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Simon und das Streifenhörnchen


Daniel Roy, Bruehl, Deutschland
Malcolm McGookin, Asterisk, Brisbane (Queensland), Australien
Ki.Ka, Erfurt, Deutschland

Hi, Mitkids!

Hier ist Simon Flunkert mit einer Geschichte zum Thema "Trau schau wem". Sozusagen.

Ich wartete ungeduldig auf meine kleine Schwester Claudia. Auf dem Parkplatz vorm Haus stand bereits Frau Kartoffeljäger mit ihrem Auto und wartete auf uns. Es war verabredet, dass sie uns mit zum Einkaufen nach Hannover nehmen würde.

Als die Frau Kartoffeljäger bereits zu hupen anfing, ging in einfach in Claudias Zimmer. Oh nein, war das wieder ein Chaos. Ich wette, Claudia hat euch schon alles Möglich über sich selbst erzählt - nur nicht, dass sie der Welt größte Schlampe ist. Ist sie nämlich echt! Sie stand da in ihrer Jacke, aber noch ohne Schuhe. Mit besockten Füßen lief sie um einen riesigen Berg Klamotten und suchte offensichtlich ein paar Schuhe. Ich motzte: "Kein Wunder, dass du dauernd neue Schuhe brauchst. Bei deiner Schlampigkeit verlierst du ständig welche." Claudi guckte mich böse an und motzte zurück: "Quatsch! Bei mir kommt nie etwas weg! Ich finde nur nicht immer alles sofort." Ich drängelte. Ich drängelte und drängelte. Ich drängelte und drängelte und drängelte. "Dein Drängeln geht mir auf die Nerven", schimpfte Claudia. Dann zog sie sich in ihrer Eile links einen gelben und rechts einen orangefarbenen Gummistiefel an. Ich lachte. "Hör auf zu Lachen! Das trägt frau jetzt so!" Ich lachte noch mehr. Aber zum Glück konnten wir endlich los. Schnell liefen wir hinunter. Dann fiel uns ein, dass wir im Erdgeschoss wohnten, und gingen die Kellertreppe wieder hinauf. Auf dem Parkplatz empfing uns die Frau Kartoffeljäger. "Claudia, weißt du, dass du zwei unterschiedliche Stiefel an hast?", stellte sie fest. Claudia stammelte etwas von "Neue Frühlingsmode" oder so.

Das war der Frau Kartoffeljäger aber ziemlich egal. Wir stiegen in ihr Auto und dampften ab in Richtung Hannover. Ihr müsst wissen, die Frau Kartoffeljäger ist gehbehindert. Sie hat Probleme mit dem rechten Bein. Deswegen ist ihr Auto umgebaut: Ihr Gaspedal ist links, so dass sie mit dem linken Fuß Gas geben kann. Finde ich spannend. Außerdem hat ihr Auto ein Automatikgetriebe. "Schalten ist sowieso nur was für Gruftis, die noch im 20. Jahrhundert leben" hat sie mal aus Spaß gesagt.
Claudia hatte übrigens gar keinen Spaß. Sie hatte in der Eile nämlich vergessen, nochmal aufs Klo zu gehen, und jetzt saß sie im Auto und musste dringend. "Ich müsste mal für kleine Rugbyspielerinnen", quengelte sie. Frau Kartoffeljäger hielt sie etwas hin: "Ein bisschen Geduld, Claudinettchen! Hier gibt's kein Klo. Aber in Hannover kenne ich ein ganz tolles Damenklo am Parkplatz. Nach dieser Toilette wirst du dir alle zehn Finger lecken." - "Iiiiih", dachte ich still in mich hinein.

Vorne an der Windschutzscheibe hatte Frau Kartoffeljäger einen komischen Ausweis. "Was'n das hier eigentlich?" fragte ich neugierig. "Das ist mein Behinderten-Parkausweis", erklärte sie mir. "Wegen meiner Gehbehinderung. Damit darf ich auch den besonders gekennzeichneten Behindertenparkplätzen parken." - "Cool. Dann brauchen wir in Hannover heute gar nicht so weit laufen", bemerkte ich. Claudia sagte mit zusammengebissenen Zähnen: "Apropos Laufen. Gnpff. Bei mir fängt auch gleich etwas an zu laufen. Wenn ich nicht bald auf die Toilette kann, braucht die Rückbank einen neuen Bezug." Zum Glück waren wir jetzt schon in der City von Hannover, und Frau Kartoffeljäger sagte: "Ich parke da vorne, die Toilette ist gar nicht weit, Claudilinchen."

Sie fuhr ihren Wagen nicht auf einen Behindertenparkplatz, sondern in eine ganz normale Parklücke, die frei war. Noch ehe sie den Motor abgestellt hatte, sprang Claudia aus dem Wagen, rannte zur Toilette und schrie dabei laut: "Bahn frei, das ist ein Notfall!" War mir ganz schön peinlich, wie ihr euch denken könnt.

Als Frau Kartoffeljäger und ich auch ausgestiegen waren, stand plötzlich ein Streifenhörnchen ... äh ... 'tschuldigung ... ein uniformierter Polizist neben ihr und sagte zu Frau Kartoffeljäger: "Ihre Papiere bitte!" Sie gab sie ihm. Er kontrollierte sie und sagte: "Sie wissen, warum ich Sie kontrolliere?" Frau Kartoffeljäger schüttelte den Kopf nach links, nach rechts, nach links, nach rechts ... Der Polizist erklärte ihr: "Sie stehen mit Ihrem Fahrzeug auf einem Nichtbehindertenparkplatz. Schämen Sie sich denn gar nicht, einem armen Nichtbehinderten den Parkplatz wegzunehmen? Ein wenig mehr Rücksicht auf Ihre nichtbehinderten Mitmenschen ist doch sicher nicht zu viel verlangt, Frrrrau Kartoffeljäger!" Die Frau Kartoffeljäger bekam vor Staunen ihren Mund gar nicht mehr zu, und ich war empört über diesen Quatsch. Ich sagte: "Das ist doch Unsinn! Der Behindertenparkausweis bedeutet, dass man damit auf einem Behindertenparkplatz parken DARF - aber nicht, dass man dort parken MUSS. Die Frau Kartoffeljäger darf auch in einer normalen Parklücke wie dieser hier parken." Das hätte ich wohl besser nicht gesagt. Das Auge des Gesetzes zuckte mit demselben ... also mit dem Auge ... und sagte streng: "Das werde ich ja wohl besser wissen. Schließlich bin ich von uns beiden der Bulle!"
Die Frau Kartoffeljäger wollte weiterem Ärger aus dem Wege gehen und fuhr ihren Wagen auf einen Behindertenparkplatz in der Nähe.

Dann ging sie mit Claudia ins Schuhzentrum. Ich ging allerdings nicht mit. Erstens gibt es nichts Langweiligeres, als meiner kleinen Schwester beim Schuhkauf zuzugucken - und außerdem wollte ich diesem Polizisten nachgehen, der sich selbst komischerweise als "Bulle" bezeichnete. Ich ging ihm also nach - und machte ziemlich schnell eine nächste seltsame Beobachtung.

Dieser Polizist hatte ein Mädchen auf ihrem Fahrrad angehalten. Er kontrollierte nun das Fahrrad: "Lichtkontrolle. Dreh mal am Rad! Aha! Sowohl das Vorderlicht als auch das Rücklicht funktionieren. Das ist verkehrswidrig." Die Radfahrerin war völlig verwirrt: "Wieso? Was soll daran verkehrswidrig sein, wenn die Lampen funktionieren?" Der Polizist klärte sie auf: "Weil es jetzt hellichter Tag ist. Da fährt man nicht mit Licht. Moment, ich reiße dir eben die Kabel durch ..." Das Mädchen raste jedoch panikartig davon und schrie: "Hilfääää! Der Polizist hier dreht am Rad!"

Na ja, das tat er aber wirklich. In der Folgezeit verteilte er Strafzettel an Fußgänger, die auf dem Bürgersteig links und nicht rechts gegangen waren ("In Deutschland herrscht Rechtsverkehr!"), nahm einem Skater die Inliner weg, weil die keine gültigen Nummernschilder hatten, und wollte zwei Müllmänner verhaften, weil die "fremden Müll stehlen" wollten.

Das reichte mir. Ich griff zu meinem Handy, um auf der Polizeiwache anzurufen. Dabei fiel mir ein, dass ich ja gar kein Handy hatte, und lief zur nächsten Telefonzelle. Ich wählte 110 und wusste gar nicht, was ich erzählen sollte. Ich meinte aufgeregt: "Hier ist ein Kollege von Ihnen, der hat Moos an der Tanne!" Der Polizist am anderen Ende beruhigte mich etwas, und ich schilderte, was ich alles beobachtet hatte. Er war gar nicht allzu überrascht: "Ach soooo! Kostüm-Klausi ist wieder unterwegs. Moment, ich schicke sofort jemanden vorbei."

Nach ungefähr fünf Monaten, äh, Minuten (inzwischen hatte der komische Polizist einer Katze, die bei Rot die Straße überquert hatte, eine kostenpflichtige Verwarnung erteilt) hielt ein Einsatzfahrzeug an. Es war jedoch kein Polizeiauto, sondern eine Art Krankenwagen, und es stiegen zwei kräftige Männer in weißen Kitteln aus, und sie hatten eine seltsame Jacke dabei, die man hinten zuknöpft. Sie grüßten mich kurz ("Moin." - "Tach, min Jung!") und gingen dann zielgerichtet auf den Polizisten zu. Einer von den beiden sagte: "Grüß dich, Klausi. Als du heute Morgen verschwunden warst und es hieß, dem Karnevalsverein Calenberger Neustadt sei eine Polizeiuniform abhanden gekommen, dachten wir uns gleich, dass du wieder Ordnungshüter spielst." - "Aber ich habe die Ordnung ganz hervorragend gehütet!" quietschte Kostüm-Klausi. Die Männer zogen ihm die Polizeijacke aus und die Zwangsjacke an, gingen mit ihm zum Wagen und fuhren davon.

Bald darauf traf ich Frau Kartoffeljäger und meine Schwester Claudia wieder. Claudia hatte sich Plateauschuhe gekauft - mit mindestens dreißig Zentimeter hohen Plateausohlen! Ich rief nochmal die Polizeiwache an und fragte: "Könnten Sie bitte nochmal die Männer mit den weißen Kitteln vorbeischicken? Meine kleine Schwester Claudia braucht dringend Hilfe."

Das fand allerdings keiner richtig witzig.

Es grüßt euch also unkomisch

Simon Flunkert


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