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Die Flunkerts und die Sache mit dem Säugling

Onkel MAD wird Vater und ist natürlich ganz schön aufgeregt. Er weiß zwar nicht, ob es ein Mädchen oder ein Junge wird (das Kind soll ja ohnehin Kim heißen), aber sonst ist alles vorbereitet. Als er am Heiligen Abend zu seiner Frau Irmchen ins Krankenhaus fährt (Claudia und Simon begleiten ihn dabei), erleben er sowie die beiden Papas aus Afrika und aus der Schweiz ein echtes Abenteuer.

Uncle MAD is gonna have a baby very soon, and he is absolutely excited. He doesn't know whether it will be a girl or a baby (the baby will be named Kim anyway), but everything else is prepared. When he arrives at the hospital to see his wife Irmgard on Christmas Eve (Claudia and Simon Flunkert are in his company), he and the two daddies from Africa and Switzerland are in for some adventure.


Daniel Roy, Bruehl, Deutschland
Malcolm McGookin, Asterisk, Brisbane (Queensland), Australien
Ki.Ka, Erfurt, Deutschland

Hallo, Rübennasen!

Ich bin's, Claudia Flunkert, mit einer Geschichte, die sich am letzten Heiligen Abend abgespielt hat. Aber keine Sorge, es ist nämlich KEINE verspätete Weihnachtsgeschichte.

In dieser Geschichte geht es um Onkel MAD, Papas jüngeren Cousin, der auch hier in Sehnde lebt. Onkel MAD heißt natürlich nicht wirklich MAD, sondern eigentlich Ulf Kistenfrosch. Weil er aber immer so verrückte Ideen hat, wird er seit der Schulzeit von allen MAD genannt. Sogar von seiner Frau Irmgard.

Einige von euch werden Onkel MAD sogar schon kennen. Mein Bruder Simon hat nämlich mal von ihm erzählt: Onkel MAD war mit uns beiden in die Stadt Brühl gefahren, um das Geburtshaus von Steffi Graf zu besichtigen. Als wir dann in Brühl waren, fanden wir heraus, dass Steffi Graf in Brühl BEI HEIDELBERG geboren ist - wir waren aber blöderweise in Brühl BEI KÖLN. Dumm gelaufen, 'ne?

Im Februar hat Onkel MAD dann seine Irmgard geheiratet ("Irmchen", wie er selbst sie immer nennt). Und es dauerte nach der Hochzeit gar nicht lange, da wurde Irmgard auch schon schwanger. Und darum geht es in dieser Geschichte:

Es war also fast Weihnachten, und Tante Irmgard lag bereits im Krankenhaus, da nun bald das Baby zur Welt kommen sollte. Wie lange es noch dauern würde, wusste keiner, aber allzu lange würde es nicht mehr sein. Am Heiligen Abend morgens um neun klingelte es an unserer Wohnungstür: Es war Onkel MAD: "Hallo, Flunkerts, wie geht's euch?" Noch ehe einer von uns antworten konnte, schoss er los: "Ich fahre jetzt gleich zu Irmchen und ihren dicken Bauch ins Krankenhaus. Sehr gut möglich, dass das Kind heute kommt. Hat jemand von euch Lust mitzufahren?" Ja, das hatten wir. Also, genauer gesagt, unsere Eltern hatten noch zu tun, aber Simon und ich wollten mit. Mama und Papa waren einverstanden, dass wir mit Onkel MAD mitfahren würden, aber Papa sagte noch: "Seid pünktlich zur Bescherung zurück, Kinder, sonst gibt's dieses Jahr nichts zu Weihnachten!" Diese Drohung nahmen wir sehr ernst.

Als wir vor die Haustür traten, machten Simon und ich erst einmal einen dreifachen Rittberger und legten uns dann auf die Straße. "Entschuldigt bitte", sagte Onkel MAD kleinlaut, "aber wegen dem Baby bin ich so aufgeregt, dass ich vergessen habe, euch vor diesem tierischen Glatteis zu warnen. Ihr müsst heute ganz vorsichtig gehen. Na ja, was soll's? Wir fahren ja eh ins Krankenhaus." Na toll!

Im Auto meinte Onkel MAD dann: "Ehe wir ins Krankenhaus fahren, muss ich noch ein bisschen einkaufen. Sonst habe ich Weihnachten nichts zu essen." Ganz vorsichtig fuhren wir zum Schnaldi, einem der Supermärkte in Sehnde. Dort schnappten wir uns einen Einkaufswagen und los ging's. Onkel MAD war wirklich sehr nervös, denn er sagte: "So, was brauche ich denn eigentlich? Spaghetti mit Erdbeersoße für heute, morgen will ich filetierten Spinat essen und am 2. Weihnachtstag Bratkartoffeln mit Kartoffelbrei." Wir passten aber auf, dass er letztlich doch vernünftige Sachen kaufte. Apropos: Mein Bruder Simon kaufte sich bei dieser Gelegenheit ein Glas Nuss-Nugat-Creme und eine Schachtel Peperoni. Er liebt nämlich Toastbrot garniert mit Nuss-Nugat-Creme und scharfen Peperoni oben drauf. Beknackt, ne?

Während des Einkaufs schwelgte Onkel in Erinnerungen: "Ach ja. Bald werde ich schon vierzig, und ich habe mein gesamtes Leben hier in Sehnde verbracht - wenn man von der Geburt und allen anderen Zeiten, zu denen ich nicht hier war, mal absieht. Ich kenne hier fast jeden." In diesem Augenblick verabschiedeten sich zwei andere Kunden, eine Frau und ein Mann, die sich unterhalten hatten, voneinander: "Mach's gut, Martin, und frohe Weihnachten!" - "Ja, tschüß, Christine, und feiere schön!" Onkel MAD meinte wichtig: "Seht ihr? Das zum Beispiel waren Martin und Christine." Sehr pfiffig!

Die Kassiererin war wie immer sehr freundlich ("Habt ihr auch nichts mitgehen lassen, Gesindel? Macht mal eure Hosentaschen leer!"), und als wir dabei waren, die Lebensmittel in den Kofferraum des Wagens zu räumen, tutete es. Onkel MAD nahm seine Pudelmütze ab und fischte sein Handy daraus. "Kistenfrosch - ja - oha - bin schon unterwegs. Bis gleich!" Er sagte uns eilig: "Das war das Krankenhaus. Das Baby kommt gleich. Wir müssen uns beeilen."

Wir fuhren in Richtung Krankenhaus, und Onkel MAD ging es natürlich zu langsam: "Warum muss auch ausgerechnet heute Glatteis sein? In Australien gibt es am Heiligen Abend auch kein Glatteis." - "Stimmt!", meinte Simon. Simon war schon mal in Australien, und immer, wenn er irgendetwas über Australien hört, wacht er auf. Damit er nicht wieder anfing, von Schnabeltieren, Kängurus und Eukalyptusbäumen zu labern, fragte ich Onkel MAD: "Sag mal, Onkel, wird das Baby eigentlich ein Mädchen oder ein Junge? Das habt ihr uns komischerweise nie erzählt." Onkel MAD freute sich: "Das wissen wir selbst nicht. Natürlich hätten es uns die Ärzte nach dem Megaschall - oder wie diese Untersuchung heißt - sagen können, aber wir wollten uns die Spannung erhalten, Irmchen und ich." Und er erklärte: "Mädchen oder Junge, ich finde sowieso beides prima. Außerdem wollen wir das Kind Kim nennen, und Kim ist sowohl ein Mädchen- als auch ein Jungenname. Praktisch, ne? Und klingt außerdem großartig: Kim Kistenfrosch! Wunderschön, nicht wahr?" Simon und ich, wir schwiegen.

Auf der weiteren Fahrt erzählte uns Onkel MAD noch: "Irmchen und ich sind übrigens nicht die einzigen Sehnder, die an diesen Weihnachten ein Kind bekommen. Der Nalumino Katungu und seine Frau Nandy bekommen auch eines. Ihr wisst schon, das nette Ehepaar aus dem afrikanischen Land Ghana. Das wird bestimmt ein wunderschönes schwarzes Baby. Na ja, und außerdem bekommt auch noch die Frau von diesem ekligen Schweizer ein Kind - Lächerli oder wie die heißen." Ja, die kannten wir alle. Der Herr Katungu arbeitet an einer Musikschule als Lehrer für Schlaginstrumente, und seine Frau ist Politesse. Die beiden sind wirklich sehr nett. Die Lächerlis, die aus der Schweiz hierhergezogen sind, kannte ich auch: Beat Lächerli ist in meiner Klasse und ist so ziemlich der größte Kackfrosch, den ich kenne. Sein Vater hat hier vor ein paar Jahren eine gutgehende Firma übernommen, die er inzwischen heruntergewirtschaftet hat. Man sagt, er sei noch unsympathischer und unfähiger als sein Sohn Beat, und wir reden hier von sehr harter Konkurrenz.

Am Krankenhaus angekommen, stellte Onkel MAD seinen Wagen auf dem Parkplatz ab, und dann krochen wir auf allen Vieren ins Krankenhausgebäude - es war, wie gesagt, unglaublich glatt. Dann hasteten wir zum Warteraum der Entbindungsstation - und dort gingen bereits die Herren Katungu und Lächerli nervös auf und ab. Der Herr Katungu begrüßte uns und erklärte aufgeregt: "MAD, MAD - stell dir vor: Alle drei Babys kommen gleichzeitig. Die Ärzte und Hebammen haben so viel mit den dreien zu tun, dass sie uns Väter nicht hineinlassen." - "Ach!", meinte Onkel MAD erstaunt. Der Herr Lächerli beschwerte sich: "Ichch bin Ulrichch F. Lächcherli, ichch bin Unternehmer aus der Schweiz, und das ist ein Skchandal, od'rrr? In d'rrr Schweiz wär' das nichcht möglichch, od'rrr? Aber in Düütschland ist man ja einigches gchewohnt, od'rrr? Ichch habe ein Rächcht darauf, bei meiner Frau zu sein, od'rrr?" Das "au" in "Frau" sprach er übrigens so aus wie damals die Frau aus Sachsen das "au" im Wort "Maschendrahtzaun".

Die Minuten vergingen, und sie kamen den werdenden Vätern vor wie Stunden. Herr Katungu meinte: "Ich bin total aufgeregt. Meine Frau und ich haben zwar schon zwei Kinder, aber das ist unser erstes Kind, das in Deutschland geboren wird." - "Herzlichches Beileid, od'rrr?", flapste der Herr Lächerli, aber das überhörten wir. "Was soll ich denn sagen?" fragte Onkel MAD. "Schließlich ist das mein erstes Kind überhaupt. Ich bin völlig fertig mit den Nerven, und trotzdem freue ich mich so!" Der Herr Lächerli freute sich natürlich nicht: "Ichch bin immer noch Ulrichch F. Lächcherli, ichch bin immer noch Unternehmer aus der Schweiz, und das isch immer noch ein Skchandal, od'rrr? Diese deutschen Ärzte sind wirklichch zu nichchts zu gebrauchen, od'rrr? Genauso unfähigch wie meine deutschen Arbeiter, od'rrr? Ichch hätte ein Ärzteteam aus der Schweiz einfliegen lassen sollen, od'rrr? Das hätte ichch mir zwar nichcht leischten kchönnen, oder, aber dann hätte ichch halt noch einen Kchredit aufgenommen, od'rrr?"

Dann trat plötzlich eine Hebamme ins Zimmer und meinte zu den dreien: "Wir haben für Sie eine gute Nachricht, aber wir haben auch ein Problem, das zu lösen Sie uns bitte helfen müssen." Alle hielten den Atem an. Die Hebamme erklärte: "Jeder von Ihnen hat jeweils ein gesundes Baby bekommen. Die drei sind quietschfidel." - "Und wo ist das Problem?" wollte Onkel MAD ungeduldig wissen. Die Hebamme sagte verlegen: "Nun ja. Heute war so viel los, dass wir die Neugeborenen durcheinandergewirbelt haben. Wir wissen nicht mehr, welches Baby zu welchem Elternpaar gehört. Sie drei sind gebeten, Ihr jeweiliges Kind zu identifizieren."

Na, das war ja was! Die drei Väter folgten der Hebamme. Onkel MAD und Herr Katungu folgten wortlos, nur der Herr Lächerli schimpfte natürlich wie ein Rohrspatz: "Ichch bin nach wie vor Ulrichch F. Lächcherli, ichch bin noch immer Unternehmer aus der Schweiz, und das isch jetzt wirklichch ein Skchandal, od'rrr?"

Simon und ich nutzten die allgemeine Aufregung, um uns verbotenerweise mit in den Raum zu schleichen, in dem die drei Babys waren. Es waren - wie zu erwarten - 2 Babys mit heller und 1 Baby mit dunkler Hautfarbe, denn die Katungus waren ja echte Schwarzafrikaner. Wir waren kaum dort angekommen, schon rief Onkel MAD: "Oooooh!" und stürzte auf eines der drei Babys zu, nahm es in den Arm und knutschte es. Und das war ausgerechnet das SCHWARZE Baby! Onkel MAD rief: "Das süße schwarze Baby hier! Den süßen kleinen schwarzen Jungen! Den nehme ICH!" Der Herr Katungu war natürlich völlig überrascht, und er schimpfte empört: "MAD! Bist du verrückt?! Bist du wahnsinnig?! Bist du ballaballa?! Das ist doch wohl sonnenklar, dass das schwarze Baby da von mir ist! Mein kleiner Kalaluka!" Onkel MAD drehte sich zu ihm um und erklärte: "Ja, das ist mir schon klar, dass dieses Baby von dir ist, Nalumino. Aber wenn ich DEIN Baby nehme, gehe ich wenigstens sicher, dass ich nicht das Baby von diesem widerlichen Schweizer da bekomme!"

So war das also. Onkel MAD war so aufgeregt, dass er jetzt richtig durchgeknallt war. Dann klärte sich die Sache aber auf. Die Ärzte, die die Kinder entbunden hatten, waren sich nämlich ziemlich sicher, dass die Frau Lächerli einen Jungen geworfen hatte und dass das Kind von Onkel MAD und Tante Irmgard ein Mädchen war. Das hieß, jeder hatte jetzt sein richtiges Kind: Herr Katungu knuddelte seinen Kalaluka. Der Herr Lächerli nahm seinen Sohn Ürli auf den Arm und sagte: "Mein Sohn! Mein Stammhalt'rrr! Meine Altersvorsorge!" Und Onkel MAD schmuste mit seiner Tochter Kim: "Da bist du also! Kim Kistenfrosch! Herzlich wilkommen auf diesem Planeten, Fräulein Kistenfrosch!"

Dann gab es fast noch eine Auseinandersetzung. Onkel MAD wollte sein Irmchen und sein "Kimchen" nämlich am liebsten gleich für Weihnachten mit nach Hause nehmen. Das erlaubten die Ärzte natürlich noch nicht. Statt dessen fuhr Onkel MAD erst einmal Simon und mich nach Hause, wünschte uns "Frohe Ostern!" (er war nach wie vor sehr aufgeregt) und fuhr dann zu sich nach Hause, lud den geschmückten Tannenbaum in sein Auto und fuhr damit zurück ins Krankenhaus.

Nachgeburtliche Grüße also

Eure CLAUDIA FLUNKERT

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