Kunterbuntversion - Colourful Version

Go to the contents page
Zum Inhaltsverzeichnis

Claudia Flunkert und die Sache mit den Briefmarken

Claudia Flunkert and the Stamp Collection Affair

Ja! Endlich! Manni Fest, der coole neue Junge in der Klasse, hat Claudia eingeladen, zu ihm nach Hause zu kommen, um seine Briefmarkensammlung zu bewundern. Allerdings ist da noch Bo Friesenkuß, Claudias bester Freund. Aber Manni ist ja so süüüüß! Claudia kann nicht widerstehen...

Yes! At laaast! Manni Fest, the cool new boy in Claudia Flunkert's class, has invited her to his home to have a look at his ... ho ho ... stamp collection! Sounds exciting! The problem is that Claudia would have to deceive Bo Friesenkuss, her beloved boyfriend. But Manni is so coool! Claudia doesn't know he really wants to show her his stamp collection.


Daniel Roy, Bruehl, Deutschland/Germany
Malcolm McGookin, Asterisk, Brisbane (Queensland), Australia/Australien
Ki.Ka, Erfurt, Thüringen/Thuringia

Hallo, Rübennasen!

Hier ist wieder Claudia Flunkert, und zwar mit meinem ersten Abenteuer des neuen Schuljahres.

Immerhin bin ich jetzt in der 7. Klasse unserer Gesamtschule. Ich habe erstens ein paar neue Fächer, zum Beispiel Französisch, die Sprache der Pommes Frites, bei Madame Catastrophe und Physik bei Herrn Dreistein. Etliche neue Lehrer habe ich sowieso, beispielsweise Herrn Alt in Geschichte, Frau Porridge in Englisch, Frau Schillerlocke in Deutsch und Graf Zahl in Mathe (Mann, kann der zählen!).

Es sind aber auch ein paar neue Kinder in die Klasse gekommen. Eines davon war Manfred Fest, genannt Manni. Und Manni Fest war ziemlich schnell beliebt. Na ja, normalerweise sind neue Klassenkameraden erst einmal ziemlich schüchtern, richtig ängstlich, weil sie in der Klasse ja noch niemanden kennen. Manni war aber überhaupt nicht schüchtern. Er war immer gut drauf, und die Mädchen unserer Klasse fanden ihn richtig niedlich. Irgendwie wurde er ganz schnell unser Liebling, was in der sechsten Klasse im Rotationsverfahren ja Zack Ziegenfutter, Daniel Spaniel, Claudio Pizzarini und Franz Beckenbruch gewesen waren. Die waren jetzt alle abgemeldet.

Ich selbst stand natürlich über den Dingen - wie man das so sagt. Ich mache schließlich nicht jede Mode mit - höchstens jede zweite. Außerdem war ich schon seit einem halben Jahr mit Bo Friesenkuß zusammen. Der ist auch in meiner Klasse. Wir sind kein Pärchen oder so, aber wir sind ziemlich gut befreundet, und Bo ist umheimlich nett zu mir. Wir haben uns damals bei der Einweihung der neuen Telefonzelle in Peine näher kennen gelernt, ihr erinnert euch vielleicht daran.

Aber wie alle anderen Mädchen fand ich Manni Fest eben cool. Die anderen Jungen in der Klasse haben alle ganz kurze Haare und tragen abgekackte Mützen. "Sieht aus wie Karneval bei der HJ", hat mein Vater mal gesagt. Keine Ahnung, was er damit meinte. Jedenfalls, Manni Fest hatte richtige Locken. Das hing sicher mit dem Beruf seines Vaters zusammen. Er erzählte uns mal in der Kunst-Stunde, wo wir uns sowieso alles Mögliche erzählen: "Mein Vater war bis neulich der einzige Herrenfrisör in Friesoythe. Dann machte aber die Supermarktkette Nixda einen großen Laden in Friesoythe auf, und die hatten in ihrer Nonfood-Abteilung Haarschnitte im Sonderangebot zum Do-it-yourself-Preis. In das Geschäft meines Vaters kam fast keiner mehr, und er war total froh, als er hier in Sehnde den Laden von Frisör Krummschnitt übernehmen konnte. Der Herr Krummschnitt ist jetzt im Ruhestand und wohnt in Reburg-Loccum." Manni erklärte uns auch, warum er ständig eine neue Frisur hatte: "Mein Vater probiert seine neuesten Haarkreationen immer an mir aus. Geht manchmal total in die Hose, so'ne neue Frisur. Da braucht er eben ein Versuchskaninchen. Dafür bekomme ich ziemlich viel Taschengeld - Schmerzensgeld sozusagen. Oder Schweigegeld. Wie auch immer."

Also, wie gesagt, ich fand Manni Fest ziemlich nett. Obwohl er mich bisher gar nicht richtig beachtet hatte. In der Pause sprach mich Bo Friesenkuß mal an: "Sag' mal, Claudi, wie findest du denn den Neuen?" Oh, das wir mir richtig peinlich. Bo ist schließlich mein bester Freund, und wenn ich ihm jetzt gesagt hätte, dass ich Manni Fest gut finde, wäre er bestimmt eifersüchtig und sauer gewesen. "Welchen Neuen?" fragte ich Bo erstmal zurück, um etwas Zeit zu gewinnen. Bo guckte etwas säuerlich: "Ich meine DEEEN Neuen." Ich tat ganz gelassen: "Ach, DEEEN Neuen. Du meinst Manni Fest. Na ja - nicht übel." Bo kräuselte die Stirn: "Wie? Nicht übel?" Oh, das war offenbar schon zu viel des Guten. Ich sagte verlegen: "Ein bisschen albern natürlich. Total unreif. Und diese Schmalzlocken! Der ist nur was für KLEINE Mädchen." Die Antwort schien Bo besser zu gefallen. Er lächelte: "Na, dann ..." Puh, gerade nochmal die Kurve gekriegt.

Dann aber passierte es. Früh morgens um zehn vor acht begegneten wir uns allein auf dem Schulkorridor: Manni und ich. Mein Herz schlug plötzlich irgendwie höher als sonst. Manni sprach mich an - mich, die kleine Claudia Flunkert: "Hallo. Du heißt Claudia, stimmt's?" Jetzt war ich aber richtig verlegen und antwortete: "Ja! Ja, richtig! Ich glaub' schon." Er setzte nach und fragte: "Sag mal, Claudia, interessierst du dich eigentlich für Briefmarken?" Die Frage überraschte mich etwas, aber ich sagte aufgeregt: "Oh ja, sehr sogar!" Das war, ehrlich gesagt, etwas übertrieben. Briefmarken interessieren mich nur dann, wenn ich eine brauche, um sie auf einen Briefumschlag zu kleben. Aber Manni freute sich über meine Begeisterung: "Cool! Komm doch mal zu mir nach Hause. Dann zeige ich dir meine große Briefmarkensammlung. Wie wär's heute Nachmittag um halb fünf? Ich wohne im Mauritiusweg 12." - "Oh ja, perfekt!", stammelte ich total nervös. Der große Manni... also, Manni hatte MICH zu sich nach Hause eingeladen. Manni sagte noch. "Bitte sei pünktlich. Du weißt doch - Time is Manni." Als er wegging, sang er fröhlich vor sich hin: "Manni makes the world go round, the world go round, the world go round ..." Ich war wie erstarrt!! Ich fühlte mich unheimlich geehrt!!!

Nun hatte ich allerdings ein Problem. Ein großes Problem. Dieses Problem hatte zwölf Buchstaben: Bo Friesenkuß. Okay, wenn man den Nachnamen weglässt, sind es nur zwei Buchstaben: Bo. Der durfte auf keinen Fall erfahren, dass ich Manni Fest zu Hause besuchen würde. Deswegen durfte ich es überhaupt niemandem erzählen, denn wer weiß, ob es von denen nicht jemand an Bo weitertratschen würde. Aber was noch schlimmer war: An diesem Nachmittag hatte ich eigentlich schon eine Verabredung mit Bo. Ich musste Bo absagen. Und das musste ich natürlich ganz behutsam und vorsichtig tun, so dass ich ihm nicht weh tun würde - und außerdem so, dass er keinen Verdacht schöpfen würde. Ich sprach Bo an: "Du, Bo, eigentlich wollten wir uns ja heute um drei in der Stadtbibliothek treffen, um Rock'n Roll-Tanz zu üben. Ich fürchte, das müssen wir auf ein anderes Mal verschieben." Bo war enttäuscht: "Och. Wieso denn?" Mit dieser Frage hätte ich eigentlich rechnen müssen. Ich erfand schnell eine Ausrede: "Äh, ja, weißt du, ich muss zum Facharzt. Haarwurzelbehandlung, weißt du?" Bo war wirklich total enttäuscht, aber auch sehr verständnisvoll: "Tja. Da kann man wohl nichts machen. Schade irgendwie. Dann werde ich heute Nachmittag irgendwas Anderes machen müssen." Oh, ich hasste es, ihn so anflunkern zu müssen.

In der großen Pause konnte ich dann doch nicht ganz dichthalten. Ich fragte meine Klassenkameradinnen Isabelle Karamell, Andrea Niedermacher und Anastasia Dreckmeier: "Sagt mal, ist es euch schon mal passiert, dass euch ein Junge eingeladen hat, um euch seine Briefmarkensammlung zu zeigen?" Alle drei grinsten, als hätten sie die große Ahnung, und Anastasia meinte: "Ahaaa, so weit ist es also schon!" - "Wie - so weit ist es schon?" fragte ich verwundert. Andrea erklärte mir neunmalklug: "Nun ja - wenn dich ein Junge einlädt, um dir seine Briefmarkensammlung zu zeigen, will er dir alles Mögliche zeigen, aber bestimmt keine Briefmarken. Das ist nur so ein falscher Vorwand. Der will schmusen oder sonst irgendwas." Ich war verwirrt, aber auch ziemlich aufgeregt. "Ich frage ja nur so, ohne irgendeinen Grund", sagte ich zu den dreien. "Ja ja", sagten alle drei im Chor. Ich hatte es mir fast gedacht! Sogar ein bisschen gehofft! Manni interessierte sich nur für mich und nicht für irgendwelche Briefmarken!

Den ganzen Tag über war ich aufgeregt. Nachmittags natürlich um so mehr. Auf keinen Fall durfte mich jemand sehen, wie ich zum Manni Fest gehen würde, wegen Bo - ihr wisst schon. Deswegen hatte ich einen verwegenen Plan: Ich würde mich für den Weg von unserem Haus zu Mannis Haus verkleiden. In einer alten Truhe auf dem Speicher fand ich den großen Hut, den mein großer Bruder Simon mal aus Australien mitgebracht hatte, außerdem eine Sonnenbrille (mit zerkratzten Gläsern) und einen falschen schwarzen Vollbart. Genial! In dieser Verkleidung würde mich niemand erkennen!

Damit verkleidete ich mich also und machte mich auf den Weg. Auf leisen Sohlen schlich ich mich aus der Haustür. Jetzt aber zack zack ganz schnell in den Mauritiusweg gerannt. Mit den zerkratzten Brillengläsern konnte ich übrigens nur ganz schlecht gucken. Leider war das Wetter ziemlich gut, und daher waren viele Leute unterwegs.
Leider auch Sophie Liebevoll aus Simons Klasse, die mir in der Peiner Straße begegnete. Ich hoffte, sie würde mich nicht erkennen. Vergeblich! Sie quatschte mich an: "Nanu, Claudia! Willst du zum Karneval? Jetzt - im August?" Ich suchte fix nach einer Antwort: "Ja, genau. Und ich finde, du solltest unseren Glauben respektieren." - "Schon gut, schon gut. Ich wollte dir nicht zu nahe treten", reagierte sie eingeschüchtert.
Ich rannte weiter. Um mich etwas zu beruhigen, summte ich ein altes Lied von Abba: "Manni, Manni, Manni". Bis zum Brahmsweg. Ach du Schreck: Sirpa Hundelainen, Simons beste Freundin seit der 1. Klasse! Was macht die denn hier? Ach richtig, die wohnt ja hier! Hoffentlich hat sie mich nicht erkannt! Vorsichtshalber machte ich einen kleinen Umweg. Eigentlich wären es von dort nur noch hundert Meter bis zum Haus von den Fests gewesen, aber durch meinen kleinen Umweg wurden es anderthalb Kilometer oder so.

Dann stand ich abgehetzt vor der Haustür von Manni. Mein Herz klopfte! Apropos klopfen - ich wollte klingeln. Ach so - ich musste erst meine Verkleidung beseitigen. Die Brille steckte ich in die Hosentasche, den Hut setzte ich einem Gartenzwerg auf ("Pass gut darauf auf, Kleiner!"), und den falschen Vollbart zertrat ich hastig im Rinnstein - blöde Idee, ich weiß. Dann klingelte ich. Ich hörte, wie Manni zur Tür kam, um mir zu öffnen. Er sang nämlich gerade ein Lied von Meatloaf: "I want my Manni back".

Er machte mir auf und freute sich: "Claudia! Schön dass du doch noch gekommen bist. Komm rein! Nanu, was klebt denn da an deinem Turnschuh?" Oh Mist - der falsche Bart lag doch nicht im Rinnstein! War wirklich 'ne blöde Idee gewesen. Manni meinte: "Na, macht nichts, du kannst dir die Treter ja ausziehen." Das machte ich dann auch. Manni nahm mich mit zu seinem Zimmer, und als wir vor der Tür zu seinem Zimmer standen, erklärte er mir: "Ich habe übrigens noch einen Gast. Der interessiert sich auch für Briefmarken. Ich glaube, ich brauche euch einander nicht vorzustellen." Manni machte die Tür auf. Ich erkannte den Gast in der Tat! Ach du Sch... ...reck! Es war Bo! Bo Friesenkuß! Mein Bo Friesenkuß! "Claudia!" sagte er völlig überrascht. "Oh! Bo!", sagte ich genauso überrascht.

Und das waren die letzten Worte, die Bo und ich an diesem Nachmittag miteinander wechselten. Manni Fest redete dafür um so mehr. Und er zeigte uns seine Briefmarken aus Zimbabwe, seine Sondermarken aus Surinam, die Briefmarkenserie züm dreißischsten Johrestog der Deutschen Dämökrat'schen Räbbüblik, und so weiter und so weiter. Er war ganz begeistert, aber er wunderte sich sicher darüber, dass Bo und ich so schweigsam waren. Mir selbst war das alles so peinlich, dass ich auf dem Heimweg sogar meinen Hut vergaß.

Nicht nur den Hut. Am nächsten Morgen in der Schule gab mir Manni Fest eine Tüte: "Hier Claudia! Deine Schuhe. Die hast du bei uns im Flur vergessen. Hast du gar nicht gemerkt, dass du auf Strümpfen nach Hause gegangen bist?" Bo Friesenkuß dagegen hat überhaupt nicht mit mir gesprochen. Und zu Hause hat mich Simon angemacht: "Sophie und Sirpa haben mir erzählt, dass du gestern in einer völlig verrückten Verkleidung durch Sehnde gerannt bist. Sag mal, bist du wirklich wahnsinnig geblieben?"

Oh, eines sage ich den Mädchen unter euch : Seid ja vorsichtig, wenn euch ein Junge seine Briefmarkensammlung zeigen will! Möglicherweise will er das nämlich wirklich!

Eure Claudia Flunkert

Schickt mir doch mal 'ne Mail!


Klickt hier oder auf das Bild, wenn ihr zum Inhaltsverzeichnis zurückwollt.
Click this or the picture to get back to the contents page.

Aber klickt hier, wenn ihr zur Hauptseite zurückwollt.
And click this to get back to the main page. 1