Go to the contents page
Zum Inhaltsverzeichnis

Simon und die Girls aus Bayern


Daniel Roy, Bruehl, Deutschland
Malcolm McGookin, Asterisk, Brisbane (Queensland), Australien
Ki.Ka, Erfurt, Deutschland

Hi, Mitkids!

Wie einige von euch wissen, bin ich ja schon seit einiger Zeit Mitglied einer Theatergruppe in Hannover. Mit diesem Theater war ich im letzten Jahr sogar auf Tournee in Australien.

Ich spiele nach wie vor gerne Theater, allerdings nicht mehr so viel wie damals. Aber ich bin immer noch Mitglied in der Theatergruppe, und manchmal muss ich Aufgaben übernehmen, die mit dem Schauspielen gar nicht so viel zu tun haben.

Kürzlich wurde ich gefragt, ob ich für einige Zeit zwei Mädchen betreuen könnte, die anreisen würden, um für ein Stück an diesem Theater vorzusprechen. Ich war sofort einverstanden und schlug vor, dass die beiden für die Dauer ihres Aufenthaltes bei uns im Gästezimmer wohnen könnten. Meine Eltern stimmten begeistert zu: "Na ja, okay."

Ich war überrascht, als ich hörte, dass die beiden Mädchen aus dem Ausland kamen: Aus Bayern. (Ja, für uns Norddeutsche ist das schon Ausland.) Um den beiden entgegenzukommen, wollte ich sie am Hauptbahnhof Hannover abholen. Als ich auf dem Bahnsteig stand und der ICE "Stammelstäuber" aus München bereits einfuhr, fiel mir auf, dass ich gar nicht wusste, wie die beiden aussahen, und wir hatten auch kein Erkennungszeichen ausgemacht. Das war dann aber auch gar nicht nötig. Ich erkannte die beiden sofort, als sie aus dem Zug stiegen: Sie trugen bayrische Tracht. So richtige Dirndl-Kleider und Hüte mit Gamsbart und Bergsteigerstiefel hatten sie an - und das in aller Öffentlichkeit! Mit äußerster Diskretion sprach ich sie an: "Psst. Mein Name ist Simon Flunkert. Seid ihr die Evi Bierpichler und die Josefa Hackelschorsch aus Hinterobervorderuntertupfing?" Ich hatte echt Angst, dass mich mit den beiden Gestalten jemand beobachten könnte. Diejenige von den beiden, die noch weiter rechts stand als die andere, antwortete strahlend: "Jo mei, i bin dera Hackelschorsch Josefa, urba dös da is die Bierpichler Evi, un i woaß nimmer ob mer habba habba sutt sutt ebba hubba satt satt." Äääääh ja. Außer den Namen und "satt satt" hatte ich nicht viel verstanden. "Hattet ihr eine gute Reise?" fragte ich die beiden, um irgendetwas zu fragen. Diesmal antwortete Evi: "Jo, mei Liaba, a pfundigs Ziagal uff der griana Wiasa mit oana Umtata umtata umtata, woaßt?" Ich verstand nach wie vor noch nicht einmal Bahnhof. Ich verstand eigentlich nichts von dem, was die beiden sagten.

Okay, aber ich tat so, als wäre bei mir alles in Ordnung. Ich erklärte den beiden: "Wir müssen jetzt noch den Regionalexpress nach Sehnde nehmen." Evi erwiderte: "Jo mei, pfundig, woaßt, dera hob i nimma g'ßehn woal i unter dera Hammer bin kimma scho long hing'müssa." Ich wusste, dass ich niemals erfahren würde, was sie mir damit sagen wollte, aber egal. Zu dritt bestiegen wir den Zug nach Hildesheim, der auch in Sehnde halten würde. Um unterwegs etwas Konversation zu machen ... also um etwas zu sagen ... erklärte ich den beiden: "Wenn ihr aus dem Fenster schaut, werdet ihr feststellen, dass hier alles flach ist. Im Gegensatz zu Bayern gibt es hier keine Berge, die einem die Aussicht auf die schöne Landschaft versperren." Die beiden hatten meinen Witz verstanden, lachten, und Josefa meinte: "Jodel di dudel di dudel di hö, di höllerö di höllerö ois plott plott plott." Was? Oh, war mir das peinlich! Zwar verstanden die beiden mich problemlos - aber ich verstand die beiden überhaupt nicht.

In Sehnde stiegen wir aus und ich ging mit den beiden zu Fuß zu unserem Haus. Wir traten ein, und meine kleine Schwester Claudia begrüßte unsere Gäste: "Hallo, ihr zwei beiden! Herzlich willkommen bei den Flunkerts! Fühlt euch wie zu Hause!" Nachdem Evi und Josefa ein Begrüßungslied gejodelt hatten, drehte sich Josefa zu mir und fragte mich: "Hobts a a Schoaßhoiserl?" Hä? Ich druckste etwas herum: "Äh ... tja ... nun... " Josefa fragte eindringlich ein zweites Mal: "Hobts a a Schoaßhoiserl?" Was meinte sie nur? Aber zu meiner Verwunderung schaute mich meine kleine Schwester vorwurfsvoll an und sagte dann freundlich zu Josefa: "Aber klar doch, Josefa. Zur Toilette gehst du hier den Gang entlang und nimmst dann die letzte Tür rechts." - "Donk di fei!" sagte Josefa und verschwand in Richtung Toilette.

Dann kamen auch meine Eltern nach Hause. Mama kochte speziell für unsere Gäste Spaghetti mit Tomatensoße und erklärte ihnen, dass das ein niedersächsisches Nationalgericht sei. Zu sechst aßen wir zu Abend, und wir hatten viel Spaß zusammen. Evi fragte zum Beispiel: "Hamma sechsa is dera Kua hinüber?", und Papa antwortete ihr: "Nein, hier bei uns in Sehnde gab es keine BSE-Fälle." Und als sich Josefa schallend lachend freute: "Jo hu hu dera depperter Depp jodel holdrio!", musste auch Mama mitlachen: "Ja, hier in Norddeutschland haben wir auch sehr herzlich darüber gelacht." Es war für mich niederschmetternd! Meine Eltern und meine Schwester hatten überhaupt keine Mühe, das Megabayrisch unserer Gäste zu verstehen. Als Evi und Josefa zu Bett gegangen waren, fragte ich die drei: "Familie! Wie kann das sein? Ich verstehe kein Wort von dem, was die beiden bayrischen Mädchen sagen. Wieso habt IHR keine Probleme damit?" Sie sahen mich verständnislos an. Claudia ackelte mit den Zucksen ...äh ... zuckte mit den Achseln und meinte: "Ich weiß nicht, was du hast. Die beiden sprechen klar und deutlich." Mama pflichtete ihr bei: "Sicher, die beiden haben einen leichten bayrischen Akzent, aber man sie doch gut verstehen." Und Papa erzählte: "Ich habe als Kind mal in Bayern die Pfingstferien verbracht. Da habe ich vielleicht etwas Bayrisch aufgeschnappt." Ich ging ziemlich frustriert schlafen.

Am nächsten Tag führte ich Evi und Josefa ein bisschen in Sehnde herum und stellte sie einigen Freunden vor. Ich verstand die beiden noch immer überhaupt nicht. Aber ich schien tatsächlich der einzige zu sein. Als zum Beispiel meine Sirpa ... also, meine Klassenkameradin Sirpa Hundelainen von Evi gefragt wurde: "Wie host dera Ruderei oaba mei Liaba?", antwortete Sirpa ganz selbstverständlich: "Oh ja, schon acht Jahre" - woraufhin Evi mich anguckte und kicherte. Und als Josefa zu meinem Klassenkameraden Axel Schweiß sagte: "Dera FC Bayern homma samma zünftig oan roan gfanga", stimmte er ihr zu: "Ja, stimmt schon, ich glaube, dass Leverkusen, Dortmund und Schalke dieses Jahr wirklich stärker sind." Ach, es war schlimm. Obwohl ich Evi und Josefa durchaus mochte, schien ich der einzige zu sein, der die beiden nicht verstehen konnte.

Dann kam der Tag des Vorsprechens. Ich fuhr mit Evi und Josefa mit dem Bus nach Hannover-Kleefeld, wo sich unser Theater befand. Unterwegs waren die beiden sehr aufgeregt. Jedenfalls konnte ich ihnen das ansehen. Verstehen konnte ich sie ja nicht. Evi zum Beispiel stammelte die ganze Zeit nervös: "O mei Liaba wenn i dera de depperten gschissana net kriagn ko derfa kimmi ins Fegefeuer." - "Ja, ja. Es wird nichts so heiß gegessen, wie's gekocht wird", versuchte ich sie etwas zu beruhigen.

Als wir das Theater erreichten, erwartete uns schon unser Regisseur Steven Playmountain, und ich stellte ihm die beiden Mädchen vor: "Das hier ist die Bierpichler Evi, und das da ist die Hacklschorsch Josefa." Steven zeigte ihnen erst einmal das Theater und sagte dann: "So, ihr braucht euch gar nicht erst umzuziehen. Da ist die Bühne, ihr könnt gleich loslegen. Wir hatten ja vereinbart, dass Evi die Paulina und die Josefa die Hermione spielt."

Hochkonzentriert betraten die beiden die Bühne, und Evi sprach mit Hingabe und in akzentfreiem Englisch: "Tell her, Emilia, I'll use that tongue I have. If wit flow from't as boldness from my bosom, let't not be doubted I shall do good ..." Und Josefa spielte nicht schlechter: "What? Have I said twice well? When was't before? I prithee tell me, Cram's with praise, and make's as fat as tame things ..." Zwischendurch fragte ich unsere Managerin, die Frau Meier-Meyer: "Was ist denn das eigentlich für'n Stück?" Sie antwortete: "The Winter's Tale, also Das Wintermärchen von William Shakespeare. Evi und Josefa bewerben sich um die Rollen der Königsgattinnen. Und wenn ich mich nicht irre, werden sie die auch bekommen." Das stimmte. Denn auch der Regisseur war äußerst zufrieden: "Ganz wunderbar, ihr zwei! Ihr habt die Rollen! Wenn alles gut geht, tourt ihr dann mit uns im Sommer durch Kanada."

Während ich zugehört hatte, war mir eine Idee gekommen. Ich ging zu Evi und Josefa und sagte auf Englisch: "Congratulations, girls. By the way, I didn't know the two of you spoke English so well." Also auf Deutsch: "Glückwunsch, Mädchen. Übrigens, ich wusste gar nicht, dass ihr beiden so gut Englisch sprecht." Sie strahlten. Evi antwortete auf Englisch: "Of course we do." ("Natürlich tun wir das.") Josefa erklärte: "English is our favourite language, you know." ("Englisch ist unsere Lieblingssprache, weißt du?") Das war meine Chance. Ich bot den beiden an: "If you don't mind, I suggest we speak English for the rest of your stay. It'll be fun." ("Wenn es euch nichts ausmacht, schlage ich vor, dass wir für den Rest eures Aufenthaltes Englisch sprechen. Das wird Spaß machen.") Die beiden waren begeistert.

Und so kam es, dass ich mit den zwei Mädchen aus Bayern keine Verständigungsprobleme mehr hatte. Ich sprach mit ihnen ganz einfach nur noch Englisch.

So let me wish you all the best!

Yours,

Simon Flunkert


Klickt hier oder auf das Bild, wenn ihr zum Inhaltsverzeichnis zurückwollt.
Click this or the picture to get back to the contents page.

Aber klickt hier, wenn ihr zur Hauptseite zurückwollt.
And click this to get back to the main page. 1