"Demokraten" - Darsteller

Wer die Demokratie wirklich rettet

von Roger Letsch (Die Achse des Guten, 07. März 2024)

Bilder, Anmerkungen und Links: Nikolas Dikigoros

Demokraten-Darsteller versuchen, die Demokratie mit undemokratischen Mitteln zu retten. Doch Gerichte und Institutionen wachen langsam auf - vom Supreme Court in USA bis zum Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages.

Wie sich Gesten gleichen! Auf beiden Seiten des Atlantiks wurde von wackeligen Regierungen hinter dem Zenit ihrer Amtszeit und mäßigen Aussichten auf Wiederwahl die Demokratie für in Gefahr erklärt. Deshalb muss die Demokratie nun in Deutschland, Kanada und den USA rasch in Sicherheit gebracht werden und sich unter dem Schutz beherzter Demokraten davon erholen, missbraucht zu werden. Was man jetzt brauche, sei eine Art Moratorium, eine Atempause, eine kurze Schutzhaft für die Demokratie. Und natürlich Platzverweise für jene, die das Versprechen auf Teilhabe am Ideenwettbewerb etwas zu wörtlich genommen haben.

Wie sich die Mittel gleichen: Da Appelle und Drohungen wenig bis nichts brachten, weil die Menschen längst das Vertrauen in die lauteren Absichten derer verloren haben, die pausenlos die Machtfrage stellen, werden nun die jeweiligen Rechtssysteme mit den Blutgrätschen beauftragt. In Kanada zog man den "Online-Harms-Act" aus dem Hut, der es der Regierung erlaubt, ein anonymisiertes Denunzierungssystem für "Wortverbrechen" zu betreiben. Mit Belohnungen für die Denunzianten und Strafen für die Denunzierten, die von saftigen Geldbeträgen bis zu lebenslanger Haft reichen.

[J. Wasserloch - Kanadas King of Cannabis]

Ergänzt wird diese zu allem bereite Schnüffelei durch eine präemptive Komponente, durch die es den Richtern erlaubt sein soll, "Wortverbrechen" bereits zu ahnden, bevor sie begangen werden. Die Pre-Crime-Division aus "Minority Report" lässt schön grüßen. In Deutschland ist mit dem "Demokratiefördergesetz" bekanntlich Vergleichbares geplant, denn wenn Paus und Faeser (sie leben hoch, hoch, hoch!) nach "Hassverbrechen unterhalb der Strafbarkeitsgrenze" fahnden wollen, ist ja streng genommen auch noch nichts Ermittelnswertes passiert.

In den USA hinkt die Legislative dem Zeitgeist noch etwas hinterher, weil man dort glaubte, nicht gleich an die Wurzel des Übels - also den Wähler - heran zu müssen und es zunächst mit der Einschränkung des Handlungsspielraums der Wähler versucht. Es könne ja nicht sein, dass man die Wähler einfach so wählen lässt, was sie wollen! Da braucht es Anleitung und Vorauswahl wie im Iran, wo ein weiser Wächterrat aus erprobten Autokraten den Daumen über Kandidaten hebt oder senkt.

In Illinois fühlte sich ein Richter berufen, über die Wählbarkeit von Donald Trump zu entscheiden und strich ihn kurzerhand vom Wahlzettel. Das Urteilsvermögen hierfür muss er sich in den Verkehrsrechtsfällen erworben haben, über die er bislang in seiner Karriere den Vorsitz hatte. In Maine, wo das Gleiche geschah, war die federführende Staatssekretärin Shenna Bellows noch nicht einmal Juristin, aber Macht- und Legitimitätsfragen werden bekanntlich seltener von Kompetenz als von Anmaßung und der "guten Sache" getragen. Einige andere Bundesstaaten planten Vergleichbares, wobei der Fall in Colorado der erste seiner Art und damit am weitesten fortgeschritten war.

Alles gleicht sich!

Wie sich die Ergebnisse gleichen! Einen Tag vor dem "Super-Tuesday", dem [vor]entscheidenden Tag in den Vorwahlen zur Präsidentschaft, urteilte der Supreme Court in einem an Eindeutigkeit nicht zu übertreffenden 9:0, dass es den Einzelstaaten nicht zusteht, auf diese Weise in eine Wahl auf Bundesebene einzugreifen, zumal dem Versuch, Trump von den Wahlzetteln zu streichen, nicht einmal eine rechtskräftige Verurteilung wegen all der Ungeheuerlichkeiten vorausging, die man Trump zur Last legen wollte. "Aber all die Prozesse gegen ihn...!" wird der eine oder andere Leser jetzt vielleicht einwenden. Doch erstens ist an dieser Front nichts entschieden, und zweitens ist bei all den Anklagen gegen Trump nicht eine dabei, die ihn am Ende als Anführer des "Aufstandes" vom 6.1.2021 würde dastehen lassen.

Alles, was sie darüber womöglich zu wissen glauben, liebe Leser, stapelt sich in ihrem Kopf dank der unermüdlichen und immer gleichen Interpretation beflissener Medien. Drittens - und das mit großem Unterhaltungswert - schwimmen sämtlichen Anklagen langsam die Felle davon. Sei es in Washington, wo zum Entsetzen der Journaille der Supreme Court Trumps Anhörung zu der Frage gestattete, ob seine Handlungen als Präsident nicht ohnehin Immunität genössen, sei es in Georgia, wo die Bezirksstaatsanwältin und selbsternannte Trumpjägerin Fanny Willis wegen Falschaussagen unter Eid, Vorteilsnahme, Vetternwirtschaft und womöglich Zeugenbeeinflussung gerade Mühe hat, nicht am Ende selbst dort zu landen, wohin sie eigentlich Trump gern brächte: hinter Gittern. Auch tickt die Uhr nun für Trump, der trotz der empörten Kommentare der Medien partout nicht auf seiner raschen Aburteilung besteht. How dare he!

Wie sich die Reaktionen gleichen! In schöner Regelmäßigkeit entscheiden Gerichte oder Fachinstanzen, dass die medial angeheizten Demokratierettungsmanöver im verwirrten Westen so gar nicht mit den Regeln der Demokratie vereinbar sind. In Deutschland etwa befand ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, dass das Paus-Faeser'sche Demokratiefördergesetz die Regeln unseres Föderalismus verletzt. In den USA beendete wie erwähnt der Oberste Gerichtshof das Treiben politisch ambitionierter Viertelfürsten, die die Verfassung auf sehr eigenwillige Weise auslegen wollten. Auch ob man in Kanada "Pre-Crime" und "Wortverbrechen" durchziehen wird, ist offen. Obwohl ich da wenig optimistisch bin angesichts des Umgangs der kanadischen Regierung mit den Protesten der Trucker in 2022.

Es zählt die gute Absicht und die Parteizugehörigkeit

Das alles bedeutet leider nicht, dass die Versuche aufhören, die Demokratie zu retten, indem man sie verhindert. Hat der Supreme Court in den USA nicht gerade den Weg gezeigt, wie man Trump am Ende doch noch daran hindern kann, wieder ins Amt des Präsidenten zu gelangen? Ist in der Begründung der Richter nicht die Rede davon, dass es Aufgabe des Kongresses in Washington sei, zu bestimmen, wer als Putschist zu gelten hat und damit als Präsident amtsunfähig ist?

Das dachte sich auch Jamie Raskin, Kongressabgeordneter der Dems für Maryland, und ventilierte nach der Entscheidung des Supreme Court sogleich einen neuen Plan. Offenbar geht er davon aus, dass die Wahl Trumps nicht mehr zu verhindern sei, doch wenn sich alles gut füge, gewinnt seine Partei ja vielleicht die Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses. Und weil die Abgeordneten dort bereits am 1. Januar 2025 ihr Amt antreten und der neue Präsident erst am 20. Januar, blieben den Rettern der Demokratie ganze 19 Tage, um ein Gesetz zu machen, welches den Amtsantritt Trumps trotz seiner Wahl in letzter Sekunde doch noch verhindern würde.

Ein Votum delegitimieren, eine Niederlage nicht akzeptieren und dann konspirieren - war es nicht genau das, was man Trump immer vorwarf? Schweig still, republikanisches Herz! Es kommt eben nicht auf die Tat an, sondern auf die gute Absicht und die Parteizugehörigkeit des Täters! Das wusste schon Ulbricht, als er sagte: „Genossen, es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand behalten.“ Raskin hat das verstanden und verinnerlicht: Erst wenn der Wille der Wähler ignoriert wird und die tradierten Verfahren in Trümmern liegen, wenn die Demokratie ausgestopft, alarmgesichert und von Parteisoldaten bewacht in einer Museumsvitrine liegt, erst dann ist sie gerettet.


Roger Letsch, Baujahr 1967, aufgewachsen in Sachsen-Anhalt, als dieses noch in der DDR lag und nicht so hieß. Lebt in der Nähe von und arbeitet in Hannover als Webdesigner, Fotograf und Texter. Sortiert seine Gedanken in der Öffentlichkeit auf seinem Blog unbesorgt.de.


LESERPOST
(ausgewählt und z.T. leicht gekürzt von Dikigoros)

Thomas Taterka (07.03.2024)
[...] Amerika ist dort, aber HIER IST HIER. Und hier ist die Bude rappelvoll mit hausgemachten Problemen. Oder etwa nicht? (Anm. Dikigoros: Ja, aber... sind das nicht vielfach die gleichen?)

Thomas Eisinger (07.03.2024)
Demokratie ist, wenn zwei Füchse und ein Hase abstimmen, was es zum Essen gibt. (Anm. Dikigoros: Im Original lautet das - von dem rhodesischen Politiker Ian Smith stammende - Zitat: "Demokratie [...] ist, wenn drei Löwen und eine Antilope über das Abendessen abstimmen.") Rechtsstaat ist, wenn der Hase die Abstimmung überlebt. Soll heißen, dass es stets zur Demokratie auch ein funktionierendes Rechtssystem braucht. In den USA hat sich der Begriff "lawfare" eingebürgert, abgeleitet von von "warfare" (Kriegsführung), also Krieg mit Hilfe des Rechtssystems. Der Missbrauch des Rechtssystems durch die an der Macht befindlichen Personen und Parteien, um sich eben diese Macht zu sichern, ist eine höchst bedrohliche Entwicklung. Denn damit würde der Hase die Abstimmung nicht überleben. Diese Gefahr droht Trump, allen "rechten" Parteien und anderen Oppositionellen (Assange!) oder mutigen Freiheitskämpfern.

j. heini (07.03.2024)
Supreme Court in einem an Eindeutigkeit nicht zu übertreffenden 9:0! Wäre noch interessant zu wiederholen, wieviele der Richter von Demokraten eingesetzt wurden. (Anm. Dikigoros: 4 von 5. Aber so einfach ist das nicht, denn diese 4 haben nicht das "obiter dictum" mitgetragen, wonach alle ähnlichen Urteile aus irgendwelchen Bundesstaaten ebenso zu beurteilen wären. Die 9:0-Entscheidung ist ja nicht aus materiellen, sondern aus rein formalen Gründen ergangen: Ein Bundesstaat darf nicht in die nationalen Präsidentschafts[vor]wahlen eingreifen.) [...]

Samuel Roesen (07.03.2024)
In Amerika regiert schon seit mehr als 100 Jahren der alte europäische Finanzadel. Das Volk wird ausgebeutet, mit Laborviren gepeinigt und in sinnlose Kriege verwickelt. Warum? Weil es dort nur eine Partei gibt. Die des Großkapitals. Und egal was die Menschen wollen, ob Frieden oder eine Mauer zur mexikanischen Grenze. Es ist den Eliten komplett egal. Denen geht's nur um Macht und Geld um Hegenomie und Sklavenhaltung. Ob Donald Trump da viel zu ändern vermag, wage ich zu bezweifeln. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob er den Wahlkampf überlebt.

Karl Emagne (07.03.2024)
Mit Biden könnte das Original ausgestopft in der Vitrine liegen, während das Double durch Pressekonferenzen stolpert. Und Trump war auch nicht gerade ein besonders effizienter Präsident. Die Stellung der USA als Hegemon, die Demokratie oder vielleicht wir alle im "Wertewesten" müssen bald ins Museum.

Martin Müller (07.03.2024)
[...] Den Linksgrünen geht es um eine Gesinnungsdemokratie, nicht um eine funktionierende Demokratie. Das Problem, dass der Wähler wählen kann, was und wen er will, ist den Gesinngsdemokraten ein Dorn im Auge. Also muss man das wählbare Angebot für den Wähler im Sinne der eigenen politischen Präferenzen reduzieren. Das Perfide dabei ist, dass dies als Rettung der Demokratie propagandiert wird. Die linksgrüne Gesinnungsdemokratie ist sowas wie Scheindemokratie: Alles, was den linksgrünen Zeitgeist honoriert und bejubelt, fällt unter Demokratie. Meinungsfreiheit und alles andere soll diffamiert und kriminalisiert, politisch platt gemacht werden. Zur Not auch mit stasi-ähnlichen Methoden.

Burkhard Mundt (07.03.2024)
Der Wähler muss aufwachen! (Anm. Dikigoros: aber bitte nicht im Sinne von "woke"! :-)

[Bild entfernt]
Ein frommer Wunsch im Wandel der Zeiten - freilich alles vor der "Zeitenwende"


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