Farbige Version - Gimme the colours!

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Claudia auf dem Weihnachtsmarkt

Weihnachtsmärkte sind in Deutschland ja ziemlich beliebt. Sogar der von Hannover. Und Claudia hätte ihren Bummel sicherlich auch genossen, wenn sie beim Babysitten von Mausi McNeal nicht dieses Problem bekommen hätte.

For unknown reasons those Christmas fairs are very popular in Germany. And for sure Claudia would have enjoyed the afternoon at the Christmas fair if she hadn't lost Mousey McNeal, the five-year-old girl from Suffolk who she was supposed to look after.


Daniel Roy, Brühl, Deutschland / Germany
Malcolm McGookin, Asterisk *Animations, Brisbane (Queensland), Australia / Australien
Ki.Ka, Erfurt, Deutschland / Germany

Hallo, ihr vorweihnachtlichen Rübennasen!

Hier ist wieder Claudia Flunkert, und heute möchte ich euch erzählen, was mir vor ein paar Tagen passiert ist. Vielleicht bringe ich euch damit ja schon in Weihnachtsstimmung ... obwohl, na möglicherweise auch nicht.

Ich war nämlich mit meiner Mutter auf dem Weihnachtsmarkt in Hannover. Hannover liegt ja nicht weit von Sehnde entfernt, und dort findet jedes Jahr von August bis Heiligabend dieser Weihnachtsmarkt statt. Hi hi hi. War nur Spaß. Der Weihnachtsmarkt wird natürlich nur in den vier Wochen vor Heiligabend abgehalten.

Wir waren aber nicht nur zu zweit auf dem Weihnachtsmarkt, sondern wir hatten zu dieser Zeit Besuch aus Großbritannien: Hedwig McNeal (das spricht man "Mäckniel" aus) war da. Hedwig McNeal hieß früher mal Hedwig Nasenbein und war bei meiner Mutter in der Klasse und ihre beste Freundin gewesen. Nach dem Abitur ging Hedwig als Au Pair-Mädchen nach England und lebt heute noch dort. Sie hat sich da nämlich in der kleinen Stadt Long Melford in den Marvin McNeal verliebt und die beiden sind schon lange verheiratet und haben drei Töchter.

Die jüngste von ihren drei Töchtern hatte Hedwig mitgebracht: Meredith McNeal ist fünf Jahre alt und wird von allen "Mausi" genannt. Ich hatte die Aufgabe, mich für ein paar Tage um Mausi zu kümmern. He, das habe ich sogar gern getan. Ich habe gleich festgestellt, dass Mausi McNeal ein aufgewecktes, nettes und artiges kleines Mädchen ist - genauso wie ich es in ihrem Alter war. Nur manchmal hatte ich Probleme, mich mit ihr zu unterhalten. Sie kann zwar ganz gut Deutsch, aber nicht perfekt. Dann muss ich immer Englisch mit ihr sprechen, und ... oh well, nun ja.

Jedenfalls wollte ihre Mutter mal wieder nach all den Jahren auf den Weihnachtsmarkt in Hannover, und deswegen fuhren wir vier Frauen dahin: Mama, Hedwig, Mausi und ich.

Wir fuhren also an einem Nachmittag (es wurde schon langsam düster) mit dem Auto nach Hannover. Für diejenigen unter euch, die es interessiert: Hannovers Weihnachtsmarkt findet in der historischen Altstadt rund um die Marktkirche und am Ballhofplatz statt. Mit viel Glück fand meine Mutter auch einen Parkplatz in der Nähe, und wir gingen zu Fuß weiter zum Markt. "Nimmst du meine Mausi an die Hand, Claudi?" fragte mich Hedwig freundlich, und ich versicherte ihr: "Mach ich doch glatt. Komm, gib mir dein Patschehändchen, Mausi!"

Nach ein paar Minuten erreichten wir den Weihnachtsmarkt und sahen schon die ersten Stände, an denen der übliche Weihnachtskram angeboten wurde: Schnitzereien, Holzspielsachen, Naschware und so weiter. Auf einer Bühne legte ein DJ typische Weihnachtsmusik auf, die er über Mikrophon für die Leute auch ankündigte: "Als nächstes hören wir ein schönes altes deutsches Weihnachtslied, das wir alle lieben: 'Kling Glöckchen Klingeling', hier in einer Fassung der Singegruppe 'Urbane Einsamkeit'." Während die sogenannte Musik spielte, guckte ich runter zu Mausi McNeal, die brav an meiner Hand mitlief, und ich fragte sie: "Na, Mausi, gibt es bei euch in England auch solche Weihnachtsmärkte?" Mausi überlegte einen Augenblick und meinte dann: "Das weiß ich nicht. Ich bin noch so jung, ich kann noch nicht alles wissen." - "Das stimmt auch wieder", bestätigte ich ihr.

Derweil sagte Hedwig zu meiner Mutter: "Schau mal, Sibylle, da gibt es Glühwurm, äh, Glühwein. Den habe ich schon seit Jahrhunderten, äh, Jahrzehnten nicht mehr getrunken. Komm, wir zwei genehmigen uns einen." Ich merkte, wie Mama noch protestieren wollte, aber dann willigte sie doch ein: "Ich muss eben mit Hedwig Glühwein trinken. Geht nicht so weit weg, Claudi, wir sind gleich fertig", mahnte mich meine Mutter.

Wir gingen auch nicht allzu weit weg. Wir wollten uns nur ein bisschen die Stände anschauen. Im Hintergrund hörte ich noch, wie Hedwig zu Mama sagte: "Komisch. Ist das normal, dass sich der Glühwein durch den Becherboden frisst?", und Mama antwortete: "Ganz normal. Das gehört mit zur Glühweintradition in Deutschland." Der Weihnachtsmarkt-DJ kündigte inzwischen das Lied 'Morgen kommt der Weihnachtsmann' an, vorgetragen vom Mädchenchor 'Krankhafte Essgewohnheiten', und ich betrachtete mir inzwischen einen Stand mit Weihnachtsengeln in schwarzen Ledermonturen. "Freust du dich schon auf Weihnachten?" fragte ich die kleine Mausi McNeal. Diesmal überlegte sie nicht so lange, sondern sagte gleich: "Yes. Mama hat sogar schon meine Strümpfe gewaschen." Aha. Äh. Tja. Damit hatte ich jetzt meine Schwierigkeiten. Ich zuckte mit den Achseln und meinte: "Na ja, also wir in Deutschland waschen unsere Strümpfe auch, wenn es nicht bald Weihnachten ist, aber wenn du meinst ..." Mausi guckte mich ganz vorwurfsvoll an und meinte: "Aber weißt du das denn nicht? Wir Kinder in England hängen unsere Strümpfe an der Türklinke auf, damit der Weihnachtsmann Geschenke da hineintut, wenn er nachts durch den Kamin kommt." Aaaah ja. Ich beschloss für mich, dass England ein komisches Land sein musste. Aber das sagte ich Mausi nicht.

Dann kamen wir an einen Stand, an dem es typische Weihnachtsleckereien und sogar meine geliebte Zuckerwatte gab. "Cool!" sagte ich zu Mausi. "Esst ihr in England auch Zuckerwatte?", fragte ich Mausi. Mausi dachte wieder mal nach und erklärte mir dann: "Also, so weißes Zeug da heißt bei uns 'snow', und den essen wir nicht." Die Verkäuferin sah Mausi ganz lieb an und fragte sie: "Na, kleine Prinzessin. Möchtest du vielleicht ein Lebkuchenherz?" Mausi antwortete nach einer Sekunde: "Nein. Haben Sie keinen Plumpudding?" Die Verkäuferin lachte ("Hooo ho hooo") und meinte: "Nein. Leider nicht. Aber Dominosteine", und Mausi fragte zurück: "Mit Pfefferminzsoße oder ohne?" Die Verkäuferin lachte schallend, aber vorweihnachtlich herzlich. Ich wusste von Mausis englischen Essgewohnheiten und machte ihr einen Vorschlag: "Pass auf. Ich kaufe dir jetzt doch ein Lebkuchenherz, und wenn wir wieder zu Hause sind, tauche ich es dir in Rindfleischbrühe. Dann kannst du es essen." - "Lecker!", rief sie begeistert aus. Also kaufte ich das Lebkuchenherz und schüttelte mich bei dem Gedanken, es später in Rindfleischbrühe stippen zu müssen.

Dann war es Zeit, wieder zum Glühweinstand zurückzugehen, an dem sich unsere Mütter voll laufen ... äh, an dem sie den Glühwein verköstigten. "Guck mal, Mausi. Deine und meine Mami sehen von hinten aus wie Schwestern in ihren hässli ... in ihren grünen Parkern mit den Kapuzen", bemerkte ich grinsend. Unsere Mütter waren noch nicht so weit, und wir beschlossen, noch etwas auf sie zu warten. Nach zehn Minuten verlor ich aber langsam die Geduld und machte die beiden an: "He, ihr zwei, wollt ihr, dass eure Kinder festfrieren?" Die beiden drehten sich um - und, oh Graus! Oh Mord und Entsetzen und Trauer und Totschlag! Es waren gar nicht unsere Mütter. Genaugenommen waren es niemandes Mütter. Es waren zwei Männer, und der eine sagte zu dem anderen: "Du, Ralf-Detlef, ich glaube, mir ist ein wichtiger Zeitabschnitt in meinem Leben abhanden gekommen." Wie peinlich! Und es kam noch peinlicher, denn Mausi sagte: "Look, Claudia, unsere Mamas haben so viel Schnaps getrunken, dass sie jetzt ganz hässlich geworden sind." Ich entschuldigte mich bei den beiden Herren und machte mich mit Mausi vom Acker.

Jetzt hatten wir ein echtes Problem! Wo waren unsere Mütter? Ich hetzte mit Mausi über den ganzen Weihnachtsmarkt und suchte nach ihnen. Vorbei an den Glasbläserständen, an den Trödlern aus dem Erzgebirge, an den finnischen Kunsthandwerkständen, und aus dem Lautsprecher erkläng derweil 'Stille Nacht, heilige Nacht", vorgetragen vom Knabenchor 'Einstürzende Neubauten'. Plötzlich klingelte ganz in meiner Nähe ein Handy, und noch ehe ich das so richtig begriff, fasste Mausi in ihre Jackentasche und holte ein Handy heraus. Unglaublich - fünf Jahre und ein eigenes Telefon! Sie meldete sich: "Yes, this is Meredith McNeal speaking... Ach, du bist's, Tante Sibylle ... Ja, Claudia ist auch hier ... Ich gebe sie dir mal ..." Ungeduldig griff ich nach dem Telefon und sagte aufgeregt: "Ja, hallo, Mama, wir haben euch verloren." Sie beruhigte mich: "Mach dir mal keine Sorgen. Wir treffen uns in einer halben Stunde am Auto." Ja, so wollten wir's machen. Ich legte auf oder wie auch immer man das bei einem Handy nennt und steckte Mausis Handy versehentlich in meine eigene Jackentasche. Mausi protestierte aber nicht, sondern ließ sich von mir brav wieder an die Hand nehmen. Wir gingen Richtung Auto.

Nach ungefähr hundert Metern hörte ich eine Frau hinter mir hysterisch schreien: "Aus! Pfui! Loslassen! Gib mir sofort meinen schönen Bodo zurück, du Punkerin!" Ich drehte mich um, weil ich wissen wollte, was da los war. Da sah ich, wie diese hysterische Ziege auf mich zuraste. "Will die blöde Kuh etwa was von uns?" fragte ich Mausi und drehte mich zu meinem kleinen Schützling. Ach du Sch ... Schande! Das war nicht Mausi! Das war irgendein ein am Daumen nuckelnder kleiner hässlicher Junge, der offenbar zu der schreienden Frau gehörte und den ich statt Mausi mitgeschleppt hatte. Die Frau riss mir ihren "schönen Bodo" regelrecht aus der Hand. Ich entschuldigte mich so höflich, wie es mir möglich war, und verschwand dann auffällig unauffällig.

Jetzt war mein Problem plötzlich eine Million mal größer. Wo war Mausi? Wo sollte ich sie suchen? Ich raste an allen Spielzeugständen vorbei. Nichts! Ich fragte den Weihnachtsmann an der Ecke. Vergebens! Mir fiel nun bloß noch das Handy ein. Ich rief meine Mutter an: "Hallo, Mama. Regt euch bitte nicht auf, denkt an euren Blutdruck ... aber irgendwie muss ich wohl die Mausi verlegt haben." Und Mama konnte mich erneut beruhigen: "Ich weiß, ich weiß. Wir haben sie zufällig gefunden. Sie stand beim Waffelverkäufer und fragte ihn, ob er auch Pfannkuchen mit Fleischsoße hat. Wir treffen uns in fünfzehn Minuten am Auto."

Noch immer zitternd ging ich zu unserem Auto zurück: ein roter Passat, den mein Papa mal einem palästinensischen Pizzabäcker aus Peine abgekauft hat. Dort angekommen, wartete ich erst einmal. Ich wartete. Ich wartete. Ich wartete. Nach einer ganzen Stunde wartete ich immer noch, als Mausis Handy in meiner Jackentasche wieder klingelte (eine hässliche Klingelmelodie übrigens, nämlich 'Bob the Builder'). Es war erneut meine Mutter: "Claudia, wo steckst du denn? Wir sind hier am Auto und frieren uns den ..." - "Wieso das denn? ICH bin doch auch am Auto." - "Waaaaas!" schrie meine Mutter bass erstaunt ins Telefon. Ich guckte mich verwundert um ... oh nein! Das war nicht unser Auto, an dem ich stand! Es war ein anderer roter Passat! Ich war eine Straße zu früh abgebogen!

Recht schnell lief ich zu den anderen, und wie ihr euch vorstellen könnt, war ich nach diesem Tag in bester Weihnachtslaune.

Mit vereisten Grüßen

Eure Claudia Flunkert

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