"Green Culture": Roths grüne Kultur-Umerziehung

von Martina Binnig (Die Achse des Guten, 17. Oktober 2023)

Anmerkungen und ergänzende Links: Nikolas Dikigoros

"Green Culture in Deutschland voranzubringen, steht ganz oben auf meiner kulturpolitischen Agenda", sagt Kulturstaatsministerin Claudia Roth. Die Kultur wird auf "Klimarettungs"-Kurs gebracht, sowohl inhaltlich, als auch mit einem "Klimabilanzstandard für Kultureinrichtungen". Und es entstand ein interessantes kleines Netzwerk.

Am Mittwoch, dem 11. Oktober 2023, veröffentlichte das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (BPA) eine Pressemitteilung mit dem Titel: "Bund, Länder und Kommunen verabschieden einheitlichen Klimabilanzstandard für Kultureinrichtungen." Darin wird berichtet, dass in einem Spitzengespräch am selben Tag die Staatsministerin für Kultur und Medien Claudia Roth gemeinsam mit den Kulturministerinnen und -ministern, den Kultursenatoren der Länder sowie den Kommunalen Spitzenverbände einen "CO2-Bilanzierungsstandard für Kultureinrichtungen samt zugehörigem CO2-Rechner" beschlossen hat. Mit diesem Rechner können Kultureinrichtungen aller Sparten fortan nach einheitlichen Vorgaben "ihre CO2-Emissionen erfassen, Einsparpotentiale identifizieren und nachhaltige Strategien entwickeln". Dies sei ein wichtiger Schritt für die bundesweite Vergleichbarkeit und Fortentwicklung im Bereich Nachhaltigkeit in Kultureinrichtungen.

Roth hat sich sowieso erklärtermaßen mit Haut und Haaren der "grünen Kultur" verschrieben. So betont sie: "Green Culture in Deutschland voranzubringen, steht ganz oben auf meiner kulturpolitischen Agenda." Und sie fährt fort: "Wir müssen das Leben auf unserem Planeten sichern - und der Kultur kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Nicht nur, indem sie ihren eigenen ökologischen Fußabdruck deutlich reduziert, sondern auch, indem sie mit den Mitteln der Kunst dabei hilft, gesellschaftliche Entwicklungen und Perspektiven in ihrer Komplexität zu reflektieren und sichtbar zu machen. Eine wichtigere und aufregendere Aufgabe kann ich mir gar nicht vorstellen. Allen, die daran engagiert mitwirken, danke ich von Herzen!"

Und auch der Vorsitzende der Kulturministerkonferenz und Minister für Wissenschaft und Kultur in Niedersachsen, Falko Mohrs, sekundiert: "Der Klimaschutz ist eine zentrale gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Kunst, Kultur und Medien können hierfür wichtige Impulse liefern. Auf dem Weg zur ökologischen Transformation der Kultur ist es notwendig, dass auch die Einrichtungen aus Kunst und Kultur ihren CO2-Fußabdruck kennen. Hierzu leistet der Kulturstandard einen wichtigen Beitrag."

Jubelperser der politisch verordneten Kulturtransformation

Sei es unter dem Dach der im September dieses Jahres neu geschaffenen Anlaufstelle Green Culture oder in der Expertengruppe, die den einheitlichen Klimabilanzstandard mitentwickelt hat: Nur allzu bereitwillig machen Kulturschaffende bei der politisch verordneten Kulturtransformation mit. So vermeldet Detlef Grooß aus der Expertengruppe in einer Mehrfachfunktion als Nachhaltigkeitsbeauftragter am Nationaltheater Mannheim, als Vertreter der deutschen Musik- und Orchestervereinigung Unisono sowie als Vorsitzender von Orchester des Wandels e.V.: "Wir begrüßen es sehr, dass sich die Politik der Aufgabe angenommen hat, einen Standard zu schaffen, nach dem alle Kultureinrichtungen ihre Treibhausgasemissionen sinnvoll und vergleichbar erfassen können. Wir haben in der Expertinnen- und Expertengruppe eine Empfehlung erarbeitet, die für alle Sparten eine gute Lösung bietet." Neben den Kulturdachverbänden waren in der Expertengruppe übrigens auch "Fachkundige im Bereich Klimaschutz und Treibhausgasbilanzierung" vertreten.

Die Federführung bei der Entwicklung des CO2-Kulturrechners teilte sich das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg mit der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien Claudia Roth. Darüber hinaus hat die ad hoc-AG "Green Culture" des Kulturausschusses der Kulturministerkonferenz "den Prozess eng begleitet". Noch einmal O-Ton Claudia Roth:

"Mit den Klimabilanzierungsstandards können Kultureinrichtungen künftig die wichtigsten Stellschrauben zur CO2-Einsparung in ihren Betriebsabläufen selbst ermitteln. Durch die einheitlichen Kriterien zur Datenerhebung entsteht erstmals auch eine bundesweite Vergleichbarkeit unter den jeweiligen Klimabilanzen. Dies ist nicht zuletzt ein entscheidender Schritt, um perspektivisch Klimaziele für den gesamten Kultur- und Mediensektor zu setzen und den ökologischen Wandel im Kulturbereich weiter voranzubringen."

"Kultureinrichtungen als Motor der Transformation"

Die übrigen Mitglieder der Expertengruppe waren: Prof. Carl Bergengruen (MFG Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg gGmbH), Dr. Sebastian Brünger (Kulturstiftung des Bundes), Dr. Michael Bilharz (Umweltbundesamt), Dr. Klara Deecke (Verband deutscher Archivarinnen und Archivare), Stefan Eschelbach (Deutscher Bühnenverein), Kai Heitmann (Museum für Kunst und Gewerbe, Projekt Elf zu Null Hamburg), Dr. Andrea Hensel (Stadt Leipzig), Sina Herrmann (Deutscher Museumsbund), Nathalie Klein (KEA Klimaschutz und Energieagentur Baden-Württemberg gGmbH), Franziska Mohaupt (Bundesverband Soziokultur), Juliane Moschell (Stadt Dresden), Dr. Olga Panic-Savanovic (Klimaschutzstiftung Baden-Württemberg), Tim Schumann (Deutscher Bibliotheksverband) sowie Maria Zinser (Bucerius Kunstforum, Projekt Elf zu Null Hamburg). Die fachliche Begleitung erfolgte durch den Treibhausgasbilanzierungsexperten Stefan Schunkert von der in Tübingen ansässigen KlimAktiv gGmbH sowie durch Jacob Bilabel von der Thema1 GmbH. Bilabel betreut gleichzeitig auch das Aktionsnetzwerk Kultur und Medien.

KlimAktiv bietet laut eigener Auskunft CO2-Rechner für Privatpersonen und Unternehmen an sowie Dienstleistungen vom CO2-Fußabdruck bis hin zum CO2-"Handprint" und entwickelt zudem Klimastrategien für Unternehmen und Konzerne zur Klimaneutralität aus eigener Kraft. Thema1 ist ein in Berlin ansässiger "Think-Do-Tank" Bilabels, der bereits seit 2006 existiert und sich auf "die Beschleunigung des Übergangs zu einer Low-Carbon-Gesellschaft" spezialisiert hat. Seine Kernkompetenz ist "das operative Management komplexer Multi-Stakeholder-Prozesse". Das Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit in Kultur und Medien - so lautet der vollständige Namen des in der Pressemitteilung genannten Netzwerks - schließlich, das Bilabel seit Sommer 2020 leitet und das ebenfalls durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) Claudia Roth gefördert wird, setzt sich für "klimaneutrale Kultur und Medien" ein. Auf der Webseite des Netzwerks wird beispielsweise unter dem Titel "Green Deal für die Kultur" das Projekt "Die neuen Klima-Allianzen - Kultureinrichtungen als Motor der Transformation?" vorgestellt. Dazu wird erläutert:

"Der Neubau des Berliner Museums der Moderne wurde umgeplant, das Kulturforum soll ein Wald werden, und nicht nur in Berlin verbünden sich Institutionen und Kulturschaffende zu Klima-Koalitionen. Kommt nun die ökologische Transformation des Kulturbetriebs, und wie genau sieht sie aus? Wie muss die Politik helfen, und welche Rolle kann die Kultur bei der größten gesellschaftlichen Aufgabe der Gegenwart spielen?"

Partner des Netzwerks sind u.a. ARD, Deutscher Bühnenverein, Bundesakademie für Kulturelle Bildung Wolfenbüttel und documenta.

"Das vorherrschende Narrativ der Nachhaltigkeit"

Mit der expliziten Nennung des "Green Deal" wird allerdings klar, dass es dem Netzwerk nicht um sinnvollen Umweltschutz oder um den verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen geht - gegen beides wäre selbstverständlich nichts einzuwenden -, sondern um die Umsetzung des europäischen Grünen Deals, also um das Programm der EU, durch das Europa bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent der Erde sein soll. Dieser Deal fußt auf der wissenschaftlich keineswegs bewiesenen Annahme, dass der menschengemachte Klimawandel die größte Krise der Menschheit überhaupt darstelle, weswegen alle Politikbereiche der Bekämpfung des Klimawandels untergeordnet werden müssten. Der europäische „Green Deal“ gibt sich somit als eine Ideologie zu erkennen, die durchaus totalitäre Züge aufweist, jedoch auch lukrative Geschäftsmöglichkeiten eröffnet – wie etwa die Treibhausgasbilanzierung von Unternehmen und Organisationen. Dabei will vor allem Deutschland eine Vorbildfunktion übernehmen.

So teilt das Aktionsnetzwerk unter dem Menüpunkt "Über uns" mit:

"Deutschland hat sich vorgenommen, bis 2030 den Ausstoß an Klimagasen um 65% zu reduzieren. Erreicht werden diese Ziele nur, wenn ALLE ihren Teil dazu beitragen. Dabei haben beispielhafte Aktionen relevanter kultureller Akteure Vorbildcharakter für die nötige Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen. Hier hat der kulturelle Sektor durch seinen Einfluss auf die öffentliche Wahrnehmung eine große Mitverantwortung bei der Erreichung der vereinbarten CO2- Reduktionsziele. Das vorherrschende Narrativ des Nachhaltigkeit bedeutet Verzicht und Verbot lähmt und verlangsamt dringend notwendige Entwicklungen. Hier gilt es heute mehr denn je, neue Erzählungen und Erlebnisse zu entwickeln, die die gesamte Gesellschaft in diese Generationenaufgabe mit einbeziehen und diese als bewältigbar erfahrbar machen. Der kulturelle Sektor kann dabei eine tragende Rolle spielen."

Daher hat das Netzwerk auch ein Weiterbildungsangebot geschaffen, um "motivierte Akteur:innen dabei zu unterstützen, Transformationsprozesse in Kultur und Medien zu initiieren, durchzuführen und zu begleiten". Und wer wollte sich nicht immer schon einmal zur/zum "Transformationsmanager:in Nachhaltige Kultur" ausbilden lassen?

CO2-Rechner für Kultureinrichtungen

Das Netzwerk führt den CO2-Kulturrechner übrigens ebenfalls als eines seiner Projekte auf. Freundlicherweise stehen sowohl eine dazu erschienene 33 Seiten umfassende Broschüre mit dem Titel "CO2-Bilanzierungsstandard für Kultureinrichtungen in Deutschland" als auch der excelbasierte CO2-Kulturrechner mitsamt einer begleitenden Benutzungsanleitung als kostenloser Download zur Verfügung. In der Broschüre wird dargelegt, dass der CO2-Kulturrechner auf dem sogenannten Greenhouse Gas Protocol ("Treibhausgasprotokoll") basiert. Damit werden nicht nur direkte Emissionen beispielsweise durch die Heizungsanlage gemessen, sondern auch die Anfahrten der Mitarbeiter respektive im Fall von Kultureinrichtungen ebenfalls die Anfahrten des Publikums. Immerhin wird zugestanden, dass "die Reduktion von Besucherinnen und Besuchern oder die Verkürzung der Anreisedistanz" kein sinnvolles Ziel für Kultureinrichtungen darstelle. Allerdings sollen stichprobenartig die genutzten Verkehrsmittel des Publikum erhoben werden, wodurch letztlich eine "Steigerung des Anteils an klimafreundlichen Alternativen zur Anreise" erreicht werden könnte. Die Erstellung einer ersten Klimabilanz sei dabei "ein essenzieller Schritt hin zu einer strategischen Auseinandersetzung mit der großen Herausforderung der Dekarbonisierung".

Der CO2-Rechner für Kultureinrichtungen in Deutschland selbst besteht aus einer 118-seitigen Excel-Arbeitsmappe zum Ausfüllen. Die Anleitung zum CO2-Kulturrechner zählt weitere 36 Seiten. In dieser "Hilfestellung" wünschen das KlimAktiv- und das Thema1-Team "viel Erfolg beim Befüllen des Tools". Als Projektträger des Aktionsnetzwerks Nachhaltigkeit in Kultur und Medien ist das Unternehmen delta1 aufgeführt. Zu diesem Unternehmen ist allerdings kaum etwas herauszufinden. Nur so viel: Die Delta1 gGmbH mit Sitz in Berlin ist im Handelsregister Berlin (Charlottenburg) als gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung eingetragen. Die Firmendatenbank databyte weiß darüber hinaus:

"Derzeit wird das Unternehmen von 1 Managern (1x Geschäftsführer) geführt. Zusätzlich liegen databyte aktuell keine weiteren Ansprechpartner der zweiten Führungsebene und keine sonstigen Ansprechpartner vor. Die Frauenquote im Management liegt aktuell bei 0 Prozent und somit unter dem Bundesdurchschnitt. Derzeit sind databyte keine Shareholder bekannt, die Anteile an der Delta1 gGmbH halten. Die Delta1 gGmbH selbst ist laut aktuellen Informationen von databyte an keinem Unternehmen beteiligt. Das Unternehmen besitzt keine weiteren Standorte in Deutschland und ist in folgenden Branchensegmenten tätig: Beim Deutschen Marken- und Patentamt hat das Unternehmen zur Zeit eine Marke und keine Patente angemeldet. Die Umsatzsteuer-ID ist in den Firmendaten nicht verfügbar."

Der Geschäftsführer, der für die miserable Frauenquote von 0 Prozent in diesem ominösen Unternehmen sorgt, ist übrigens niemand Anderes als Jacob Sylvester Bilabel. Exakt jener Bilabel also, der sowohl die Thema1 GmbH als auch das Aktionsnetzwerk Kultur und Medien betreut und maßgeblich an der "fachlichen Begleitung" des neuen CO2-Kulturrechners von Claudia Roth beteiligt war. Bilabel gründetet bereits im Jahr 2009 die paneuropäische Green Music Initiative (GMI), eine "unabhängige, branchenübergreifende Denkfabrik, die als Forschungs- und Innovationsagentur für den Musik- und Entertainmentsektor europäische Netzwerkprojekte plant, begleitet und umsetzt". GMI agierte in mehreren Europäischen Forschungsprojekten als Projektsteuerer und Konsortialpartner - darunter befindet sich auch Horizon 2020, das EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation.

Wiederverwertbare Textbausteine

Bilabels Vita auf der Webseite des Aktionsnetzwerks ist zu entnehmen, dass er zunächst im Management von Universal Music, Europas größter Musik- und Entertainmentholding, tätig war. Danach entwickelte er für MySpace USA das Deutschlandgeschäft, und seit 2016 ist er nun Geschäftsführer des gemeinnützigen Projektträgers Delta1 in Berlin. Außerdem ist er Mitglied des Ausschusses für die Kreativwirtschaft der IHK Berlin, berufener Experte des Kompetenzzentrums Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes und hielt Lehraufträge u.a. an der Popakademie Baden-Württemberg. Bilabel ist Co-Autor des internationalen ISO 2012-1 Standards für Nachhaltiges Event Management und hat diverse Leitfäden für eine Grüne Kreativwirtschaft verfasst. 2018 wurde er Teil eines Europäischen Forschungskonsortiums, das Wasserstoff-Brennstoffzellen für Festivals und Veranstaltungen entwickelt und produziert. Kurzum: ein wahrer Hansdampf in allen Gassen.

Wobei das mit "in allen Gassen" so nicht ganz stimmt: Denn sowohl für Thema1 als auch für Delta1 als auch für die Green Music Initiative als auch für Green Culture als auch für das Aktionsnetzwerk ist eine einzige Adresse Bilabels angegeben, nämlich in der Torstrasse in Berlin. Bilabel ist also eher ein Hansdampf in nur einer Gasse. Auf der Webseite der 2009 gegründeten Green Music Inititaive finden sich übrigens Worthülsen wieder, die Bilabel auch für das Aktionsnetzwerk verwendet. So ist bei der Green Music Inititaive zu lesen:

"Deutschland hat sich vorgenommen, bis 2020 den Ausstoß an Klimagasen um 30% zu reduzieren. Erreicht werden diese Ziele nur, wenn ALLE ihren Teil dazu beitragen. Dabei haben beispielhafte Aktionen relevanter Akteure Vorbildcharakter für die nötige Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen. Hier hat die Musikbranche durch ihren Einfluss auf die öffentliche Wahrnehmung eine große Mitverantwortung bei der Erreichung der vereinbarten CO2-Reduktionsziele."

Auf der aktuellen Webseite des Aktionsnetzwerks klingt das fast austauschbar (s. auch oben):

"Deutschland hat sich vorgenommen, bis 2030 den Ausstoß an Klimagasen um 65% zu reduzieren. Erreicht werden diese Ziele nur, wenn ALLE ihren Teil dazu beitragen. Dabei haben beispielhafte Aktionen relevanter kultureller Akteure Vorbildcharakter für die nötige Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen. Hier hat der kulturelle Sektor durch seinen Einfluss auf die öffentliche Wahrnehmung eine große Mitverantwortung bei der Erreichung der vereinbarten CO2-Reduktionsziele."

Bilabel musste also nur wenige Zahlen und Begriffe austauschen, um seinen Text von 2009 wiederverwerten zu können. Das ist natürlich auch eine Form von Nachhaltigkeit. In einem auf der Webseite der Green Music Initiative eingestellten Video bezeichnet sich Bilabel übrigens selbst als Greenpeace-Mitglied.

Nun ist Vettern- und Günstlingswirtschaft nichts Neues, doch es ist schon auffällig, wie sich Bilabel durch Fördergelder auf Bundes- wie EU-Ebene seine geschäftlichen und ideologischen Interessen finanzieren lässt. Stephan Schunkert von KlimAktiv, also der zweiten Firma, die "als fachliche Begleitung" an der Erstellung des CO2-Kulturrechners beteiligt war, arbeitet da augenscheinlich seriöser. Wenngleich vermutlich nicht weniger geschäftstüchtig. Schunkert gilt als Pionier im Bereich der CO2-Bilanzierung und war Gründer und Betreiber der Webplattform CO2-Handel.de. Die Mission seines aktuellen Unternehmens KlimAktiv, das er schon 2008 als gemeinnützige Gesellschaft ins Leben rief, lautet: "Null Emission. Auf dem Weg dorthin reduzieren wir Emissionen und kompensieren nicht vermeidbare Emissionen." KlimAktiv ist Partner für Unternehmen, NGOs, Kommunen und anderen Organisationen und bietet "Klimaschutz aus einer Hand". Dabei agiert das Unternehmen zweiteilig: Die KlimAktiv gemeinnützige Gesellschaft zur Förderung des Klimaschutzes offeriert individualisierte Systeme zur Erfassung und Reduzierung des CO2-Fußabdruckes. Die KlimAktiv Consulting GmbH ergänzt diese dann um passende Dienstleistungen.

Eine neue Anlaufstelle

Schon 2016 war Schunkert klar, was die im Dezember 2015 gefassten Beschlüsse der UN-Klimakonferenz von Paris tatsächlich bedeuteten. Im "Schwäbischen Tagblatt" vom 21. August 2016 gab er zu bedenken: Um bis zum Jahr 2060 die Treibhausgas-Emissionen in der ganzen Welt komplett auf Null zurückzufahren, brauche es eine grundlegende Transformation der Wirtschaft und Gesellschaft. Diese Transformation werde jeden betreffen: jeden Staat, jede Institution, jedes Unternehmen, jeden einzelnen Menschen. Schon vor Paris hatte das Öko-Institut in verschiedenen Szenarien für das Bundesumweltministerium durchgespielt, wie der CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2050 um 80, 90 oder 95% gegenüber 1990 gesenkt werden könnte. Heraus kam laut Schunkert, dass "jeder Bürger dann nur noch eine Tonne CO2 im Jahr verbrauchen darf". 2016 waren es knapp zwölf im Schnitt. Um auf eine Tonne zu kommen, müsse nicht nur der Energieverbrauch im Verkehr, beim Heizen und der Stromerzeugung komplett auf erneuerbar umgestellt werden. Das Öko-Institut forderte auch Veränderungen, die deutliche Auswirkungen auf den Komfort jedes Menschen hätten. So müsste beispielsweise die durchschnittliche Raumtemperatur um ein Grad auf 19 Grad abgesenkt oder die beheizte Fläche reduziert werden.

Abschließend soll noch ein näherer Blick auf die Institution geworfen werden, die die Kulturpolitik in Deutschland offenbar nach dem Willen Claudia Roths künftig besonders prägen soll und die nun von Jacob Sylvester Bilabel geleitet wird: die "Anlaufstelle Green Culture". Diese neue Institution wurde von der Staatsministerin für Kultur und Medien am 29. September eröffnet, also nur wenige Tage, bevor der CO2-Kulturrechner vorgestellt wurde. Mit der Anlaufstelle Green Culture möchte der Bund „die Entwicklung hin zu klimaschonenderen Betriebs- und Produktionsabläufen in Kultur und Medien vorantreiben“. Außerdem erfährt man, dass die neu geschaffene Anlaufstelle auf dem vom Bund geförderten "Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit in Kultur und Medien" aufbaut und dessen Angebot systematisch für den gesamten Kultur- und Medienbereich erweitert. Und es ist zu lesen: "Sie wird verantwortet von der Delta1 gGmbH und unterstützt vom Deutschen Kulturrat, der dem Projekt als strategischer Partner zur Seite steht." Gefördert wird sie von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie vom "Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit in Kultur und Medien" selbst. Alte Bekannte also. In der offiziellen Pressemitteilung wird Jacob Sylvester Bilabel wie folgt zitiert:

"Die Anlaufstelle wird Kunst, Kultur und Medien und den sie produzierenden Menschen jetzt ganz praktische und einfach umzusetzende Angebote machen, wie sie auf die Herausforderungen der Zukunft reagieren und diese schon heute proaktiv adressieren können. Dies natürlich in enger Zusammenarbeit mit bestehenden Initiativen, Netzwerken und Angeboten, weil Transformation eben ein Team-Sport ist. Nur zusammen werden wir diese großen Ziele erreichen, dann aber umso besser."

Auch auf der Webseite der Anlaufstelle lachen einem als erste Claudia Roth und gleich danach Jacob Sylvester Bilabel entgegen. Hier wird Bilabel die optimistische Aussage in den Mund gelegt:

"Eine klimaverträgliche und damit zukunftsfähige Kultur- und Medienlandschaft ist nicht weniger schön, aufregend oder breit im Angebot. Im Gegenteil: Schon heute können wir mit viel Kreativität und Phantasie gemeinsam all die Experimente, Innovationen und Möglichkeiten erproben, die uns als Gesellschaft auf dem Weg in eine klimaneutrale Zukunft begleiten werden. Kreativität und Phantasie werden so zu paradoxen Ressourcen: je mehr wir sie nutzen, desto mehr haben wir am Ende von ihnen."

Aber auch etwa Dr. Eva Kraus als Intendantin und Oliver Hölken als Kaufmännischer Geschäftsführer der Bundeskunsthalle in Bonn sind zu sehen und werden zitiert mit:

"Nachhaltigkeit ist eines der zentralen Themen und eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Angesichts der Klimakrise ist es unsere Aufgabe die Arbeit der Bundeskunsthalle nachhaltiger zu gestalten und Wege aufzuzeigen, wie wir mit Ressourcen besser umgehen können. Als internationales Ausstellungshaus ist unser ökologischer Fußabdruck alarmierend groß und deshalb ist es essenziell, nach Wegen zu suchen, ihn zu reduzieren. Es ist die Summe aller 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen, die unsere Welt besser machen. Wir sind entschlossen, unseren Teil dazu beizutragen."

Kompetenz in "Klimakatastrophenkommunikation"

Da sind sie wieder: Die 2015 von den Vereinten Nationen verabschiedeten 17 Ziele der Agenda 2030, durch die die Welt um jeden Preis zu einer Art Paradies transformiert werden soll. Es ist immer derselbe Hintergrund: Vorgaben, die auf UN-Ebene erstellt worden sind wie im Pariser Klimaabkommen oder in der Agenda 2030, werden über entsprechende Verordnungen und Richtlinien auf EU-Ebene bis in die kleinste Kommune und Firma der EU-Mitgliedstaaten transportiert, wo sie mitunter sogar noch auf vorauseilenden Gehorsam stoßen. Dieser Prozess dauert zwar einige Jahre, läuft aber, wenn er erst einmal in Gang gesetzt worden ist, geradezu wie automatisiert ab. Profiteur ist, wer die Zeichen der Zeit erkennt und ein Geschäftsmodell daraus entwickelt - so wie eben Schunkert oder Bilabel.

In der Selbstbeschreibung der Anlaufstelle heißt es weiter:

"Die zentrale Anlaufstelle Green Culture vermittelt einen aktuellen Überblick über Aktivitäten zur ökologischen und klimagerechten Transformation. Sie bietet Kompetenzen, Wissen, Daten, Beratung sowie Ressourcen an und soll Kultureinrichtungen in Deutschland dabei helfen, das Ziel der Klimaneutralität spätestens bis 2045 zu erreichen."

Das "spartenübergreifende Kompetenzzentrum" werde in einem partizipativen Prozess mit Akteuren aus Kultur, Politik sowie der Zivilgesellschaft aufgebaut und stetig weiterentwickelt. Und dann stolpert man über folgende Sätze, die man doch schon mal irgendwo gelesen hat:

"Deutschland hat sich vorgenommen, bis 2030 den Ausstoß an Treibhausgasen um 65% zu reduzieren. Erreicht werden diese Ziele nur, wenn ALLE ihren Teil dazu beitragen. Dabei haben beispielhafte Aktionen Vorbildcharakter für die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen. Bei der Erreichung von Klimaschutzzielen hat der kulturelle Sektor eine große Mitverantwortung, da er öffentliche Sichtbarkeit und Foren für gesellschaftliche Debatten schafft."

Kein Zweifel: Jacob Sylvester Bilabel ist ein wahrer Recycling-Meister!

Etwas irritierend wirkt der Menüpunkt "Neuigkeiten", da hier u.a. Termine aus dem Jahr 2022 aufgeführt sind wie etwa der digitale Thementag "ZEIT für Klima" vom 14. November 2022, der von der der ZEIT Verlagsgruppe angeboten wurde. Erstaunlich für eine Anlaufstelle, die erst seit September 2023 existiert. Vielleicht kommen die Akteure tatsächlich selbst schon durcheinander, zumal es noch dazu gewisse Überschneidungen mit dem bestehenden "Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes" gibt, in dem Bilabel ebenfalls als "Fellow" mitmischt. Dieses Kompetenzzentrum ist schon seit Herbst 2009 Teil der Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung, die wiederum vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz sowie der Staatsministerin für Kultur und Medien koordiniert wird. Gemeinsam haben das Kompetenzzentrum und die Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft beispielsweise ein Themendossier "Förderung der Kultur- und Kreativwirtschaft in der EU" herausgegeben, in dem die EU-Programme der Förderperiode 2021 bis 2027 analysiert werden. Auch einen Bericht über das "Creative Lab Zukunft Klima" zur "Klimakatastrophenkommunikation" haben sie veröffentlicht.

Formulierungen wie "Klimakatastrophenkommunikation" machen deutlich, dass es bei der "ökologischen Transformation der Kultur" nicht nur um den konkreten CO2-Fußabdruck von Kultureinrichtungen geht, sondern dass der "kulturelle Sektor" dazu genutzt werden soll, die Erreichung der Klimaschutzziele politisch durchzusetzen. Und die Kultureinrichtungen lassen sich nur allzu gerne vor diesen Karren spannen.


LESERPOST
(ausgewählt und z.T. leicht gekürzt von Dikigoros)

Zdenek Wagner (17.10.2023)
Wenn dieser grüne Heißluftballon endlich platzen würde, DAS wäre fürwahr eine Wohltat fürs Klima!

Ulrich Jorczik (17.10.2023)
Wenn man jeweils "Transformation" durch "Deformation" ersetzt, stimmen die Aussagen.

Gerhard Schweickhardt (17.10.2023)
[...] Man kann hundert mal den Widerspruch der Nachhaltigkeit zu den Klimaschutzmaßnahmen benennen, es bleibt beim Klima-glauben der CO2-Reduktion auf Teufel komm raus.
Windkraft mit 300 Tonnen Beton und 200 Tonnen Stahl mit elektrischen Generatoren mit Seltenen Erden und Schutzgas ist nicht nachhaltig, sogar Umwelt Schädlich. Aktuell im Reinhardtwald werden 120.000 Bäume wegen 20 WKA gefällt [...]
Ich weiss nicht, von welchen Teufel die geritten werden.
Und der Michel wählt immer noch mit gut 10% die Wald- und Gesellschaftszerstörer.

F. Hoffmann (17.10.2023)
[...] Die Grünen müssen weg von der Macht!


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