"Mit mir ist der Humor zu Ende..."

Interview mit Ephraim KISHON

von Ernst Grabovszki (Anzeiger 135/2000, no. 24)

(mit ergänzenden Links von Nikolas Dikigoros)

Herr Kishon, Sie sind Ihren Lesern seit Jahrzehnten als Satiriker bekannt. Haben sich über die Jahrzehnte hinweg die Aufgaben eines Satirikers verändert?

Ich habe nie gefühlt, eine Aufgabe zu haben, in dem Sinn, dass ich die Menschen retten werde. Jeder Mensch hat den Wunsch, sich auszudrücken, um von der Gesellschaft anerkannt zu werden: Er wird Politiker, Journalist, er erschießt seine Frau, egal was. Ich habe in meiner Jugend viel Bitterkeit erlebt. Das war ein zusätzlicher Grund, weshalb ich meine Meinung sagen wollte. In allen Humoresken schreibe ich über menschliche Schwächen: Heuchelei, Lügen.

Wie erklären Sie sich den Erfolg Ihrer Bücher?

Diese Frage wird mir immer wieder gestellt. Mittlerweile antworte ich darauf: weil ich ein verdammt guter Schriftsteller bin. Mein erstes Buch ist vor 40 Jahren erschienen. Man kann die Menschen betrügen, aber nicht über so einen langen Zeitraum - außer in Amerika. Ich erscheine in 37 Sprachen, also irgendetwas muss dran sein.

In Ihrem letzten Buch, "Wer's glaubt, wird selig", geht es um Politik. Wie nähert man sich als Satiriker der Politik an, wenn man so eine schwierige Vergangenheit gehabt hat wie Sie?

Über meine Vergangenheit habe ich in meiner Autobiographie "Nichts zu lachen" berichtet. Ich habe auch über den Untergang der sozialistischen Welt geschrieben. Dieses Buch handelt von der glücklichen, wunderschönen westlichen Demokratie. Da stehen alle heiligen Heucheleien drin. Meine Meinung ist ziemlich mörderisch: Es ist ein Theater! Die Politiker sind die Schauspieler, und wir ihr Publikum. Sie geben nichts zu, wie im echten Theater. Von jemandem, der den König Lear spielt, weiß man, dass er ein Schauspieler ist. Warum nimmt man ihn so ernst? Einmal möchte ich erleben, dass ein Politiker sagt: "Ich bin gegen die soziale Gerechtigkeit!" Den würde ich sofort wählen.

In Ihrem Buch "Picassos süße Rache" haben Sie es auf die moderne Kunst abgesehen. Was gefällt Ihnen an der modernen Kunst nicht?

Was soll mir gefallen? Ich bin diplomierter Bildhauer und habe Kunstgeschichte studiert. Die moderne Kunst ist ein totaler Bluff, nichts! Ich habe das Gefühl, dass mein Intellekt beleidigt wird. Deshalb habe ich mit einem Buch auf dieses Hochstapelei geantwortet.

Haben Sie nie daran gedacht, selbst als bildender Künstler tätig zu werden?

Natürlich. Als ich plötzlich und unerwartet Schriftsteller geworden war, war ich bereits ein anerkannter Relief- und Ziseliermeister. Für meine Arbeiten wurde ich während des stalinistischen Regimes in Ungarn auch ausgezeichnet.

Um noch einmal auf den Erfolg sprechen zu kommen: Sie haben 41 Millionen Bücher verkauft, 31 Millionen davon in deutscher Sprache. Hat das deutschsprachige Publikum eine besondere Affinität zu Ihrer Literatur?

Wahrscheinlich waren es meine ersten Bücher, die Interesse erregten, weil sie von einem israelischen Satiriker stammten, der die Nazizeit überlebt hatte. Heute hat das gar keine Bedeutung mehr. Man liest mich nicht mehr als einen israelischen Autor, sondern eben als den meist gelesenen Satiriker in deutscher Sprache. Der deutsche ist der beste Buchmarkt der Welt, was die Deutschen nicht wissen. Doch der Untergang ist unvermeidlich: Fernsehen, Internet usw. werden dem Buch ein Ende bereiten. Was mich erstaunt, sind die vielen jungen Leute, die meine Bücher lesen. Friedrich Torberg hat sich in meine Bücher verliebt und sie übersetzt. Die erste Aufmerksamkeit meinen Büchern gegenüber habe ich wahrscheinlich ihm zu verdanken. Wichtig waren auch die Taschenbücher, die ein jugendliches Publikum angesprochen haben.

Ist das nicht ein Widerspruch: auf der einen Seite immer mehr Bücher und ein ständig nachwachsendes Publikum, auf der anderen Seite die Prophezeiung vom Ende des Buches?

Internet, Handy, Fernsehen, 40 Kanäle - es ist ein Wunder, dass die Leute noch lesen. Vielleicht wird es das Buch trotzdem weiter geben, aber der Humor wird nicht überleben. Das Fernsehen tötet den Humor. Das Fernsehen standardisiert das Lachen: Jemand kommt herein und sagt: Hello, how are you? und das Publikum beginnt zu lachen. Und dann glauben die Zuseher, dass das mit Humor zu tun hat. Ich glaube, der geschriebene Humor ist mit mir beendet. Das ist kein Witz!


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