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At last:
Daniel Roy’s first Simon Flunkert book is available!!!

Endlich:
Daniel Roys erstes Simon-Flunkert-Buch kann gekauft (und GELESEN!!!) werden!!!

Daniel Roy, Hi, Mitkids!
Simon Flunkerts Abenteuer in der Brägenwurstzone,
Norderstedt: BOD, 2005,
240 Seiten, ISBN: 3-8334-2907-0.

Mehr Informationen gibt es hier!


Gespräche in der Straßenbahn
(Tram Talk)


Claudia und Simon sind mit der Straßenbahn in Köln unterwegs. Schon interessant, was man im Zeitalter des Mobiltelefons in einer Straßenbahn so erfährt.

Claudia and Simon are on the tram in Cologne. It is so interesting to see what you can learn on a tram in the age of the mobile phone.


Daniel Roy, Bruehl, Deutschland
Malcolm McGookin, Asterisk, Brisbane (Queensland), Australien
Ki.Ka, Erfurt, Deutschland

Tag, ihr Rübennasen!

So liebevoll spricht euch natürlich nur eine an. Genau: Hier ist endlich mal wieder Claudia Flunkert. In der letzten Zeit kam ich ja nicht dazu, euch selbst zu schreiben, da ich lauter wichtige Termine hatte: Freundinnen besuchen, Fußball gucken, Schuhe kaufen usw.

Simon hatte euch neulich bereits erzählt, dass wir zwei in den Sommerferien wieder einige Tage bei den Rheinfallers in Köln waren. Und von einem Erlebnis, das wir zwei dort gemeinsam hatten, will ich euch heute berichten:

An einem unserer Tage in Köln waren Simon und ich im Museum gewesen. Genaugenommen waren wir sogar in zwei Museen. Das wird euch jetzt vielleicht verwundern, weil ich ja sonst nicht so der Museumstyp bin. Aber das waren jetzt auch nicht zwei normale kulturhistorische Museen, in denen man Nachttöpfe aus der Römerzeit bestaunen muss oder Komposthaufen aus dem Dreißigjährigen Krieg oder aber die vollgekackten Unterhosen von Friedrich dem Großen und den Filzhut vom Genossen Erich Honecker. Wir waren nämlich auf der Museumsinsel im Rhein und haben uns zuerst das Schokoladenmuseum angeschaut. Dort kann man einiges über die Geschichte und Herstellung von Schokolade lernen, und am Ende haben wir sogar eine kleine Kostprobe bekommen und auch gleich mal aufgegessen. Und um uns die Kalorien gleich wieder abzutrainieren, haben wir anschließend nebenan das Deutsche Sportmuseum besucht.

Hinterher gingen wir am Hänneschen-Puppentheater und dem Willi-Millowitsch-Denkmal vorbei über den Alter Markt (man sagt in Köln wirklich: "über den Alter Markt", nicht: "über den Alten Markt") und den Heumarkt in das Geschäftszentrum um die Schildergasse herum, wo ich in einige Läden hineinging (und Simon immer brav auf mich wartete, denn ich hatte nämlich den Stadtplan dabei). Als es Zeit für uns wurde, zu den Rheinfallers zurück nach Köln-Rodenkirchen zu fahren, gingen wir zur U-Bahnstation am Appellhofplatz und nahmen die Straßenbahn Linie 16 nach Bonn. (In Köln kann man zwischen U-Bahn und Straßenbahn gar nicht so gut unterscheiden. Mal fährt sie unterirdisch und dann später wieder überirdisch.) Obwohl die Straßenbahn gut voll war, bekamen wir noch zwei gegenüberliegende Plätze.

Die Leute in der U-Bahn schienen alle ziemlich müde zu sein, denn kaum jemand unterhielt sich, und wenn, dann nur recht leise. An der U-Bahn-Station Poststraße stieg eine Frau ein - so ungefähr 35 Jahre alt, schätze ich mal. An dieser Frau war an sich nichts Außergewöhnliches, und deswegen war sie mir zunächst auch eigentlich gar nicht so aufgefallen. Als sie sich hingesetzt hatte, nahm sie jedoch sofort ihr Handy aus der Tasche, wählte eine Nummer und fing an zu quasseln. Und sie sprach beim Telefonieren so laut, dass jeder - wirklich jeder! - alles genau mithören konnte:

"Hallo, Mareike! Ja, hier ist die Geli! Mareike, hast du es schon gehört? Stacheldraht-Harry und ich sind in einer Beziehungskrise! Ja, der Affe, der - selber hat er mir gar nichts gesagt. Nee, weißte, gestern Abend war Stacheldraht-Harry noch mit Schweinenase und Grinsebacke beim Asphaltkegeltraining. Und da hat Stacheldraht-Harry zu Grinsebacke und Schweinenase gesagt: Die Geli hat mir in unserer Beziehung viel zu viel verändert. Jetzt liebe ich sie gar nicht mehr. Der blöde Kerl. Mir selbst hat er nichts davon gesagt. Im Gegenteil! Als wir letzte Woche gemeinsam im Kino waren und uns den Film Zwei Herzen im Dreiviertelglas angesehen haben, da hättest du mal sehen müssen, was der alles mit mir gemacht hat. Das hat Schweinenase mir auch gesagt. Schweinenase hat nämlich hinter mir gesessen und hat gesagt: Wie Stacheldraht-Harry im Kino an deinem Ohrläppchen herumgenuckelt hat, da dachte ich mir noch: Schau an, das ist die wahre große Liebe. Ich weiß gar nicht, was in Stacheldraht-Harry gefahren ist, Mareike. Ich weiß auch gar nicht, wie ich mich verhalten soll. Soll ich ihn zur Rede stellen? Und wenn bla bla blu blu ..."

Das Telefongespräch ging noch eine Weile so weiter, und jeder in unserem Straßenbahnwaggon wusste jetzt von Geli und ihrem Problem mit Stacheldraht-Harry. Geli hatte gerade aufgelegt, da telefonierte sie auch schon mit ihrer nächsten Freundin: "Hallo, Katja, hier ist die Geli. Hast du es schon gehört? Nein? Pass auf, Stacheldraht-Harry und ich sind in einer Beziehungskrise. Dieser Schuft bla bla blu blu der traut sich nicht, mir das selbst zu sagen bla bla blu blu ja, vielleicht hat er es wirklich nicht so gemeint. Aber weißt du was? Ich lass' ihn jetzt zappeln. Ich rufe ihn nicht an. Er soll mich anrufen und mich um Vergebung bitten und dann auf den Knien zu mir herkriechen und mir die Füße küssen bla bla blu blu bla bla blu blu ..."

Diese Geli hatte wieder aufgelegt und wollte wohl gerade die nächste Freundin anrufen, da sagte plötzlich der vornehm gekleidete ältere Herr, der neben mir saß, zu einer ebenfalls vornehm gekleideten älteren Frau, die wahrscheinlich seine Ehefrau war, laut und deutlich für jedermann im Waggon zu hören: "Weißt du, irgendwie kann ich diesen Stacheldraht-Harry ja verstehen." - "Inwiefern denn?", fragte ihn seine Frau zurück, und er meinte: "Na ja, wenn du genauso viel geredet hättest wie diese Geli, hätte ich wahrscheinlich auch Schluss gemacht mit dir. Und wahrscheinlich telefoniert sie ja auch immerzu, wenn sie redet ..." Aus dem hinteren Waggonteil beschwerte sich laut eine junge Frau: "Wir leben im dritten Jahrtausend. Eine moderne unabhängige Frau kann so viel telefonieren, wie sie will. Schließlich bezahlen wir unsere Handyrechnungen selbst." Der Herr neben mir erwiderte: "Ach ja, es geht ja nicht sosehr ums Geld. Stellen Sie sich vor, Stacheldraht-Harry will an Gelis Ohrläppchen nuckeln, was aber nicht geht, weil Geli wieder mal ihr Telefon am Ohr hat. Das ist auf die Dauer sehr unbefriedigend für Stacheldraht-Harry." Eine Frauenstimme - ich konnte nicht sehen, zu wem sie genau gehörte - kommentierte das: "Das ist krasser Quatsch, ey! Wenn ihr Stacheldraht-Harry wirklich am Ohrläppchen nuckeln will und sie telefoniert gerade, kann er schließlich um sie herumlaufen und das andere Ohrläppchen benutzen." - "Genau!", riefen einige. "Haarspalterei!", riefen andere.

Geli hatte das mit Sicherheit alles mitbekommen, sagte aber kein Wort und tat so, als gehe sie das alles gar nichts an. Sie hatte aber aufgehört zu telefonieren, hatte ein Bein über das andere geschlagen und wartete wohl ab, was noch kommen würde. Und es passierte noch einiges!

Einige Bänke von uns entfernt saß ein wirklich gaaanz altes Ehepaar. Bisher hatten die beiden nichts gesagt, aber nun sagte der Mann mit leuchtenden Augen zu seiner Frau: "Auguste, weißt du noch, wie schön das war, als wir zwei damals frisch verliebt waren und ich dir im Kino auch immer am Ohrläppchen rumnuckelte?" Auguste kicherte und antwortete ihm: "Ach, Karl Gustaf, das musst du wohl geträumt haben. Als wir zwei frisch verliebt waren, da gab es in Deutschland überhaupt noch keine Kinos." Darüber lachten jetzt viele, denn so alt waren die beiden wohl auch noch nicht, dass es damals überhaupt noch keine Kinos gab.

Die Diskussion um Geli und Stacheldraht-Harry ging allerdings weiter. Irgendein Mann im Waggon meinte: "Na ja, aber in jedem Falle finde ich es nicht gut, dass Stacheldraht-Harry Geli nicht selbst gesagt hat, dass er sie nicht mehr liebt. Das ist schlechter Stil." Der Herr neben mir nahm Stacheldraht-Harry in Schutz: "Ich könnte mir vorstellen, dass er es ihr sagen wollte, sie das aber gar nicht gemerkt hat, weil sie wieder mal am Telefonieren war." Daraufhin riefen mindestens zehn Fahrgäste spontan im Chor: "Aber letzte Woche im Kino hat er doch noch an ihrem Ohr genuckelt!!!"

Es war ja Hauptverkehrszeit, und an jeder Haltestelle stiegen einige Leute aus, aber noch mehr ein. Und die, die einstiegen, wurden sofort informiert, worüber diskutiert wurde, und schnell wusste jeder neue Fahrgast von Gelis und Stacheldraht-Harrys Beziehungskrise.

Plötzlich sagte mein Bruder Simon auch etwas in die Runde: "Also, ich kann mir ja vorstellen, wie Leute aussehen, die Schweinenase und Grinsebacke heißen. Aber wieso nennt man einen Menschen Stacheldraht-Harry?" Das beantwortete ihm ein kleiner Mann vom anderen Ende des Waggons: "Nu eiferbibsch, das kann isch beantwotten. Die bösen Kölner gäben allen Bewöhnern von Köln, die aus den Neuen Bündesländern stammen, üble Spitznamen, die sie an ihre DDR-Vergangenheit erinnern. Isch känne hier züm Beispiel Rennpappe-Rudi aus Zwickau, die Schlager-Süßtafel-Peggy aus Wismar, Spreewaldgurken-Jenny aus Cottbus, Saurer-Regen-Enrico aus Bitterfeld und Jasmin, genannt Jasmin, das Berliner Mauerblümchen. Ich selbst heiße Maximilian und komme aus Magdeburg, und alle hier nennen mich Plaste-und-Elaste-Maxe. Ich nehme an, Stachdeldraht-Harry war zu DDR-Zeiten Grenzsoldat und sicherte die Staatsgrenze West zur BRD. Es war nicht alles schlecht!" - "Unfug!", kommentierte dies ein langhaariger, schnurrbärtiger Mann mit vielen Kettchen, und er erklärte: "Ich habe Stacheldraht-Harry mal persönlich kennen gelernt. Der kommt überhaupt nicht aus Ostdeutschland. Der hat nur mal eben acht Jahre im Knast in Köln-Ossendorf gesessen, und seitdem nennt er sich stolz Stacheldraht-Harry."

Während einige Fahrgäste gutgelaunt das Lied "Maschendrahtzaun" von Stefan Raab anstimmten, meldete sich eine junge Frau zu Wort: "Entschuldigen Sie - ich studiere an der Universität Köln Beziehungssoziologie mit dem Schwerpunkt Frontalstatistik, und die Krise von Geli und Stacheldraht-Harry gestaltet sich für mich immer spannender. Geli hat vorhin ihrer Freundin Katja gegenüber angekündigt, sie selbst werde Stacheldraht-Harry nicht anrufen, sondern Stacheldraht-Harry selbst müsse den ersten Schritt tun. Wie viele von Ihnen glauben, dass Geli das durchhält? Vielleicht könnten diese eben die Hand heben ... Ach, das sind ja doch einige. Ich zähle mal eben ... 18. Und wie viele von Ihnen denken, dass sie das nicht durchhält? ... Oh, das sind einige mehr ... Ich zähle 39, plus mich selbst, das macht 40."

Die einzige, die sich dieser Abstimmung enthalten hatte, war Geli. Der wurde es allmählich zu bunt. Als die Bahn kurz vor Rodenkirchen mal hielt, sprang sie auf, drückte den Knopf, mit dem man signalisiert, dass man an der nächsten Haltestelle aussteigen will, rannte zur Tür - und rannte gegen die Tür. Der Herr neben mir meinte: "Geli, die Tür öffnet sich erst an der nächsten Haltestelle. Im Moment stehen wir noch an einer roten Ampel." Aber dann kamen wir wirklich zur Haltestelle, und Geli war ganz schnell weg.

Und daher wissen wir leider nicht, wie es mit Geli und Stacheldraht-Harry weitergegangen ist.

Es grüßt euch

Eure CLAUDIA FLUNKERT

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