Wie ich in Moskau heiratete

Von Klaus Hähnel

Die Hochzeit (Fortsetzung von Teil I)

Der Akt der Eheschließung ging ohne weitere Komplikationen im Palast No 4 vor sich. Trauzeugen sind für eine zivile Trauung in Russland nicht erforderlich; auf Wunsch des Brautpaares können jedoch zwei Zeugen an der Zeremonie beteiligt werden. Es herrschte Hochbetrieb auf dem Standesamt. Hier wurden mehrere Ehen pro Stunde geschlossen. Wenn ein Brautpaar den Trauungssaal betrat, spielte ein kleines Orchester, bestehend aus Klavier, Harfe und Geige, Mendelssohns Hochzeitsmarsch. Die Standesbeamtin hielt eine kurze Ansprache, in der sie auf die Bedeutung der Ehe in der menschlichen Gemeinschaft hinwies, und stellte schließlich die entscheidende Frage, auf die stets dieselbe Antwort gegeben wird.

Mit einer reizenden Russin im Arm und in der Hand eine Heiratsurkunde, auf deren Deckblatt Hammer und Sichel prangten, verließ ich den Eheschließungspalast. Am Abend fand in einem Restaurant der Moskauer Innenstadt für 14 Personen ein Hochzeitssouper im russischen Stil statt. Einige Stunden lang wurde gegessen und getrunken. Es wurden die erlesensten Fisch-und Fleischspeisen sowie sonstige Genüsse aller Art serviert. Kaviar und Sekt gab es mehr als genug. Dieses Gelage stand in einem totalen Kontrast zur allgemeinen Versorgungslage und kostete mich nur etwa 100 Mark. Der Rubel war damals noch nicht konvertierbar und harte Devisen äußerst begehrt und unter der Hand hochdotiert. Das waren noch Zeiten!

Viele zwischen Russen oder Russinnen und Deutschen geschlossene Ehen erweisen sich als brüchig und werden alsbald wieder geschieden, doch die unsere hielt, obwohl sie etwas überstürzt geschlossen wurde, neun Jahre lang recht gut und scheint auch noch weitere Jahre zu halten. Der unterschiedliche kulturelle Hintergrund, die falschen oft idealisierten Vorstellungen der Russen vom Leben im westlichen Ausland, das Selbstbewusstsein der russischen Frauen, die zu Sowjetzeiten so gut wie alle berufstätig waren, das Sprachproblem und vieles andere kann zu Ehekonflikten führen. Ein stets dienstbereites Hausmütterchen, das ohne Murren sich mit allem abfindet und stets zufrieden ist, findet man in Russland schwerlich.

Ich habe mit meiner Wahl, wie mir scheint, Glück gehabt, obwohl viele Russen und auch die russischen Massenmedien der Meinung sind, dass die tugendhaften, bescheidenen und fleißigen Damen aus der russischen Provinz viel bessere und treuere Ehegefährtinnen seien als die verdorbenen, anspruchsvollen und faulen Moskauerinnen. Nach meiner neunjährigen Erfahrung gibt es wohl doch Ausnahmen von dieser Regel. Die kommunistische Mangelwirtschaft ist inzwischen von einer Art Banditen-Kapitalismus ersetzt worden. Heutzutage gibt es in Russland alles zu kaufen. Die Zeiten der Mangelwaren, Bezugscheine, die Spezialläden für Privilegierte und für Devisenausländer sind vorbei. Von der Reißzwecke über die vergoldete Badewanne bis zum Luxus-Eigenheim mit all den Dingen, die dereinst nur mit viel Mühe oder gar nicht aufzutreiben waren, wird heute überall gehandelt. Doch reicher und glücklicher sind die meisten Russen seit dem Zusammenbruch des Kommunismus nicht geworden. Es mangelt nunmehr an einigermaßen gut bezahlter Arbeit. Das heißt an der Möglichkeit, die Mittel zu erwerben, um einen Teil des verlockenden Warenangebots zu konsumieren. Das Überangebot an Waren nützt ja dem, dessen kärgliche Einkünfte kaum für das Allernötigste ausreichen, nichts; es macht ihn höchstens verbittert.

Viele jungen Leute sehen keine Zukunftsperspektiven mehr in ihrem Land und versuchen auf alle Arten, im Ausland Fuß zu fassen. Eine der Arten, ins Ausland zu gelangen, ist eine Heirat mit einem Bewohner bzw. einer Bewohnerin eines Wohstandslandes. Es ist schon ein recht umfangreicher Ost-West-Heiratsmarkt entstanden, auf dem sich allerhand gewiefte Geschäftemacher tummeln. Sogar eine Zeitung mit dem Titel „Heiraten in die Bundesrepublik Deutschland„ mit nützlichen Informationen und Anschriften für junge Russinnen, die sich einen deutschen Mann wünschen, habe ich in Moskau gesehen. Trotzdem entstehen deutsch-russische Ehen natürlich auch heute noch so wie die unsere auf ganz traditionelle und romantische Weise ohne Vermittler und materielle Hintergedanken.


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