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At last:
Daniel Roy’s first Simon Flunkert book is available!!!

Endlich:
Daniel Roys erstes Simon-Flunkert-Buch kann gekauft (und GELESEN!!!) werden!!!


Daniel Roy, Hi, Mitkids!
Simon Flunkerts Abenteuer in der Brägenwurstzone,
Norderstedt: BOD, 2005,
240 Seiten, ISBN: 3-8334-2907-0.

Mehr Informationen gibt es hier!


Simon und der reiche Jüngling - Simon and the Rich Young Man


Simons Freund Wolfgang hat plötzlich ganz viel Geld - und weiß gar nicht warum. Aber das stört ihn allenfalls am Rande.

Simon's friend Wolfgang has a lot of money - all of a sudden and out of the blue. He has absolutely no idea what he got it for - but he likes spending.


Daniel Roy, Bruehl, Deutschland
Malcolm McGookin, Asterisk, Brisbane (Queensland), Australien
Ki.Ka, Erfurt, Deutschland

Hi, (Mit-)Kids!

Ich bin's, Simon Flunkert. Mensch, als ich begann, den Kindern Geschichten zu erzählen, war ich Grundschüler in Sehnde. Und inzwischen bin ich volljährig und mache meinen Zivildienst in einem Altenheim in der großen Stadt Köln. Aber auch erwachsene Menschen erleben komische Sachen, und ihr habt bestimmt nichts dagegen, wenn ich euch ab und zu davon hier erzähle.

Köln hatte ich ja schon gemocht, als ich noch klein war, und dass ich jetzt hier wohnen kann, ist für mich ein richtiger Glücksfall. Auch meine Freundin Sirpa wohnt jetzt in Köln und studiert bereits. Wir wohnen aber nicht zusammen, sondern sie wohnt schon im Studentenwohnheim (dieses riesige Hochhaus an der Weißhausstraße - wenn ihr Köln kennt, kennt ihr das bestimmt auch), und ich bin noch in einen Wohnheim für Zivis untergebracht.

Am Samstagmorgen klopfte es an meiner Zimmertür. Es war Wolfgang Wonnepropp, der auch im Zivi-Wohnheim wohnt und seinen Zivildienst im selben Seniorenheim macht wie ich. Er meinte: "Simon, du hast doch heute auch frei. Kommst du mit? Wir können ein bisschen über die Ringe ziehen und einen zischen." Ich antwortete ihm: "Ich zische nicht, aber über die Ringe ziehen ist in Ordnung. Aber am Nachmittag bin ich mit Sirpa verabredet." (In der Kölner Neustadt gibt es mehrere lange Straßen, die das Wort "Ring" im Namen haben, und wenn der Kölner da spazierengehen will, sagt er schon mal, dass er "über die Ringe zieht".) Wolfgang war einverstanden und meinte: "Okay, dann kommst du also mit. Zum Zischen ist es ja sowieso noch zu früh. Ich zische ja auch höchstens mal abends."

Wir gingen zur Straßenbahnhaltestelle Klettenbergpark und fuhren von dort mit der Linie 18 bis zum Barbarossaplatz. Von dort gingen wir zu Fuß weiter in Richtung Norden. Ich fragte Wolfgang: "Haben wir eigentlich ein bestimmtes Ziel?" Er meinte: "Nicht wirklich. Aber da du schon fragst, wir könnten mal zum Australien-Laden. Der hat immer Hüte im Angebot. Seit dem letzten Wochenende vermütze ich nämlich meine Misse ... äh ... vermisse ich meine Mütze. Ich habe sie wohl nach dem Zischen in der Kneipe vergessen." Na, da musste ich ihm etwas erzählen: "Nee, hast du nicht. Oma Kraushaar im Altenheim hat am Sonntagabend eine Mütze aus unserer Umkleidekammer gemopst und sie als Nachttopf benutzt. Ich hatte keine Ahnung, dass es deine Mütze war." Wolfgang guckte mich entsetzt an, sagte dann aber sachlich: "Wie dem auch sei, ich brauche also auf jeden Fall eine neue Mütze."

Wir kamen erst am Zülpicher Platz vorbei, und als wir gerade den Rudolfplatz erreichten, nahm Wolfgang seine Geldbörse aus der Jackentasche, machte sie auf und stellte enttäuscht fest: "Oh ... ja ... bevor ich mir etwas kaufe, muss ich erst mal zum Geldautomaten. Ich habe nämlich kein Bargeld mehr, und das ist bekanntlich nicht viel." Wir bogen am Rudolfplatz nach rechts in Richtung Neumarkt ab, weil wir wussten, dass es dort einen Geldautomaten gab, den Wolfgang benutzen konnte. Er sagte noch: "Ich lasse mir erst mal den Kontoauszug drucken. Wer weiß, ob ich überhaupt noch Geld abheben kann. Ha ha ha." So witzig war dieser Witz gar nicht, denn wir Zivis haben natürlich nie viel Geld und müssen ganz schön aufpassen beim Ausgeben.

Wolfgang ging zum Geldautomaten. Ich kam nicht mit, sondern blieb auf dem Bürgersteig stehen und guckte gelangweilt auf die Straße. Nach ein paar Minuten kam Wolfgang zurück. Er war ganz blass und sagte kein Wort. Ich fragte ihn besorgt: "Was ist los? Kein Geld mehr auf dem Konto?" Er sagte verwundert: "Ganz im Gegenteil", und dann zeigte er mir, ohne dass ich ihn darum gebeten hatte, seinen Kontoauszug.

Und die Summe, die darauf stand, war wirklich das Gegenteil von nichts. Er hatte auf dem Girokonto genau 500 078 Euro und 68 Cent. Er erklärte mir: "Die 78 EUR 68 waren vorher schon drauf. Aber die halbe Million ist mir neu."

Richtig - laut Kontoauszug hatte ihm am Tag zuvor eine gewisse Gräfin Doria von Taucht und Tuuhtnicks fünfhunderttausend Euro überwiesen, und im Vermerk stand: "Sie wissen schon." - "Warum hat die dir Frau denn nun das Geld überwiesen?", fragte ich ihn. Er zuckte mit den Achseln: "Keine Ahnung. Ich weiß nicht ja mal, wer das ist." Aber dann meinte er: "Auf den Schreck brauche ich erst mal einen Kamillentee. Komm, ich lade dich ins Café im Bauturm ein. Offensichtlich kann ich mir das jetzt ja leisten."

Und deswegen gingen wir erst mal in dieses Café in der Aachener Straße, um uns zu beraten.

Dort nippte er an seinem Tee, während ich meinen Kakao mit dem Senf und dem Gurkensalat gut umrührte, und dann fragte er mich: "Wenn dir das passiert wäre .... also, wenn du von jemandem, den du überhaupt nicht kennst, so viel Geld überwiesen bekommen hättest und gar nicht wüsstest, warum ... was würdest du dann machen?" Ich brauchte da nicht lange nachzudenken und sagte: "Also, ich wäre da erst einmal vorsichtig. Wenn einem so viel Gutes wird beschert, dann ist man meistens nicht gemeint. Wahrscheinlich ist das ein Irrtum gewesen. Ich würde versuchen, herauszufinden, wie ich diese Gräfin erreichen kann und dann bei ihr mal nachfragen, was das mit der Überweisung auf sich hat."

Wolfgang guckte mich traurig an. Er meinte: "Vielleicht hast du Recht. Schade eigentlich! Andererseits: Wenn das Geld auf meinem Konto gelandet ist, dann gehört es doch mir, oder?" Ich sagte: "Im Prinzip schon, aber ..." Wolfgang unterbrach mich: "Entschuldige, ich muss mal eben für kleine Zivildienstleistende. Erst die Aufregung, und dann der Kamillentee. Ich bin gleich wieder da."

Während Wolfgang auf dem Klo war, nahm ich mein Handy. Ich rief meine Freundin Sirpa im Studentenwohnheim an. Sirpa war gerade dabei, sich in der Küche ein paar gegrillte Zucchini mit Zimtschnecken zuzubereiten (hmmm, lecker), hörte sich aber trotzdem an, was ich ihr zu sagen hatte. Ich erzählte ihr natürlich schnell von Wolfgang und der geheimnisvollen Geldüberweisung und fragte sie, was sie von der Angelegenheit hält. Sie antwortete: "Also, ich wäre da erst einmal vorsichtig. Wenn einem so viel Gutes wird beschert, dann ist man meistens nicht gemeint. Wahrscheinlich ist das ein Irrtum gewesen. Ich würde versuchen, herauszufinden, wie ich diese Gräfin erreichen kann und dann bei ihr mal nachfragen, was das mit der Überweisung auf sich hat." Ich war völlig von den Socken. Ich erklärte ihr: "Unglaublich. Das ist wortwörtlich das, was ich zu Wolfgang selbst gerade gesagt habe." Das wunderte Sirpa nicht: "Das ist völlig normal, Schatz. Wir sind schon so lange zusammen, dass du automatisch meiner Meinung bist, ohne dass wir uns noch absprechen müssen." Ich verbesserte sie: "Du wolltest sagen, wir kennen uns schon so lange, dass du automatisch meiner Meinung bist, ohne dass wir uns noch absprechen müssen." Sirpa lachte laut auf und sagte: "Träum weiter, Schatz!"

Dann kam Wolfgang von der Toilette zurück und sagte: "Wow, diese Toilette solltest du dir selbst mal angucken. Da sind die Klos sauberer als die Wände und der Fußboden und stinken auch weniger als die Wände und der Fußboden." Dann erinnerte er sich: "Ach ja. Ich wollte mir ja im Australienladen eine neue Mütze kaufen. Das wollte ich ja schon tun, als ich von der halben Million noch nichts wusste." Er winkte die Kellnerin heran, gab ihr einen Fünfzig-Euro-Schein und sagte: "Stimmt so." Die Kellnerin guckte total erstaunt und sagte: "Danke. Na sowas. Jetzt kann ich endlich meine Kinder studieren lassen." Das war jetzt von ihr zwar ein bisschen übertrieben, aber ich wette, so viel Trinkgeld auf einmal bekommt sie nicht oft.

Draußen erinnerte ich Wolfgang daran: "Wie gesagt, ich wäre erst einmal vorsichtig mit dem Geld." Er sah das anders: "Ach was! Ich habe doch vorhin schon mal 500 Eurochen sofort abgehoben. Und wenn die mir ausgehen, hole ich mir wieder was. Ist doch jetzt genug auf meinem Konto."

Auf dem Weg zum Australienladen kamen wir an einem geparkten italienischen Sportwagen vorbei. Wolfgang schwärmte: "Schau mal! Ein Ferraseratiborghini! So einen möchte ich haben." Ich fragte: "Wolltest du erst nicht den Führerschein machen, eh du dir ein Auto kaufst?" Er sagte in vollem Ernst: "Aber du hast den Führerschein ja schon. Du kannst solange mein Chauffeur sein, bis ich selbst fahren darf." Ich zeigte ihm einen Vogel, und das sollte nicht der letzte Vogel sein, dem ich ihm zeigte.

Wolfgang wollte sich ja eine neue Mütze kaufen (das hatte er in jedem Fall vorgehabt), und wir gingen dazu in so einen australischen Spezialitätenladen in Köln. "Alistair McSchießmichtot - Ihr Australienspezialist" stand da auf der Tür, als wir den Laden betraten. Ich muss euch sagen, in dem Laden sah es wirklich sehr australisch aus: Bumerangs, Didgeridoos, australische Kleidung, australische Bücher und CDs, australische Lebensmittel, und natürlich auch australische Mützen. Wolfgang nahm sich ein wenig Zeit für seine Mützenwahl - und entschied sich dann für die teuerste. Ich hatte es geahnt. Ich sagte zu ihm leise, so dass es der Herr McSchießmichtot an seiner Kasse nicht hören konnte: "Ich sag's dir noch einmal - Sei vorsichtig mit dem Geld, solange du nicht sicher weißt, dass es dir wirklich gehört!" Er wehrte das ab: "Ach was. Ich sehe das jetzt praktisch. Das Geld, das auf meinem Girokonto ist, kann ich auch ausgeben."

Und da Wolfgang schon so richtig in Kauflaune war, kaufte er sich auch einen großen Hut, einen Bumerang, ein Didgeridoo, nahm sich wahllos eine Reihe australischer Bücher aus den Regalen und griff sich auch noch aufs Geratewohl ein paar CDs, ehe er zur Kasse von Herrn McSchießmichtot ging. Er begrub den Ladentisch unter seinem Einkauf und fragte Herrn McSchießmichtot: "Das nehme ich. Hätten Sie vielleicht einen großen Sack für mich, damit wir das Zeug auch mitnehmen können?" Herr McSchießmichtot schüttelte den Kopf und antwortete: "Nein, aber ein paar große Mülltüten könnte ich Ihnen geben."

Während Herr McSchießmichtot mal kurz aus dem Raum ging, um die Tüten zu holen, fragte ich Wolfgang sauer: "Womit willst du eigentlich bezahlen? So viel Bargeld hast du doch gar nicht dabei." Wolfgang griff einfach in seine Brusttasche, holte ein Kärtlein heraus und sagte: "Mit meiner Sparkassenkarte. Auf meinem Girokonto ist doch genug drauf." Tja. Stimmte wohl. Ich selbst hatte noch nie so viel Geld auf dem Konto, dass ich bargeldlos hätte einkaufen können.

Als Herr McSchießmichtot mit den großen Müllsäcken wiederkam, um Wolfgangs Einkauf darin zu versenken, fragte ihn Wolfgang noch: "Vermitteln Sie auch Reisen nach Australien?" Aber Herr McSchießmichtot meinte: "Nein, leider nicht. Dafür müssten Sie ins Reisebüro gehen." Ein Glück! Wahrscheinlich hätte Wolfgang gleich noch eine neunmonatige Australien-Rundreise in einer Rikscha gebucht oder sowas. Aber auch so rieb sich der Herr McSchießmichtot die Hände, als wir den Laden verließen.

Draußen konnte ich mir nicht verkneifen, Wolfgang zu fragen: "Was willst du denn mit dem ganzen Müll ... äh Zeug? Mit dem Hut siehst du lächerlich aus, du hast noch nie freiwillig ein Buch gelesen, und statt CDs zu hören, klaust du dir MP3s von wilden Internetseiten." Wolfgang guckte mich vorwurfsvoll an und erklärte mir: "Das stimmt. Aber ich denke ja auch an meine Mitmenschen. Schau mal - den Hut schenke ich Oma Kraushaar aus dem Altenheim. Dann muss sie nicht mehr die Mützen von uns Zivis als Nachttopf zweckentfremden. Na, und die Bücher und die CDs verschicke ich als verspätete Weihnachtsgeschenke an meine Freunde. Das mache ich am besten gleich. Kommst du mit zum Postamt?"

Ein paar hundert Meter nördlich vom Friesenplatz kannten wir ein Postamt. Wir gingen zu Fuß dorthin, und es machte uns einige Mühe, die Mülltüten mit den Geschenken hinter uns her zu zerren. Im Postamt rechnete Wolfgang erst einmal nach, wie viele Päckchen das werden würden, und kaufte sich dann die Verpackungen. Ich half ihm dabei, die Geschenke einzupacken und die Päckchen mit den Anschriften zu versehen. Anschließend ließ Wolfgang die Pakete am Schalter noch frankieren (also, er ließ Briefmarken drauf kleben) und sagte zur Postangestellten: "Ich nehme auch noch 100 Briefmarken zu 55 Cent. Aber bitte machen Sie den Preis ab, es soll ein Geschenk sein." Das machte die Postangestellte aber nicht, sondern sagte sauer: "Der Witz ist so alt, der wurde schon pensioniert, als meine Urgroßeltern eingeschult wurden."

Die Briefmarken schenkte Wolfgang dann tatsächlich jemandem, und zwar mir: "Hier, falls du mal einen Brief schreiben musst." Ich nahm sie an, sagte aber absichtlich nicht: "Danke."

Dann lud er mich ein: "Komm mit nach Rodenkirchen. Ist schön dort. Wir machen einen drauf." Dazu hatte ich überhaupt keine Lust, aber ich konnte Wolfgang in seinem Zustand nicht alleine lassen. Zum Glück musste Wolfgang schon wieder mal aufs Klo, sodass ich von ihm unbemerkt meine Freundin Sirpa im Studentenwohnheim anrufen konnte.

Rodenkirchen ist ein Stadtteil im Süden von Köln und liegt genau am Rhein. Deswegen wohnen dort so manche Prominente, am Flussufer gibt es Hausboote und auch richtige Boote, und für die Einheimischen und vor allem auch für die Touris gibt es viele Kneipen. Wir fuhren mit dem Taxi nach Rodenkirchen (ich, ich hätte die Straßenbahnlinie 16 genommen, aber Wolfgang wollte unbedingt mal in einem Taxi gefahren werden) und stiegen vor so einer Kneipe aus. "Alis Bar-Bar" hieß die Kneipe, und ich wollte von Wolfgang wissen: "Wieso heißt die Kneipe denn 'Alis Bar-Bar'?" Das konnte Wolfgang beantworten: "Der Besitzer heißt Ali, und er nimmt nur Bargeld an."

Wir gingen hinein. An einem Tisch saßen vier ältere Herren - ich glaube, dass es Türken waren. Am Tresen stand ein ungefähr zwanzigjähriges dunkelhaariges Mädchen, und Wolfgang grüßte es: "Hallo, Fatima. Sag mal, Fatima, ist Vati da?" Diese Fatima ging kurz mal raus und sagte: "Papa, kommst du gleich mal? Dein Typ wird verlangt." - "Ja, gleich, mein Schatz", antwortete ihr ihr Vater. Als Fatima zurück war, sagte ihr Wolfgang: "Ich habe heute die Spendierhosen an. Eine Runde Freibier für die netten Herren da hinten!" Die vier Männer guckten ihn etwas komisch an und sagten kein Wort. Fatima erklärte: "Das ist keine so gute Idee. Die Herren sind gläubige Muslime, die trinken kein Bier." Das war Wolfgang jetzt etwas peinlich, und er meinte: "Oh, ach so, ich verstehe. Na, dann bringe ihnen mal eine gute Flasche Wein." Ehe Fatima antworten konnte, sagte ihr einer der Männer: "Fatima, du kannst uns noch eine Kanne Kaffee bringen."

Ali kam und begrüßte Wolfgang wie einen alten Bekannten: "Wolfgang, mein Freund, was darf ich dir bringen? Ein Mineralwasser Light zum halben Preis?" Wolfgang lachte und sagte: "Nein, ich nehme euren südjordanischen Mokka mit Schafsahne und Senfgürkchen. Ali, sag mal, suchst du immer noch einen Käufer für dein Lokal?" Ali guckte traurig: "Ja, tue ich. Fatima hat ihr Medizinstudium angefangen und will das Lokal natürlich nicht übernehmen, und ich möchte doch so gerne in meine Heimat zurück." Ich glaubte zu verstehen, und ich fragte Ali: "Aus welchem Teil der Türkei kommen Sie denn?" Er antwortete: "Aus Köln-Chorweiler. Tja, Wolfgang, ich würde lieber heute als morgen verkaufen, aber ich habe bisher noch keinen Doof... noch keinen Interessenten gefunden." Das war Wolfgangs Moment. Er fragte Ali: "Würdest du das Lokal auch an mich verkaufen?" Ali lachte, dass die Wände wackelten, und sagte: "Ja, Wolfgang, das würde ich gerne, wenn du das bezahlen könntest. Aber da müsste ich wohl noch ein paar Jahre warten, oder?" Wolfgang holte seinen Kontoauszug aus der Brusttasche, zeigte ihn Ali und fragte: "Würde das reichen?" Ali sah sehr verdutzt aus.

In dem Moment klingelte mein Handy, und ich ging vorsichtshalber zum Telefonieren nach draußen. Als ich wieder hineinging, sagte Ali zu Wolfgang: "Einverstanden. Dann drucke ich jetzt mal den Kaufvertrag aus, und wenn du wiederkommst, kannst du ihn unterschreiben."

Wolfgang und ich gingen erst mal ein Weilchen am Rhein spazieren. Wolfgang erzählte mir: "Ich habe gehört, dass hier irgendeine verrückte Schauspielerin ein Segelboot besitzt, das sie verkaufen will, weil sie Drillinge bekommt und fürs Segeln keine Zeit mehr haben wird." Dann kamen wir zu so einem Boot, und eine Frau mit Babybauch turnte darauf herum, und Wolfgang fragte sie: "Sind Sie die verrü ... die Schauspielerin, die Drillinge bekommt und ihr Segelboot verkaufen will?" Sie rief ihm zu: "Ich will es nicht mehr verkaufen. Ich kaufe sogar noch zwei Boote dazu, dann hat jedes Kind eines." - "Ach sooo", sagte Wolfgang enttäuscht, "na dann, schöne Schwangerschaft noch!"

Dann gingen wir zurück in Alis Bar-Bar. Wolfgang wollte den Kaufvertrag unterzeichnen. Aber als wir wieder ins Lokal kamen, stand Ali traurig da, und zwei Leute, die vorher nicht da gewesen waren, saßen jetzt am Tisch. Wolfgang war völlig überrascht: "Mama! Papa! Was macht ihr denn hier?" Wolfgangs Vater antwortete: "Da sind wir ja noch rechtzeitig gekommen, um den Kauf zu verhindern. Bedanke dich bei deinem Freund Simon dafür, dass er uns Bescheid gesagt hat!" Wolfgang drehte sich zu mir und sagte: "Danke, du Verräter!"

Na ja, jetzt war er natürlich stinkesauer auf mich.

Na ja, als Sirpa und ich ihn am Montagmorgen in seinem Zimmer im Zivi-Wohnheim besuchten, war er immer noch ganz schön sauer auf uns und fragte: "Na, fühlt ihr euch jetzt so richtig gut, ihr Petzen? Ihr habt mir die Chance meines Lebens vermasselt." Sirpa antwortete für mich mit (das tut sie oft): "Ja, wir fühlen uns wirklich gut. Du solltest das Geld nicht ausgeben, bevor du nicht weißt, dass du es wirklich behalten kannst."

Wir waren eine Weile damit beschäftigt, das Thema auszudiskutieren, als es an der Zimmertür klopfte. Es war Florian Schlomian, ein anderer von uns Zivis. Er sagte zu Wolfgang: "Wolfgang, hier ist eine Dame, die dich sprechen möchte." Wolfgang staunte: "Eine Dame? Na sowas. Ja, schick sie mal rein."

Tja, und dann kam sie herein. Eine dunkelhaarige Dame mit Sonnenbrille, Pelzmütze, Pelzschal, Pelzmantel, einem langem schwarzen Kleid, hellbraunen Lederhandschuhen und gelben Gummistiefeln. Sirpa rümpfte die Nase: "Das passt ja gar nicht zusammen", hörte ich Sirpa vor sich hin flüstern.

"Sie wollten zu mir?", fragte Wolfgang. Die Dame überlegte kurz und sagte dann: "Ja ... nee ... doch ... isso." Wolfgang überlegte auch kurz und sagte dann. "Entschuldigen Sie, ich denke die ganze Zeit nach, aber ich glaube, ich kenne sie nicht. Darf ich nach Ihrem Namen fragen?" Die Frau antwortete mit einer Gegenfrage: "Sagt Ihnen der Name Gräfin Doria von Taucht und Tuuhtnicks etwas?" Wolfgang lachte, aber ich glaube, er freute sich nicht wirklich: "Ach so. Sie sind die Frau, die mir so viel Geld überwiesen hat." Die Frau sagte: "Ja ... nee ... doch ... isso. Das war ein Versehen der Bank. Ein Bankangestellter hat die Kontonummer verwechselt. Ich hätte das Geld gerne wieder. Ja ... nee ... doch ... isso."

Wolfgang war schwer enttäuscht, wie ihr euch vorstellen könnt. Er meinte: "Ja, wenn das so ist, muss ich Ihnen das Geld wohl zurückgeben. Aber vielleicht könnten Sie mir erst Ihren Ausweis zeigen, damit ich weiß, dass Sie wirklich diejenige sind, für die sie sich ausgeben."

Diesmal sagte die Gräfin aber nicht: "Ja ... nee ... doch ... isso", sondern: "Ich zeige dir ganz etwas anderes." Sie machte ihre Handtasche auf und nahm etwas heraus, was sie nun auf ihn richtete - eine dunkelbraune Pistole. Dann sagte sie: "Das Ding ist geladen. Isso. Ich will mein Geld zurück, ich will sofort mein Geld zurück." Wolfgang erklärte ihr: "Ja gut. Aber ich habe es natürlich nicht ihr. Es ist noch auf meinem Girokonto bei der Sparkasse." Jetzt schien die Gräfin enttäuscht - aber dann sagte sie: "Gut. Ja ... nee ... doch ... isso. Dann fahren wir gemeinsam zu dieser Spaßkasse. Du, deine beiden hässlichen Freunde hier, und ich. Draußen steht mein Mann mit dem Wagen. Geht ganz unauffällig vor mir her. Macht dabei keine falsche Bewegung und sagt zu niemandem ein Wort, sonst schei ... schieße ich. Ja ... nee ... doch ... isso."

Sirpa, Wolfgang und ich hielten es für sinnvoll, zu tun, was diese komische Gräfin von uns wollte. Auf dem Weg zum Eingang des Wohnheims sagten wir kein Wort. Auch nicht, als uns Kevin Hasenpfiff auf dem Flur begegnete und uns fragte: "Wie geht's? Kommt ihr heute Abend mit ins Stadion? Der 1. FC spielt gegen Alemannia Witterschlick." Und das sollte sich noch als unser Glück erweisen, dass wir nichts sagten.

Vor dem Studentenwohnheim wartete ein Mann in einem schwarzen Zermedes mit Münchner Nummernschild auf uns. Wolfgang musste sich auf den Beifahrersitz setzen, und Sirpa und ich mussten hinten mit der Gräfin Platz nehmen. Wolfgang musste dem Fahrer den Weg zur Bank erklären.

Dort angekommen, mussten wir mit der Gräfin in den Raum, wo die Geldautomaten stehen. "Los - abheben", sagte die Gräfin zu Wolfgang. "Gerne, wie viel denn?", fragte Wolfgang, der vorsichtshalber versuchte, so freundlich und so höflich wie möglich zu bleiben. Die Gräfin war allerdings alles andere als freundlich und höflich und herrschte ihn an: "Na, was meinst du wohl, Freundchen? Fünfhunderttausend Euro, und keinen Cent weniger."

Das hatte sie sich so einfach vorgestellt, und Wolfgang gehorchte auch. Aber nachdem er seine Kontokarte in den Automaten gesteckt, die Taste "Geldabheben" gedrückt und den Betrag "500000" eingetippt hatte, erschien auf dem Bildschirm die Meldung: "Beträge in dieser Höhe können nicht ausgezahlt werden." Wolfgang zuckte mit den Achseln und sagte: "Ja, 'ne halbe Million ist für den Automaten einfach zu viel." Die Gräfin schien einen Moment ratlos: "Ja ...nee ... doch ... isso." Sie fing sich dann aber wieder und sagte: "Na, dann machen wir jetzt eben einen ganz normalen Banküberfall."

Das nächste, woran ich mich erinnere, ist, wie wir mit der Gräfin den Schalterraum der Bank betraten. Ihr Mann war draußen geblieben, um Schmiere zu stehen. Außer uns waren keine richtigen Kunden in der Bank, und am Schalter stand auch nur eine einzige Angestellte: Eine junge Frau mit Brille, lang und dürr und höchstens 25 Jahre alt (die Frau, meine ich, nicht die Brille), die bestimmt den Schreck ihres Lebens bekam, als die Gräfin die Pistole auf sie richtete und sagte: "Hände hoch, Geld her - sonst mache ich Ihnen und den drei Blagen hier ein paar zusätzliche Knopflöcher." Die Bankangestellte sah wirklich erschrocken aus und nahm brav die Hände hoch - aber dann fing sie urplötzlich an zu lachen. "Was gibt's denn da zu quietschen?", fragte die Gräfin wütend. Die Angestellte sagte: "Also, erst einmal wüsste ich nicht, wie ich Ihnen das Geld geben sollte, wenn ich dabei die Hände hoch halten muss, und zweitens ... nee, das gibt's doch nicht! Das muss ich mir unbedingt aus nächster Nähe ansehen."

Ehe wir das richtig begriffen hatten, hatte die Bankangestellte ihr kleines Kabuff verlassen und stand nun bei der Gräfin. Die Gräfin war genauso überrascht wie wir und unternahm nichts. Dann - ob ihr es glaubt oder nicht - nahm die Bankangestellte der Gräfin die Pistole einfach so weg. Die Angestellte kicherte wieder, und dann sagte sie: "Sie sind ja nun wirklich nicht die erste, die versucht, eine Bank mit einer Spielzeugpistole zu überfallen, aber wahrscheinlich die erste, die das mit einer Pistole aus Schrillka-Vollmilchschokolade tut." Und um uns das zu beweisen, biss sie ein Stück von der Pistole ab und ließ sich das Stück im Munde zergehen. "Hmmm", sagte die Angestellte, "ich bin nämlich Mitglied im Allgemeinen Deutschen Schokoladenesserclub und erkenne gute Schokolade aus fünfzig Meter Entfernung." Na ja, und dann sagte sie zur Gräfin: "Noch interessanter dürfte es für Sie sein, dass ich Deutsche Meisterin im Vollkontakt-Karate bin." Die Angestellte hatte das kaum ausgesprochen, da verpasste sie der Gräfin schon einige Handkantenschläge, Fausthiebe und Fußtritte an den Kopf, die sich gewaschen hatten. Eigentlich bin ich ja gegen Gewalt, aber ich war schon ein bisschen schadenfroh, als die Gräfin besinnungslos zu Boden ging.

Wenig später kamen einige Polizisten in die Bank. Den Mann der Gräfin hatten sie bereits festgenommen. Und bei ihnen war Kevin Hasenpfiff. Kevin hatte ja gesehen, wie die Gräfin mit uns wegging. Da ihm das komisch vorgekommen war, ist er uns auf seinem Motorrad hinterhergefahren und hat irgendwann die Polizei angerufen.

Einer der Polizisten - ein Kommissar in Zivil - sagte zu uns: "Alle Achtung! Sie haben uns geholfen, das berühmte Gaunerehepaar Pauline und Willi Paulitzke zu schnappen." (Hatte ich mir ja gleich gedacht, dass der Adelstitel gar nicht echt war.) Wolfgang sprach mit dem Kommissar und erzählte ihm von den 500000 Euro. Der Kommissar sagte verständnisvoll: "Na ja, das Geld ist ja geklaut, das werden Sie nicht behalten dürfen. Aber die Leute, die in den letzten Jahren von den Paulitzkes bestohlen worden sind, haben hohe Belohnungen auf ihre Ergreifung ausgesetzt. Da wird für jeden von ihnen fünf ein hübsches Sümmchen übrig bleiben."

Tja, und während die Paulitzkes ins Gefängnis mussten, tanzten die Bankangestellte, Sirpa, Wolfgang, Kevin und ich. Sirpa ist seitdem übrigens Mitglied im Karateverein - weshalb ich mir durchaus ein bisschen Sorgen mache.

Es grüßt euch

Euer Simon Flunkert



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