Alexander BURNES

(16.05.1805 - 02.11.1841)

[Alexander Burnes 1834, gezeichnet von W. Brockedon]

Tabellarischer Lebenslauf
zusammengestellt von
Nikolas Dikigoros

1805
16. Mai: Alexander Burnes wird als vierter Sohn des Provosts James Burnes in Montrose (Schottland) geboren.

1821
Burnes tritt als Offiziersanwärter in die Armee der British East India Company [EIC] ein. (Zur Ausbildung gehört das Erlernen des Farsi und des Urdu.)

1822
Burnes wird Hilfsdolmetscher in Surat, das zwar nicht mehr Hauptsitz der EIC ist (der 1687 ins vormals portugiesische Bombay verlegt wurde), aber immer noch eine gewisse Bedeutung hat.*

1826
Burnes wird Assistent des britischen Geschäftsträgers am Fürstenhof von Kachchh.**

1829
Burnes meldet sich für eine geheime Erkundungsreise in die Länder jenseits des Hindukusch.
Vorerst schickt man ihn jedoch nur zu einer offiziellen Reise den Indus aufwärts nach Lāhaur, der Hauptstadt des Panjāb, wo er diplomatischen Kontakt zu Mahārāj Ranjit Singh herstellen soll.

[Ranjit Singh]

1831
Es gelingt Burnes tatsächlich, ein "freundschaftliches" Treffen zwischen dem Mahārāj und dem britischen Oberbefehlshaber, General Bentinck, in Lāhaur zu arrangieren.
(In Wahrheit dient dieses Treffen nur dazu, auszuspionieren, ob es aussichtsreich und lohnenswert wäre, den Panjāb anzugreifen.)
Zur Belohnung werden Burnes nun auch seine weiter gehenden Reisepläne genehmigt.

1832
Burnes besucht den Nordosten Persiens und die alten Handelshochburgen Taschkent, Kokand, Samarkand und Buķhārā.


Auf dem Rückweg stößt er im Tal von Bāmiyān auf riesige Skulpturen aus buddhistischer Zeit.
(Er interpretiert sie anders als die heutigen Sesselpupser Schreibtisch-Gelehrten - die z.T. nie vor Ort waren -; aber dieses Schicksal teilt er ja mit den meisten Forschern, Entdecker, Reisenden und Archäologen seiner Zeit :-)

[Die Kolosse von Bāmiyān]

In der verzerrten Retroperspektive erscheint uns die Entdeckung jener steinernen Kolosse als wichtigstes Ergebnis der Reise, wohl vor allem, weil wir sie nicht mehr besichtigen können, während Buķhārā pp. bis heute [be]stehen. Objektiv betrachtet war es das schwerlich; aber wir können aus Burnes' Zeichnungen etwas ganz wichtiges lernen, nämlich daß es entgegen weit verbreiteter Meinung nicht die bösen Tāliben waren, die sie zerstörten, sondern vielmehr die ebenfalls muslimischen braven Hazārā, die sich so gerne als deren Opfer aufspielen und am liebsten alle als "Flüchtlinge" nach Mitteleuropa kämen. Die Gesichter und Hände der Kolosse hatten sie jedenfalls schon zerstört; die Tāliben sprengten Anfang des 21. Jahrhunderts nur noch die traurigen Reste, die kaum mehr eine Reise wert waren. [Verärgert hat das in erster Linie die Spenden-Abzocker, die vorgaben, sie "restaurieren" zu wollen.] Im weiteren hätte auch Burnes' persönliches Schicksal sehr lehrreich sein können - aber niemand wollte daraus lernen.

1834/35
Auf Heimaturlaub in Old Blighty England veröffentlicht Burnes seinen Reisebericht unter dem Titel "Travels into Bokhara" in Buchform - ein Bestseller***, der ihn auf einen Schlag berühmt macht.


Die Gründe für den Verkaufserfolg des Buchs beim breiten Publikum dürften mit Burnes' ursprünglichen Intentionen wenig zu tun gehabt haben: Er schrieb es als [Ober-]Leutnant der EIC-Armee unter dem Aspekt, ob und wie man die bereisten Gebiete erobern könnte. Ihn interessierte nicht die romantische Schönheit der Berge, Täler und Flüsse, sondern die Frage, wie bewaffnete Truppen sie überqueren könnten. Den Pferden der Turkmenen widmete er nicht aus Tierliebe ein ganzes Kapitel, sondern so, wie es ein Spion heute den Panzertruppen eines potentiellen Kriegsgegners widmen würde. Und wenn er immer mal wieder einen historischen Exkurs einschob - z.B. über Alexander den Großen -, dann tat er dies in erster Linie um zu zeigen, wie sich jene Gebiete in der Vergangenheit - und vielleicht auch in der Zukunft - erobern ließen. Im übrigen konzentierte er sich auf die militärische und wirtschaftliche Stärke (oder Schwäche :-) der örtlichen Machthaber.

1836
Unterdessen ist in Kābul "Šāh" Šūjā durch Ķhān Dost Muhammäd gestürzt worden. Lord Auckland, der "Vizekönig von Indien", schickt Burnes dorthin, um die Lage zu sondieren.
Burnes' Empfehlung lautet, daß Großbritannien sich aus den Stammeskonflikten heraus halten und Dost Muhammäd als neuen Herrscher anerkennen sollte.

1836-40
Auckland hört jedoch lieber auf die Sesselpupser Schreibtisch-Strategen, die der in Europa bewährten Taktik folgen wollen, sich in alle Konflikte einzumischen, dabei stets die schwächere Partei zu unterstützen, um das "Zünglein an der Waage" zu spielen und so die "Balance of Power" aufrecht zu erhalten.
Dahinter steht der Gedanke, ganz "Afģānistān" (der Ausdruck taucht jetzt zum ersten Mal auf) unter britische Kontrolle zu bringen und so dem "russischen Bären" den Zugang zum Indischen Ozean zu verwehren (von Rudyard Kipling cynisch "The great game [das große Spiel]" genannt).****


Der später so genannte "Erste Anglo-Afganische Krieg" endet - vorläufig - damit, daß die Briten "Šāh" Šūjā wieder auf den Thron setzen.
Der desavouierte Burnes wird mit einem Orden, dem Ritterschlag [1838] und dem Posten des britischen Geschäftsträgers in Kābul abgespeist abgefunden (was ihn aber gar nicht tröstet).


1841
Um die aufgeheizte Stimmung in Kābul gegen den alten und neuen "Šāh" und die Briten (das Volk weiß nur zu gut, daß Schuschu Šūjā bloß deren Marionette ist und mit ihnen steht und fällt) zu "de-eskalieren", ziehen sich deren Truppen brav in Garnisonen außerhalb der Stadtmauern zurück.


Burnes bleibt, zusammen mit seinem Bruder und noch ein paar Lebensmüden Wagemutigen, in der Falle Stadt.
In der Nacht vom 01. auf den 02. November 1841 belagert der Mob die britische Residenz. Bei einem Ausfall werden Burnes und seine Mitstreiter getötet. Ihre abgetrennten und aufgespießten Köpfe zieren Monate lang den Bāzār von Kābul.

[Kabul, Bazar]

1842
Januar: Auf ihrem Rückzug werden die britischen Streitkräfte unter Generalmajor EinsteinElfenstein fast vollständig vernichtet.
Elphinstone wird am Ende zum Sündenbock für das Desaster gemacht. [Er ist gefallen und kann sich nicht mehr gegen die Vorwürfe verteidigen.] Die Briten machen nie mehr einen Juden zum kommandierenden General.
August/September: Die Briten schicken eine drei neue Armeen aus, die Kābul erneut erobern und große Teile zerstören - u.a. den Bāzār -, sich aber auch nicht halten können. (Immerhin überstehen sie den Rückzug diesmal unbeschadet :-)

1849
Die "Freundschaft" zwischen den Briten und dem Mahārāj von Lāhaur endet damit, daß die ersteren den Panjāb überfallen und kurzerhand annektieren vertraglich unter ihren Schutz stellen.*****

1866-68
Die Russen erobern fast alle Gebiete nördlich des Hindukusch, die Burnes einst bereist hatte, auch das Ämirat Buķhārā.

[Russen in Samarkand 1868]

1878-79
Die Briten marschieren erneut in Kābul ein, installieren eine neue Marionette - 'Abd-äl-Raħmān Ķhān - und ziehen wieder ab, Afģānistān nunmehr als "Protektorat" betrachtend, da der Ķhān ihnen vertraglich die Führung seiner Außenpolitik überlassen hat.
Die "Marionette" sieht das freilich ganz anders: Für ihn sind die Briten seine Vasallen, da sie sich im Gegenzug verpflichtet haben, ihm Waffen zur Sicherung seiner Herrschaft zu liefern, stattliche Subsidien zu zahlen - die er als Tribut betrachtet - und sich ansonsten nicht mehr blicken zu lassen (nicht mal in Form eines "Botschafters" o.ä. Diplomaten :-). Ihnen den Umgang mit Ländern außerhalb seines Stammesgebiets - die ihn eh nicht sonderlich interessieren - zu überlassen, bedeutet ihm nichts. Dikigoros schreibt darüber - und über die weitere Geschichte Afģānistāns - an anderer Stelle mehr.


*1994 geriet Surat in die Schlagzeilen, als dort angeblich eine "Pest-Epidemie" ausbrach. Dikigoros war 1995 vor Ort und hat sich schlau gemacht: Tatsächlich handelte es sich wohl - wenn überhaupt - um eine besonders harmlose Pest-Variante; denn selbst nach offiziellen Angaben der WHO gab es nur 234 nachgewiesene "Fälle", von denen am Ende nur 56 (sechsundfünfzig) starben - bei ca. 2 Millionen Einwohnern! Das wäre selbst dann lächerlich wenig, wenn man außer acht ließe, daß es sich dabei durchweg um Personen handelte, die entweder uralt, todkrank oder sonstwie "vorbelastet" waren. Es herrschte weitgehend Einigkeit, daß es sich um eine Mischung aus Panikmache und Geschäftemacherei (Spendenabzocke) handelte. Die Parallele zur 2020 ausgebrochenen, weltweiten Corona-Panhysterie ist unübersehbar.

**So ziemlich der unattraktivste Posten, den die EIC in Indien zu bieten hatte. Der Duodezfürst von K. [für deutsche Zungen unaussprechbar, ungefähr: "Katsch-tschh" (2x tsch, einmal nicht, einmal doch aspiriert)] saß in einem stinkenden Salzsumpf (Ran[n]), der damals - als Indien noch nicht in Bhārat und Pākistān geteilt war -, nicht mal strategische Bedeutung als Grenzgebiet hatte. (Hinzu kam, daß beinahe "nebenan" der Hof des Fürsten von Rājkot lag, wo zu arbeiten ungleich attraktiver gewesen wäre.) Wer auch nur halbwegs gescheit war, mußte alle Hebel in Bewegung setzen, um von dort weg zu kommen.

***Burnes soll an Tantiemen 800 Pfund eingestrichen haben (nach heutiger Kaufkraft ca. 160.000 Pfund - nach Metallwert der damaligen Goldmünzen sogar noch erheblich mehr), eine Summe, von der andere Schriftsteller seiner Zeit - zumal Reiseschriftsteller - nur träumen konnten.

(Im Nachwort von Professor Wilson [Oxford] erfährt man überdies, daß Burnes unterwegs jede Menge antiker Münzen mitgehen ließ "sammelte". Ob er diese behalten durfte oder an die EIC abliefern mußte, entzieht sich Dikigoros' Kenntnis.)

****Das Schlagwort wurde schon früher - und auch später wieder - verwendet, allerdings in anderem Zusammenhang. Populär wurde er durch Kiplings Roman "Kim". Es war Dikigoros' erstes Buch über Indien - eine Nachbarin hatte es ihm zum 8. Geburtstag geschenkt, als er noch überhaupt nicht verstehen konnte, um was es da eigentlich ging. Als Kinderbuch hält er es nach wie vor für völlig ungeeignet.

[Kipling, Kim]

Die Politik des "großen Spiels" war schon damals nicht unumstritten. Kein geringerer als der Herzog von Wellington - Held der Napoleonischen Kriege - meinte während einer Debatte im House of Lords [Oberhaus], es sei eine Verschwendung menschlicher und materieller Ressourcen, Gebiete erobern zu wollen, wo es nichts zu holen gebe als Felsen, Sand, Eis und Schnee.
(Die ungeheuren Bodenschätze - vor allem Öl und Gas - waren noch nicht entdeckt; und wenn, dann hätte man damit nichts anfangen können: Autos, Panzer und Flugzeuge gab es noch nicht; und die ersten Dampfschiffe fuhren zwar schon; aber sie wurden noch lange nur mit Kohle befeuert :-)

*****Ranjit Singh hatte einfach zu viele Begehrlichkeiten geweckt. Er war schon beim ersten Treffen anno 1831 so unvorsichtig gewesen, den Briten seine Juwelensammlung zu zeigen, darunter den damals größten bekannten Diamanten der Welt. Nun verschwindet der legendäre "Koh-i-Nūr" plötzlich spurlos.
1850 taucht er ebenso plötzlich bei der 250-jährigen Gründungsfeier der EIC wieder auf und wird Queen Victoria von derselben zum Geschenk gemacht.

Sie trägt ihn zunächst als Brosche, läßt ihn aber dann, da er ihr nicht strahlend genug [er]scheint, umschleifen.
[Dabei verliert er 77 von ursprünglich 186 Karat und ist nun nicht mehr der größte Diamant der Welt.]
1911 wird er in die Krone von Queen & Empress Consort Mary integriert, 1937 in die von Queen & Empress Consort Elizabeth (der Mutter von Queen Elizabeth II).

Als Indien 1947 in die Unabhängigkeit entlassen wird, erheben die Nachfolgestaaten Bhārat und Pākistān gleichermaßen Anspruch auf "Rückgabe" des Steins.
Dem schließen sich anno 2000 auch noch die afģānischen Tāliben an.

Der Streit dauert bis heute an. Noch verweigern die Briten - die den Stein als ihr legitimes "Erbe [heritage]" (!) betrachten - dessen Herausgabe an wen auch immer.
(Spaßvögel haben vorgeschlagen, man solle ihn doch in vier Teile zerhacken und jedem ein Viertel geben :-)

(Hätte Dikigoros diesen Streit zu schlichten, dann würde er darauf hinweisen, daß der Stein de facto längst an Pākistān zurück gefallen ist, denn er befindet sich im Tower von London, und das wird seit 2016 von einen pākistānischen Bürgermeister [Sādiq] Ķhān terrorisiert regiert :-)

         
Terrorismus gehört halt zum Leben in einer Großstadt. (Die Uhrzeit rechts ist falsch: Es ist nicht 9 vor 6, sondern 5 vor 12!)


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