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Simons Tipps im Videotext


Simon ist gebeten worden, einige praktische Tipps für den Videotext zu schreiben: Kochrezepte, Bücher- und Filmtipps. Er glaubt, es nicht ohne fremde Hilfe schaffen zu können, und drängelt seine Klassenkameraden Mary Christmas, Hewwi Mättel, Ramöna Lapalöna und Sepp Tember, ihn zu unterstützen. Ob diese Idee so gut war?

Simon has been asked to write some practical hints for a TV channel's videotext - something you folks don't have in the United States, by the way, and you haven't got it either, you mates in Australia and South Africa. Videotext (or teletext - or screentext) is a bit like having sort of a spartan Internet on TV, and you select what you want to read with your remote-control. European readers will know what I'm talking about. Most European TV channels have their own screentext. Simon has been telling his stories in Kinderkanal's screentext since 1997 already. Anyway, Simon's task is to select some recipes and to recommend some books to read and some movies to see at the cinema. He doesn't think he can manage on his own, so he urges his classmates Mary Christmas (whose American Dad is from Massa ... Massa ... the state where Boston is), Hedwig Mättel (a girl everyone calls Heavy Metal - and that's what she's like), Ramöna Lapalöma (from Eastern Germany) and Bavarian Sepp Tember to support him. And that turns out to have been a biiiiiig mistake, guys.


Daniel Roy, Bruehl, Deutschland
Malcolm McGookin, Asterisk, Brisbane (Queensland), Australien
Ki.Ka, Erfurt, Deutschland

Hi, Mitkids!

Neulich rief meine Redakteurin vom Ki.Ka bei mir an und meinte: "Simon, du bist in letzter Zeit etwas faul geworden, nicht wahr?" Das fand ich überhaupt nicht: "Wieso denn? Ihr habt doch nach wie vor alle vierzehn Tage eine neue Geschichte von mir." - "Ja, das schon", meinte sie, "aber mehr als die Hälfte davon lässt du inzwischen von deiner kleinen Schwester Claudia erzählen." Na, das stimmte schon: "Ja klar, aber die Kleine möchte halt so gerne." Die Redakteurin rief aber eigentlich an, weil sie mich um einen Gefallen bitten wollte: "Simon, wir haben zurzeit einen Engpass in der Redaktion. Es haben einfach zu viele Leute gleichzeitig Urlaub genommen. Könntest du uns helfen, den Inhalt für den Videotext zu schreiben? Abgesehen von der Gute-Nacht-Geschichte, meine ich, die machst du ja sowieso." Aha - interessant. Obwohl ich eigentlich nicht so viel Zeit hatte. "Was muss ich denn da machen?" fragte ich. Sie erklärte mir: "Och, nicht viel. Wir brauchen ein paar Kochrezepte und einige Buchtipps. Und was auch nicht schlecht wäre, wären einige Kinotipps. Und wir brauchen es bis morgen abend." Ich musste vor Schreck direkt aufstoßen: "Rülps... äh, ich meine, das ist aber ziemlich wenig Zeit, finde ich." Sie wiegelte ab: "Na, du kannst doch ein paar Freunde bitten, dir zu helfen. Mit der Bezahlung machen wir das übrigens so wie immer", sagte sie.

Na, da hatte ich mir ja etwas aufhalsen lassen. Um Rezepte, neue Bücher und neue Filme zu empfehlen, müsste ich ja erst einmal welche kennen. Deswegen erzählte ich am darauffolgenden Vormittag in meiner Klasse von diesem Problem und schleimte: "Ich fände es cool, wenn mir einige von euch heute Nachmittag helfen könnten." Alle schwiegen - nur Lothar Lästermaul sagte etwas: "Also, ich fände es eher uncool. Aber schön, dass wir mal darüber gesprochen haben." Wie peinlich! Aber ich gab noch nicht auf: "Wir würden uns bei mir zu Hause treffen. Es gibt Cola, Chips und Brägenkuchen." Jetzt bekam ich zaghaft doch einigen Zuspruch: "Ja, dann komme ich", meldete sich Hedwig Mättel, die wir immer Hewwi nennen. Hewwi Mättel ist immer mit dabei, wenn es etwas Ungesundes gibt. "Ach, ich hätte auch Lust dazu", erklärte Mary Christmas. "So a paar Tipps folln mer fei aa noch ein. I kimm", erklärte Sepp Tember, der von einigen Jahren aus Bayern zugezogen war. "Nu ejfobibsche nochemo, dann kömm üsch döch ooch!", jubilierte Ramöna Lapalöma, die aus Sachsen stammt. Ich fragte natürlich auch meine Lieblingsklassenkameradin Sirpa Hundelainen, ob sie nicht auch kommen würde, aber sie schüttelte den Kopf und sagte so laut, dass es die ganze Klasse hören konnte: "Nein, leider nicht. Ich würde gern, aber ich muss mit meinem Kater zum Tierarzt. Der muss kastriert werden, weißt du?" - "Nu waaaas, der Dierarzt söll gastriert wärden?", fragte Ramöna völlig verwundert. Ramöna ist sehr nett, aber nicht die Allercleverste, müsst ihr wissen.

Ich war froh, dass ich für diese Videotextarbeit überhaupt Hilfe bekommen hatte. Ich war in meinem Zimmer und stellte die Cola, die Chips und den köstlichen Brägenkuchen bereit, den Mama gebacken hatte. (Fragt mich nicht, was in diesem Brägenkuchen drin ist - ich weiß es absolut nicht.) Ui, die Tüte Chips geht ja gar nicht auf. Na! Na! Mal eben mit Gewalt ... Mist! Die Tüte ging nun doch auf und die Chips verteilten sich über den Fußboden. In diesem Moment betraten meine Gäste das Zimmer. "Geil! Bei dir kann man wirklich vom Fußboden essen, Simon. Da liegt echt genug rum", lästerte Hewwi. Dann halfen sie mir aber glücklicherweise, die Chips aufzusammeln. "Die gönn wir döch drötzdäm nöch ässen", schlug Ramöna vor.

Dann machten wir uns auch schon an die Arbeit. Wir hatten uns um einen kleinen runden Tisch versammelt und ich eröffnete die Sitzung: "Das erste, was die Redaktion vorgeschlagen hat, sind Kochrezepte. Kennt also von euch jemand ein Rezept, das man nachkochen kann, ohne dass einem gleich davon schlecht wird?" Mary Christmas meldete sich zu Wort: "Ja, ich habe da mal etwas vorbereitet. Wie ihr ja wisst, kommt mein Vater aus den Vereinigten Staaten von Amerika, aus Macha ... Masscha ..." - "Aus Massachussetts", half ich ihr. "Ja, genau von dort", meinte sie. "Und er hat mir ein Rezept für amerikanischen Rhabarberkuchen mitgegeben. Passt mal auf, ich lese es euch vor: Aus Mehl, Backpulver, Margarine, Zucker und einem Ei einen Mürbeteig kneten. Ein halbes Kuchenblech fetten und mit Paniermehl ausstreuen. Dann mit dem Teig belegen und mit einer Gabel mehrmals einstechen. Aus Alufolie einen Rand formen, ebenfalls fetten und mit Paniermehl bestreuen. Damit den Teig in der Mitte vom Blech abstützen. Die Eigelbe mit 125 g Zucker und dem Vanillesoßenpulver schaumig rühren. Die Erdbeeren zufügen und diese Masse auf dem Teig verteilen. Den Ofen auf 200 Grad vorheizen und das Blech auf der zweiten Schiene von unten 30 Minuten backen. Inzwischen die Eiweiße mit 125 g Zucker und Vanillezucker steif schlagen und kalt stellen. Nach 30 Minuten Backzeit den Ei-Schnee gleichmäßig auf dem Kuchen verteilen und weitere 8 Minuten backen. Der Ei-Schnee muss hellbraun bleiben, damit sich beim Erkalten Tröpfchen darauf bilden können." Wir guckten sie etwas kritisch an. "Na schön, das kann ja schmecken - aber wo bleibt denn der Rhabarber in deinem Rhabarberkuchen?" fragte ich erstaunt. Sie erklärte uns: "Die Amerikaner machen ihren Rhabarberkuchen lieber mit Erdbeeren als mit Rhabarber. Wisst ihr, Rhabarber ist denen einfach zu sauer." - "Ja, aber dann ist es doch kein Rhabarberkuchen, wenn man statt Rhabarber Erdbeeren hineintut", warf Hewwi Mättel völlig zurecht ein. Mary dachte kurz nach und antwortete: "Ja - stimmt eigentlich auch wieder." Allerdings hatten auch Ramöna Lapalöma und Sepp Tember aus ihrer jeweiligen Heimat Rezepte dabei: Sepp empfahl Weißwurst mit Radi-oaktivem Gemüse, Leder-Knödlsuppe und Bodenseepferdchen. Ramöna berichtete von Leipziger Einerlei, Sächsischem Zwiebelfisch und Dresdner Jahres-End-Stollen. Da brauchte ich Hewwi Mättels Rezept gar nicht mehr. Die hatte nämlich erzählt: "Wenn ich mal Hunger habe, schütte ich mir einige Erdnüsse in die Pepsi."

An Rezepten hatte ich erst einmal genug. Ich läutete die nächste Runde ein: "Klingelingeling! Kommen wir zu den Filmtipps. Hat jemand von euch in letzter Zeit im Kino einen hübschen Film gesehen?" Das war das Stichwort für Hewwi Mättel. Hewwi Mättel donnerte los: "Ja, ich. Und zwar gibt es einen geilen neuen Streifen von Roland Entenstich. Nach seinem Naturfilm GODZILLA - EINE MUTIERTE RIESENECHSE ZERSTÖRT AMERIKA und dem Dokumentarspiel INDEPENDENCE DAY - MUTIERTE RIESENALIENS ZERSTÖREN AMERIKA präsentiert er jetzt seinen Historienfilm SISSY - EINE MUTIERTE RIESENKAISERIN ZERSTÖRT AMERIKA. Da geht echt die Luzi ab. Die Musik zum Film schrieben übrigens die SMASHING PUPPYHEADS, die ..." - "Hewwi Mättel, du bist absolut geschmacklos", meckerte ich, und die anderen pflichteten mir bei. Sepp jodelte gekränkt: "Der oamen Kaiserin Ssssssissy ssso etwas Niederträchtiges zu unterstellen...", Mary erzählte etwas vom 11. September, und Ramöna meinte: "Wer Hörrör sähen wüll, braucht nüscht üns Gino zu gähn, der müss nür die Dagesschau güggen öder Brö 7 einschalten." Sepp schlug vor: "Im Filmvorführraum des Oltenheims Hannover-Anderten zoagens nächste Wochen DER BERG RUFT mit Luis Trenker." Ramöna empfahl einen Liebesfilm ("LIEBE, LUST UND LANDMASCHINEN"), und Mary war ganz begeistert von dem Tierfilm FLIPPER VOR DEN KÜSTEN JAPANS.

Aufs Kino hatte ich inzwischen keine Lust mehr. Ich kam zum letzten der drei Punkte: den Büchertipps. Ich selbst empfahl Karl May: "Karl May ist zwar schon lange tot, aber er hat viele schöne Bücher geschrieben, die die Mitkids mal lesen sollten: UNTER GEIERN, WINNETOU, DER ÖLPRINZ, DER SCHATZ IM SILBERSEE, DAS KAPITAL ...". Doch ich wurde in meinen Ausführungen brutal von Hewwi Mättel unterbrochen: "Ich selbst habe neulich einen voll blutigen Horror-Roman gelesen: Edgar Ellen Popos MAXIMILIAN UND DIE KLEMPNER-ZOMBIES VON WESSELING. Also: Maximilian aus Buxtehude verbringt die Ferien bei seiner Großtante Wilhelmine in Wesseling bei Köln. Dort macht er merkwürdige Beobachtungen: Das Gemüse auf den Feldern kann sprechen, die örtliche Chemiefabrik fliegt nachts über Land, und die Wesselinger können überhaupt nicht Auto fahren. Aber den größten Schock kriegt er, als er merkt, dass die Klempner von Wesseling allesamt Zombies sind - lebende Tote also. Erst pusten sie ihren ahnungslosen Kunden die Abwasserrohre frei, dann saugen sie ihnen das Gehirn aus. Schlürf! Maximilian beschließt, Wesseling von den Klempnerzombies zu befreien. Es entbrennt ein Kampf auf Leben und Untod. Die Klempner wehren sich mit Klo-Stopfern und Gummidichtungen. Jedoch ..." Mary konnte sich das nicht länger anhören, und sie würgte Hewwi ab - im übertragenen Sinne, meine ich: "Wie langweilig! Viel zu wirklichkeitsnah! Mein Vater kommt zwar aus Massa ... Massa ... Amerika, aber meine Mutter ist aus Wesseling. Die können da echt nicht Auto fahren, das Gemüse kann wahrscheinlich wirklich sprechen - die ganzen Schadstoffe von der Chemiefabrik, wisst ihr - und außerdem sind dort nicht nur die Klempner lebende Tote, sondern auch die Busfahrer, die Bestatter, die Lehrer und die Kassiererinnen bei Aldi." Wir anderen staunten - ob sie das wirklich ernst meinte? Na, wahrscheinlich eher nicht. Oder etwa doch? Mary selbst schlug vor: "Wie wäre es denn mit einem Klassiker von Mark Twain? TOM SAUER UND HEIDELBEERE FINN?" Sepp hatte auch mal ein Buch gelesen: "DER BERG RUFT - dös Buch zum Film. Ihr wissts scho - mit Luis Trenker." Ja, und Ramöna geriet bei ihrem Buchtipp richtig ins Huldigen: "Nu ejfobische nochemo, NICHTS NEUES VOM NORDERHOF ist das bäste Pfärdebuch aller Zeiten! Passte ma uff! Die Ginder vom Dierarzt Brändel sünd wüder maa beleidischt, und geiner weiß warum. Dann ..." Während Ramöna von Fohlen, Ponies und Schimmelkäse schwärmte, sichtete ich sämtliche Vorschläge, die ich bereits hatte. Ramöna schloss mit den Worten: "Nu, Pfärde sünd ja sööö süüüüüß! " Das erstaunte den Sepp: "So, findst, Madel? I hob scho oft Pferd g'gessen. I fands würzig und deftig, aber süß net direkt." - "Dü Ünmänsch!" fuhr Ramöna ihn an.

Ich fasste zusammen: "So. Wir haben Marys Rhabarberkuchen ohne Rhabarber, Ramönas und Sepps Leckereien aus exotischen Ländern, eine mutierte Riesenkaiserin, lustvolle Landmaschinen, einen hyperaktiven Delfin, Zombies aus dem Rheinland, Pferdegeschichten in allen Geschmacksrichtungen, und außerdem gröhlende Berge in unterschiedlichen Darstellungsformen. Hmm. Tja."

Während ich nachdachte, bemerkte Sepp: "Du, dera Brägenkuchen, den dei Mutter g'backen hot, ist fei köstlich. Wos ist denn do so drin?" wollte er wissen. Ich zuckte mit den Achseln: "Keine Ahnung, welche Zutaten da so hinein gehören - wie ich übrigens auch schon im Satz in der Klammer im dritten Absatz dieser Geschichte bemerkt habe." - "Verzeih. Muss i überlesen hoben", entschuldigte sich Sepp.

Dann meinte ich: "Ich danke euch trotz allem für eure Mithilfe. Trotz allem maile ich unsere Ergebnisse heute Abend an die Redakteurin vom Videotext."

Ja, also mailte ich dem Ki.Ka unsere Tipps, obwohl ich wusste, dass sie Mist waren. Na ja, und weil unsere Tipps Mist waren, hat der Ki.Ka sie auch nicht veröffentlicht.

Mit vergeblichen Grüßen

Euer SIMON FLUNKERT


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