Der große Brand Roms und danach

von Hans Krause


„Der 19. Juni des Jahres 64 war ein heißer Tag. Tausende erreichen die nördlichen und östlichen Tore, drängen hysterisch durch die Engpasse, Fallende werden zertrampelt. Die anderen rennen weiter, kommen aufs freie Feld, werfen sich erschöpft zu Boden, außer Atem, ratlos, was sie tun oder lassen sollen. Sie sind dem Hades entronnen. Doch plötzlich wird ihnen bewusst, was geschehen, dass sie alles verloren, wofür sie hart gearbeitet oder was sie vom Vater ererbten. Es wird behauptet, etliche gingen nach dem Verlust ihrer ganzen Habe, andere aus Liebe zu ihren Angehörigen, die sie nicht hatten retten können, freiwillig in den Tod, sei es, dass sie Hand an sich legten oder zurückkehrten und sich in die Flammen warfen.

Und anderes, gefährlich Zweideutiges steht in den Quellen, dass niemand wagte, dem Feuer zu wehren! Es seien welche gewesen, die mit drohenden Worten das Löschen hätten verhindert; und andere, die, im Einvernehmen mit diesen, brennende Fackeln geschleudert und behauptet hätten, im Auftrag zu handeln. Ja, es heißt: Sie wollten so größere Freiheit zum Plündern gewinnen. Oder: Sie handelten wirklich auf Befehl.

Und obwohl doch alle mit Rennen, Retten und Löschen beschäftigt, fanden manche im Zorn über das rasende Element doch die Zeit, den Ursachen nachzuspüren, zumal sich verdächtige Reden von Fackeln, ja vom Schüren des Brandes häuften.

Besonders jene, die alles verloren, fanden als erste zu nüchternem Wägen zurück, denn sie hatten ja nichts mehr zu bergen. Sie blickten auf das Chaos und zogen ihre eigenen Schlüsse aus dem, was sie sahen und hörten: dass nicht nur Fackeln geworfen und zwielichtiges Gesindel zielstrebig das Löschen verhindert, dass vielmehr das Feuer am Aemilischen Grundstück des Tigellinus beim Marsfeld, weitab vom Ursprung, aufs neue entflammte. Dies alles rief unter den dortigen Bewohnern Empörung hervor. Nero, so hieß es, suche den Ruhm, die ganze Stadt neu zu gründen und nach seinem Namen zu nennen. Und damit dies gelänge, habe er sie erst von Grund auf vernichten müssen.

Was nutzte es, wenn die Zweifler das Gerücht als böswillige Verleumdung des Kaisers abtaten, wussten doch plötzlich Freunde und Freundesfreunde zu berichten, Nero habe, genau zum Zeitpunkt des Brandes, seine Hausbühne zu Antium betreten und in tragischen Versen den Untergang Trojas besungen, wobei er die gegenwärtige Not dem alten Unglück habe verglichen.

Dies und andere Gerüchte kursierten in der ganzen Stadt, und viel von der Fama blieb haften. Endlich raffte sich der Kaiser auf und erreichte die brennende Stadt. ... Sechs Tage hatte das Feuer gewütet. Mancherorts hielt es sich länger, bot darum neuen Gerüchten Nahrung. Wie lange der Feuersturm über Rom hinzog, wurde nicht überliefert. Möglicherweise zehn Tage, bis die letzte Glut allerorten gelöscht war. ... Von den vierzehn Regionen, in die Augustus die Urbs einteilte, blieben nur vier unversehrt. Drei waren dem Erdboden gleichgemacht, in den übrigen sieben standen nur rauchgeschwärzte Ruinen zerfetzter, halbverbrannter Häuser.“ (Stöver H. D., Christenverfolgung im Römischen Reich, Düsseldorf 1982, p. 15, 19-21).

Nero, der römische Kaiser, stellt sich als großer Künstler vor, der auf einer Harfe (?) spielt. Er ist auch der Pontifex Maximus des Römischen Reiches war. Das heißt, der Hohepriester und das Haupt der römischen Staatsreligion. Jetzt trägt der Papst in Rom diesen heidnischen Titel. Er stammt direkt aus der heidnischen Religion des alten Rom. Als einer der letzten römischen Kaiser diesen heidnischen Titel ablehnte, übernahm ihn der Bischof der römisch-katholischen Kirche in Rom.

Nero sucht einen Schuldigen für den Brand

Poppaea Sabina, gerade Anfang Dreißig, war eine ebenso schöne wie berechnende Frau. Sie war rotblond. Bald nach der Heirat mit Nero gebar sie Anfang 63 eine Tochter, die aber bald nach vier Wochen starb. Besonders zugetan war sie dem jüdischen Establischment. Wiederholt setzte sie sich für dessen Belange beim Kaiser ein... So setzte sie es auch Ende dieses Jahres 63 bei Nero durch, ihren eigenen Kandidaten als Statthalter nach Palästina zu schicken, den Gessius Florus, über dessen Gattin Kleopatra es heißt, dass sie als Freundin eine an Gottlosigkeit ebenbürtige Genossin von Neros Gemahlin Poppaea gewesen sei und ihm über die Kaiserin das Amt verschafft habe.

„Etwa zur gleichen Zeit errichtete König Agrippa, Herrscher von Roms Gnaden, ein weitläufiges Gebäude auf dem Gelände der Königsburg Antonia zu Jerusalem. Diese Anlage lag in bedeutender Höhe und bot daher einen herrlichen Ausblick auf die Stadt. Der König hatte seine Freude daran, zumal er, wenn er auf einem Polster lag, alle Ereignisse im Tempel übersehen konnte.

„Als dies die Vornehmen von Jerusalem gewahrten, wurden sie sehr unruhig, weil es durchaus ungebräuchlich und ungesetzlich war, die Vorgänge im Tempel, besonders während der heiligen Handlungen, zu beobachten. Deshalb ließen sie oberhalb der Halle, welche im Inneren des Heiligtums gegen Westen lag, eine hohe Mauer errichten, die dem König von seinem Ruheplatz aus den Ausblick versperrte.

„Nicht nur Agrippa, sondern in noch höherem Grade empörte sich der noch amtierende Landpfleger Festus darüber und gab Befehl, die Mauer niederzureißen. Die Juden jedoch baten um Erlaubnis, in dieser Angelegenheit Abgeordnete an Nero schicken zu dürfen: Sie wollten lieber sterben als einen Teil ihres Tempels zerstört zu sehen.

„Festus stimmte zu, und darauf wählten sie zehn vornehme Bürger aus ihrer Mitte, darüber auch den Chronisten Josephus sowie den Hohepriester Ismael und den Tempelschatzmeister Helkias, und ordneten die Gesandtschaft an den Caesar ab.

„Bevor aber diese Männer bei Nero vorsprachen, hat offensichtlich Poppaea sie empfangen, gehört und ihnen zugesagt, in ihrem Sinne beim Kaiser vorstellig zu werden; denn Nero erteilte ihnen Audienz, verzieh ihnen nicht nur das Geschehene, sondern gestattete auch, dass das Bauwerk, die Mauer, stehen blieb. "Und zwar", hängt Josephus an, "tat er das seiner Gemahlin Poppaea zu Gefallen, die sich für die Juden ins Mittel legte." (Flavius Josephus, Jüd. Altertümer 20, 8, 11). Im übrigen regelte sie (Neros Frau) gleichzeitig die inneren Angelegenheiten und ließ die Spitzen der Jerusalemer Priesterschaft neu besetzen.“ (H. D. Stöver, 1982, 30, 31)

„Poppaea hat aus dem Kreis der Höflinge etwas von Neros Absichten erfahren, die Juden versuchsweise in den Kreis derer zu ziehen, gegen die man vielleicht vorgehen könne. Dies konnte sie auf keinen Fall hinnehmen, zumal sie unmittelbar zuvor vor den Jerusalemer Abgesandten ihr Wohlwollen bekundet hatte.

„Nehmen wir ferner an, dass Nero als später Domitian, an differenzierten theologischen Betrachtungen überhaupt kein Interesse zeigte, so wird es – neben anderen Unbekannten – vor allem Poppaea gewesen sein, die seinen Blick auf eine Gruppe richtete, die man bisher mit den Juden in einen Topf geworfen hatte: die Christen der römischen Gemeinde.

„Poppaea, die mehrfach bezeugte Kontakte zu geistig hochstehenden Juden wie auch zu den residierenden römischen Statthaltern und deren Frauen hatte, dürfte sehr wohl in der Lage gewesen sein, Juden und Christen aufgrund ihres Kultes und Glaubens voneinander zu unterscheiden. Zugleich wird sie die jüdische Version übernommen haben, es handle sich bei diesen Leuten um eine häretische, verblendete Gruppe, die sich vom Judentum abgespalten hat, sozusagen um eine Sekte, die mit allen Mitteln zu bekämpfen sei.

„Obwohl Nero sich kaum dafür interessiert haben dürfte, wird sie ihm, ihrer jüdischen Freunde wegen, in Hauptzügen skizziert haben: Der Stifter dieser Sekte, ein gewisser Chrestus, sei unter der Regierung des Tiberius durch den Prokurator Pilatus in Jerusalem zum Tode am Kreuz verurteilt und durch römische Vollzugsorgane hingerichtet worden. Der Grund: Er habe sich des Majestätsverbrechens schuldig gemacht, denn er habe nach der Königswürde gestrebt, habe außerdem einen großen Gefolgskreis um sich versammelt, um an einem bestimmten Tage loszuschlagen. Dem sei aber die jüdische Exekutive durch kluge Maßnahmen zuvorgekommen, indem sie ihn verhaftete und an Pilatus auslieferte. Freilich hielten ihn seine Anhänger nach seinem Tode für einen Gott, dieser wahnwitzige Irrglaube habe in der Folge Tausende angezogen. Er verbreite sich nicht nur in Iudaea, wo er entstanden sei, sondern nun auch in Rom. Es sei also eine gute Tat, die Anhänger eines hingerichteten Verbrechers, dem alles zuzutrauen sei, zur Verantwortung zu ziehen und ein Exempel zu statuieren.

„So etwa dürfte Poppaeas Argumentation gelautet haben. Und sie war Wasser auf Neros Mühlen. Endlich hatte er das Objekt, das er so lange vergebens suchte. Also schickte er erneut seine Spitzel los, nun mit dem konkreten Auftrag, die Zahl der Sektierer festzustellen und viel, wenn möglich Verwerfliches, über sie, ihre Lehre, ihr Denken und Tun zusammenzutragen.

„Die Ereignisse dieser Aktion gefielen dem Kaiser zunehmend gut, zumal nun auch die Meinung des Volkes seinen Absichten entgegenkam. Das Unwesen dieser Sekte – so der Begriff – wuchert von Tag zu Tag, nicht nur in Rom, sondern über den ganzen Erdkreis hin. Es mehren sich die abscheulichsten Kultstätten dieser gotteslästerlichen Menschen. Verfemen und ausrotten sollte man diese Bande! An geheimen Zeichen und Merkmalen erkennen sie einander und lieben sich schon, fast ehe sie sich noch kennen. Unterschiedslos vollziehen sie miteinander eine Art Ritual der Lüste. Sie nennen einander Brüder und Schwestern, so dass dies die bei ihnen übliche Unzucht durch den Gebrauch eines so heiligen Wortes sogar zum Inzest wird! Man berichtet, dass sie die Genitalien ihres Oberpriesters anbeten, also symbolisch die Zeugungskraft ihres Schöpfers verehren. Das könne zwar ein falscher Verdacht sein, immerhin aber passe es gut zu ihren nächtlichen Geheimriten.

„Und dann noch die Berichte über ihre Initationsriten! Verabscheuungswürdig ist es, doch nur zu bekannt: Um die, welche um Aufnahme in den Kult bitten, zu täuschen, bedeckt man ein Kind mit Teig und legt es dem vor, der in ihre Mysterien eingeweiht wird. Der Neophyt lässt sich durch die Teighülle täuschen, zu Stichen verleiten, bei denen er nichts Arges vermutet, und tötet so das Kind mit Wunden, die dem Auge verborgen bleiben. Das Blut des Kindes – welch furchtbarer Frevel – lecken sie gierig auf und reißen sich noch um die zerstückelten Glieder!

„An Festtagen kommen sie zum Gelage zusammen, mit all ihren Kindern, Schwestern und Müttern, Menschen beiderlei Geschlechts und jeglichen Alters. Dann, nach vielen Gängen, wenn die Gesellschaft erhitzt ist und in der Trunkenheit die Glut intimer Begierde erwacht, wird ein Hund, der an den Leuchter gebunden ist, durch hingeworfene Bissen, die außerhalb des Bereiches fallen, in dem ihn die Leine festhält, zu heftigen Sprüngen angereizt. Ist so das Licht, das alles an den Tag bringen könnte, umgestoßen und ausgelöscht, dann stürzen sie sich, schamlos im Schutz der Dunkelheit, in unerhörter Gier in die Umschlingungen, wie der Zufall es bringt." (Minucius Felix, Octavius 9, 1 ff)

„Nero ist sehr zufrieden; doch ein strafrechtliches Vorgehen müsste, wenn möglich, juristisch gestützt werden. Gemäß seiner Anordnung untersuchen Fachleute die Akten des Staatsarchivs, ob nicht irgendwann schon ähnliches vorgefallen. Trotz gründlicher Arbeit bleiben sie leider im allgemeinen stecken. ...

„Nero schickt seine Häscher los, und sie greifen jene, die als Christen bekannt sind, dann solche, die in Verdacht stehen und die sich spontan zu ihrem Glauben bekennen. Da sie nichtwissen, was ihnen bevorsteht, folgen sie arglos. „Verhör! Name, Beruf, Wohnung usw. ... Seid ihr Christen? – Ja, sie bekennen nochmals. Doch dann: nennt andere! – Spätestens hier muss es einigen aufgegangen sein, dass man Arges gegen sie im Schilde führt. Sie schweigen.

Doch die Knechte: Wollt ihr nicht reden? Nun, wir können’s auch anders! Es folgt, was in Rom und anderswo seit jeher legitimer Brauch ist, um Verdächtigen die Zunge zu lockern: Prügel, Tritte, Brüllen, erneutes Schlagen. – Die Namen! – Sie schweigen. – Prügel! – Pause: Die Namen! – Sie schweigen ... Nun werden die Qualen nach lange geübter Methode allmählich gesteigert, man quetscht die Daumen, hängt die schon gemarterten mit auf den Rücken gebundenen Händen auf, streckt sie, taucht sie in eisiges Wasser. Erneute Schläge. Diese Spezialisten kennen ihr Metier, sie wissen, wann sie aufzuhören haben, denn Tote können nicht reden. Die Namen!

„Die Geschundenen brechen zusammen, sie erzählen alles, wimmernd, flehend und stotternd, alles und mehr, als man hören will. Nennen Glaubensbrüder und solche, die man ihnen in den Mund legt. Schreiber sitzen dabei, füllen sachlich und unbeteiligt ihre Tabellen mit Namen. – Genug! Das Soll ist für heute erfüllt. Man stößt die Halbtoten hinaus, wirft sie in finstere Löcher und, als diese voll sind, in andere, zweckentfremdete Gewölbe. Die noch ihre Sinne beisammen haben, retten sich in Gebete und psalmodieren gemeinsam heilige Gesänge.

„Anhand der Listen werden andere ausfindig gemacht und an Sammelplätzen zusammengetrieben: Verhör! Die Schinder können ihren ganz privaten Hass an diesen und jenen abregieren. Als sie vom Schlagen erschöpft sind, folgt Ablösung. So geht es über Tage. Die Stadt nimmt im übrigen kaum Notiz vom Geschehen. Man sieht nur öfter Gruppen von Leuten, die irgendwo herkommen und irgendwo verschwinden. Auffallend ist höchstens, wie still und in sich gekehrt sie sind.

„Ob nun ein Sondergerichtshof vom Kaiser eingesetzt wurde, ist aus den Quellen nicht zu erkennen, doch darf es angenommen werden. Immerhin wird es sich beim größten Teil der Festgenommenen um römische Bürger gehandelt haben. Doch selbst wenn ein solches Gericht zusammengetreten wäre, kann es nicht mit (ge)rechten Dingen zugegangen sein: die Schuld stand von vorneherein fest. Da Nero Schuldige brauchte. Der kaiserlichen Willkür war gerade in diesen letzten Jahren seiner Regentschaft keine Grenzen gesetzt. Das Volk der Obdachlosen hat er zudem auf seiner Seite.

„Aus der ‚riesigen Menge’ der Festgenommenen, die Tacitus nennt, lässt sich dreierlei schließen (Taticus, Annalen 15, 44):

  1. Es muss mit falschen Zeugen und Denunzianten manipuliert worden sein.
  2. Es kann nicht zu Einzelprozessen gekommen sein; die Christengemeinde als Ganzes war angeklagt und als Ganzes für schuldig erklärt, so dass Anklage und Verurteilung in einem Zuge erledigt wurden. Einzelprozesse hätten mit ihrem schwerfälligen juristischen Apparat eine schnelle Aktion verhindert.
  3. Es liegt keine Nachricht über einen Einspruch gegen das Urteil vor, was als Indiz dafür spricht, dass die Verurteilten durchweg der Unterschicht entstammten. Angehörige von Ritterschaft und Senatsadel hätten sich derlei Rechtsbeugung und einen Schuldspruch ohne Beweise nicht bieten lassen. Und ein Chronist wie Tacitus aus dem senatorischen, nerofeindlichen Lager hätte auf die Darstellung oder Erwähnung eines solchen Falles niemals verzichtet.
(Stöver, H. D., 1982, 33-35)

„Bevor wir das grausige Ende der gefangenen Christen schildern, müssen wir kurz auf einen Satz aus des Tacitus Bericht in Kapitel 15 seiner Analen eingehen. Der große Historiker, der sich allenthalben mit Abscheu von Nero distanziert, bringt als Motiv der Verfolgung eine Begründung, die zunächst sehr eigenartig klingt:

„‚Man fasste also zuerst Leute, die sich offen als Christen bekannten, und auf ihre Anzeige ihn dann eine riesige Menge Menschen. Sie wurden nicht gerade der Brandstiftung, aber doch des Hasses gegen das menschliche Geschlecht (odium humani generis) überführt.’ Wohlgemerkt: nicht angeklagt, sondern überführt!

„Hass gegen das Menschengeschlecht" – was bedeutet das?

„Nach Cicero ist es die lateinische Übersetzung des griechischen ‚misanthropia’, der ‚Menschenfeindlichkeit ’.

„‚Diese Menschen begehen eine Unterlassungssünde insofern, als sie sich zwar des Unrechten der ersten Art enthalten, dafür aber der zweiten Art verfallen, denn sie entziehen sich der Gemeinschaft, weil sie keinerlei Beitrag leisten an positivem Eifer, an Hilfsbereitschaft und Einsatz ihrer Fähigkeiten.’ Nach Cicero, Tusc. 4,25 ‚Von den Pflichten’ 1,29). Cicero meint das, was wir heute den ‚Ohne mich-Standpunkt’ nennen.“ Stöver, H. D. (1982:36).

„Die Christen dagegen – im Gegensatz zu den Juden – und diese Kriterien wurden Nero hinterbracht – verbreiten ihre zersetzenden Irrlehren in allen Schichten der Bevölkerung; sie nisteten sich ein, ohne dass ihr seltsames Treiben sichtbar und berechenbar wurde. In diesem Zusammenhang sei an die bekannte Tacitus-Stelle erinnert: ‚Der unheilvolle Aberglaube ... verbreitete sich ... auch in Rom, wo alle furchtbaren und verabscheuungswürdigen religiösen Gebräuche, die es in der Welt gibt, sich zusammenfinden und geübt werden. (Tacitus, Ann. 15,44).

„Diese Abgrenzung, die die Christen vor dem Verdacht politischer Ansprüche schützen sollte, konnte freilich ebenso als Abkehr von den politischen Pflichten gedeutet und gegen die Christen verwendet werden.

„‚Sie mussten’, folgert die Historikerin Wlosok, ‚aus Glaubensgründen die Beteiligung am öffentlichen Leben ablehnen, denn da wurden sie auf Schritt und Tritt mit dem heidnischen Kult konfrontiert. Das traf selbst für scheinbar unpolitische  Veranstaltungen zu wie Schauspiel, öffentliche Spiele, gemeinsame Mahlzeiten – ganz abgesehen von den öffentlichen Feiern, Aufzügen und Begehungen, die direkt mit dem [römischen] Kult zusammenhingen.’ (A. Wlosok, Rom und die Christen, S. 21).

„Tertulian nimmt da später kein Blatt vor den Mund und bekennt provozierend: ‚So wollen wir auch mit euren Spielen ebenso wenig zu tun haben wie mit ihren Ursprüngen, die religiösem Irrglauben entstammen. ... Nichts hat unser Mund, unser Auge, unser Ohr zu schaffen mit der Tollheit des Circus, mit der Schamlosigkeit des Theaters, mit der Grausamkeit der Arena, mit dem hohlen Glanz der Fechthalle ... Wenn wir schließlich gar nicht [damit] erfreut werden wollen, so ist das höchstens unser Schaden, nicht der eure. Allerdings- - wie lehnen ab, was euch gefällt.’ (Tertullian, Ap. 38,4).

„Da sie in Gemeinden organisiert waren, die sich vom öffentlichen Leben absonderten und dies prinzipiell zu begründen wussten, summierte sich dies mit den übrigen Vorurteilen zum ‚Hass gegen das Menschengeschlecht’. Wir kommen der Wirkung dieser Wendung wohl näher, wenn wir unser verächtliches Wort vom ‚Abschaum der Menschheit’ parallel dazu setzen.

„Der protestantische Theologie, Kirchenmann und Historiker Martin Dibelius hat es auf die Formel gebracht: ‚Exklusivität nach außen, Hilfsbereitschaft nach innen, wie sie das Christentum vertrat, wurde als Menschenhass gedeutet; ein Rückfall in die alte Barbarei schien damit verbunden zu sein. So entstand die Stimmung, die Nero benutzte, als er gegen die Christen einschritt.’ (Dibelius, Rom und die Christen, S. 85).“ – Stöver, H. D. (1982:38, 39).

„An einem festgesetzten Tag wurden die Gefangenen aus ihren Verliesen geholt. Sie ahnten das Schlimmste. Letzte Hoffnungen keimten, die aber aufgrund der folgenden Ereignisse sofort erstickt wurden. Geben wir Tacitus das Wort, um nicht in Gefahr zu kommen, in würdelose Sensationshascherei abzugleiten:

"Man machte aus ihrer Hinrichtung ein lustiges Fest: In Tierhäuten steckend, wurden sie entweder von Hunden zerfleischt oder ans Kreuz geschlagen oder angezündet, um nach Eintritt der Dunkelheit als Fackeln zu dienen. Nero hatte seine eigenen Parkanlagen für dieses Schauspiel hergegeben und verband es mit einer Circusaufführung. In der Tracht der Wagenlenker trieb er sich unter dem Volk umher oder fuhr auf dem Rennwagen. So regte sich das Mitleid mit jenen Menschen. Obwohl sie schuldig waren und die härtesten Strafen verdient hatten, fielen sich ja doch nicht dem Allgemeinwohl, sondern der Grausamkeit eines einzigen zum Opfer." (Tacitus, Ann. 15,44).

"Tacitus’ Sympathie mit den Opfern ist offensichtlich, denn Neros perverse Mordlust gipfelte in einer grausamen theatralischen Übersteigerung, die alles bisher Dagewesene in den Schatten stellte. Es sind ‚Schlachtfeste’ wie diese, welche die Romfreunde aller folgenden Jahrhunderte schockierten und zu der Frage führten: Wie ist die hohe geistig-sittliche Haltung so vieler römischer Denker zu vereinbaren mit dem unmenschlichen Beifallsgeschrei, das im Amphitheater den Todeskampf eines Gladiators mit Genuss verfolgte oder, wie hier, Vorurteile in grausamste Bluturteile steigerte?“ (Stöver, 39, 40).

Was haben andere Forscher über die Christen herausgefunden, die in den ersten drei Jahrhunderten im Römischen Reich lebten?

Wilhelm Schamoni schreibt in seinem Buch Märtyrer der Frühkirche, Düsseldorf 1964:

„Die ersten Christen würden sich wahrscheinlich ohne Sorge um Leib und Leben ihres Daseins haben erfreuen können, wenn sie nur den heidnischen Götterdienst abgelehnt, den Kaiserkult aber als Ausdruck loyaler staatsbürgerlicher Gesinnung angesehen und anerkannt und so sich hätten gleichschalten lassen. Nicht wenige ihrer heidnischen Zeitgenossen nahmen die Götter selbst nicht ernst, lachten über die Olympier und blieben doch ungeschoren. Was die Christen immer wieder in Konflikt mit der Staatsgewalt brachte, war die für den verstorbenen und den lebenden Kaiser verlangte göttliche Verehrung, waren die Opfer, die immer wieder vor dem Kaiserbild zu bringen waren. Es gab keinen Staatsakt ohne Kultakt. Jede Vereidigung vor Gericht, jedes Urteil, jede Amtsübernahme, jede Eröffnung einer amtlichen Sitzung, kurz, jede Amtshandlung war begleitet von Opfern vor dem Kaiserbild. Die Verweigerung dieser Opfer war Sakrileg und Majestätsverbrechen zugleich. Es kommt uns unbegreiflich vor, dass sterbliche Menschen sich als Gott verehren ließen.

„Der Kaiser war Gott, weil er Kaiser war, nicht Regent der Welt, weil der Gott an ihm zur Herrschaft Kraft und Recht besaß. Seine Person war der Träger der Allmacht des Reiches; dies mache sich auch dem geringsten und entferntesten Untertan fühlbar. ... So ist denn der Reichskultus, der Kaiserkultus, das eigentliche Hauptstück der Religion, ihn verneinen ist dasselbe wie einst in den kleinen Stadtrepubliken die Verleugnung der vaterländischen Götter. Alle anderen Gottheiten, denen staatlicher oder munizipaler Kult zuteil wird, ordnen sich dieser Religion ein und unter; sie haben nur noch dadurch Bedeutung, dass ihr Kult zu dem gehört, was der Staat ordnet. ... So hat der Kaiserkult selbst im Westen die alten Götter innerlich aufgesogen.

„Daher ist es ganz folgerichtig, dass die Verweigerung, dem Kaiser zu opfern, Hochverrat ist, und die Christen verweigern es im vollen Gefühl, damit dem irdischen Gemeinwesen abzusagen; sie fühlen sich als Bürger eines anderen Reiches. Ebenso folgerichtig ist es, dass sie Atheisten, Gottlose sind; denn mit dem Staatsakt negieren sie alle Götter, die eben von Gnaden des Staates noch existieren.

„Es sollte uns also gar nicht so schwer fallen, den blutigen Ernst zu verstehen, mit dem der Kaiserkult verlangt wurde, und zu begreifen, dass es für die ersten Christen die Sünde aller Sünden war, den wahren Herrn des Himmels und der Erde zu verleugnen und einem menschlichen Abgott zu opfern, und dass es in ihren Augen Verlust des ewigen Lebens war, wenn man, um ein paar irdische Lebensjahre zu gewinnen und einem of grauenvollen Martertod zu entgehen, äußerlich mittat und opferte und dabei innerlich bleiben wollte, was man einmal gewesen war.“ (Schamoni, W., 1964, 11-14).

„In den ersten Jahrzehnten wuchs das Christentum, geschützt im Schatten des Judentums, geduldet als eine jüdische Angelegenheit. Zur ersten Verfolgung durch den römischen Staat kam es, als Nero im Jahre 64 den Brand Roms, den er wahrscheinlich selbst angelegt hat, den Christen zuschob. Seit dieser Zeit scheint der Staat das Bewusstsein zu haben, die Christen sind keine Juden, und sie sind auch anders als die anderen Menschen: sie vermeiden jede religiöse Zeremonie, lassen es dadurch also fehlen an Unterwürfigkeit unter den Staat; sie wollen keine öffentlichen Ämter, keinen Soldatendienst übernehmen; sie halten sich fern vom öffentlichen Leben, dem sie also feindlich gegenüberstehen müssen, sie kapseln sich ab in ihrem privaten Leben, und es wird von ihnen behauptet, dass sie insgeheim gräuliche Dinge treiben. Der Staat betrachtete infolgedessen das Christentum als verbotene Religionsgemeinschaft.

„Schlimmer war vielleicht noch bis gegen Ende des 2. Jahrhunderts: Die Christen waren der heidnischen Bevölkerung wegen ihrer Absonderung verdächtig, sie wurden als Feinde des Menschengeschlechts angesehen, und sehr leicht richtete sich die Volkswut gegen sie. Jede Katastrophe konnte als Strafe der Götter gedeutet und so den Christen zur Last gelegt werden. ‚Wenn der Tiber bis an die Stadtmauern steigt’, sagt Tertullian (Apol. K. 40), ‚wenn der Nil nicht bis über die Feldfluren steigt, wenn die Witterung nicht umschlagen will, wenn die Erde bebt, wenn es eine Hungersnot, wenn es eine Seuche gibt, sogleich wird das Geschrei gehört: Die Christen vor die Löwen!’“ (Schamoni, W., 1964, 14, 15).


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