HENRI  MOUHOT

(15.5.1826 - 10.11.1861)

[Henri Mouhot]

Tabellarischer Lebenslauf
zusammengestellt von
Nikolas Dikigoros

1826
15. Mai: Alexandre Henri Mouhot wird als zweites von vier Kindern der Eheleute Jean Henri und Suzanne Marguerite (geb. Jacot) in Montbéliard geboren.

1837-44
Mouhot besucht dortselbst das Collegium Cuvier (benannt nach dem Naturforscher Georges Cuvier, der ebenfalls aus Montbéliard stammte).

1844
Mouhot wird Französischlehrer an der Kadettenanstalt von Sankt Peterburg, der Hauptstadt des Tsarenreichs.

[Sankt Peterburg im 19. Jahrhundert] [Blick auf die Admiralität]

1853-56
Der von England und Frankreich vom Zaun gebrochene "Krim"-Krieg zwingt Mouhot, Rußland zu verlassen.
Über diesen Krieg - der Frankreich nichts einbringt als jede Menge Tote, hauptsächlich nicht durch Kampfhandlungen, sondern durch Seuchen - vernachlässigt Napoléon III ein wiederholtes Hilfsgesuch (von heutigen Historikern auch als "Bündnisangebot" bezeichnet :-) des Königs von Kambodiyā*, Ang Duong.**
Mouhot bereist zusammen mit seinem Bruder Charles Italien, Deutschland, die Niederlande (die seit der Teilung von 1830 nur noch aus Holland und einigen kleineren Provinzen bestehen) und England.
Er heiratet die Schottin Ann Park und zieht mit ihr auf die Kanalinsel Jersey (eine vor der Küste Frankreichs gelegene britische Kolonie), wo er sich der Vogel- und Muschelkunde widmet.

1854
Jean-Baptiste Pallegois veröffentlicht "Beschreibung des Königreichs Thai".

1857
John Bowring veröffentlicht "Das Königreich und Volk von Siam".
Charles Emile Bouillevaux veröffentlicht "Reisen in Indochina, Annām und Kambodiyā".

1858
Mouhot beschließt nach Lektüre dieser Bücher, Syām*, Kambodiyā und Lāos zu erforschen. Da in Frankreich niemand an solchen Forschungen interessiert ist, nimmt er ein Angebot der britischen Royal Geographical Society an, ihm die Reise zu finanzieren.
(Die Fahrt auf einem Segelschiff von London um das Kap der Guten Hoffnung nach Bangkok - der Suez-Kanal ist noch nicht gebaut, Dampfschiffe stecken noch in den Kinderschuhen - dauert vier Monate.)
August: In Bangkok macht Mouhot die Bekanntschaft von Ang Duong, den die Thais zwischenzeitlich in Gewahrsam genommen mit ihrer Gastfreundschaft beglückt haben, und freundet sich mit ihm an.

[Ang Duong]

1859
Januar-März: Mouhot unternimmt eine Dschungel-Expedition zur alten Königsstadt Ayutth'yā. (Unterwegs sammelt er Insekten und Muscheln für seine britischen Geldgeber :-)
Oktober: Mouhot bricht nach Angkor auf (das bis heute leichter von Thailand als von Kambodiyā aus zu erreichen ist), um die alten Tempelanlagen der Khmer zu erforschen.
(Diese wurden wohl schon von anderen Europäer vor ihm "entdeckt", allerdings nicht freigelegt, geschweige denn erforscht. Der Chinese Chou Ta-kuan hatte Angkor bereits Ende des 13. Jahrhunderts besucht, als das Khmer-Reich auf dem mutmaßlichen Höhepunkt seiner Macht stand, und darüber in seinen Memoiren ausführlich berichtet. Sesselpupsende Seriöse Schreibtisch-Wissenschaftler hatten diesen Bericht jedoch nie ernst genommen - er erschien ihnen "maßlos übertrieben". Erst im 21. Jahrhundert erkannte man mit Hilfe des LIDAR-Verfahrens, daß Angkor damals tatsächlich die weltweit größte Stadt war, mit einer Ausdehnung wie das heutige Paris. Seitdem nimmt man auch seine übrigen Ausführungen ernst, aus denen sich u.a. ergibt, daß das Khmer-Reich wohl nur durch ein grausames Terror-Regime zusammen gehalten werden konnte, gegen das die "Roten Khmer" 700 Jahre später die reinsten Waisenknaben waren.)
Obwohl die Daguerreotypie bereits erfunden - und seit 1839 auch marktreif - ist und Mouhot sich während seines Aufenthalts in Holland die dazu notwendigen Kenntnisse angeeignet hatte, hat er auf die Mitnahme eines jener unhandlichen Geräte und der ebenso schweren wie teuren - und für den südostasiatischen Dschungel wohl auch zu empfindlichen - Filmplatten verzichtet. Statt dessen greift er zum Zeichenstift.


Inzwischen beginnt sich auch Napoléon III für Indochina zu interessieren, allerdings weniger aus naturwissenschaftlichen denn aus wirtschaftlichen Gründen. Er läßt Saigon (die Hauptstadt des Königreichs Annām) und das südwestlich von Annām gelegene "Cochinchina" besetzen und dortselbst erste Handelsniederlassungen einrichten.

[Eroberung Saigons]

(Dazu bedarf es gerade mal 3.000 [dreitausend] Mann Marine-Infanterie.)

1860
Mai: König Ang Duong stirbt. Als Nachfolger hat er - angeblich - seinen Sohn Norodom bestellt, der sich zum neuen König erklärt.


Seine ersten Amtshandlungen bestehen darin, sich von den Franzosen modische Uniformen - mit reichlich Orden für all seine Verdienste - und Geld liefern zu lassen. Der Franc ersetzt den Tikal.

[Kupfermünze Norodoms I zu 10 Centimes] [Silbermünze Norodoms I zu 1 Franc] [Goldmünze Norodoms I]

Juli: Mouhot bricht zu einer Expedition nach Lāos auf. Ziel ist die alte Königsstadt Luang Prabang.


1861
April: Norodom flieht vor der Rebellion eines seiner vielen Brüder nach Syām.
[Ang Duong hatte 3 Haupt- und 35 Nebenfrauen, allerdings "nur" 10 Söhne (der Rest waren Töchter :-) Darüber, wer von ihnen das bessere Anrecht auf den Thron hatte, läßt sich trefflich streiten.]
10. November: Henri Mouhot stirbt in der Nähe von Luang Prabang. Über die Todesursach[en] (Malaria? Sumpffieber? Gelbfieber?) herrscht keine Gewißheit.
Über sein genaues Sterbedatum auch nicht. [Seine Tagebuch-Einträge brechen bereits im September ab.] In früheren Biografien steht meist: "gestorben im Oktober oder November 1861." Es gibt jedoch keinen stichhaltigen Grund, die Angaben seiner einheimischen Begleiter anzuzweifeln.


(Das bald vom Urwald überwucherte Grabmal wird 1887 durch ein neues ersetzt.)

* * * * *

1863
April: Norodom bietet Napoléon die Protektoratsherrschaft über Kambodiyā an, wenn dieser ihn wieder auf den Thron bringt. Nach einigem Zögern nimmt Napoléon das Angebot an; Norodom kehrt zurück und wird ein Jahr später - nachdem Frankreich Syām zur Herausgabe der Herrscherinsignien gezwungen hat - auf der Spitze französischer Bajonette feierlich zum König gekrönt.


In der Zeitschrift "Le Tour du Monde [Die Weltreise]" erscheint posthum Mouhots Bericht "Reise in die Königreiche Syām, Kambodiyā, Lāos u.a. Teile Indochinas". (Fünf Jahre Später wird er auch in Buchform veröffentlicht.)


1865
Norodom kann einen neuerlichen Aufstand nur mit französischer Militärhilfe nieder schlagen. Die französischen Truppen bleiben danach im Lande.

1867
Syām erkennt das französische Protektorat über Kambodiyā an und erhält im Gegenzug dessen Westprovinzen, u.a. Angkor.
(Von dort kommen bis heute die so genannten "Thai-Nutten". Keine echte Thailänderin würde sich dafür hergeben, den Beruf einer Prostituierten auszuüben - schon gar nicht für Ausländer - das gilt als "Rassenschande".)

1884
Frankreich degradiert "le Cambodge" vom Protektorat zur Kolonie.

1887-1893
Frankreich faßt Cochinchina, Annām, Tonkin (Nordvietnam), Kambodiyā und Lāos zur Kolonie "Union Indochina" zusammen.


1896
Frankreich und England einigen sich über die Unabhängigkeit Syāms als neutrale Pufferzone zwischen ihren asiatischen Kolonien. Im Gegenzug muß Syām die Provinz Angkor an Kambodiyā zurück geben. So schließt sich - kurz bevor sich Mouhots Geburtstag zum 70. Mal jährt - der Kreis.***


*Ihr gestattet doch, liebe Leser, daß Dikigoros das so - richtig - schreibt?!? Die Namen sind indisch, denn als jene Staaten entstanden, war "Indochina" - und darüberhinaus ganz Südostasien, d.h. auch das heutige "Thailand", das heutige "Malaysia" und das heutige "Indonesien" indisch geprägt. Es gibt - außer in den Gehirnen fantasiebegabter westlicher "Wissenschaftler" - kein zweisilbiges Wort "Síam" mit weichem, stimmhaftem "S" am Anfang, betontem, langen "i" und kurzem, unbetonten "a", sondern nur ein einsilbiges Wort mit scharfem, stimmlosem "ß" am Anfang, betontem "ja" in der Mitte und einem "m[a]" - mit stummem, da unbetonten Endungs-a. Dagegen ist das Endungs-a in "Kambodiyā" lang und betont, und vor dem "ja" steht kein Konsonant - weder ein "dsch" wie in Kambodscha noch ein "tsch" wie in "Kamputschea" -, sondern ein Vokal, nämlich ein [kurzes] "i"; das Wort ist also nicht drei-, sondern viersilbig. "Angkor" könnte man auch "Ångkor" oder "Ãkor" schreiben, denn das Anfangs-A wird sehr dunkel - zum offenen "o" hin - gesprochen, und das "n" ist kein Konsonant, sondern zeigt die Nasalierung an. Mouhot selber schrieb es "Ongcor". (Aber Dikigoros will die linguistische Korrektheit nicht auf die Spitze treiben :-)

**Ang Duong gilt rückblickend als besonders tüchtiger König. Mag sein - nach heutigen Maßstäben. Aber zu seiner Zeit kam es darauf nicht in erster Linie an. In den ost- und südostasiatischen Sakral-Monarchien zählte vielmehr die legitime Abstammung, und da war er angreifbar: Er war zwar ein Sohn von König Ang Eng, aber nur von einer syāmesischen Konkubine. Als solcher wurde er zwar von den Syāmesen unterstützt, die 1831 in Kambodiyā einmarschierten; der legitime Thronerbe, sein älterer Halbbruder Ang Chang, behielt jedoch mit Hilfe der Annāmesen die Oberhand - und bis zu seinem Tode 1835 den Thron, auf dem ihm seine Tochter Ang Mei folgte - de facto als Marionette von Annām. 1841 marschierten die Syāmesen wieder in Kambodiyā ein, mit Ang Duong als ihrer eigenen Marionette im Schlepptau. Nach wechselhaften Kämpfen einigten sich Syām und Annām 1845 auf eine gemeinsame "Verwaltung" Kambodiyās, und 1847 durfte sich Ang Duong auf den Thron setzen, aber ohne wirklich zu herrschen. Um die fremde Oberhoheit abzuschütteln, wandte er sich zweimal vergeblich an Frankreich. (Britische Historiker halten ihn verständlicher Weise für weniger tüchtig; sie meinen, daß er besser in England um Schutz nachgesucht hätte - dort wäre ihm ein Protektorat sicher umgehend gewährt worden :-)

***Dikigoros verzichtet darauf, dem weiteren Schicksal der Tempelanlagen - Zerstörung durch die "Roten Khmer", Wiederaufbau mit deutschen Steuergeldern, Erklärung zum "Weltkulturerbe" durch die UNESCO, erneuter Streit zwischen Thailand und Kambodiyā usw. - nachzugehen. Über die neuere Geschichte Kambodiyās schreibt er an anderer Stelle mehr. Hier will er nur noch der guten Ordnung halber erwähnen, daß Mouhot in Frankreich auch lange nach dem Verlust Indochinas nicht vergessen ist. (Dies im Gegensatz zu Ländern wie den USA, dem UK und der BRDDR, deren Forschungsreisende, Entdecker, Pioniere, Archäologen pp. längst der so genannten cancel culture zum Opfer gefallen sind.) Seines 150. Todestages wurde jedenfalls anno 2011 auch amtlicherseits gedacht.

[Angkor Vat Ende des 20. Jahrhunderts] [Ersttagsbrief zu Mouhots 150. Todestag 2011]


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