicklung auf.

Die Reaktionen auf das Tobias-Buch waren zwiespältig. Hielten Kritiker wie Karl Otmar von Aretin die Alleintäterschaftsthese für nicht hinreichend gesichert[18], neigte Joachim Fest der Ansicht zu, es sei nun das letzte Wort zur Reichstagsbrand-Affäre gesprochen[19]. Aber auch schrille Reaktionen blieben nicht aus. So meinte Harry Schulze-Wilde, das Buch von Fritz Tobias stelle »eine der tollsten Geschichtsfälschungen im Mantel pseudowissenschaftlicher Forschung«[20] dar. Gerichtliche Auseinandersetzungen folgten, unter anderem auch mit Hans Bernd Gisevius, der so tollkühn gewesen war, in einer Entgegnung auf die Spiegel-Serie den Düsseldorfer Ingenieur Hans-Georg Gewehr als Anführer des angeblich aus zehn Mann bestehenden SA-Brandstifterkommandos zu bezeichnen[21]. Mangels tragfähiger Beweise zog Gisevius vor Gericht freilich den kürzeren.

Die Untersuchung von Tobias wurde immerhin als so seriös angesehen, daß das Münchener Institut für Zeitgeschichte einen seiner damaligen Mitarbeiter, den heute in Bochum lehrenden Historiker Hans Mommsen, mit einer genauen Prüfung beauftragte. Das Ergebnis der Sekundaranalyse wurde 1964 in den Vierteljahrsheften für Zeitgeschichte veröffentlicht[22]. Es bestätigte die Ergebnisse von Tobias auf voller Linie. Bestanden bis dahin wohl nicht zuletzt aufgrund der unakademischen Ausdrucks- und Präsentationsweise des Amateurs bei vielen der professionellen Historiker starke Vorbehalte, so verschaffte das Gutachten Mommsens dem in Hannover wirkenden Provokateur gewissermaßen eine Eintrittskarte für die scientific community.

Jedoch dauerte es nicht lange, da wurde das entrée billet wiederum für ungültig erklärt. Die Initiative hierzu ging von einem Journalisten italo-kroatischer Herkunft aus, der sich unter dem französisierten Namen Edouard Calic im Jahre 1966 mit seinem Buch »Himmler et son empire« der französischen Öffentlichkeit als NS-Spezialist vorgestellt hatte[23]. Die Tobiasschen Forschungsergebnisse mißachtend, machte er in diesem Werk die Nationalsozialisten für die Brandstiftung verantwortlich. Beweise für seine Behauptung begann Calic freilich erst danach in Deutschland zu sammeln[24]. Die Suche erwies sich als schwierig. Aber durch unermüdliche Aktivitäten und geschicktes Ausspielen gesellschaftlicher Beziehungen gelang es ihm schließlich, im Jahre 1968 ein »Europäisches«, später »Internationales Komitee zur Erforschung der Ursachen und Folgen des Zweiten Weltkriegs« ins Leben zu rufen. Das »Internationale Komitee Luxemburg«, wie es wegen seines Gründungsortes und der dort geplanten, wenngleich niemals realisierten, institutionellen Repräsentanz offiziell firmierte, widmete sich mit Unterstützung prominenter Persönlichkeiten, angesehener Historiker und verschiedener Widerstandsorganisationen vor allem der »Erforschung« des Reichstagsbrandes von 1933[25].

Die Leitung des Luxemburger Forschungsteams übernahm bald darauf der Berner Historiker Walther Hofer. Unter seiner Ägide wurde 1972 ein erster Band der Öffentlichkeit vorgelegt[26]. Allerdings erfuhr der Leser - entgegen marktschreierischen Vorankündigungen - darin nichts grundlegend Neues über den Ablauf der Brandstiftung. Das Werk enthielt lediglich den Versuch einer »negativen« Beweisführung. Die Unhaltbarkeit der Alleintäterschaft sollte insbesondere durch ein pyrotechnisches Gutachten demonstriert werden, demzufolge der Brand von einem einzelnen in der kurzen Zeit und mit den primitiven Mitteln nicht zu entfachen gewesen sei. Jedoch wurden an den zugrunde liegenden zeitlichen Berechnungen schon bald Zweifel angemeldet[27]. Überdies lies das mit der Aura streng naturwissenschaftlicher Beweisführung umgebene Gutachten wichtige Hypothesen unbeachtet. Die Ausführungen von Tobias und Mommsen über die Kaminwirkung des mit einer zerbrechlichen Glaskuppel versehenen Plenarsaales, die leichte Entzündbarkeit der reichhaltigen Holzvertäfelung und der Vorhänge, die explosionsartige Entwicklung des Brandes nach dem Zerbersten der Glaskuppel und der dadurch ermöglichten plötzlichen Sauerstoffzufuhr wurden nicht in dem ihnen gebührenden Maße gewürdigt und blieben in den Berechnungen weitgehend unberücksichtigt.

1978 erschien der seit langem angekündigte zweite Band. Er sollte den »positiven« Beweis für die Urheberschaft der Nationalsozialisten am Reichstagsbrand erbringen[28]. Hofer stellte im Vorwort triumphierend fest, der Nachweis der nationalsozialistischen Täterschaft sei in »einem Ausmaß gelungen, der selbst uns in Erstaunen versetzt hat. Es ist ein seltener Glücksfall in der Geschichtsforschung, wenn sich plötzlich eine neue Quelle auftut, die auf anderem Wege erarbeitete Erkenntnisse in derartigem Umfang bestätigt und die ihrerseits im beschriebenen Sinne verifiziert werden kann«[29]. Der seltene »Glücksfall« entpuppte sich jedoch schon bald als seltener »Reinfall«[30], erwiesen sich die in Band 2 abgedruckten »Dokumente« doch als glatte Fälschungen. Der Journalist Karl-Heinz Janßen deckte bereits 1979 in einer Serie für die Wochenzeitung Die Zeit zahlreiche Ungereimtheiten auf[31]. 1986 folgte der Band eines sechsköpfigen Autorenteams mit detaillierten Fälschungsnachweisen[32].

Walther Hofer reagierte auf die Vorwürfe zwar mit großer Entrüstung, vermochte diese jedoch in keinem Punkt zu entkräften[33]. Immerhin erklärte sich das Luxemburger Komitee nach einigem Zögern bereit, die Dokumente durch eine unabhängige Instanz auf ihre Authentizität hin überprüfen zu lassen. Dem Bundesarchiv in Koblenz wurde eine umfangreiche Materialiensammlung vorgelegt, die sich nach eingehender Sichtung allerdings als für eine Echtheitsprüfung ungeeignet erwies. Denn die zentralen, mit dem Fälschungsvorwurf konfrontierten Dokumente lagen nicht im Original, sondern lediglich als Kopie vor. Die anschließenden Bemühungen des Bundesarchivs, doch noch die Vorlage von Originaldokumenten zu erwirken, blieben ebenso erfolglos wie zuvor schon die zahlreichen Initiativen des Sechsköpfigen Autorenteams. Schließlich wurde dem Bundesarchiv im Juli 1986 mitgeteilt, man habe forthin »von der Inexistenz der Originale auszugehen«[34].

Doch das Luxemburger Komitee blieb scheinbar unbeirrt. Nach dem ersten mißglückten Anlauf, eine amtliche Echtheitsbestätigung für zentrale »Quellen« der Reichstagsbrand-Dokumentation zu erhalten, reichte Hofer eine Sammlung von Papieren dem Urkundenlabor der Kantonspolizei Zürich zur Prüfung ein. Das kriminaltechnische Gutachten fiel auf den ersten Blick positiv aus, hielt es doch abschließend: »Es liegen keinerlei Indizien vor, die die Authentizität der vorhandenen Originalschriften sowie der den Kopien zugrunde liegenden Originale in Frage stellen.«[35] Bei näherem Hinsehen erwies sich diese in der Presse kursierende und die interessierte Leserschaft erneut irritierende Aussage als von zweifelhaftem Wert: Auch diesmal hatten die Komitee-Vertreter überwiegend Kopien eingereicht, so daß lediglich eine formale Echtheitsprüfung in Frage kam. Allerdings fand sich bei den Unterlagen auch ein Originalblatt aus den angeblich dem Nachlaß Breitings entstammenden »K-Aufzeichnungen«. Das Urkundenlabor stellte hierbei ein Wasserzeichen aus dem Jahre 1935 fest. Diese Feststellung ist insofern von Bedeutung, als im zweiten Dokumentationsband der terminus ante quem für die Existenz der Dokumente auf den April 1934 datiert wird[36]. In einem angeblichen Schreiben Breitings an den Kreisleiter der NSDAP in Leipzig, Dönicke, findet sich folgende Bemerkung: »Beiliegend der angebliche Bericht des ›Hauptmann K.‹, den ich gar nicht kenne, weil mir dieser Bericht anonym zugeschickt wurde.«[37] Gemeint sind die vom Luxemburger Komitee so genannten »K-Aufzeichnungen«. Da der Brief auf den 10. April 1934 datiert ist, sind drei Folgerungen möglich: 1. Der Brief ist echt, und die »K-Aufzeichnungen« sind gefälscht. 2. Der Brief ist gefälscht, und die »K-Aufzeichnungen« sind echt. 3. Brief und »K-Aufzeichnungen« sind Falsifikate. - In keinem Fall ist das Ergebnis für das Luxemburger Team schmeichelhaft.

Im Jahre 1990 hat das Bundesarchiv seine lange geübte Zurückhaltung aufgegeben. Josef Henkes »Archivfachliche Bemerkungen«[38] bringen mit wünschenswerter Offenheit zum Ausdruck, was es mit den »Quellen« des Luxemburger Komitees auf sich hat. Henke macht sich die Ansicht des Sechsköpfigen Autorenteams zu eigen, wonach es sich bei den fraglichen »Dokumenten« um Fälschungen handele: »Angesichts der Fülle und der Kumulation der Fehler, Merkwürdigkeiten, Widersprüche und Ungereimtheiten faktischer wie logischer Art, die in der Isolation des Einzelfalls vielleicht hier und da erklärbar, in der Summierung jedoch nicht haltbar sind, sprechen alle Anzeichen der von den Piper-Autoren vorgelegten inhaltlichen und textkritischen Einzelbefunde nachdrücklich gegen eine Authentizität der strittigen Reichstagsbrand-Dokumente.«[39] Die Prüfungsmethoden der Züricher Kantonspolizei seien ungeeignet gewesen, die im Raum stehenden Fälschungsvorwürfe zu entkräften. Selbst bei Vorlage einschlägiger Originale hätten diese durch eine formale Echtheitsprüfung allein nicht ausgeräumt werden k&oumö;nnen. Abzuwarten bleibt, wie nach dieser unzweideutigen Stellungnahme jene Historiker reagieren, die sich - aus welchen Gründen auch immer - auf die Seite Hofers geschlagen haben. Werden sie sich Öffentlich von ihm lossagen? Diese Frage führt zu den Hintergründen der Reichstagsbrand-Kontroverse.

Hintergründe der Komitee-Aktivitäiten

Der seit langem angekündigte zweite Band hätte die Reichstagsbrandforschungen des Luxemburger Komitees krönen sollen. Statt dessen führten die in ihm enthaltenen massiven Fälschungen zu dessen moralischer und wissenschaftlicher Disqualifizierung. Angesichts der Tatsache, daß ein mit Öffentlichen Geldern großzügig ausgestattetes, von namhaften Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft und Publizistik unterstütztes Gremium schließlich als Schwindelunternehmen entlarvt wurde, erscheint die Frage berechtigt, wie all dies unter den Augen einer breiten Öffentlichkeit geschehen konnte. Weshalb wurde ernstzunehmenden Kritikern kein Glauben geschenkt? Was waren die Motive der Komitee-Vertreter? Von welchen Umständen profitierten sie?

An erster Stelle zu nennen ist die Tatsache, daß die Tobiasschen Forschungen nicht in dem Maße gewürdigt wurden, wie es angesichts der Akribie und Seriosität ihrer Durchführung unter normalen Umständen zu erwarten gewesen wäre. Eine gewisse Hochnäsigkeit von Angehörigen der historischen Zunft gegenüber dem »Amateurhistoriker« spielte dabei ebenso eine Rolle wie dessen mangelnde Vertrautheit mit akademischen Formen und Gepflogenheiten. Durch die oftmals schroffe Direktheit seiner Kritik, die Eindringlichkeit auch brieflicher Ermahnungen mochte er so manchen der betroffenen Fachvertreter vor den Kopf gestoßen haben[40].

Von großerer Bedeutung war jedoch ein anderer Faktor: Das Ergebnis der Untersuchung von Tobias paßte nicht in das zur damaligen Zeit vorherrschende Bild des Nationalsozialismus und des Dritten Reiches. Wenn die Nationalsozialisten nicht die Brandstifter waren, widersprach dies dem Eindruck der Planmäßigkeit und Zielstrebigkeit, mit dem sie nach gängiger Lesart den Prozeß der Machtergreifung vorangetrieben hatten[41]. Die Tobiassche Untersuchung lies bereits Themen anklingen, die in den sechziger und siebziger Jahren nur erheblichen Diskussionsstoff zwischen führenden Vertretern der NS-Forschung sorgten: das Verhältnis zwischen Improvisation und Planung in der Politik der Nationalsozialisten, die Bedeutung von Ideologie und Programmatik, die Frage nach der inneren Struktur des Dritten Reiches (Polykratiediskussion)[42]. Obgleich die Untersuchung eines singulären Ereignisses allein noch keine hinreichende Basis darstellt, um daraus weitreichende theoretische Schlußfolgerungen zu ziehen, klang diese Ebene der Argumentation doch immer wieder an und verfehlte angesichts der großen Bedeutung des Reichstagsbrandes für den Prozeß der Machteroberung insbesondere bei der professionellen Historikerschaft ihre Wirkung nicht.

Die Widerstände, die man der Alleintäterversion entgegensetzte, erklären sich zu einem Gutteil aber auch aus dem Eindruck, der sich in vielen Überlieferungen zeitgenössischer Beobachter niederschlug[43]: Die Nationalsozialisten wußten den Brand so geschickt für ihre eigenen Interessen zu nutzen, daß die Behauptung mehr als unwahrscheinlich klang, sie hätten das Feuer nicht auch selbst gelegt. Der von der kommunistischen Propaganda ins Spiel gebrachte unterirdische Gang entzündete die Phantasien und verlieh der Fama vom geheimen Brandstifterkommando im Bewußtsein der Menschen eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Auch war dem vor Gericht resignierenden, zumeist schweigenden, apathisch und gebeugt dasitzenden, geistig unbedarft wirkenden Holländer die Inbrandsetzung des Riesengebäudes kaum zuzutrauen.

Manche Kritiker der Tobiasschen Studie gingen in ihrer Argumentation einen entscheidenden Schritt weiter. Wenn die Nationalsozialisten entgegen gängiger Annahmen nicht die Brandstifter waren, an diesem Ereignis also keine Schuld trugen, mußte dies nicht im nachhinein den Eindruck erwecken, als sei das verbreitete Geschichtsbild in vielen anderen Punkten ebenfalls revisionsbedürftig? Wäre die Unschuld der Nationalsozialisten beim Reichstagsbrand einmal erwiesen, dann dauerte es vielleicht nicht lange, bis ihre Unschuld auch bei anderen angeblichen Missetaten ans Tageslicht käme. Und vielleicht stellte sich am Ende heraus, daß das ganze Gerede von der NS-Terrorherrschaft eine Erfindung der Alliierten war, um das deutsche Volk auf Dauer am Boden zu halten. Solche Überlegungen und Befürchtungen waren es auch, die Golo Mann zu der Bemerkung bewogen, die Forschungsergebnisse von Tobias seien ihm »volkspädagogisch unwillkommen«[44]. Hatte er dem auch hinzugefügt, er werde die neuen Erkenntnisse selbstverständlich akzeptieren, sollten sie sich bei genauer Prüfung bestätigen, so verlieh die Wendung doch Besorgnissen Ausdruck, wie sie manch anderer ebenfalls hegte.

Anhand der Reichstagsbrand-Kontroverse lassen sich die Gefahren einer Verquickung wissenschaftlicher und volkspädagogischer Intentionen exemplarisch aufzeigen. Während viele Historiker den Tobiasschen Forschungsergebnissen mit einem negativen Vorurteil begegneten, wurde denen großzügig Vertrauen geschenkt, die nun antraten, nach möglichen NS-Tätern zu forschen. Da nutzte es dem Altsozialdemokraten Tobias wenig, daß er nach der Machtergreifung Wohnung und berufliche Stellung eingebüßt hatte. Sein Eintreten für die Alleintäterschaftsthese machte ihn bei vielen verdächtig. Dagegen fand Edouard Calic als ehemaliger Sachsenhausen-Häftling mannigfache Hilfe und Unterstützung. Dabei waren Zweifel an der Integrität Calics angebracht, und manchen derer, die in blindem Vertrauen die Solidarität der NS-Verfolgten übten, hätten Mißtrauen geschöpft, wären die Aktivitäten des Italo-Kroaten in den ersten Kriegsjahren bekanntgeworden[45]. Statt dessen Öffneten sich Calic zahlreiche Türen. So wurde das Luxemburger Komitee im Januar 1968 in feierlichem Rahmen und im Beisein prominenter Gäste und Protektoren aus der Taufe gehoben. Als Ehrenpräsidenten fungierten Willy Brandt, Pierre Grégoire und André Malraux. Dem Kuratorium traten unter anderem bei: Ernst Benda, Horst Ehmke, Andre François-Poncet, Golo Mann, Carlo Schmid, Gaston Thorn. Führende Zeithistoriker wurden im Programm des ersten Symposions als »Förderer und Mitarbeiter« ausgewiesen, unter ihnen Karl Dietrich Bracher, Harold C. Deutsch, Ernst Fraenkel, Eugen Kogon, Helmut Krausnick und Henri Michel[46].

Entgegen den in Öffentlichen Verlautbarungen bekundeten weitgesteckten Forschungsinteressen stand die systematische Widerlegung der Tobias-Thesen ganz im Vordergrund der Komitee-Aktivitäten. Um dieses Ziel voranzubringen, bediente sich das Komitee in der Wissenschaft unüblicher Methoden. Während man um größtmögliche Presseresonanz bemüht war und mit vielversprechenden Ankündigungen nicht sparte, ließen konkrete Ergebnisse lange auf sich warten. Der Umgang mit wissenschaftlichen Kontrahenten entsprach in keiner Weise dem Bild einer um Objektivität bemühten Organisation. Vertreter der Alleintäterschaftsthese sahen sich einer Diffamierungskampagne gegenüber. Auch vor massiven Interventionen schreckte man nicht zurück: Mehrmals forderten Komitee-Vertreter bei Dienstvorgesetzten des hannoverschen Reichstagsbrand-Forschers Tobias »disziplinarische Maßnahmen«[47]; man versuchte die Teilnahme von Vertretern der Alleintäterschaftsthese an einer Öffentlichen Diskussion zu verhindern; Rezensenten und Leserbrief-Schreibern, die es wagten, die Aktivitäten des Komitees negativ zu kommentieren, wurde mit gerichtlichen Schritten gedroht[48].

Mit dem Berner Ordinarius Walther Hofer übernahm bald nach Komitee-Gründung ein renommierter Historiker die wissenschaftliche Leitung der Reichstagsbrand-Forschungen. Wohl nicht zufällig gehörte er zum Kreise derer, die von Tobias ob ihrer Irrtümer kritisiert worden waren. Durch die Nachforschungen Calics ermutigt und durch dessen gewagte Erfolgsmeldungen wohl auch getäuscht[51], stellte er sich bereits wenige Monate nach Übernahme seiner neuen Funktion in Paris einer Pressekonferenz. Dort fielen folgende verräterische Worte: »Wir sind immer davon überzeugt gewesen, daß van der Lubbe nicht der einzige Schuldige an der Reichstagsbrandstiftung gewesen sein kann.«[50]

Die hiermit zum Ausdruck gebrachte Voreingenommenheit erscheint kennzeichnend für den Umgang Hofers mit der historischen Wahrheit. Die Nationalsozialisten mußten den Brand gelegt haben, jedes andere Ergebnis hatte aus volkspädagogischer Sicht eine Gefahr bedeutet. Das von dem Berner Historiker vertretene Geschichtsbild entbehrt manichäistischer Züge nichts. Die Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus soll in erster Linie dazu dienen, seine moralische Verwerflichkeit zu demonstrieren. Das Bemühen um ein differenziertes Verstehen seines historischen Werdens und Seins muß dabei in den Hintergrund geraten.

Aus der tiefen Überzeugung, moralisch im Recht zu sein, erwächst jene Selbstgerechtigkeit und Unerbittlichkeit, die das Luxemburger Komitee im Umgang mit wissenschaftlichen Kontrahenten an den Tag legte. So schreckte es nicht davor zurück, die Alleintäterschaftsthese als »Gestapo-Legende«[52] zu verunglimpfen - mit entsprechenden Insinuationen im Hinblick auf deren Verteidiger. Auch der greise ehemalige Ankläger bei den Nürnberger Prozessen und Komitee-Vertraute Robert M. W. Kempner reagierte auf das Erscheinen des von sechs Autoren verfaßten Reichstagsbrand-Bandes mit der rhetorischen Frage: »Ein Weißbuch für Göring?«[53] Weniger zurückhaltend äußerte sich der als Präsident des Luxemburger Komitees fungierende ehemalige Luxemburgische Parlamentspräsident Pierre Grégoire. Er lies ein wahrhaftiges Feuerwerk von Beschimpfungen auf die Anhänger der Alleintäterthese herniederprasseln: Sie gelten ihm als »Möchtegern-Enthüller«, »Ableger des SS-Geistes«, »blut- und denkechte Nachfahren des Braunauer Meisters«, repräsentieren die »Instinkte der internationalen Kanaille«, die »Solidarität des allgemeinen Schelmentums«, schlagen eine »Teufelstaktik« ein und üben sich in »journalistische[r] Trampelmanier«[54].

Derartige Ergüsse könnte man getrost als Produkte geistiger Disziplinlosigkeit ignorieren, warteten nicht auch ansonsten seriöse Wissenschaftler mit ähnlichen Vorwürfen auf. So äußerte sich der bekannte Literaturhistoriker Hans Mayer in einem von Edouard Calic publizierten »Forschungsbericht« wie folgt: »Eigentlich ist es fast unbegreiflich, daß abermals die historische Forschung genötigt ist, ihre Ergebnisse über die Brandlegung am Reichstagsgebäude durch Beauftragte des Reichstagspräsidenten Hermann Göring von neuem ›rechtfertigen‹ zu müssen. Für mich sind die kühnen Behauptungen ehemaliger Funktionäre ihres Führers, die Brandlegung sei entweder ein Werk der Kommunisten oder auch eine erstaunliche Einzelleistung des unglücklichen Holländers Marinus van der Lubbe ähnlich zu bewerten wie die nicht minder kühne Behauptung, es habe in Auschwitz und Birkenau und an vielen anderen Orten gar keine Vernichtungslager gegeben. […] Freilich gibt es neue Tatsachen, wenn man sich erneut mit klaren geschichtlichen Vorgängen auseinandersetzen muß, als gäbe es da irgend etwas zu klären oder gar zu vertuschen. Die neuen Tatsachen wurden geschaffen durch Kinder und Enkel der Brandstifter von damals. Durch Neonazis, um die Sache bei ihrem Namen zu nennen.«[55]

Das intellektuelle Auseinandersetzungen mit dem Nationalsozialismus vielfach kennzeichnende Bemühen um eine moralische Aufarbeitung (»Vergangenheitsbewältigung«) der NS-Vergangenheit hat in der Bundesrepublik offenkundig ein geistiges Klima geschaffen, in dem sich unkonventionelle, eingefahrene Bahnen verlassende Forschungen allzu häufig mit dem Vorwurf des »Revisionismus«, der »Apologetik« oder der »Verharmlosung« des Nationalsozialismus konfrontiert sehen[56]. Der sogenannte »Historikerstreit« hat zuletzt wieder einen Beweis dafür erbracht, in welchem Maße persönliche Verdächtigungen und Denunziationen das Streben nach einer differenzierten Erfassung historischer Prozesse und Konstellationen behindern, ja blockieren. In dieser Atmosphäre gedeiht pseudowissenschaftliche Scharlatanerie, die sich, den Besitz der »richtigen« moralischen Wertmaßstäbe beanspruchend, zum supremus arbiter über eine nicht genehme geistige Produktion aufschwingt. Wie lange noch wird man mit dreisten Anschuldigungen wie der folgenden Eindruck schinden können? »Nachfolgende Generationen werden feststellen, daß es da einmal einen verzweifelten Versuch gegeben hat, damals in Deutschland, die verbrecherische Geschichte des Dritten Reiches neuzuschreiben, daß engagierte Menschen wie Mommsen, Janßen, Tobias, Hänel u.a. tatsächlich versuchten, NS-Provokationen und -Manipulationen, politische Morde und sogar den Genozid so lange philosophierend zu zerreden, bis - so glaubten sie - von all dem Schrecklichen nichts mehr übrigbleiben würde.«[57] Die Äußerung stammt von Edouard Calic, der nach wie vor mit manischem Eifer gegen alle Formen einer vermeintlich »revisionistischen« NS-Geschichtsschreibung zu Felde zieht.

Die Heftigkeit, mit der die Kontroverse um die Urheberschaft am Reichstagsbrand ausgefochten wurde, steht in keinem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung dieser im Grunde kriminalistischen Detailfrage. Sie beinhaltet keineswegs ein Schlüsselproblem für die moralische Beurteilung des Nationalsozialismus. Der für den Ablauf der historischen Ereignisse entscheidende Punkt wird von der Frage nach der Urheberschaft gar nicht berührt: Die Tatsache, daß die Nationalsozialisten - und darin sind sich alle ernstzunehmenden Diskussionsteilnehmer einig - den Brand geschickt für ihre Zwecke auszunutzen verstanden. Angesichts dieser Erkenntnis verliert die Frage nach der Urheberschaft des Brandes an Bedeutung. Wer sie hingegen zu einem Schlüsselproblem stilisiert, muß sich fragen lassen, ob er offen genug ist, um Differenzierungen des - in großen Zügen gewiß feststehenden - Bildes der nationalsozialistischen Herrschaft überhaupt noch zu akzeptieren. Jedenfalls können manchmal gut gemeinte, von ehrenwerten Motiven getragene Bestrebungen das Bemühen um die historische Wahrheitsfindung in vielen Detailfragen blockieren.

Fazit

In einer Schrift aus dem Jahre 1956 appellierte der an die Freie Universität Berlin berufene Walther Hofer an den Objektivitätssinn des Historikers: »Das Geschichtsbild eines Volkes bedarf daher immer sorgfältiger Überprüfung, weil auch der Wille dieses Bild mitgestaltet. Damit aber ist die Gefahr der Verfälschung, der Selbsttäuschung und Irreführung gegeben: dann, wenn man in der Geschichte findet, was man finden will, dann auch, wenn die Geschichtsschreibung nicht mehr feststellt: so war es, sondern: so soll es gewesen sein!«[58] Wäre sich Hofer der hier beschriebenen Gefahr einer intentionalen Verformung des Geschichtsbildes immer bewußt gewesen, hätte sich der Historiker wohl kaum für die Machenschaften eines Luxemburger Komitees hergegeben und an ihnen mitgewirkt.

Es zeugt von erheblichem geistigen Starrsinn wie auch von fehlender moralischer Integrität, wenn selbst die Aufdeckung systematischer Quellenfälschungen keinen Prozeß des Umdenkens einzuleiten vermag. In einer auf den 1. Juli 1989 datierten Widmung an den 90 Jahre alt gewordenen Komitee-Gefährten Robert M. W. Kempner schrieb Hofer: »Seit ich mich vor über 20 Jahren daran machte, die wahren Hintergründe und Urheber des Reichstagsbrandes zu eruieren, sind Sie für mich und meine Mitarbeiter stets ein bereitwilliger Helfer gewesen. Sie haben uns in eigens verfaßten Erklärungen und Bezeugungen über Ihre reichhaltigen Erfahrungen im Zusammenhang mit diesem kapitalen Verbrechen berichtet und uns auch neue wichtige Zeugen zugeführt. Sie haben nie daran gezweifelt, daß der Reichstagsbrand eine Provokation der Nazis gewesen ist, die inszeniert wurde, um die totale Macht ergreifen zu können.«[59] Als wäre es ein Beweis für die Richtigkeit einer Auffassung, wenn jemand davon überzeugt ist. Muß es nicht zu denken geben, daß die »reichhaltigen Erfahrungen« und »neue wichtige Zeugen« den Auftakt für das Fälschungsdesaster bildeten? Wäre statt der von Hofer gelobten Selbstsicherheit nicht ein gerüttelt Maß an Skepsis angebracht gewesen? Offenkundig behandelten die Komitee-Repräsentanten die Annahme der NS-Täterschaft nicht als (verifikationsbedürftige) Forschungshypothese, sondern in der Art eines Unumstößlichen Dogmas.

In seinen Lebenserinnerungen hatte Kempner Befürchtungen hinsichtlich möglicher unerwünschter Folgen der Alleintäterschaftsthese Ausdruck verliehen: »Man glaubt nicht, was dieser Irrglaube für Unheil anrichtet und daß er zu einer Entlastung der Nationalsozialisten führt.«[60] War Kempner von volkspädagogischer Besorgnis getrieben, so appellierte Hofer an die moralische Verantwortung des Historikers: »Wer bei seinen Forschungen nicht vom grundsätzlichen kriminellen Charakter des NS-Regimes ausgeht, der wird keinen Beitrag zur historischen Wahrheitsfindung leisten können.« Daher dürfe »die sogenannte ›Historisierung‹ der NS-Zeit keinesfalls dazu führen […], das Dritte Reich wie irgend eine andere Epoche der Geschichte zu behandeln und zu beurteilen, weil sonst der kriminelle Grundzug dieser Zeit und dieses Systems mehr und mehr verloren ginge.«[61] Daß auch der Historiker über moralische Wertmaßstäbe verfügen, Erscheinungen wie »Diktatur«, »Unterdrückung«, »Verfolgung« und »Entrechtung« beim Namen nennen sollte, sei unbestritten. Darf sich aber der zur Objektivität verpflichtete Historiker mit der Rolle des moralischen Anklägers begnügen? Muß er nicht auch in die Rolle des Verteidigers schlüpfen können, um zu einem gerechten historischen Urteil zu gelangen? Sollte die aus einem moralischen Unwerturteil deduzierte These zur alleinigen Richtschnur bei der Rekonstruktion historischer Ereignisse werden? Wozu es führt, wenn der Forscher für alternative Lösungen nicht mehr offen ist, hat die beispiellose Reichstagsbrand-Kontroverse gezeigt. Sie ist unwillentlich zu einem Lehrstück geraten, wie volkspädagogischer Eifer und Moralismus in der Geschichtsbetrachtung wissenschaftliches Objektivitätsstreben überlagern und zunichte machen können. Dem Ansehen der historischen »Zunft« als Ganzes wurde schwerer Schaden zugefügt. Rechtsextreme Gruppierungen saugen Honig aus der Affäre, weisen sie doch nur allzu gern auf den hieb- und stichfesten Nachweis einer Geschichtsklitterung hin, um die NS-Periode in hellerem Licht erstrahlen zu lassen[62]. Auf diese Weise haben volkspädagogische Bemühungen das Gegenteil des Erwünschten zur Folge.

Anmerkungen

  1. »Egemonia culturale« lautet die Zielformulierung in der Revolutionstheorie Antonio Gramscis. Vgl. dazu: Kalischeuer, O., Antonio Gramscis intellektuelle und moralische Reform des Marxismus, in: Fetscher, I./Münkler, H. (Hrsg.), Pipers Handbuch der Politischen Ideen, Bd. 5: Neuzeit: Vom Zeitalter des Imperialismus bis zu den neuen sozialen Bewegungen, München/Zürich 1987, S. 588-601.
  2. Stürmer, M., Geschichte in geschichtslosem Land, in: FAZ v. 25. April 1986. Der Beitrag ist abgedruckt in folgendem Band: »Historikerstreit«. Die Dokumentation der Kontroverse um die Einzigartigkeit der nationalsozialistischen Judenvernichtung, München/Zürich 1987, S. 36-38.
  3. Von einer »allgemeinen Kommunistenpsychose« spricht treffend: Hehl, U. von, Die Kontroverse um den Reichstagsbrand, in: VfZ, 1988, H. 2, S.260 mit weiteren Belegen. In den Goebbels-Tagebüchern findet sich bereits am 31. Januar 1933 folgende Eintragung: »In einer Unterredung mit dem Führer legen wir die Richtlinien im Kampf gegen den roten Terror fest. Vorläufig wollen wir von direkten Gegenmaßnahmen absehen. Der bolschewistische Revolutionsversuch muß erst einmal aufflammen. Im geeigneten Moment werden wir dann zuschlagen.« Die Tagebücher von Joseph Goebbels. Sämtliche Fragmente, hrsg. von Elke Frohlich im Auftrag des Instituts nur Zeitgeschichte und in Verbindung mit dem Bundesarchiv, Teil 1: Aufzeichnungen 1924-1941, Band 2: 1. 1. 1931-31. 12. 1936, München u.a. 1987, S. 362. Auf die Kommunismusfurcht der Nationalsozialisten und des nationalen Bürgertums deutet auch folgende, mit der Behauptung einer kommunistischen Brandstiftung aufwartende Schrift hin: Ehrt, A., Bewaffneter Aufstand! Enthüllungen über den kommunistischen Umsturzversuch am Vorabend der nationalen Revolution, Berlin/Leipzig 1933.
  4. Vgl. dazu das Standardwerk von: Duhnke, H., Die KPD von 1933 bis 1945, Wien 1974, S. 42.
  5. Über die Art dieser Aktivitäten gibt besonders die Biographie der Ehefrau Münzenbergs Auskunft: Gross, B., Willi Münzenberg. Eine politische Biographie, Stuttgart 1967.
  6. Braunbuch über Reichstagsbrand und Hitlerterror. Faksimile-Nachdruck des Originals von 1933, Frankfurt a.M. 1978 (Original: Basel 1933). Ein zweites »Braunbuch« erschien 1934 in den Editions du Carrefour, Paris: Braunbuch 11. Dimitroff contra Göring. Enthüllungen über die wahren Brandstifter, Reprint, Köln 1981 (Original: Paris 1934). Vgl. dazu: Sohl, K., Entstehung und Verbreitung des Braunbuches über Reichstagsbrand und Hitlerterror 1933/34, in: Jahrbuch für Geschichte, 1980, S. 289-327.
  7. Braunbuch über Reichstagsbrand und Hitlerterror (Anm. 6), S. 44-62.
  8. Siehe zu den Prozessen in London und Leipzig aus kommunistischer Sicht: Dimitroff, G., Reichstagsbrandprozeß. Dokumente, Briefe und Aufzeichnungen, (Ost-)Berlin 1960; Stojanoff, R, Reichstagsbrand. Die Prozesse in London und Leipzig, Wien u. a. 1966. Folgende umfangreiche, in Ostberlin erschienene, parteioffizielle Dokumentation hebt die ruhmreiche Rolle Dimitroffs hervor, bleibt den Nachweis für die von kommunistischer Seite immer wieder behauptete NS-Täterschaft aber schuldig: Der Reichstagsbrandprozeß und Georgi Dimitroff. Dokumente, 2 Bde., (Ost-)Berlin 1982/ 1989.
  9. Stein, A., Gift, Feuer, Mord! Augenblicksbilder aus dem Reichstagsbrandprozeß, Berlin 1934; Sack, A., Der Reichstagsbrand-Prozeß, Berlin 1934.
  10. Vgl. etwa Anrich, E., Deutsche Geschichte 1918-1939, Leipzig/Berlin 1940, S. 98.
  11. Auch zwei im Ausland verbreitete journalistische Publikationen brachten kein Licht in das Dunkel: Kugler, F., Das Geheimnis des Reichstagebrandes, Amsterdam/Leipzig o.J. (1934); Reed, D., The Burning of the Reichstag, London 1934.
  12. Der Band von 1933 ist erst vor wenigen Jahren in deutscher Übersetzung erschienen: Rotbuch. Marinus van der Lubbe und der Reichstagsbrand, aus dem Niederländischen übersetzt und hrsg. von Josh van Soer, Hamburg 1983. - Tagebuchauszüge, Briefe, das Geständnis und das Gutachten der Prozeßpsychiater Bonhoeffer und Zutt präsentiert folgende Biographie: Schouten, M., Marinus van der Lubbe 1909-1934, Amsterdam 1986. Auf zeitgenössische Materialien greift ebenfalls zurück: Karasek, H., Der Brandstifter. Lehr- und Wanderjahre des Maurergesellen Marinus van der Lubbe, der 1933 auszog, den Reichstag anzuzünden, Berlin 1980.
  13. Vgl. zum Forschungsverlauf detailliert: Jesse, E., Der endlose Streit um den Reichstagsbrand - verschlungene Pfade einer einzigartigen Forschungskontroverse, in: Backes, U./Janßen, K.-H./Jesse, E./Köhler, H./Mommsen, H./Tobias, F., Reichstagsbrand - Aufklärung einer historischen Legende, mit einem Vorwort von Louis de Jong, München/Zürich 1986, S. 58-87.
  14. Wolff, R., Der Reichstagsbrand 1933. Ein Forschungsbericht, in: APZG, B 3/1956, S. 41 (Hervorhebung im Original).
  15. Hofer, W. (Hrsg.), Der Nationalsozialismus. Dokumente 1933-1945, Frankfurt a.M. 1957, S. 43.
  16. »Stehen Sie auf, van der Lubbe«, in: Der Spiegel vom 21. Oktober 1959 bis 6. Januar 1960.
  17. Tobias, F., Der Reichstagsbrand. Legende und Wirklichkeit, Rastatt 1962.
  18. Aretin, K. O. von, Zeitgeschichtliche Aufklärung von Legendenbildung um Ereignisse von 1933, in: Frankfurter Hefte, 1964, H. 4, S. 600-605.
  19. Fest, J. C., in: Sender Freies Berlin vom 28. Februar/M März 1962.
  20. Schulze-Wilde, H., in: Der Monat, 1961/62, H. 166, S. 96.
  21. Gisevius, H. B., Reichstagsbrand im Zerrspiegel, in: Die Zeit v. 4.-25. März 1960. Siehe auch ders., Bis zum bitteren Ende. Vom Reichstagsbrand bis zum 20. Juli 1944, Zürich 1954.
  22. Mommsen, H., Der Reichstagsbrand und seine politischen Folgen, in: VfZ, 1964, H. 3, S. 351-413.
  23. Calic, E., Himmler et son empire, Paris 1965. Zur schillernden Persönlichkeit Calics ausführlich: Janßen, K.-H., Calics Erzählungen, in: Backes/Janßen/Jesse/Köhler/Mommsen/Tobias (Anm. 13), S. 216-237.
  24. Dies geht aus dem im Archiv Tobias gesammelten Briefwechsel zwischen Fritz Tobias und Edouard Calic hervor.
  25. Vgl. zum Luxemburger Komitee: Backes, U., Das internationale Komitee zur wissenschaftlichen Erforschung der Ursachen und Folgen des Zweiten Weltkrieges, in: Backes/Janßen/Jesse/Köhler/Mommsen/Tobias (Anm. 13), S. 88-114.
  26. Hofer, W./Calic, E./Stephan, K./Zipfel, F. (Hrsg.), Der Reichstagsbrand. Eine wissenschaftliche Dokumentation, Bd. 1, Berlin 1972.
  27. Vgl. Berndt, A., Zur Entstehung des Reichstagebrandes. Eine Untersuchung über den Zeitablauf, in: VfZ, 1975, H. 1, S. 77-90.
  28. Hofer, W./Calic, E. /Stephan, K./Zipfel, F. (Hrsg.), Der Reichstagsbrand . Eine wissenschaftliche Dokumentation, Bd. 2, München 1978.
  29. Ebda., S. 6.
  30. So Jesse, E., Der Reichstagsbrand und seine »Aufklärer«.. Ein Fälschungsskandal geht zu Ende, in: Corino, K. (Hrsg.), Gefälscht! Betrug in Politik, Literatur, Wissenschaft, Kunst und Musik, Nördlingen 1988, S.106-127, 108.
  31. Janßen, K.-H., Geschichte aus der Dunkelkammer. Kabalen um den Reichstagsbrand. Eine unvermeidliche Enthüllung, Sonderdruck der »Zeit« aus Nr. 38-41/1979, Hamburg 1979.
  32. Backes/Janßen/Jesse/Köhler/Mommsen/Tobias (Anm. 13).
  33. Vgl. das »Nachwort zur Taschenbuchausgabe«, in: Backes, U./Janßen, K.-H./Jesse, E./Köhler, H./Mommsen, H./Tobias, F., Reichstagsbrand. Aufklärung einer historischen Legende, München/Zürich 1987, S. 327-332; Jesse, E., Die Kontroverse zum Reichstagsbrand - ein nicht endender Wissenschaftsskandal, in: GG, 1988, H. 4, S. 513-533.
  34. So Hans Booms, Präsident des Bundesarchivs, in folgendem Leserbrief: »In Koblenz keine Originale vorgelegt«, in: FAZ v. 9. Januar 1988, S. 24.
  35. Kantonspolizei Zürich/Urkundenlabor, Gutachten Nr.68/87/wa/ei/ts/ke vom 12. Juni 1987, zuhanden Historisches Institut der Universität Bern, Prof. Walther Hofer, Dr. Christoph Graf, betreffend Authentizitätsprüfung von Dokumenten betreffend den Reichstagsbrand von 1933, S. 15.
  36. Vgl. Hofer/Calic/Graf/Zipfel (Anm. 28), S. 365.
  37. Ebda., S. 435.
  38. Henke, J., Archivfachliche Bemerkungen zur Kontroverse um den Reichstagsbrand, in: GG, 1990, H.2. S.212-232. Siehe auch die ausführliche Rezension Henkes zu dem Band des Sechsköpfigen Autorenteams, in: ZParl, 1990, H. 1, S. 153-158.
  39. Henke (Anm. 38), S. 232.
  40. Die im Archiv Tobias vorhandenen Briefwechsel vermitteln hiervon ein anschauliches Bild.
  41. Diese Lesart spiegelt sich etwa in der nur einen breiten Leserkreis verfaßten Darstellung von: Hofer, W., Die Diktatur Hitlers. Bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges 1933- 1939, dritte verbesserte Aufl., Konstanz 1971. Zur Urheberschaft am Reichstagsbrand hieß es hier noch skeptisch, sie werde »wahrscheinlich nie mehr geklärt werden können« (S. 17).
  42. Vgl. zu diesen Diskussionen die vorzügliche Darstellung von: Schreiber, G., Hitler. Interpretationen 1923- 1983. Ergebnisse, Methoden und Probleme der Forschung, Dammstadt 1984. Siehe dazu auch den Beitrag von Enrico Syring im vorliegenden Band.
  43. Siehe beispielsweise: François-Poncet, A., Als Botschafter im »Dritten Reich«. Die Erinnerungen des französischen Botschafters in Berlin, September 1931 bis Oktober 1938, Mainz/Berlin 1980 (1947), S. 110f.; Hanfstaengl, E., 15 Jahre mit Hitler. Zwischen Weißem und Braunem Haus, 2. Aufl., München/Zürich 1980 (1970), S.294-296; Hoegner, W., Die verratene Republik. Deutsche Geschichte 1919-1933, München 1979 (1958), S. 383f.; Niehsch, E., Das Reich der niederen Dämonen, Hamburg 1953, S. 76f
  44. Brief von G. Mann an Fritz Tobias vom 20. September 1961 (Archiv Tobias). Siehe dazu auch die Notiz Golo Manns in: VfZ, 1988, H. 3, S. 591.
  45. Zur Person Calics ausführlich: Janßen (Anm. 23).
  46. Vgl. die Dokumentation bei: Backes/Janßen/Jesse/Köhler/Mommsen/Tobias (Anm. 13), S. 302-308.
  47. So Walther Hofer in einem Brief an Minister Lehners vom 29. Juli 1971 (Archiv Tobias). Ein Teil der Interventionen ist abgedruckt in: Backes/Janßen/Jesse/Köhler/Mommsen/Tobias (Anm. 13), S. 312-320.
  48. Siehe nur Einzelnachweise: Backes (Anm. 25).
  49. Vgl. etwa folgenden Artikel: »Die Reichstagsbrandstifter sind ermittelt«, in: Telegraf (Berlin) vom 10. September 1969.
  50. Aufzeichnung der Pressekonferenz über die Ursachen des Reichstagsbrandes am Freitag, den 17. Oktober 1969 im Hotel Lutetia, Paris (Archiv Tobias).
  51. Vgl. etwa die Für die politische Bildung bestimmte kleine Schrift: Hofer, W., Von der Freiheit und Wurde des Menschen, Bern u. a. 1962. Ferner ders., Mächte und Kräfte im 20. Jahrhundert. Gesammelte Aufsätze und Reden zum 65. Geburtstag, hrsg. von Maurer, R, Düsseldorf 1985.
  52. Vgl. beispielsweise: Internationales Komitee Luxemburg, Die wissenschaftliche Widerlegung der Gestapo-Legende von der Unschuld der Nazis am Reichstagsbrand, in: La Voix de la Resistance, Sonderausgabe, hrsg. vom Comité d’Action de la Resistance, Paris 1980, S. 1-3.
  53. Kempner, R. M. W., Hermann Göring - Organisator des Reichstagsbrandes, in: Die Mahnung. Zentralorgan demokratischer Widerstandskämpfer und Verfolgten-Organisationen v. 1. Mai 1986. Dieser Artikel erschien zum Teil geringfügig abgewandelt - in verschiedenen Organen (SPD-Pressedienst, Aufbau [New York], Recht und Politik).
  54. Grégoire, P., Der Fall Dr. Edouard Calic, in: kuckuck, 1986, Nr. 53, S. 19-22. Bei der Zeitschrift kuckuck handelt es sich um ein in Berlin erscheinendes Blättchen, in dem auch der Generalsekretär des Luxemburger Komitees sich zuletzt - wohl mangels anderer Publikationsmöglichkeiten genötigt sah, seine Attacken gegen die Vertreter der Alleintäterschaftsthese zu reiten.
  55. Mayer, H., Erinnerungen an die Zeit des Reichstagsbrandes, in: Calic, E., Der Reichstagsbrand. Die Provokation des 20. Jahrhunderts. Ein Forschungsbericht, Luxemburg 1978, S. XXIf
  56. Siehe hierzu die Beiträge von: Jesse, E., »Vergangenheitsbewältigung« in der Bundesrepublik Deutschland, in: Der Staat, 1987, H. 4, S. 539-565; Zitelmann, R., Vom Umgang mit der NS-Vergangenheit, in: Italiaander, R. (Hrsg.), Bewußtseins-Notstand. Thesen von 60 Zeitzeugen. Ein optimistisches Lesebuch, Düsseldorf 1990, S. 69-79.
  57. So Edouard Calic in einem Brief an die C. H. Beck’sche Verlagsbuchhandlung. Gegenstand des Briefes war eine Äußerung Hans-Ulrich Wehlers (Entsorgung der deutschen Vergangenheit? Ein polemischer Essay zum »Historikerstreit«, München 1988, S. 156) zum »Renommier-Komitee des berüchtigten, inzwischen angeblich flüchtigen Edouard Calic«. Auch im Falle Rainer Zitelmanns, der in seiner kleinen Hitler-Biographie die Alleintäterschaft des Hollanders Marinus van der Lubbe betont hatte (Adolf Hitler. Eine politische Biographie, Göttingen/Zürich 1989, S. 85), blieb eine Intervention Calics nicht aus. Die beiden Verlage, in denen die Hitler-Bücher Zitelmanns erschienen waren, wurden von Calic ultimativ dazu aufgefordert, den Vertrieb der Bücher einzustellen. Wie unsicher sich Calic seiner Position mittlerweile ist, zeigt jedoch der Umstand, daß in diesem wie anderen Fällen die angekündigte Klage unterblieb. Als Calic 1981 gegen die Hamburger Wochenzeitung Die Zeit, die einen von ihm edierten Band (Ohne Maske. Hitler-Breiting Geheimgespräche 1931, Frankfurt a.M. 1968) als »eine der unverfrorensten Geschichtsfälschungen dieses Jahrhunderts« bezeichnet hatte, Klage erhob, erlitt der damalige Generalsekretär des Luxemburger Komitees vor Gericht eine Niederlage. Vgl. Backes (Anm. 25), S. 91.
  58. Hofer, W., Geschichte zwischen Philosophie und Politik, Basel 1956, S. 106 (Hervorhebungen im Original).
  59. Ders., Hochverehrter lieber Herr Kempner, in: Gratulationen zum 90. Geburtstag von Robert M. W. Kempner, hrsg. von der Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn 1989, S. 91.
  60. Kempner, R. M. W., Ankläger einer Epoche. Lebenserinnerungen, Frankfurt a.M. u.a. 1983, S. 101.
  61. Hofer (Anm. 59), S. 92.
  62. Natürlich ist das Reichstagsbrand-Buch des Sechsköpfigen Autorenteams in rechtsextremen Organen gefeiert worden. Vor Beifall von der falschen Seite ist eben niemand geschützt.

Der Autor

Uwe Backes, geb. 1960 in Greimerath/Kreis Trier-Saarburg. Studium der Politikwissenschaft, Geschichte und Germanistik an der Universität Trier. 1987 Promotion zum Dr. phil. mit einer Arbeit über die Theorie des politischen Extremismus. Seit 1988 Akademischer Rat a.Z. beim Lehrstuhl Politische Wissenschaft der Universität Bayreuth. Wichtigste Veröffentlichungen: Totalitarismus - Extremismus - Terrorismus. Ein Literaturführer und Wegweiser im Lichte deutscher Erfahrung (mit Eckhard Jesse), 2. erweiterte Aufl., Opladen 1985; Reichstagebrand, Aufklärung einer historischen Legende (mit Karl-Heinz Janßen, Eckhard Jesse, Henning Köhler, Hans Mommsen, Fritz Tobias), 2. erweiterte Aufl., München-Zürich 1987; Politischer Extremismus in der Bundesrepublik Deutschland (mit Eckhard Jesse), Bd. I: Literatur, Bd. II: Analyse, Bd. III: Dokumentation, Köln 1989; Politischer Extremismus in demokratischen Verfassungsstaaten. Elemente einer normativen Rahmentheorie, Opladen 1989; Jahrbuch Extremismus & Demokratie (Hrsg. mit Eckhard Jesse), Bonn 1989ff.


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