Goethes »Prometheus« und unsere Kandidaten

Eine Infragestellung von Machtlegitimation

von Dushan Wegner (19. Februar 2024)

Anmerkungen und ergänzende Links: Nikolas Dikigoros

Was genau berechtigt die Mächtigen, über unsere Häuser zu bestimmen? Leute, denen man nicht genug trauen würde, um ihnen ein Handy abzukaufen, zerstören die Lebensleistung von Generationen – und fühlen sich moralisch legitimiert. Wie?!

Ich weiß nicht, wann ihr das letzte Mal einen richtigen Fisch gegessen habt. So einen richtigen Fisch, mit Haut und Gräten. Vor allem mit Gräten, vielen kleinen knöchernen Skelettteilen. So eine Gräte kann einem auf störendste Weise in den Zähnen quersitzen. Und wenn man wirklich Pech hat, sogar im Hals! Stellt ihr euch jetzt diese störende Gräte vor? Kratzt euch eure eigene Vorstellung im Hals? Gut. Dann wisst ihr, wie es mir ergeht mit einer bestimmten Zeile in Goethes »Prometheus«. Mit »Prometheus« meine ich hier das Gedicht, das eigentlich eine »Ode« oder »Hymne« ist. »Prometheus« wurde irgendwann um 1773 verfasst. Ich werde das Gedicht gleich vollständig zitieren. Doch lasst mich zunächst etwas Kontext geben – und die eine Gräte benennen!

Faustschütteln gegen den Götterhimmel

Dieser »Prometheus« ist Sturm und Drang. Auflehnung gegen Autoritäten. Eine Rebellion, die »politisch« zu nennen viel zu kurz greifen würde – und wohl auch etwas naiv wäre. Goethe verfasste den Prometheus etwa zur gleichen Zeit wie den derben Götz und den jungen Werther. Und er arbeitete als Advokat. Er studierte die Klassiker und tanzte in Gesellschaften. Später sollte er Minister in Weimar werden. Seine Rebellion gegen die Autoritäten war eher eine »innere«, was in seinem (!) genialischen Fall eine umso größere Rebellion war. Dieser Prometheus ist ein pompöses Faustschütteln gegen einen antiken, mythischen Götterhimmel. Es soll uns Nachgeborenen freistehen, selbst einzutragen, wer heute der Zeus sein soll, dem wir frech ins göttliche Angesicht schleudern, er möge seinen Himmel bedecken. Der eine Satz des Prometheus, diese eine Gräte, die mir seit Jahren quer sitzt, lautet aber: »Musst mir meine Erde doch lassen stehn – und meine Hütte, die du nicht gebaut«. Vor allem der Nachsatz, diese unglaubliche Ergänzung: »meine Hütte, die du nicht gebaut«.

Göttlichkeit mit beschränktem Einfluss

Wenn Goethe dem Göttervater Zeus zuruft, er müsse doch die Erde stehen lassen, dann ist das logisch. Bill Gates und Klaus Schwab brauchen uns, um jemanden zu haben, über den sie herrschen können. Ähnlich braucht Zeus den Olymp und der Olymp steht nun einmal auf der Erde. Wenn Zeus Zeus bleiben will, muss er zu diesem Zweck die Erde nun mal stehen lassen.
Das mit der Hütte ist aber – seien wir ehrlich – illusorisch. Nur weil Zeus die Erde insgesamt stehen lassen muss, muss er noch lange nicht deine konkrete, einzelne Hütte stehen lassen. Goethe beschreibt die Grausamkeit der Autorität, indem er offen unsinnig die logische Unmöglichkeit solcher Grausamkeit behauptet.
Und dann folgt schließlich jene meine Gräte: »… die du nicht gebaut«. – Autsch! Das pikt mich. Goethe stellt fest, dass Zeus Goethes Hütte »nicht gebaut« hat.
Was will uns der Dichter damit sagen? Kindische Frage! Die erwachsene Frage ist, was dieser Text mir und uns sagt – warum diese Gräte in meinem Hals sitzt.
Ich lese »die du nicht gebaut« als Infragestellung von Machtlegitimation.

Genug, ein Land zu zerstören?

Womit ist es gerechtfertigt – moralisch, menschlich und ethisch –, dass Mächtige sich – (nicht nur) metaphorisch gesprochen – unserer Häuser bemächtigen, die sie nicht bauten? Womit ist es gerechtfertigt, dass Parteibuchritter die Lebensleistung von Generationen zerstören dürfen? Das Lebenswerk von Millionen ehrlicher Arbeiter, geduldiger Lehrer, kluger Unternehmer und anständiger Bürger wird kaputtgemacht von Figuren mit plagiierten Doktorarbeiten und zusammenkopierten Büchern.
Selbst wenn sie auf irgendeiner Landesliste standen und so »demokratisch« gewählt wurden: Ist das schon Legitimation genug, ein Land zu zerstören?

[Die müssen sterben, wenn wir leben wollen]
"Demokraten" heute: Figuren mit plagiierten Doktorarbeiten und zusammenkopierten Büchern

Ach, es ist so viel im Prometheus! Aber »meine Hütte, die du nicht gebaut« ist die Gräte, die mir im Hals steckt, die mich kratzt und aufregt.

Hier kommt der Fisch!

Und damit diese Gräte ab heute auch euch im Hals steckt, euch kratzt und aufregt, trage ich jetzt und hier den Prometheus vor!

Bedecke deinen Himmel, Zeus,
Mit Wolkendunst,
Und übe, dem Knaben gleich,
Der Disteln köpft,
an Eichen dich und Bergeshöhn!

Muß mir meine Erde doch lassen stehn,
und meine Hütte, die du nicht gebaut,
und meinen Herd, um dessen Glut du mich beneidest.

Ich kenne nichts Ärmeres unter der Sonn' als euch, Götter!
Ihr nähret kümmerlich von Opfersteuern und Gebetshauch eure Majestät,
und darbtet, wären nicht Kinder und Bettler hoffnungsvolle Toren.

Da ich ein Kind war,
Nicht wusste wo aus noch ein,
Kehrt' ich mein verirrtes Auge
Zur Sonne, als wenn drüber wär'
Ein Ohr, zu hören meine Klage,
Ein Herz, wie mein's,
Sich des Bedrängten zu erbarmen.

Wer half mir wider der Titanen Übermut?
Wer rettete vom Tode mich, von Sklaverei?
Hast du nicht alles selbst vollendet, heilig glühend Herz?
Und glühtest jung und gut, betrogen, Rettungsdank
dem Schlafenden da droben?

Ich dich ehren? Wofür?
Hast du die Schmerzen gelindert je des Beladenen?
Hast du die Tränen gestillet je des Geängsteten?
Hat nicht mich zum Manne geschmiedet die allmächtige Zeit
und das ewige Schicksal, meine Herrn und deine?

Wähntest du etwa, ich sollte das Leben hassen,
in Wüsten fliehen,
weil nicht alle Blütenträume reiften?

Hier sitz' ich, forme Menschen nach meinem Bilde,
ein Geschlecht, das mir gleich sei,
Zu leiden, zu weinen, zu genießen und zu freuen sich,
und dein nicht zu achten - wie ich!

Es erwärmt mein Herz, wenn diese Zeilen des Meisters euch so viel Freude bereiten wie mir. Was immer ihr auch tut, tut es in Liebe!
Und vergesst nicht: Die Glut im Herd in der selbstgebauten Hütte muss ganz praktisch befeuert werden. Und damit eine Gräte sich festsetzen kann, braucht es erst einmal einen Fisch!

(Anm.: Dikigoros - der nie ein großer Goethe-fan war - zieht den Hut vor D.W., der ihm die brennende Aktualität dieses alten Gedichts erschlossen hat. Danke, Dushan!)


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