"1000 JAHRE ÖSTERREICH"?
Von Lothar Greil (DS 1995, p. 258)
(leicht gekürzt, mit Links und einer längeren
Nachbemerkung versehen von Dikigoros)
Die ununterbrochene Wiederholung falscher Begriffsinhalte im Sprachgebrauch politischer Akteure, obrigkeitsabhängiger Behörden, unbekümmert opportunistischer
Wirtschatskreise,
Medien
aller Art und einer gedankenlos liebedienerischen Lehrerschaft in sämtlichen Schulbereichen hat bereits dazu geführt, daß sich die Einheimischen der in
ihren Grenzen 1919 und 1945 erzwungenen Alpenrepublik außerhalb Deutschlands lebend wähnen und sich größtenteils nicht mehr bewußt sind, selbst Deutsche in
deutschem Land zu sein. Darüber hinaus hat man sich daran gewöhnt, von "Ostdeutschland" zu sprechen, wenn tatsächlich Mitteldeutschland gemeint ist.
Den Höhepunkt des separatistischen Volksbetrugs der "Berufsösterreicher" soll nun ein Gedenk- und Feiertheater im Jahre 1996 bescheren. Um eine entsprechende
Vorbereitung zu sichern, wurde der Verein "1000 Jahre Österreich" ins Leben gerufen, dem als Gründungsmitglieder die Stadt Wien, der Gewerkschaftsbund, die
Wiener Handelskammer, die Wiener Arbeiterkammer und die Wiener Hochschulen angehören. In Niederösterreich befassen sich zwei Komitees mit der Vorbereitung
einer Landesausstellung und mit der Planung für eine "Ostarrichi"-Gedenkstätte. Auch die Landeshauptleutekoferenz, der Städte- und Gemeindebund widmen ihre
Aufmerksamkeit dem "Jubiläumsgedanken".
So lächerlich die erwähnten Bestrebungen dem Geschichtskundigen auch erscheinen mögen, so wenig können sie kritiklos hingenommen werden, weil sie nicht nur
klitternd und verdummend, sondern auch gefährlich für den Bestand des Deutschtums in diesem Raum wirken. Stellen wir hierzu jedermann gegenüber fest:
- 1. Die Einführung der deutschen Bezeichnung für das Herzogtum Austria = Osterrich - osterriche - Oesterich (ursprünglich ein kleiner Gau zwischen Isper
und Ybbs im Donauland) geht auf Herzog Rudolf IV (1358-65) zurück. Daraus wurden im Wandel der Zeit das Herzogtum Österreich und endlich die Erzherzogtümer
Österreich ob und nieder der Enns (bis 1918).
- 2. Nach dem Sieg Ottos d. Gr. über die Ungarn am Lechfeld wurde erster Markgraf des bairischen Herzogtums im "östlichen Land" (Osterland = bairische
Ostmark) Graf Burkhard von Regensburg mit Sitz auf der Ennsburg (Enns) und zeitweilig auch in Pöchlarn 995). Diese Mark war nicht identisch mit der so
genannten "Karolingischen Ostmark", die vorgeschoben in Pannonien lag. Dem Grafen Burkhard folgte 976 der Babenberger Luitpold auf Geheiß des deutschen
Königs Otto II bei gleichzeitiger Ausklammerung von "comitatus et marchie Austria" (amtliche Bezeichnung) aus dem bairischen Herzogtum und direkte
Unterstellung unter die deutsche Königsgewalt. Diese Grafschaft und Mark umfaßte unter den ersten Babenbergern nur einen schmalen Landstreifen, der von der
Erla ostwärts Enns bis zur kleinen Tulln im Wienerwald reichte, das nördliche Donauufer bis zum Wagram einschließend. Der Name "Austria" in den
mittelalterlichen Urkunden ist nicht einfach gleichzusetzen mit dem Namen "Österreich". Die latinisierte Bezeichnung "Austria" entstand nämlich aus
mittelhochdeutsch "oster" (althochdeutsch "ostar"), altnordisch "austr" mit der Bedeutung "im Osten" = "Osterlant"). Erst Friedrich III (1440-1493)
beanspruchte "Austria" als Hausmachttitel für Habsburg ("Haus Austria" - "Casa d'Austria"). Wie schon Herzog Rudolf IV stützte er sich auf Fälschungen, um
zu erweisen, daß das von Rudolf IV eigenmächtig titulierte "Erzherzogtum" Austria bereits zur Zeit der römischen Caesaren ein selbständiges Land gewesen
sei. Der Vorhalt des berühmten Lateiners Petrarca hierzu ist verbürgt: "Nur Erzschelme, brüllende Ochsen und schreiende Esel" könnten solche Urkunden
behaupten. Man kann in Rudolf IV und Friedrich III, der für das Haus Habsburg auch das anmaßende "Austriae Est Imperare Orbi Universo" (Aeiou) erfand,
vergleichend die ersten "Berufsösterreicher" der Geschichte sehen. Am Ende der Tage Friedrichs III aber stand die restlose Pleite!
- 3. Im Jahre 1156 erfolgte die Erhebung der Mark Austria zum Herzogtum. Der "dux Austriae" verwaltete damals das Land im Süden der Donau von der Leitha
bis zur Enns und im Norden von der March bis an den Haselgraben mit Nordgrenze Thaya und Moldau und Südgrenze Grafschaft Pitten (heutiger Bezirk Wiener
Neustadt); dazu die Grafschaft Austria Superior zwischen Enns und Ybbs (Lorcher Gau). Nicht mehr und nicht weniger.
- 4. Das "Haus Österreich" ("Casa Austriae") repräsentierte nach der Pragmatischen Sanktion von 1713 "eine untrennbare und unauflösliche Monarchie",
erblich nach dem Recht der Erstgeburt in männlicher und weiblicher Linie der Dynastie Habsburg-Lothringen. Den staatsrechtlichen Begriff eines
"Kaiserreiches Österreich" allerdings gibt es erst seit 1804, einem Zeitpunkt, da sich Kaiser Franz I (vormalig Franz II) noch "L'empereur d'Allemagne",
d.h. "Kaiser von Deutschland" nannte. Die Niederlegung der deutschen Königs- und römischen Kaiserkrone erfolgte dann 1806 unter dem Druck Napoleons.
- 5. Der Begriff "Kaiserreich Österreich" entsprach der Bezeichnung für das habsburgische Herrscherhaus, nicht aber der Abgrenzung eines Staatsgebietes.
Letztere wurde durch die ausdrückliche Aufzählung der Hoheitstitel in Personalunion (König, Herzog, Markgraf, Graf etc.) klargestellt.
- 6. Das "Land ob der Enns" (Traunviertel, Hausruckviertel, Innviertel und Mühlviertel) wurde erst im Jahre 1861 zum zweiten Erzherzogtum Österreich
erhoben. Zu diesem Zeitpunkt deckten sich die Landesgrenzen der beiden Österreich annähernd mit jenen der heutigen Bundesländer Ober- und Niederösterreich.
- 7. Ab 966 führten die Babenberger Markgrafen und Herzöge in ihren Reiterfahnen den einfachen Adler als Bekenntnis zum deutschen Königtum. Als
zusätzliches Wappen wählten dann 1230 die Herzoglichen den sogenannten Bindenschild. Entgegen unhaltbaren Behauptungen der Schulgeschichtsschreibung hatte
Friedrich II vom ausgestorbenen Grafenhaus Poigen-Hohenburg-Wildberg (Gaugrafen in der Mark) das Wappenbild zugleich mit dem Erwerb der Besitzungen
übernommen. Erst 1254 wurde das "Rot-Weiß-Rot" unter Ottokar von Böhmen als Feldzeichen des Heerbannes des Herzogtums Austria eingeführt und 1260 von Graf
Otto von Hardegg-Plaien, dem "Signifer Austriae", gegen die Ungarn getragen.
- 8. Die deutschen Lande der habsburgischen Hausmacht und somit des Kaiserreiches Österreichs (hierzu zählten die beiden Österreich als Erzherzogtümer,
die Steiermark, das Herzogtum Kärnten, das Herzogtum Krain, die Grafschaft Tirol, das Herzogtum Salzburg und das Königreich Böhmen) gehörten dem Deutschen
Bund an. Von ebensolcher staatsrechtlichen Gültigkeit war 1848 die Einsetzung des habsburgischen Erzherzogs Johann als Reichsverweser durch die deutsche
Nationalversammlung zu Frankfurt/Main.
Wie der Ablauf der Geschichte erhellt, waren die Lande der nachmaligen, kraft Gewalt arg beschnittenen Republik Deutsch-Österreich (gemäß Sieger-Diktat in
"Republik Österreich" umbenannt!) nur 1806-1815 und 1866-1938 vom übrigen Deutschland getrennt.
Die "Berufsösterreicher" machen geltend, daß "Österreich" in Form von "Ostarrichi" schon 966 erstmals erwähnt worden sei und wollen damit eine durchgehende
Existenz "ÖSterreichs" als eigenstaatliches Gebilde seit 1000 Jahren weismachen. Der groß angelegte Versuch, die sowjet-kommunistische Erfindung einer
"österreichischen Nation" durch Geschichtsklitterung glaubhafter zu machen, wirkt geradezu grotesk.
Vorgang: Da schenkt der deutsche König Otto III dem bairischen Stift Freising einen Gutsbesitz bei Neuhofen an der Ybbs. In der 996 in Bruchsal
ausgestellten Schenkungsurkunde heißt es, daß das Gut in einer Gegend liege, "die in der Volkssprache Ostarrichi genannt wird, in der Mark und Grafschaft
des Grafen Heinrich, Sohn des Markgrafen Luitpold, in einem Ort, der Neuhofen genannt wird."
Mit der "regio ostarrichi" ist nicht etwa die Markgrafschaft oder die Grafschaft des Grafen Heinrich gemeint, sondern eben eine Gegend in derselben. Aus
einer anderen Urkunde wissen wir, daß diese "Gegend" in einem kleinen Gau der Grafschaft ("pago") zwischen Ybbs und Isper zu suchen ist, daher auch
innerhalb der Grafschaft Austria Superior.
Diese beiden einzigen Urkundentexte aus der Zeit König Ottos III, die den Begriff Ostarrichi erwähnen und keineswegs eine "Rückübersetzung" des
latinisierten Wortes "Austria" darstellen, genügen politischen Falschspielern und ihren wohlfeilen Helfern, "eine Eigenständigkeit Österreichs" seit 966
zu propagieren, wobei man stillschweigend das ganze Gebiet der heutigen Republik meint.
Eine "regio Ostarrichi" als Bezeichnung für ein Teilgebiet des Reiches gab es im Mittelalter zu keiner Zeit. Anfangs "marchia orientalis" = Ostmark
genannt, wurde die Babenberger Mark in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts und danach von der Reichskanzlei nur mehr als "Austria" geführt.
Abschließend noch eine notwendige Feststellung: Der Name "Deutschland" für einen Großteil Europas war noch nie ein politischer Begriff, sondern stets ein
solcher für Sitz und Besitz des deutschen Volkes. Der Traum vom Reich aller Deutschen aber drückt die uralte Sehnsucht des Volkes aus, Sitz und Besitz in
einem umfassenden Reich geborgen zu wissen.
zurück zu Der Rebell
heim zu Die [un]schöne Welt der Illusionen