Massenselbstmord in DEMMIN

von Frank Wolfgang Sonntag

(Rundfunksender FAKT, 22.09.2003)

(mit einigen Anmerkungen von N. Dikigoros)

(Anhang zu: Ein' feste Burg ist unser Götze)

Der Massenselbstmord von Demmin. In den letzten Kriegstagen bringen sich viele Menschen in dem kleinen Ort um. Der Grund: Angst vor den Russen.

Winter 1944/45. Die Rote Armee rückt auf Deutschland vor. Die Schlachten werden erbittert geführt. Doch auch die Zivilbevölkerung wird Opfer eines bestialischen Hasses, eines Hasses, der auch durch Stalins Propagandisten Ilja Ehrenburg geschürt wird. Zitat aus einem von ihm verfassten Pamphlet:

"Brecht mit Gewalt den Rassenhochmut der germanischen Frauen, nehmt sie als rechtmäßige Beute."

Der Vernichtungskrieg den die Deutschen so grausam in die Sowjetunion getragen haben, kommt mit aller Brutalität zurück. [Dummes Zeug: Die wenigen deutsche Soldaten, die sich Vergewaltigungen oder sonstiger Übergriffe auf die russische Zivilbevölkerung zuschulden kommen ließen, wurden sofort standrechtlich erschossen, Anm. Dikigoros]

Die schreckliche Bilanz dieses angestauten Hasses: Zwei Millionen deutsche Frauen und Mädchen wurden vergewaltigt. [Da hat sich Herr Sonntag wohl um eine Null nach unten verschätzt, Anm. Dikigoros] Manche wurden von den Vergewaltigern umgebracht, andere nahmen sich aus Angst das Leben. Panik brach aus wie z.B. Demmin.

O-Ton: Heinz-Gerhard Quadt
"Hierher waren wir Anfang Mai 1945 geflüchtet, meine Mutter und vier Geschwister. Hier wollte sie ins Wasser springen. Ich habe sie zurück gehalten und dadurch sind meine drei Geschwister, meine Mutter und ich am Leben geblieben."

Wovon Heinz-Gerhard Quadt im Mai´45 seine Mutter und Geschwister abhalten konnte - fast 900 Demminer taten es: Sie nahmen sich das Leben. Die meisten von ihnen ertränkten sich in den Flüssen Peene und Tollense.

O-Ton: Heinz-Gerhard Quadt
"Noch nach Wochen trieben hier die Leichen an, blau, aufgedunsen, verfingen sich im Schilf und am Ufer des Flusses."

Der Grund für die beispiellose Selbstmordwelle: Angst. Angst vor den Russen.
Die Rote Armee kam am 30. April nach Demmin in Vorpommern. Die Stadt wurde geplündert und angezündet. Haus für Haus, Straßenzug für Straßenzug fielen den Flammen zum Opfer. Die gesamte Altstadt wurde niedergebrannt.
Ein Ereignis in dieser alten Apotheke war der Grund für den Vandalismus der Russen: Der Apotheker, ein strammer Nazi, lud einige russische Offiziere nach dem Einmarsch zur Siegesfeier mit seiner Familie. Doch der Apotheker hatte den Wein vergiftet. Die Russen starben gemeinsam mit der Apothekerfamilie. Als der Giftmord von der Roten Armee entdeckt wurde, zündeten die Soldaten das Haus an. [Selbst wenn an diesem Märchen etwas dran wäre: Diesen Vorwand, pardon "Grund" hätten die Russen doch schwerlich gebraucht, wie sie zuvor und danach tausendfach bewiesen. Oder will uns Herr Sonntag weis machen, in allen von den Russen zerstörten und ausgeplünderten deutschen Orten, deren Bevölkerung vergewaltigt und/oder ermordet wurde, hätte zuvor irgendjemand einen oder mehrere Russen vergiftet? Alle deutschen - und polnischen und rumänischen und ungarischen und tschechischen - Orte, die von der Roten Armee "befreit" wurden, waren grundsätzlich zwei Tage zur Plünderung pp. frei gegeben, Anm. Dikigoros]
Die Einwohner Demmins hatten Fürchterliches zu ertragen.

O-Ton: Schwester
"Und meine Schwester war die erste, die vergewaltigt wurde, und da hat meine Mutter Angst gehabt, dass sie überhaupt nicht mehr lebt. Und da haben wir immer wieder versucht, an der Tür mit ihr zu sprechen und haben gerufen ´Antworte doch bitte´, aber sie gab keine Antwort. Und da sagte meine Mutter ´Sie ist bestimmt schon tot´. Und sie kam ja am Morgen wieder raus. Da sagte sie ´Ja, wenn ich rauswollte, wenn ich den Mann von mir abwälzen wollte oder was, dann war er eben immer wieder wach und war wieder da. Ich konnte nicht raus kommen.´"

Aus der brennenden Stadt floh die Familie in ein "Kalkofen" genanntes Gehöft.

O-Ton: Schwester
"Und im Kalkofen waren dann verschiedene Menschen, auch ältere und auch junge und u. a. eine Frau, die sehr weinte und auch jammerte, dass sie mindestens fünfzigmal vergewaltigt wurde. Sie blutete und man brachte sie rein, und da hat sie gesagt ´Ich will nicht mehr leben´. Und wissen Sie, auf Grund dessen, dass wir dieses Furchtbare alles so miterleben mussten, hatten wir alle auch den gleichen Gedanken, ein Weiterleben unter dieser Russenherrschaft, das kann es nicht mehr geben."

Die Ausschreitungen in der Stadt hielten über Wochen an, selbst nach Kriegsende. Die Rote Armee setzte sich in Demmin fest, ein Schnapslager fiel in ihre Hände. Unter den 15.000 Einwohnern brach Panik aus: Jeder 17. beging Selbstmord.

Der Autor Antony Beever hat gerade ein Buch über die Gräuel am Ende des Krieges veröffentlicht. In russischen Archiven fand der Brite Geheimberichte wie den folgenden an Geheimdienstchef Berija und Stalin, die also über die Exzesse informiert waren. Darin heißt es:

"Selbstmorde unter den Deutschen, insbesondere unter Frauen treten inzwischen weit verbreitet auf."

O-Ton: Antony Beevor:
"We found this in fact in some of the reports in the soviet archives where woman who had tried to commit suicide and when were intelligated by SMERSCH or NKWD "Why do you tried to commit suicide?" and they account because we were raped time after time by all these drunken soldiers and we couldn´t face it any longer. And they also said we found, that the german propaganda had actually been right."

("Wir haben das tatsächlich in einigen Berichten in den sowjetischen Archiven gefunden, dass Frauen, die versucht hatten Selbstmord zu begehen, danach von den Geheimdiensten vernommen wurden und auf die Frage, warum sie versucht hatten sich das Leben zu nehmen, erzählten, dass sie immer wieder von betrunkenen Soldaten vergewaltigt wurden und das nicht länger ertragen konnten. Und sie haben auch gesagt, sie fänden, dass die deutsche Propaganda wirklich recht gehabt hat.")

Diese Berichte führten dann zu einem Umdenken auch bei Stalin. Doch die Maschinerie der Brutalität, gespeist aus russischen Hassreden und deutschen Verbrechen, war nicht mehr zu stoppen. Auch nicht in Demmin. Dort hat es sich Heinz-Gerhard Quadt seit vierzig Jahren zur Aufgabe gemacht, die tragischen Maiwochen zu erforschen.

O-Ton: Heinz-Gerhard Quadt
"Eine alte, eingesessene Demminer Handwerker- und Geschäftsfamilie band sich mit ihren Kindern aneinander, es waren der alte Herr mit seiner Frau, der Sohn dazu mit Frau und fünf Kindern. Neun Personen. Und gingen aneinander gebunden voller Verzweiflung in die nahe Tollense.

Pfarrer Wessels ging in den ersten Maitagen hier auf dem Friedhof und findet eine Frau mit ihrem Kind tot vor. Und daneben zwei kleine Jungen, die jammern. Und es stellt sich heraus: Die Mutter hatte die ganze Familie vergiftet, bei den beiden Jungen hat das nicht so gewirkt und sie erwachten nun und hatten neben sich die tote Mutter und das Schwesterchen."

Während des DDR-Regimes wurden die Demminer Toten verschwiegen. Quadt versuchte, gemeinsam mit dem Friedhofsverwalter, ihre Zahl zu ermitteln. Die Totenbücher des Mai '45 sind dick: Seitenweise Ertrunkene, vor allem Frauen und Kinder. Die Leichen wurden in einem Massengrab beigesetzt. Unter diesem Rasen liegen fast 900 Demminer, die die Verzweiflung in den Freitod trieb. An das Grauen erinnert keine Gedenktafel, kein Schulbuch erwähnt den wohl größten Massenselbstmord der deutschen Geschichte.


Nachbemerkung:
Pardon, Herr Quadt, pardon, Herr Sonntag, Sie irren. Dikigoros' treue Leser wissen, daß er der letzte ist, der Morde und Selbstmorde verharmlost, egal ob es Deutsche oder Nicht-Deutsche betrifft; aber was 1945 in Demmin geschah, mag zwar tragisch gewesen sein, doch "der größte Massenselbstmord der deutschen Geschichte" war es bestimmt nicht. (Erst recht nicht "der größte Massenselbstmord aller Zeiten", wie man neuerdings an anderer Stelle lesen kann (unter Erhöhung der Zahl der Toten auf "etwa 1.200 bis 2.500"). Dikigoros hat bereits an anderer Stelle über den Massenselbstmord der Mainzer Juden zu Beginn des 1. Kreuzzuges berichtet, dessen Opferzahl vierstellig war. Aber die höchste Opferzahl forderte ein Ereignis, das heute so gut wie vergessen ist, wahrscheinlich nicht so sehr, weil auch daran wieder Russen beteiligt waren, sondern weil aus Gründen der "politischen Korrektheit" (die immer zugleich eine historische Unkorrektheit ist) nicht daran erinnert werden darf, daß es auf damals noch deutschem Boden statt fand. Schlimm genug, daß einige Unverbesserliche immer noch daran zu erinnern wagen, daß Ost- und Westpreußen, Schlesien und Hinterpommern einmal deutsch waren; aber noch viel schlimmer ist es, das gleiche vom Baltikum zu tun. Dikigoros hat das indes an anderer Stelle bereits getan, daher kommt es ihm auf eine politische "Sünde" mehr oder weniger nicht an. Er erlaubt sich also, daran zu erinnern, daß ein Ort in Livland, den die Letten heute "Cesis" nennen (und die Esten "Vönnu), eine deutsche Gründung war und ursprünglich "Wenden" hieß. Es war wohl eine der frühesten deutschen Städte-Gründungen im Baltikum, vielleicht die zweitälteste, nach Riga, jedenfalls entwickelte sie sich bald zur zweitgrößten Stadt im Ordensland, war vorübergehend sogar Hauptsitz des Hochmeisters des Deutschen Ordens. Anno 1577 standen die Truppen Iwáns des Grausamen (den die Deutschen auch "Iwan den Schrecklichen" nennen, also nicht nur mit falscher Betonung des Vor-, sondern auch falscher Übersetzung des Beinamens :-) vor den Stadtmauern; und als diese nicht mehr zu halten waren, flüchtete die Bevölkerung - die durchaus wußte, was Iwán zuvor mit den stolzen Handelsstädten Pleskau, Nowgorod und wie sie alle hießen, angestellt hatte - in die Burg. Als auch die nicht mehr zu halten war, sprengte sich die Besatzung mitsamt den Flüchtlingen in die Luft, und den Russen blieb nur ein Trümmer- und Leichenhaufen. (Genaue Opferzahlen sind nicht bekannt; aber ein paar tausend werden es schon gewesen sein, und damit wesentlich mehr als bei den Mainzer Juden, die "nur" auf knapp über tausend kamen.) Warum hat Dikigoros dieses Ereignis dann nicht in "Ein' feste Burg ist unser Götze" aufgenommen? Schön, daß Ihr diese Frage stellt, liebe Leser, dann kann er nämlich noch einmal klar stellen, daß es ihm dabei nicht um irgendwelche Selbstmorde ging, um dem Feind nicht in die Hände zu fallen, sondern ausschließlich um solche aus religiösen Motiven. Nun mag Iwán zwar ein gottloser Mensch gewesen sein, und das protestantische Christentum (zu dem der Orden seit der Reformation gewechselt war) mag sich vom orthodoxen Christentum in einigen Punkten unterscheiden; aber christliche Konfessionen sind es doch beide; und Iwán ging es nicht um Bekehrung, sondern um Eroberung. Das hat also nicht die gleiche Qualität wie Selbstmorde von Juden aus Angst vor Römern oder Christen, von Hindus aus Angst vor Muslimen oder Christen oder von Christen aus Angst vor Muslimen. Für solche Fälle reicht es halt nur zu einem Anhang oder - wie hier - sogar nur zu einer Nachbemerkung zum Anhang. Und da wir gerade im Ordensland waren, will Dikigoros auch noch den folgenden Fall nachtragen: Die Greuepropaganda gegen Kriegsgegner im allgemeinen und gegen Deutsche im besonderen ist ja nicht erst eine Erfindung des 20. Jahrhunderts. Schon im 15. Jahrhundert dienten frei erfundene Märchen Polen und Litauern zur "Rechtfertigung" ihrer eigenen Greueltaten an Deutschen im Ordensland. So wird bis heute - selbstverständlich auch für das westliche Ausland - die Geschichte der Feste Pilėnai kolportiert. Von den bösen Ordensrittern anno 1336 belagert, die ihr das Christentum aufzwingen wollten, beschloß die tapfere Besatzung unter ihrem großen Führer Margiris, alles Brennbare ins Feuer zu werfen und anschließend kollektiven Massenselbstmord zu begehen. Das war schon was - 4.000 Krieger mitsamt ihren Familien fanden den Heldentod. Leider gab es keine Überlebenden, so daß wir keine Zeitzeugen für jene Geschichte haben. Erst viel später schrieb ein gewisser Syrokomla ein Heldenepos darüber, und noch viel später, 1956 - also nach mehr als 600 Jahren - schrieben ein BekloppterBeklovter und ein gewisser Jonas im Walfisch mit der Macke, pardon, ein gewisser Klovas und Jonas Mackonis eine heroïsche Oper, die bis heute auf den Spielplänen der litauischen Theater steht und sich großer Beliebtheit erfreut; und selbst in den USA ist das Ensemble der litauischen Staatsoper schon damit aufgetreten. Der Ärger ist nur: Niemand hat je die Reste dieser famosen Feste gefunden, obwohl man schon ganz Litauen danach abgesucht hat - es weiß nämlich auch niemand, wo sie lag. Es muß ja schon eine größere Anlage gewesen sein, wenn sie 4.000 Ritter stellen konnte - so viele bekam der Orden in seinen besten Zeiten nicht annähernd zusammen, geschweige denn, daß er sie auf einem einzelnen Feldzug gegen eine einzelne Feste eingesetzt hätte. Und so stellt sich denn die Frage: Selbst wenn es jenes Ereignis wirklich gegeben haben sollte - was Dikigoros stark bezweifelt -, was müssen das für Feiglinge gewesen sein, die sich trotz großer zahlenmäßiger Überlegenheit den paar hundert Ordensritter nicht zum Kampf stellten, sondern statt dessen ihre Frauen, ihre Kinder und sich selber umbrachten? Hätten die nicht statt Bewunderung nur unser aller tiefste Verachtung verdient?

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