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At last:
Daniel Roy’s first Simon Flunkert book is available!!!

Endlich:
Daniel Roys erstes Simon-Flunkert-Buch kann gekauft (und GELESEN!!!) werden!!!

Daniel Roy, Hi, Mitkids!
Simon Flunkerts Abenteuer in der Brägenwurstzone,
Norderstedt: BOD, 2005,
240 Seiten, ISBN: 3-8334-2907-0.

Mehr Informationen gibt es hier!


Claudia in Hamburg




Claudia besucht ihre Freundin Dörte Tidenhub in Hamburg. Ein langer Ausflug zu Labkaus, Seebären, Sängern, toten Fischen und anderen erstaunlichen Tieren. Mädchen, komm bald wieder, bald wieder nach Haus’!

Claudia visits her friend Dörte Tidenhub in the city of Hamburg. She meets old would-be sailors, folksingers, dead fish and other astounding animals.


Daniel Roy, Bruehl, Deutschland
Malcolm McGookin, Asterisk, Brisbane (Queensland), Australien
Ki.Ka, Erfurt, Deutschland

Hallo, Rübennasen!

Meine Freundin Dörte Tidenhub, die ich auf dem Pferdehof kennen gelernt habe und die schon ein paar Jahre älter ist als ich, hat im Oktober in Hamburg ihr Studium begonnen. Sie hat an der Uni Hamburg einen Studienplatz für das Hauptfach Veterinärastrologie und die Nebenfächer Wirtschaftsskandinavistik und Evangelische Sozialphysik bekommen. Das wird bestimmt noch ein ziemliches schwieriges Studium. Ich weiß nicht, ob diese Fächer auch für mich etwas wären.

Aber darum geht's ja gar nicht. Es geht darum, dass Dörte schon im August nach Hamburg gezogen war. Sie (also eigentlich ihr Vater) hatte in einem alten Haus im Hamburger Stadtteil Blankenese ein kleines Appartement gemietet. Noch bevor sie umzog, hatte sie mir beim Reiten gesagt: "Na ja, Blankenese ist zwar ein sozialer Brennpunkt, aber meine kleine Wohnung ist echt schön." Und was sie dann noch sagte, war noch besser: "Wenn ich umgezogen bin, kannst du mich mal besuchen."

Und dazu kam es schon sehr bald. Bereits zwei Wochen, nachdem Dörte umgezogen war, fuhr ich an einem Morgen mit dem Zug dorthin. Dörte hatte ja noch nicht mit dem Studium begonnen und hatte Zeit, mich selbst am Hamburger Hauptbahnhof abzuholen. "Hummel, Hummel!", begrüßte sie mich, und ich antwortete: "Mors, Mors!", weil mir gerade nichts Besseres einfiel, und dann nahmen wir uns erst einmal in den Arm, als hätten wir uns 35 Jahre nicht gesehen.

Mit ihrer kleinen Ente fuhren wir nach Blankenese, und ich bewunderte, wie gut sich Dörte im Großstadtverkehr schon zurechtfand. Bei uns in Sehnde gibt es ja gerade mal drei Ampelkreuzungen (wenn ich mich jetzt nicht verzählt habe). Als wir in Blankenese ankamen, war ich ziemlich verwundert, und das sagte ich ihr auch: "Sag mal, hattest du nicht gesagt, dass Blankenese so'ne Art Elendsviertel ist? Für mich sieht das eher nach einem Villenviertel aus." Dörte lachte: "Stimmt. Das hatte mir mein Freund Hein Lügenbold erzählt. Der hat mich damit ganz schön auf den Arm genommen. Na ja, aber da er aus Hamburg kommt, habe ich ihm das halt geglaubt."

Dörte wohnte zwar nicht in einer Villa, aber das Haus, in dem sie ihre Dachkammerwohnung hatte, war auch nicht schlecht. Wir blieben aber gar nicht lange dort, sondern ich legte nur meine Sachen dort ab, machte mich etwas frisch, dann tranken wir eine Tasse Alsterkakao, aßen ein Brötchen mit Rollmops, und dann machten wir uns wieder auf den Weg in die Innenstadt - zum Einkaufsbummel, versteht sich. Macht man in Hamburg so - als Frau.

Wir nahmen für die Fahrt wieder Dörtes Ente. Während der Fahrt scherzte Dörte: "Hier in Hamburg fühlt sich meine Ente so richtig wohl. Das liegt bestimmt daran, dass es hier so viel Wasser gibt. Hi hi." In der Innenstadt mussten wir ganz schön lange nach einem Parkplatz suchen, fanden dann aber doch einen. Die Ente banden wir an einer Parkuhr an und warfen eine Ölsardine in die Parkuhr.

Für den Einkaufsbummel hatten wir uns die Gegend Jungfernstieg / Mönckebergstraße ausgesucht - eine schöne Gegend mit wirklich vielen Geschäften.

Oh, und zum Shoppen gab`s da wirklich einiges. Zuerst waren wir in einem CD-Laden, und ich kaufte mir die DVDs "Jan Delay - der Mann mit der Hasenscharte näselt Seemannslieder live" und "Die schönsten Titelmelodien vom Großstadtrevier". Aber nicht für mich, sondern ich wollte damit nur meinen Bruder ärgern. Dann waren wir in Edeltrauds Lederstudio, wo ich mir ein paar Paar Cowboystiefel kaufte. (Wenn ich richtig mitgezählt habe, müssten das meine Paare 22, 23 und 24 sein.) Im Andenkenladen "Kuddels Kartenhaus" kaufte ich mir ein Pfund Ansichtskarten, und außerdem haben wir uns ziemlich viel Klamotten gekauft. Schließlich muss man für jede Jahreszeit kleidungsmäßig gewappnet sein. Aber wir hatten wohl ziemlich viele große Einkaufstüten dabei, als wir zurück zum Parkplatz kamen, denn Dörtes Ente schnatterte entsetzt, als sie uns sah.

Nachdem wir die Sachen, die wir gekauft hatten, im Kofferraum, auf der Rückbank und auf dem Gepäckträger verstaut hatten, fragte mich Dörte: "Was hältst du davon, wenn wir jetzt nach Wilhelmsburg hinüberfahren und richtig schön zu Mittag essen?" Ich zuckte mit den Achseln und sagte dann: "Ja ... warum nicht? Ich habe schon wieder Hunger. Der ganze Einkauf und so. Was ist denn Wilhelmsburg für'n Viertel?" Dörte erklärte mir: "Wilhelmsburg ist ein Stadtteil, der auf einer Insel in der Elbe liegt. Also gar kein Festland mehr. Es soll ein richtiges Villenviertel sein - noch protziger als Blankenese." Na gut, einverstanden. Bestimmt würde es dort schicke Restaurants geben.

Um nach Wilhelmsburg zu kommen, fuhren wir zunächst auf die Autobahn A7, dann durch den Elbtunnel in den Teil Hamburgs, der südlich der Elbe liegt, und dann über eine beeindruckende Hängebrücke, um nach Wilhelmsburg zu kommen. Dörte erklärte mir: "Diese Brücke hier heißt Köhlbrandbrücke. Die Hamburger sprechen das aber mehr wie 'Köuhlbrandbrügge' aus."

Dann waren wir auch schon in Wilhelmsburg und ... tja ... ich war schon wieder überrascht. Wilhelmsburg lag auf einer Insel in der Elbe, so weit stimmte das. Aber ein Villenviertel war es absolut nicht. Es war eher ein bisschen ... sagen wir mal: 'schmuddelig'. Dörte war genauso überrascht wie ich, und sie sagte verwundert: "Dass Wilhelmsburg ein Villenviertel sei, das hat mir mein Freund Hein Lügenbold erzählt. Der hat mich damit ganz schön auf den Arm genommen. Na ja, aber da er aus Hamburg kommt, habe ich ihm das halt geglaubt." Also, wir waren schon beide ziemlich enttäuscht. Doch da wir ganz schön Hunger hatten, gingen wir in den nächstbesten Schnaldi-Supermarkt und kauften uns jede einen großen Becher Heringsjoghurt und einen Plastiklöffel.

Den Joghurt löffelten wir dann in der Ente, und ich war etwas sauer. Ich sagte zu Dörte: "Vielleicht solltest du keinem Menschen glauben, der mit Nachnamen Lügenbold heißt." Das meinte ich eigentlich ernst. Dörte musste aber laut lachen und antwortete: "Ja und? Namen sind Schall und Rauch. Dir glaube ich ja auch immer, und du heißt mit Nachnamen 'Flunkert'. Was hast du jetzt dazu zu sagen, Claudia Flunkert?" Tja - nichts. Irgendwie hatte sie ja Recht.

Und dann sagte sie: "Ein fürstliches Mahl war dieser sogenannte Heringsjoghurt ja nicht gerade. Was war da eigentlich drin? Na egal - was hältst du davon, wenn wir jetzt wieder auf die nördliche Elbseite fahren und uns dort ein paar schöne Tassen Capputsch ... Capuschi ... Kinderkaffee gönnen? Wir könnten zum Hafen fahren. Da ist immer was los." Ich war einverstanden, denn auf einen Cappuccino hatte ich wirklich Lust.

Mit der Ente fuhren wir zurück über die 'Köulbrandbrügge', wieder durch den Elbtunnel, runter von der A7 und direkt zum Hafen. Und diesmal hatte Hein Lügenbold nicht geschwindelt, denn da war wirklich etwas los. Und da es in einem Hafen viel Wasser gibt, machte Dörtes Ente vor Freunde einen Luftsprung und ging erst einmal eine Runde schwimmen.

(Nee, das mit der Ente war jetzt natürlich geschwindelt.)

Dörte und ich, wir gingen dann zu den berühmten Landungsbrücken. Dort sieht man natürlich die großen Schiffe (altmodische Leute sagen auch "Pötte" dazu), aber auch sehr viele kleine - sogar ganz kleine. Mit diesen Booten werden nämlich die vielen Hafenrundfahrten gemacht - für so Leute wie mich (also "Touris"), und die Bootsführer (echte "Hamburger Tschungs") erzählen den Fahrgästen dann etwas vom Hafen, von der Seefahrt und vom Pferd.

Wir wollten aber jetzt keine Hafenrundfahrt machen, sondern uns einen Cappuchino gönnen. Und wir fanden, was wir suchten - sogar noch etwas mehr. Dörte jubelte: "Oh, schau mal, ein Internetcafé. Dört können wir etwas trinken und gleichzeitig ein bisschen im Internet surfen." Ich war jetzt nicht soooo begeistert: "Na ja, ich war gestern zu Hause noch im Internet. Ich kann auch mal ein paar Tage ohne. Bin ja nicht internetsüchtig." Dörte meinte: "Internetsüchtig bin ich auch nicht. Aber die Deutsche Telekomtnicht hat doch meinen Internetanschluss noch nicht freigeschaltet, und ich müsste mal meine Emails lesen, die ich in der Zwischenzeit bekommen habe." Na guuut.

Wir betraten das Internetcafé, und es sah auch eigentlich ganz gemütlich aus. Es waren auch noch mehrere Plätze frei. An einem Ladentisch saß ein junger Mann mit Schiffermütze, und Dörte bewies mir sogleich, wie gut sie sich schon mit den Hamburgern verständigen konnte. Sie grüßte den jungen Mann ("Moin Moin, min Tschung!") und fragte ihn: "Sech mo, min Tschung, wie düüer issen dat hier sou midm Indernett?" Und er antwortete ihr: "Twee Eurou prou Stunne, min Deern." Und Dörte meinte: "Och, dat geit ja. Sech, Tschung, können mine Frünndin hier unn ich auch tschede sou`n scheun Tasskaff hebben?" Und er sagte freundlich: "Jo klor. Sökt euch schon man 'n poor friie Plätze, ich bring euch dann eure Tasskaff."

Dörte und ich entschieden, dass wir nur einen Computerplatz bräuchten, da ich ja sowieso nicht ins Internet wollte. Ich zog mir einfach einen freien Stuhl heran und guckte Dörte zu. Sie sagte: "So, ich melde mich mal eben bei Juchhu an. Da habe ich schon seit Jahren ein Email-Account." Sie tat das und guckte dann erst mal in den Spam-Ordner. Sie staunte und fragte mich: "Boh. Sag mal, bekommst du auch immer so viele Spam-Mails?" Ich nickte: "Und ob. Falsche Lotteriegewinne, Angebote für Geldwäsche, Medikamente, Vergrößerung von Körperteilen, von denen ich manchmal gar nicht weiß, dass ich sie habe ... bekomme ich täglich, sowas."

Inzwischen hatte uns der "Tschung" unsere zwei "Tasskaff" gebracht ("Biddescheun!" - "Dangescheun!"), und ich war froh, mal etwas Warmes zu bekommen. Der Sommer war ja nicht so warm. Dörte meinte derweil: "Zum Glück habe ich aber auch vernünftige Mails bekommen. Guck mal: zwanzig Stück. Die meisten davon kommen von Kirkdouglas Mehlhase. Kirkdouglas ist ein Freund von mir aus Sachsen-Anhalt. Ist dir schon mal aufgefallen, dass die Leute in Ostdeutschland alle so exotische Vornamen haben?" Ich dachte kurz nach und fand: "Nicht alle. Ich habe eine Freundin in Dresden, die heißt ganz normal 'Eva'." - "Ist wahrscheinlich nur zugezogen", vermutete Dörte.

Die "Tasskaff" tröstete mich etwas, während ich gelangweilt zusah, wie Dörte ihre Mails las und auch alle beantwortete. Aber als ich dachte, sie sei endlich fertig, sagte sie: "So, das war mein Juchhu-Account. Jetzt kommen noch meine Postfächer bei Coldmail und EinsUndEinsMachtDrei an die Reihe." Och nöööö!

Das musste ich mir nun wirklich nicht antun, und ich sagte zu Dörte: "Du, ich gehe mal eben meine Tasskaff wegbringen, und dann gehe ich etwas an den Landungsbrücken spazieren. Wenn wir uns verfehlen, können wir uns ja über Handy anrufen." Dörte hatte gerade zwei Dutzend weiterer Mails von Kirkdouglas Mehlhase entdeckt und war mit meinem Vorschlag einverstanden.

War wirklich wieder schön, an der frischen Luft zu sein und den Blick auf die Elbe zu genießen. Manche Leute glauben ja, Hamburg liege am Meer. Das ist falsch! Hamburg liegt an dem Fluss Elbe, der bei Cuxhaven in die Nordsee fließt, und über die Elbe ist der Hamburger Hafen mit der Nordsee verbunden.

Ich war vielleicht hundert Meter gegangen, als ich einen alten Mann sah, der auf einer Treppe saß. Er hatte einen Teller mit einem seltsamen Brei vor sich und war dabei, diesen seltsamen Brei zu essen. Ich hatte das Zeug noch nie gesehen und guckte ihm staunend zu. Dabei bemerkte ich nicht, wie er mich bemerkte, und er sagte schmunzelnd: "Möchtest wohl etwas abhaben, wat, min Deern?" Ich lachte verlegen: "Äh ... nein. Ich frage mich nur, wie man das nennt, was Sie da gerade essen." Er meinte: "Ach sou, Cowgirl." (Er musste meine Stiefel gesehen haben und nannte mich deswegen wohl "Cowgirl".) Er erklärte: "Das nennt man 'Labskaus'. Das isst hier in Hamburch wirklich tschejder." Ich setzte mich jetzt tatsächlich zu ihm, obwohl ich natürlich nicht mit essen wollte, aber ich war neugierig: "Aha. Und was sind die Zutaten für Labskaus?", wollte ich wissen. Er aß weiter, aber antwortete: "Och du, eigentlich alles, min Cowdeern. Rindfleisch, Schweinefleisch, Rollmops, Stampfkartoffeln, Spiegelei, Rote Beete ... Eigentlich alles, was man noch sou im Kühlschrank finden tut. Als ich noch zur See fuhr, aßen wir ständig Labskaus."

Ich wurde immer neugieriger: "Ehrlich? Sie waren mal Seemann?" Er wurde stolz, das merkte ich, und er erzählte: "Tschaha, Deern. Ewich unn drei Toge bin ich aufem Dampfer als Matrouse unterwegs gewesen. Wat übrigens hier in Hamburch gor nix Besonderes sein tut: Hier ist tscheder zwote Mann in seinem Leben mol zur See gefahren." Ich fing ein bisschen an zu träumen: "Oh, schön. Wo waren Sie denn als Matrose überall?"

Das war die Frage, auf die er wohl gewartet hatte: "Tja, wie du schon gesecht hast, Deern - überall. Also überall, wo man mit'm Schiff hinkommt, meine ich. Aufem Matterhorn war ich zum Beispiel nich. Ha ha ha. Ach ja, dat war 'ne scheune Tid, Deern. Aus Gröunland haben wir Eisfisch nach Europa gebracht. Nach Australien haben wir Kaninchenfudder transbordiert. In Argentinien habe ich mit den Deerns am Hafen von Buenos Aires Tangou getanzt. Aus Afrika hebben wir Koukosnüsse gehoult. Aber am aufrejgendsten wor es, als ich mit Käpt'n Blaubär ums Kap Horn gesejgelt bin. Nee, nee, Deern, das mit Käpt`n Blaubär war natürlich nur'n Witz. Unser Kaptein damals hieß einfach nur 'Müller'."

Aber was er dann noch von seinen Abenteuern erzählte, klang wirklich ein bisschen nach Blaubär: Toll was auf den Weltmeeren so alles passiert.

Dann tauchte aber irgendwann eine ältere Dame auf, und sie sprach ihn an: "Karl Friedrich. Hätte ich mir doch gleich denken können, dass ich dich hier finde. Zu Hause warte ich mit den Spaghetti Bolognese auf dich, und hier isst du wieder Labskaus." Der alte Mann lachte und sagte zu mir: "Das ist meine Frau. Aber das hast du dir sicherlich schon gedacht." Stimmt, hatte ich. Die Frau lachte aber auch, und dann fragte sie mich: "War er schon an der Stelle, wo er zusammen mit Fiete Heinersen vor der Küste Südafrikas einem Blauwal beigebracht hat, wie man durch einen Reifen springt?" - "Nee, das wär jetz als Näjchstes gekommen", sagte er. Und die Frau lachte noch mehr und erklärte mir: "Mit seinen Seemannsgeschichten hat er mich damals auch beeindruckt. Dabei ist er insgesamt nur sechs Monate zur See gefahren. Danach war er bis zu seiner Pensionierung Beamter im Lebensmittelamt der Stadt Hamburg."

Das war ihm jetzt aber gar nicht peinlich, sondern er meinte zu mir: "Genau. Von meinen Abenteuern im Lebensmittelamt hädde ich dir auch noch erzählt, Deern. Zum Beispiel die Geschichte vom gefälschten Lebertran. Da hadde nämlich tatsächlich sou`n Hallodri Cola mit Rapsöl gemixt und es den Touristen als echten Lejbertran verkauft."

Dann mussten die beiden Leute aber gehen. Fand ich schade, denn ich fand die beiden richtig süß. Aber ich wollte ja nun auch zurück ins Internetcafé, um Dörte abzuholen.

Tja ... nur: Dörte war nicht mehr da! Na gut, das hat mir zwar nicht gefallen, aber so schlimm war das auch wieder nicht. Sie hatte ihr Handy dabei und ich hatte mein Handy dabei, und wir hatten ja vereinbart, dass wir telefonieren würden, wenn wir uns verfehlen sollten.

Ich nahm also mein Handy und wählte Dörtes Nummer: 0134875434572356499764. (Fragt mich nicht, was das für ein Anbieter ist, der so lange Telefonnummern vergibt.) Es machte einmal kurz "Tuuuut", aber am anderen Ende hörte ich nicht etwa: "Hallo, hier Dörte", sondern eine Automatenansage mit glattrasierter Stimme sagte: "Der Teilnehmer ist zurzeit nicht erreichbar. The person you called is temporarirariwarirawirarirarily not available."

Ich musste ein wenig lachen, weil die seltsame Frau, mit der man diese Aufnahme gemacht hat, dieses "temporarily" so bescheuert ausspricht. Meine Freundin Sophie Liebevoll, die in Australien aufgewachsen ist und deswegen sehr gut Englisch kann, meint sogar, in gutem Englisch würde man "temporarily" in diesem Satz gar nicht verwenden, sondern eher "currently" oder ganz einfach "at the moment" sagen.

Wie komme ich jetzt eigentlich darauf? Ach ja, wegen meines Anrufs. Dörte war gar nicht zu erreichen, und das fand ich schon sehr merkwürdig. Deswegen ging ich zu dem jungen Mann an der Kasse, mit dem Dörte so schön "Hamburgisch" gesprochen hatte, und ich fragte ihn: "Entschuldigen Sie, können Sie mir sagen, wo meine Freundin geblieben sein könnte? Ich verstehe aber nicht so gut Hamburgisch." Er guckte mich an und lachte und sagte: "Na, endlich mal eine Touristin, mit der ich ganz normal Hochdeutsch reden kann. Dieses Pseudo-Plattdeutsch, das die Leute immer mit mir snaken wollen, hängt mir nämlich zum Halse raus. Aber ... äh .... komisch, wo deine Freundin geblieben ist, kann ich dir im Moment auch nicht sagen. Vielleicht schaust du mal auf der Damentoilette nach."

Das war ja ein ganz guter Tipp, und ich guckte dort einfach mal nach. Wenn ich auf die Toilette gehe, stelle ich mein Handy ja auch immer aus. (Stellt euch mal vor, ihr werdet auf dem Klo angerufen, und während ihr telefoniert, entweichen euch irgendwelche komischen Geräusche. Das wäre doch sehr peinlich, oder?)

Aber auf der Toilette war Dörte jedenfalls nicht. Ich ging zurück zu dem jungen Mann und erklärte ihm: "Nein, auf der Toilette ist meine Freundin nicht. Sie sollten dort übrigens mal aufräumen, da hat eine Krankenschwester etwas von ihrer Ausrüstung verloren. Da liegen nämlich lauter Spritzen 'rum." Der junge Mann dachte nach und meinte: "Ach Mensch ... ich war ja zwischendurch selber mal für kleine Jungs. In der Zeit hat mich eine Kollegin vertreten. Vielleicht weiß die ja etwas von deiner Freundin."

Er stand auf und rief in ein Hinterzimmer: "Andrea Doria, könntest du mal eben bitte kommen?" Diese Andrea Doria kam, und er fragte sie: "Sag mal, ist vorhin, als du mich vertreten hast, eine junge Frau gegangen? Ungefähr zwanzig, fettiges langes dunkelbraunes Haar und ein ziemlich dicker Achtersteven?" Andrea Doria musste nicht lange überlegen und antwortete: "Ja, genau. Die hat bei mir bezahlt und ist dann mit zwei jungen Männern gegangen." Oh, das fand ich jetzt sehr merkwürdig. Ich bekam etwas Angst und fragte diese Andrea Doria: "Wissen Sie zufällig, wohin sie gehen wollte?" Andrea Doria meinte: "Nein, leider nicht. Aber einer von den beiden jungen Männern war so`n Hübscher. Der sah fast so aus wie Leonardo di Caprio." - "Was für`n Cabrio?", fragte ich erstaunt. "Nee, kein Cabrio - Leonardo di Caprio. Der Schauspieler, der in TITANIC mitgespielt hat. Dieser tolle Film - hast du doch bestimmt auch gesehen." Ich schüttelte den Kopf: "Nee, den habe ich mir nie angeguckt. Warum sollte ich mir einen Film angucken, bei dem ich von vornherein weiß, wie er ausgeht?" Die zwei mussten lachen - aber das half mir natürlich nicht weiter.

Allerdings fiel dem Kollegen von Andrea Doria dann doch noch etwas ein: "Wenn du vom Eingang fünfzig Meter nach links gehst, siehst du eine Kneipe. Die heißt Fietes Pinte - ist so 'ne richtige Touristenfalle. Deine Freundin wäre nicht die erste, die man dorthin abgeschleppt hat."

Ich bedankte mich bei den beiden und machte mich sofort auf den Weg zu Fietes Pinte. War wirklich sehr schnell zu finden. Aber nicht so ohne weiteres zu betreten, befürchtete ich, denn vor der Kneipe stand ein Türsteher. Ich hätte fast gelacht, denn dieser Türsteher sah ein bisschen aus wie Hein Blöd, der Leichtmatrose von Kapitän Blaubär.

Ich beschloss, nicht gleich in die Kneipe zu gehen, sondern noch mal zu versuchen, Dörte anzurufen. Ich wählte wieder 0134875434572356499764 - aber erneut erzählte mir die Automatenfrau: "Der Teilnehmer ist zurzeit nicht erreichbar. The person you called is temporarirariwarirawirarirarily not available." - "Das sagten Sie vorhin schon", meinte ich sauer, obwohl ich natürlich wusste, dass die Frau mich nicht hören konnte.

Also musste ich wohl doch in diese Kneipe. Ich versuchte, einfach so an diesem Türsteher, der aussah wie Hein Blöd, vorbeizugehen: Aber er stellte sich mir in den Weg: "Naaaa, Kleineeee. Bist duuu deeeen schon achtzeeeehn?" Nanu, der sah nicht nur aus wie Hein Blöd, der sprach auch wie Hein Blöd. Ich log ihn an: "Ja. Ich bin sogar schon 25." Und er gab nach: "Naaaa, dann geeeeh mal reeeein in die guuuute S-tuuuubeee." Auweia, der sah ja nicht nur aus wie Hein Blöd und sprach so wie Hein Blöd, er war tatsächlich auch so blöd wie Hein Blöd. Aber das war mir recht, denn so kam ich in die Kneipe hinein.

Also, warum der Eintritt in die Kneipe erst ab achtzehn war, war mir unklar, denn ich konnte nichts entdecken, was ich nicht hätte sehen dürfen. Touristen, die sich Schnupftabak in die Nase tun, kannte ich schon aus München. Und in Bayern waren die Leute auch alle noch sehr viel betrunkener als in Fietes Pinte. Ich sah also nichts, was mir Angst machte - allerdings sah ich auch keine Dörte Tidenhub.

Ich versuchte es deshalb noch einmal mit dem Handy: 0134875434572356499764. Die Automatenfrau sagte: "Der Teilnehmer ist zurzeit nicht erreichbar. The person you called is at the moment not available." - "Wie bitte? AT THE MOMENT?", fragte ich verblüfft zurück. "Ja. Ich war inzwischen im Kurs ENGLISCH FÜR FORTGESCHRITTENE", gab mir die Automatenfrau zur Antwort.

Sehr verwirrt legte ich auf - doch dann wurde ich noch verwirrter. Ein Mann mit Zylinder trat auf eine kleine Bühne in der Kneipe und sprach in ein Mikrophon: "Verehrte Damen und Herren! Stammgäste von Fietes Pinte kennen Sie längst - Hein Lügenbold und Jan Trockendock, besser bekannt als das Seemannslied-Duo Finkwarder S-püldübel. Aber halten Sie sich fest, meine Damen und Herren, die beiden haben Vers-tärkung bekommen. Begrüßen Sie nun Hein und Jan mit Dörde - der neuen Frauenstimme der Finkwarder S-püldübel."

Und tatsächlich betraten zwei junge Männer und eine junge Frau die Bühne. Und die junge Frau war wirklich niemand anderes als meine verschwundene Freundin Dörde ... äh ... Dörte Tidenhub.

Und ohne weitere Vorwarnung begannen die drei nun auch sofort, Seemannslieder zu singen. Ihr erstes Lied war: "Hans-Werner war ein Hering, kaum zwanzig Jahr. Hans-Werner hatte trotzdem schon graues Haar. Sag, wer mag der Hering sein, der da schwamm im Meer allein ..." Auch die nächsten Lieder waren so: "Aber dennoch hat die Möwe sich köstlich amüsiert, und sie frisst ihre Fische grundsätzlich nur fritiert ..." Oder: "Seemann Hein fuhr g'rad'aus auf das weite Meer hinaus - Schuh und Hut s-teh'n ihm cool, er lässt ab das Öl." Oder: "Ein Seemann wollte Hochzeit machen und heiratete zwei Frau'n - und als er mit 'ner dritten schmuste, sind die beiden abgehau'n ..." Oder: "Auf der Autobahn nachts um halb eins, ob du'n Auto hast oder auch kein's."

Dann machten die drei eine Pause, und ich ging wütend zu Dörte hin. "Was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen, Frau?", fragte ich sie streng. Und sie sagte: "Ach, das werde ich dir gleich erzählen."

Ich sagte streng: "Rede, Frau! Wie kommst du dazu, dich einfach aus dem Staub zu machen, ohne mir Bescheid zu sagen, und warum singst du hier so schmutzige Lieder?" Ich war richtig ein bisschen sauer, aber Dörtes Freunde Hein und Jan schienen das lustig zu finden und freuten sich. Hein beschwerte sich allerdings bei mir; er sagte: "Also, Seemannslieder mögen zwar so flach sein wie der Norden, aber dass sie schmutzig seien, hat mir eigentlich noch keiner gesagt."

Dörte war auch nicht böse, aber sie rechtfertigte sich: "Fräulein, ich habe meine Freunde Hein und Jan zufällig im Internetcafé getroffen, und die beiden hatten mich gefragt, ob ich sie nicht beim Singen unterstützen wollte. Und, Fräulein, ich habe dich sehr wohl angerufen, aber dein Handy war aus. Ich hörte immer nur: 'Der Teilnehmer ist zurzeit nicht erreichbar. The person you called is temporarily on the loo or anywhere else where he or she is not available.' Deswegen habe ich dir eine SMS geschickt, aber die hast du offenbar nicht gelesen."

Äh ... oh ... ich nahm mein Handy aus der Tasche und guckte gleich mal nach. Stimmt. Die SMS war da, und darin hatte Dörte mir genau beschrieben, wo ich sie finden würde und warum. Tja, ganz ehrlich, da hatte ich nicht richtig mitgedacht. Aber eigentlich simse ich ja auch gar nicht so gern.

Ich beruhigte mich wieder und bestellte mir beim Kellner etwas zu trinken. "Haben Sie auch nichtalkoholische Getränke?", fragte ich ihn, und er meinte: "Selbstvers-tändlich, Frollein. Wir haben Lebertran mit Ourangengeschmack, Lebertran mit Zitrounengeschmack, Lebertran mit Himbeergeschmack, Lebertran mit Kirschgeschmack, Lebertran pur und Coula." - "Oh, dann nehme ich 'ne Cola", sagte ich und versuchte, mir meinen Ekel nicht anmerken zu lassen.

Ich war neugierig und fragte Jan Trockendock und Hein Lügenbold: "Habt ihr eine Wette verloren, oder habt ihr etwas angestellt und seid vom Richter zum Singen verurteilt worden, oder warum müsst ihr in dieser Spelunke Seemannslieder singen?" Das hatte der Kellner gehört, und er war beleidigt: "Wir sind keine S-pelunke. Wird sind eine anständige, sehr renommierte Kaschemm ... Gasts-tätte mit Kulturangebout." Dörte war meine schlechte Laune offensichtlich peinlich, aber Hein und Jan machten sich nichts daraus. Hein Lügenbold erklärte mir: "Ich s-tudiere an der Universität Rechtswissenschaften und Numismatik und verdiene mir mit der Singerei etwas dazu. Ich finde Seemannslieder auch nicht sou toll, aber es gibt immer genug Touristen, die unsere Musik hören wollen." Jan meinte hingegen: "Also, ich singe diese Lieder sogar gern und freiwillig - aus Traditschoun sozusagen. Mein Vater hat das schon gemacht, mein Großvater hat das schon gemacht, und die Urgroußmutter meiner Cousine dritten Grades hat das auch schon gemacht. Ist wohl 'ne Familienleidenschaft. Aber hauptberuflich mache ich etwas völlig anderes. Ich bin Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Zoo."

Oh, das letzte fand ich jetzt interessant, und jetzt guckte ich wohl etwas freundlicher. Weil ich jetzt etwas freundlicher guckte, guckte auch Dörte wieder etwas freundlicher, und sie erzählte mir: "Ja, ich habe Jan neulich dort besucht, und er hat mir seinen Zoo mal gezeigt." Und Jan meinte: "Claudia, wenn du Tiere magst und morgen Zeit hast, dann komm doch auch mal zu uns in den Zoo. Es wird dir bestimmt gefallen." He, das finde ich jetzt richtig gut, und ich freute mich: "Oh ja, gern. Der weltberühmte Hamburger Zoo Hagenbeck. Da wollte ich sowieso immer schon mal hin." Jan und Dörte guckten jetzt etwas ernster, und er erklärte: "Nee, das ist jetzt ein Missverständnis. Hagenbeck ist wirklich weltberühmt, aber ich arbeite in einem anderen Zoo. Unser Zoo ist ... sagen wir mal ... futuristisch und experimentell. Bei uns haben die Tiere optimale Lebensbedingungen. Außerdem haben wir Tiergattungen, die du vielleicht noch gar nicht kennst. Oder hast du schon mal von Ameisenkaninchen, Zwiebelzebras oder fleischfressenden Schnabelpferden gehört? Nee, ne? Bekanntere Tierarten haben wir aber auch. Sehr empfehlenswert ist zum Beispiel unsere Streichelwiese mit wolligen Schafen, vorwitzigen Ziegen, vegetarischen Dobermännern und kleinen Nashörnern."

Ich war mir jetzt nicht sicher, ob ich alle Tierartennamen richtig verstanden hatte, und ich war auch enttäuscht, dass Jan nicht bei Hagenbeck arbeitete - aber neugierig war ich trotzdem. Deswegen nahm ich seine Einladung sehr gerne an. Dörte hätte zu der Zeit sowieso keine Zeit für mich, weil sie beim Immatrikulationsamt der Universität ein Antragsformular für einen Antrag auf ein Antragformular zur Bestätigung der Nichtigkeit eines Vordruckformulars abstempeln lassen musste, und wir verabredeten, dass ich um 10.30 Uhr bei Jan im Zoo Genopolis in Hamburg-Eidelstedt auf der Matte stehen würde.

Ich trank noch den Kasten Cola leer, den mir der Kellner gebracht hatte (endlich mal etwas, das nicht nach Fisch schmeckte), ging dabei ein paarmal aufs Klo (komisch - auch hier lag wieder Krankenschwesternbesteck herum), und dann verabschiedeten sich Dörte und ich von Jan und Hein.

Als wir zum Parkplatz kamen, wo Dörte ihre alte Ente geparkt hatte, hörten wir die Ente schon von weitem aufgeregt schnattern. Offenbar war sie sauer, weil wir sie so lange hatten warten lassen.

Dörte schlug vor: "Ehe wir zu mir nach Hause fahren, machen wir noch schnell einen Abstecher zum Hamburger Fernsehturm. Es ist ja schon dunkel, und da werde ich etwas Interessantes zeigen." Okay, ich hatte ja Ferien, und nach der vielen Cola würde ich sowieso noch nicht schlafen können.

Wir kamen an diesem Fernsehturm an, und er war wirklich ganz schön hoch. "Wie hoch ist der denn genau?", wollte ich von Dörte wissen. Sie antwortete nur: "Och, weiß ich nicht genau. Ganz schön hoch jedenfalls." Und dann sah ich das, was mir Dörte zeigen wollte. Das war fast ein bisschen unheimlich: Ich sah nämlich, wie sich seitlich am Turm ein seltsames Licht ganz schnell nach unten bewegte, dann wieder hoch schnellte, dann wieder nach unten fiel, dann wieder nach oben ging ... "Was ist das denn?", fragte ich verwundert. Dörte erklärte mir: "Das ist der neueste Schrei hier in Hamburg - Bungeejumping in der Nacht. Tagsüber kann man hier schon lange Bungeejumping machen - bestimmt zehn Jahre. Den geübten Bungeespringern ist das aber nicht mehr aufregend genug, und jetzt springen sie in der Dunkelheit. Das Licht, das du da siehst, ist eine kleine Taschenlampe am Helm. So können die Helfer am Boden sehen, wo der Springer gerade ist."

Wir warteten noch ab, bis der Bungeejumper, den wir gesehen hatten, sicher unten angekommen war und nun japsend am Boden lag und sich ausruhte. Wir hörten ihn sagen: "Schrecklich! Es war furchtbar! Ich hatte Todesangst! Das Schlimmste, was ich jemals gemacht habe! Ich konnte den Boden gar nicht sehen und hatte keine Ahnung, ob ich aufschlagen würde oder nicht! Ich habe mir vor Angst richtig in die Hose gemacht." Ich konnte mir eine Bemerkung nicht verkneifen und fragte ihn deswegen: "Wenn Sie sich dabei vor Angst in die Hosen machen, warum tun Sie es dann überhaupt?" Er meinte: "Weil's Spaß macht. Außerdem habe ich gute Windeln an."

Na, ich weiß ja nicht, ob das auch etwas für mich wäre.

Dörte hatte also Behördenkram zu erledigen, und deswegen machte ich mich am nächsten Vormittag alleine auf die Socken zu diesem Zoo. An diesem Tag war das Wetter nicht ganz so schlecht wie sonst in diesem Sommer, und deswegen freute ich mich, dass ich mir vorm Zooeingang noch ein Eis kaufen konnte. Hmm - ein großes Waffeleis mit Vanille-Zitrone-Banane-Radieschen-Heidelbeergeschmack. Fünf dicke Kugeln!

Ich schleckte an meinem Eis herum und ging schon mal zur Zookasse. Viel war nicht los. Was heißt: nicht viel? Ich schien die einzige Besucherin an diesem Tag zu sein. Ich freute mich, dass ich an der Kasse eine verbilligte Eintrittskarte bekam ("Rothaarige Mädchen bekommen bei uns eine Ermäßigung", erklärte mir der freundliche rothaarige Kassierer). Ich erzählte ihm, dass ich mit Jan Trockendock verabredet sei, und der Kassierer meinte: "Jou, Deern, dann gehst du hier gleich am Schlangenkäfig vorbei, biegst dann bei den Eisbären links ab, kommst am Stall der fleischfressenden Schnabelpferde und der Ameisenkaninchen vorbei, dann biegst du rechts ab, sodass du die Streichelwiese mit den Zwergnashörnern siehst, dann gehst du etwa dreihundert Meter geradeaus, dann biegste nochma ab, und dann siehst du das Gebäude mit der Aufschrift Verwaltung - Forschung - Volksmusik.' Na - ob ich mir das alles merken konnte ...

Ich trat nun auf das Zoogelände, und wie es der Kassierer vorausgesagt hatte, kam ich zuerst an den Schlangenkäfig. Huuuu ... Schlangen! Die haben so etwas ... äh ... Schlangenhaftes. Ja, hinter einer Glasscheibe schlängelten sich tatsächlich einige Schlangen herum. Hmm, was für Schlangen waren das wohl? Na ja, da waren ja Schilder, mal gucken, was da drauf stand: "Lampukische Klapperschlange. Beheimatet in der Tutmandorischen Flachebene. Wird bis zu drei Meter lang." Aha. Auf dem nächsten Schild stand: "Toltehkische Brillenschlange. Beheimatet im Toltehkischen Hochgebirge. Wird bis zu sieben Meter lang und kann bis zu hundertzwanzig Brillen gleichzeitig tragen." Uuuuiiih! Und auf einem dritten Schild stand: "Deutsche Autoschlange. Beheimatet auf der Autobahn A7. Kann im Sommer bis zu sechzig Kilometer lang werden. Ist im Moment bei uns aber nicht zu sehen, denn sie hat sich aufgelöst." Ah - verstehe.

Dann ging ich weiter, denn ich wollte zum Freigehege der Eisbären. Eisbären sind ja plötzlich sehr beliebt. Ihr wisst schon: Wegen Knut (der Eisbär der Nation). Ich war allerdings sehr verwundert, denn ich sah keinen einzigen dieser weißen Eisbären. Was ich stattdessen sah, waren kleine braune Wesen, die aussahen wie Teddybären. Sie hingen faul in Baumästen und guckten mich mit großen Knopfaugen an. Süß - sehr süß sogar - aber ganz eindeutig keine Eisbären. Ich war etwas verwirrt, und ich wurde noch verwirrter, als ich eine Lautsprecherdurchsage hörte: "Ding Dong. Achtung! Sicherheitshinweis! Bitte lassen Sie Ihr Speiseeis nicht unbeaufsichtigt. Attention. Security advice. Please do not leave your ice-cream unattended." Die Durchsage war kaum vorbei, da sprang plötzlich einer dieser Teddies auf mich, riss mir mein Eis aus der Hand, kletterte mit meinem Eis an mir herunter und dann wieder auf seinen Baum hinauf. Die Lautsprecherdurchsage meldete sich wieder und sagte: "Ding Dong. Das hast du nun davon. That was your own fault." Hui, hatte ich mich erschrocken. Was waren denn das für Tiere? Mal lesen, was da auf dem Schild stand. Da stand: "Australische Koalas. Sie sind eigentlich gar keine Bären und schon gar keine Eisbären. Aber da sie den Zoobesuchern so gerne das Eis klauen, nennen wir sie auch Eisbären." Stimmt. Der kleine Dieb saß jetzt wieder in seinem Baum und ließ sich den Rest von meinem Eis schmecken.

Ziemlich erstaunt ging ich weiter und kam an den Stall der fleischfressenden Schnabelpferde. Ah, hier war gerade Fütterung. Eine Tierpflegerin stand da und warf den Pferden etwas Futter zu, und die Pferde fingen das Futter mit ihren Schnäbeln. Ja - diese Pferde hatten tatsächlich Schnäbel! Ich wartete, bis die Fütterung vorbei war, und sprach dann die Tierpflegerin mal an: "Hallo. Entschuldigung, mich würde mal interessieren, womit Sie die Schnabelpferde gerade gefüttert haben." Die Pflegerin war sehr freundlich und erklärte mir: "Das war ihr Lieblingsessen. Frikadellen, Mortadella und Currywurst." Ach so.

Ich kam noch an den Ameisenkaninchen vorbei und schaute sie mir eine Weile lang an. Die Kaninchen guckten allerdings nicht zurück, denn sie waren eifrig dabei, den Boden nach Ameisen abzusuchen. Dann ging ich auf die Streichelwiese mit den Zwergnashörnern. Ich streichelte diese Zwergnashörner, die kleiner waren als meine Cowboystiefel, und fütterte sie auch. An einer Bude nebenan hatte ich mir die Fischstäbchen gekauft, die die Zwergnashörner am liebsten fraßen.

Jetzt war es aber Zeit, dass ich Jan Trockendock besuchte. Ich ging einen langen Weg geradeaus, und auf diesem Weg sah ich noch die Giraffendackel, die Weitsprungschildkröten, die Senflöwen, die Beamtenaffen, die Zwiebelzebras und die Hasenmäuse (nein, keine Haselmäuse, sondern wirklich Hasenmäuse - eine Kreuzung aus Hase und Maus).

Inzwischen konnte ich das Gebäude mit der Aufschrift Verwaltung - Forschung – Volksmusik schon sehen. Also, wenn ich den vorgeschriebenen Weg gehen würde, müsste ich noch ziemlich weit laufen. Wenn ich aber über den schmalen Bach, der da floss, springen würde, wäre ich sofort da. Na, was würde ich wohl machen? Logo! Ich bin ja sportlich, und ich hatte auch meine sportlichen Cowboystiefel an (ich habe eigentlich immer Cowboystiefel an, stimmt), und deswegen entschied ich mich für den kleinen Sprung.

Aber das war wohl ein Fehler. Ich hatte es fast schon geschafft und war eigentlich am anderen Ufer, aber dann verlor ich etwas das Gleichgewicht und trat mit dem rechten Fuß ins Wasser. Nanu, das war aber nicht tief. Ich war eigentlich nur mit der Stiefelsohle im Wasser. Ich setzte in Ruhe den linken Fuß daneben und wollte dann bequem ans Ufer klettern - da hob mich plötzlich etwas in die Höhe. Ich guckte hinunter. Nanu, was war das bloß? Es war irgendwie so bräunlich-grünlich. Oh je - es war ein Krokodil!

Ich wäre jetzt fast ein bisschen in Panik geraten, aber plötzlich standen Jan Trockendock und einige seiner Kollegen vor mir. Jan meinte: "Ganz ruhig, Claudia. Sag mal, das sind doch hoffentlich keine Krokodillederstiefel, die du da trägst. Da versteht unser Schnappi nämlich keinen Spaß." Ich konnte ihm versichern: "Nein, meine Cowboystiefel sind aus nachgemachtem Kunstlederimitat." Die Männer atmeten auf, und Jan meinte: "Dann ist das für Schnappi kein Problem. Hüpf einfach schnell ans Ufer." Das tat ich dann auch, und mir war danach schon etwas wohler. Jan erklärte mir aber: "Eigentlich ist Schnappi ganz friedlich. Im Gegensatz zu anderen australischen Salzwasserkrokodilen frisst unser Schnappi hauptsächlich Pommes mit Mayo, Erbsbrei und am allerliebsten Dresdner Christstollen."

Danach zeigte mir Jan noch einige andere Tiere des Zoos: Die Nilpferdfinken, die Schupfnudelhunde, die Kastanienvögel, die Kurzwellensittiche, die Silberzwiebelfische und so weiter, und so weiter.

Ganz am Ende fragte er mich noch: "Hast du vielleicht noch Lust, in unserem Whirlpool zu baden, Claudia? Badesachen kann man sich hier ausleihen."

Natürlich hatte ich Lust! Ich verabschiedete mich schon mal von Jan, lieh mir für etwas Geld ein paar Badesachen, zog mich in einer kleinem Umkleidekabine um und betrat dann die Halle mit dem Schild "Zum Whirlpool".

Aber ich war etwas enttäuscht. Da war zwar ein schönes Schwimmbecken, und es war auch sauberes Wasser darin, aber es war kein Whirlpool. Das Wasser war ganz ruhig. Zum Glück war da ein Bademeister, und ich sprach ihn an: "Äh ... ich wollte eigentlich im Whirlpool baden, aber da sind ja gar keine Wellen im Becken. In einem Whirlpool wirbelt das Wasser so, als wäre Sturm." Er lächelte freundlich und sagte: "Spring einfach schon mal rein in den Pool. Die Wellen kommen gleich nach."

Na gut, sportlich sprang ich ins Schwimmbecken, nach dem Motto: Wenn ich drin bin, kann ich besser rausgucken. Aber was ich dann sah, glaubte ich nicht! Fünf ausgewachsene Elefanten marschierten nebeneinander zum Beckenrand und blieben dort stehen. Dann sagte der Bademeister zu den Elefanten: "Lou, Mathilde, Elfriede, Bimbo und Jumbo - dann macht mal Wellen. Springt!" Und auf dieses Kommando sprangen alle Elefanten gleichzeitig ins Becken. Und plötzlich war das Schwimmbecken wirklich ein Whirlpool, das könnt ihr mir glauben.

Tja, und damit ging mein Hamburg-Besuch zu Ende. Hat Spaß gemacht.

Herzliche Grüße

Eure CLAUDIA FLUNKERT


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