Teil 4 - Die Zombie-Klempner von Wesseling
Hallo an alle, die die Bretter, die die Welt bedeuten, nicht vor dem Kopf haben! (*lacht)
Im vierten Teil meiner Geschichte von unserer Theater-AG in der Schule will ich euch von unserer ersten richtigen Probe erzählen. Der eigentliche Leiter unserer Theater-AG, ein Lehrer namens Fasswenders, war ja krankgeschrieben. (Um genau zu sein, er war in die Nervenheilanstalt eingewiesen worden.) Stattdessen ordnete unsere Schuldirektorin an, dass eine Schülerin aus dem Abschlussjahrgang die Leitung übernehmen sollte: Hedwig Mättel, genannt Hewwi. Und sie heißt nicht umsonst so, denn Hewwi Mättel mag alles, was schräg, laut und gruselig ist. Und besonders problematisch war für uns, dass Hewwi Mättel nicht nur wusste, was sie mochte, sondern dass sie auch wusste, wie sie anderen ihren Geschmack aufdrückte. Da wir anderen es nicht geschafft hatten, uns untereinander auf ein Theaterstück zu einigen, ordnete Hewwi Mättel an, dass wir so ein Zombie-Zeug aufführen sollten. Dazu hatte eigentlich keiner von uns Lust - aber wir hatten halt alle tierisch Angst vor Hewwi Mättel.
Hewwi war offensichtlich ganz begeistert von diesem Stück und erklärte uns: "Also, das Stück Die Zombie-Klempner von Wesseling wurde geschrieben von Edda Ellen Popo und geht ungefähr so: Maximilian aus Buxtehude verbringt die Ferien bei seiner Großtante Wilhelmine in Wesseling. Dort macht er merkwürdige Beobachtungen: Das Gemüse auf den Feldern kann sprechen, die örtliche Chemiefabrik fliegt nachts über Land, und die Wesselinger können überhaupt nicht Auto fahren. Aber den größten Schock kriegt er, als er merkt, dass die Klempner von Wesseling allesamt Zombies sind - lebende Tote also. Erst pusten sie ihren Kunden die Abwasserrohre frei, dann saugen sie ihnen das Gehirn aus. Schlürf! Maximilian beschließt, Wesseling von den Klempnerzombies zu befreien. Es entbrennt ein Kampf auf Leben und Untod. Die Klempner wehren sich mit Klo-Stopfern und Gummidichtungen. Aber es kommt noch schlimmer: Maximilian stellt fest, dass nicht nur die Wesselinger Klempner Zombies sind, sondern auch die Wesselinger Supermarktkassiererinnen, die Kehrmaschinenfahrer und die Postboten."
"Auweia, es fließt doch hoffentlich kein Blut in diesem Stück", sagte Simone Sonneblum besorgt - und wir anderen mussten lachen, denn wir hatten das Gefühl, dass in diesem Stück sogar sehr viel Blut fließen würde. Aber unser vorsichtiger Protest nützte nichts. Hewwi war davon überzeugt: "Das Stück kickt Äss, ihr werdet es schon sehen", und wir würden am nächsten Donnerstag mit den Proben beginnen.
Am nächsten Donnerstagnachmittag trafen wir uns also wieder. Hewwi meinte: "Bevor wir mit dem Proben anfangen, müssen wir erst einmal festlegen, wer welche Rolle spielt. Deswegen habe ich eine leere Flasche mitgebracht. Setzt euch mal alle im Kreis auf den Fußboden." Wir sagten: "Wat?", und Norman Nerdberg sprach für uns alle: "Das ist doch nicht sinnvoll, wenn wir die Rollen mit Flaschendrehen verlosen." - "Papperlapapperlapapperlapapp", sagte Hewwi, "an den großen Theatern machen die das auch immer so." Wir setzten uns alle brav im Kreis hin, und Hewwi drehte die Flasche. Die Flasche kam zum Stehen - und zeigte auf mich. "Herzlichen Glückwunsch!", gratulierte mir Hewwi, "Zack, du spielst die Hauptrolle - den Maximilian." Ich zuckte mit den Achseln: "Ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich etwas Gutes ist." Claudia Flunkert tröstete mich: "Sei doch froh! Wenigstens musst du dann keinen von den Zombie-Klempnern spielen." Und kurz darauf sagte Claudia: "Ach du Sch... Schande!" Sie musste zwar auch keinen Zombie-Klempner spielen, aber dafür die Zombie-Supermarktkassiererin. Sie freute sich sogar noch fast: "Immerhin darf ich im Stück 'ne Frau bleiben." Ansonsten hatte Hewwi nämlich die Geschlechter durcheinandergewirbelt: Eunike Maustreiber zum Beispiel musste einen der männlichen Klempner spielen, und Kevin Wutzke war meine Großtante Wilhelmine.
Hewwi Mättel war ziemlich begeistert, was gut war, denn so war wenigstens eine von uns richtig gut drauf. Die anderen verwünschten mal wieder den Tag, an dem sie der Theater-AG beigetreten waren. Hewwi sagte: "So, ihr habt das Stück zwar alle noch nicht gelesen, aber wir probieren heute trotzdem schon mal. Wir machen sozusagen Probeproben. Wir stellen uns schon mal auf die Bühne, als würden wir spielen, aber noch ohne Requisiten und dafür mit dem Buch. Dann könnt ihr den Text ablesen." Sie gab jedem von uns ein Buch - genauer gesagt, jedem eine von den Fotokopien, die unser Hausmeister davon gemacht hatte. (Aber sagt das nicht dem Verlag.)
Wir sollten zuerst eine Szene üben, in der ich bereits bei Großtante Wilhelmine bin und plötzlich einer der Zombie-Klempner bei uns klingelt. Kevin (also: Großtante Wilhelmine) setzte sich auf einen Stuhl und kippelte. Das Kippeln war nötig, weil es ein Schaukelstuhl sein sollte, wir für unsere Proben aber keinen Schaukelstuhl hatten. "Ding dong", sagte Eunike, die den Klempner spielte, der an der Tür klingen sollte. Kevin alias Großtante Wilhelmine sagte mit krächzender Stimme: "Oh, es klingelt. Das ist bestimmt Oma Penonnes. Machst du bitte auf, Maxl?" - "Ja, sofort", antwortete ich, denn das war ja schließlich mein Text. Ich ging zur Tür, die natürlich nicht wirklich da war, und tat so, als würde ich sie öffnen. Eunike sagte: "Guten Tag. Ich bin Ihre Kosmetikberaterin ..." - "Aus, aus, aus!", schimpfte Hewwi, und sie sagte scharf zu Eunike: "Eunike, ich hab' schon verstanden, dass du keinen Klempner spielen willst. Du musst aber! Also noch mal von vorne! Und diesmal hältst du dich bitte an deinen Text, sonst muss ich dich leider eliminieren."
Deshalb machte ich die Tür noch mal auf, und diesmal sagte Eunike: "Guten Tag. Firma Röhrlich. Gas, Wasser und Sie wissen schon, was noch. Ich soll hier ein verstopftes Klo frei pusten." Jetzt war ich wieder dran: "Ja, richtig. Kommen Sie bitte durch." Eunike kam herein, und Hewwi erklärte: "So, Eunike, laut Buch musst du dich jetzt mir nichts, dir nichts auf die Großtante stürzen und ihr das Gehirn aussaugen." - "Wie soll ich das denn machen?", beschwerte sich Eunike. Hewwi war sauer: "Das ist doch kein Problem. Leck Kevin einfach über die Stirn und mach dabei laute Schlürf- und Schmatzgeräusche!" Wir waren alle ziemlich angeekelt, und um Zeit zu gewinnen, schlug ich vor: "Vielleicht sollten wir jetzt mal eine andere Szene proben."
Zum Glück war Hewwi einverstanden. Sie ordnete an, dass ich als Maximilian im Supermarkt auf Claudia als Zombie-Kassiererin treffen sollte. Claudia setzte sich an einen Tisch, der die Kasse sein sollte. Ich kam mit ein paar Äpfeln zur Kasse, legte sie ab und bat die Kassiererin: "Könnte ich bitte eine Tüte haben?" Claudia hatte sich gerade noch an den Kopf gefasst, als sie nämlich gelesen hatte, was sie als Zombie-Kassiererin sagen sollte. Aber sie spielte mit und sagte deshalb mit böser Stimme: "Waaaas?! Eine Tüte willst du?! Ha ha ha! Auf die Knie, elender Sklave!" Hewwi unterbrach uns: "Ja, da war schon sehr viel Schönes dabei. Jetzt muss Maximilian der Zombie-Kassiererin laut Textbuch den Kopf abschlagen." Wir waren ziemlich verwirrt. "Wie sollen wir das denn spielen?", fragte ich entsetzt. Hewwi gab zu: "Hmm. Weiß ich auch noch nicht. Aber ich muss sowieso gerade mal aufs Klo. Da habe ich immer die besten Ideen. Da fällt mir bestimmt etwas ein."
Jetzt war Hewwi zum Glück mal nicht da, und wir konnten uns besprechen. "Sagt mal, wir wollen doch diesen Mist nicht wirklich spielen. Damit machen wir uns ja lächerlich", sagte Mareike Knackstedt, und natürlich gaben wir ihr alle Recht. "Aber was sollen wir machen?", fragte Eunike Maustreiber ängstlich. Sie glaubte: "Wenn wir uns weigern, weiter mitzumachen, saugt uns Hewwi bestimmt das Gehirn aus." Norman schluckte und schlug vor: "Ich sage es Hewwi, dass wir nicht mehr wollen. Aber ich tu's nur, wenn ihr mir versprecht, mir zu helfen, wenn sie sich auf mich stürzt." Wir versprachen es ihm, wobei ich aber nicht weiß, ob wir dabei alle ehrlich waren.
Hewwi kam zurück von der Toilette, und ehe Norman etwas sagen konnte, meinte Hewwi wichtig: "Zack, ich weiß, wie wir das mit dem Kopfabschlagen machen. Du schlägst Claudia den Kopf nicht wirklich ab, sondern tust nur so." - "Davon war ich eigentlich auch ausgegangen", antwortete ich ihr, und Claudia fasste sich wieder an den Kopf und raunte: "Hewwi ist nicht nur geschmacklos, die ist auch noch doof." Wir schauten alle auf Norman. Der nahm seinen Mut zusammen und sagte: "Äh ... Hewwi ... äh ... weißt du ... äh ... wir würden lieber ein anderes Stück aufführen." Und dann herrschte Stille. Sozusagen: Totenstille. Wir hielten den Atem ab. Würde Hewwi uns das Gehirn aussaugen? Würde sie uns die Köpfe abschlagen und mit ihnen Fußball spielen? Oder noch etwas Schlimmeres? Und in dieses eisige Schweigen hinein sagte Hewwi plötzlich: "Na gut, einverstanden. Mir hat's, ehrlich gesagt, auch nicht mehr gefallen. Dann macht mal Vorschläge!"
Na, das war ja einfach. Und deswegen schlug ich zum zweiten Mal vor: "Wollen wir nicht Improvisationscomedy machen?" Die anderen waren sich nicht ganz sicher, ob sie das wollten. Daher sagte ich zusätzlich: "Dafür bräuchten wir immerhin keinen Text auswendig zu lernen." Und auf einmal waren alle einverstanden.
Und das nächste Mal erzähle ich euch von unserem großen Theaterabend.
Es grüßt euch herzlich
Euer ZACK
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