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Claudias Arbeitstag

Je älter Claudia wird, desto mehr Kohle braucht sie. Und deswegen kommt sie nicht länger um das böse Wort herum: Arbeit! Gemeinsam mit Belinda Blasenfuß macht sie für das Meinungsforschungsinstitut Nörgel-Mogelburg von Ernst Lustig eine Umfrage in der Innenstadt von Lehrte. Und da taucht plötzlich diese komische Frau mit dem Kind auf.

The older Claudia gets, the more money she needs. And as she needs more and more money, she can't deny it any more: She needs work! So she joins Belinda Blisterfoot interviewing people for an opinion-manipulating institute. And then this strange woman with the boy turns up.


Daniel Roy, Bruehl, Deutschland / Germany
Malcolm McGookin, Asterisk, Brisbane (Queensland), Australia / Australien
Ki.Ka, Erfurt, Deutschland / Germany

Hallo, Rübennäschen!

Hier ist wieder Claudia Flunkert mit ihrem neuesten Abenteuer. Eigentlich wäre ja mein Bruder Simon wieder mit Erzählen an der Reihe, aber da bei ihm in letzter Zeit mal wieder überhaupt nichts passiert ist, übernehme ich seine "Schicht". Außerdem brauche ich das Geld.

Und da wären wir auch schon beim Thema: Geld. Wie ihr vielleicht wisst, bin ich nun fast dreizehn Jahre alt, also so gut wie erwachsen. Und wie ein Erwachsener möchte ich auch bezahlt werden. Will sagen: Ich brauche also eigentlich mehr Taschengeld. Bei den Tarifverhandlungen mit meinen Eltern ist allerdings nicht viel herausgekommen. Ich bestand nämlich auf einer Taschengelderhöhung von zweihundert Prozent. Meine Eltern wollten mir jedoch eigentlich nur zwei Prozent mehr Taschengeld geben. Mein Vater entschied: "Na gut, Tochter. Dann treffen wir uns eben in der Mitte: Wir geben dir zweieinhalb Prozent mehr Taschengeld."

Na toll! Und ich konnte nichts daran ändern. Versprechen, besonders brav zu sein, hätte nichts genützt (dafür kennen mich meine Eltern zu gut), und wenn ich ihnen drohe, lachen sich meine Eltern immer nur schlapp.

Am nächsten Vormittag erzählte ich meiner Klassenkameradin Belinda Blasenfuß von meinen Geldproblemen, und sie verstand mich gut: "Ja, das kenne ich von meinen Eltern auch. Deswegen fahre ich heute Nachmittag nach Lehrte zu einer Firma, bei der man sich als Jugendliche mit leichter Arbeit etwas Geld verdienen kann. Willste nicht mitkommen? Die brauchen sowieso mehrere."

Ja, also fuhren wir am Nachmittag mit dem Zug nach Lehrte und gingen vom Bahnhof zu Fuß zu dieser Firma. "Meinungsforschungsinstitut Nörgel-Mogelburg" stand an der Tür, und es begrüßte uns ein junger Mann: "Hallo, ihr zwei! Mein Mame ist Lustig, aber ihr könnt Ernst zu mir sagen." Ich war verwirrt. "Wie jetzt - ernst oder lustig?" Der Mann lachte säuerlich: "Ich heiße nun mal so - Ernst Lustig. Ich wollte sagen, dass ihr du zu mir sagen könnt." Ernst Lustig war natürlich ein witziger Name. Ernst fragte uns: "Wisst ihr, worum es bei diesem Job geht?" - "Na klar", antwortete Belinda. "Kein Stück", meinte ich hingegen. Ernst erklärte es mir: "Wir führen hier für ganz verschiedene Auftraggeber Meinungsumfragen unter der Bevölkerung durch. Eure Aufgabe ist dies: Jede von euch bekommt einen Kassettenrecorder und einen Zettel mit Fragen. Ihr stellt euch im Geschäftszentrum von Lehrte auf und stellt vorbeikommenden Erwachsenen jeweils eine Frage, die ihr von dem Zettel ablest. Ihre Antworten nehmt ihr dann mit dem Kassettenrecorder auf. Später werden wir die Antworten hier auswerten."

Okay, so schwer klang das nicht. Wir vereinbarten mit Ernst Lustig, dass wir die Umfrage am Samstagvormittag durchführen würden, wenn wir schulfrei hätten und besonders viele Leute im Geschäftszentrum wären, um ihre Einkäufe zu erledigen.

Am Samstag fuhren Belinda Blasenfuß und ich also erst zu Ernst Lustig ins Büro, bekamen dort die Kassettenrecorder (natürlich mit Mikrofon) und den Zettel mit den Fragen, die wir den Leuten stellen sollten. Dann gingen wir in die Lüneburger Straße und stellten uns dort auf. Allerdings nicht zusammen, sondern Belinda postierte sich um die Ecke. Wir hatten nämlich ganz unterschiedliche Fragen.

Ich nahm das Mikro in die eine und den Fragebogen in die andere Hand, und da ich ja nicht schüchtern bin, sprach ich den ersten Menschen an, der mir vor die Flinte... also, der mir über den Weg lief. Es war ein Herr von ungefähr vierzig Jahren. Ich stellte mich vor: "Entschuldigen Sie bitte. Ich mache eine Umfrage für das Meinungsforschungsinstitut Nörgel-Mogelburg. Darf ich Ihnen eine Frage stellen?" Er zuckte mit den Achseln und meinte: "Ja, in Ordnung, frag' nur." Ich las ihm die Frage vor: "Was ist Ihrer Meinung nach das größere Problem der Menschen hier in Lehrte? Die Unwissenheit oder die Gleichgültigkeit?" Er dachte kurz nach, und dann antwortete er in das Mikrofon, das ich ihm vor den Mund hielt: "Weiß ich nicht." Und er fügte hinzu: "Ist mir eigentlich auch egal." Und dann ging er weiter.

Ich stellte dieselbe Frage noch 24 anderen Passanten. Elf davon antworteten, sie wüssten es nicht, und dreizehn sagten, dass sie das nicht interessieren würde. Ich schloss daraus, dass die Gleichgültigkeit das etwas größere Problem der Lehrter sei.

Ich ging zur nächsten Frage über. Ich stellte sie zunächst einem älteren Ehepaar: "Was halten Sie vom Internet?" Der Herr antwortete: "Oh ja. Ich habe mal einen Inder kennengelernt, und der war wirklich sehr nett." Das war mir jetzt etwas peinlich. Anstatt ihm zu erklären, was ich mit meiner Frage meinte, stellte ich den beiden lieber die nächste Frage auf meiner Liste: "Und was halten Sie von ISDN?" Diesmal antwortete die Frau: "Oh ja, sehr viel. Haben wir selbst seit fünf Jahren." Das fand ich interessant, und ich hakte nach: "Ach ja. Und wie viele Nummern benutzen Sie dabei?" Jetzt war die Dame verwundert und antwortete: "Gar keine. Wir benutzen ISDN nur für unseren Kühlschrank." Das war mir jetzt noch peinlicher, und ich ließ die beiden wieder laufen.

Danach fragte ich noch viele andere Passanten nach Ihrer Meinung zu Internet und ISDN, und ich fand heraus, dass die meisten wirklich nichts gegen Inder hatten, und ich war erstaunt, dass fast alle Lehrter Haushalte Kühlschränke mit ISDN zu haben schienen. Eine junge Frau erzählte mir außerdem, dass sie zu Hause ihren Keller globalisiert habe. Aber nur für sich und ihren Mann.

Ich wollte zur nächsten Frage schreiten, als Belinda Blasenfuß mit gesenktem Kopf um die Ecke kam. "Ich habe kein Mikrofon mehr", sagte sie betreten. "Was ist denn passiert?" wollte ich wissen. Sie erzählte mir: "Na ja, ich stellte einem Mann die Frage: 'Stimmt es Ihrer Meinung nach, dass die meisten Menschen in Lehrte ganz ohne nachzudenken viel zu viel essen?'" - "Ja, und was hat er gesagt?" fragte ich Belinda neugierig. Sie meinte: "Er hat gar nichts gesagt. Er hat mir das Mikrofon weggenommen und aufgegessen. Das Kabel hat er ausgespuckt."

Wir beschlossen, unsere restlichen Fragen gemeinsam abzuarbeiten. Als nächstes kam eine etwas unsicher gehende Frau mit einem etwa fünf Jahre alten Jungen vorbei. Die Frau war offensichtlich Engländerin. Ich fragte sie trotzdem: "Fänden Sie es sinnvoll, die Promillegrenze für Autofahrer auf 0,0 zu senken?" Die Frau schwankte etwas - nicht sosehr im übertragenen Sinne, sondern sie taumelte wirklich. Dann lallte sie: "Nnnein, findichnich, Kindchen. Die meiiisten Frauennnn fahren sowiesowieso besser, wennse was getrunken ham. Hicks. Bssss." Anschließend sagte sie zu ihrem Sohn: "We must go home, John Boy. Baby, you can drive my car. Bsss. Hicks." Ohne sich von uns zu verabschieden, verschwand sie mit ihrem kleinen Sohn in Richtung Parkplatz. Ich meinte zu Belinda: "Na, für diese Frage hatte ich mir ja wirklich die Richtige ausgesucht." Belinda grinste: "Ja, die Frau ist am Vormittag schon so voll wie ein Kölner am Rosenmontag. Mindestens 2,5 Promille, wenn du mich fragst." Ich fand: "Ihr kleiner Sohn tut mir leid."

Während ich weiter meine Arbeit tun wollte, sagte Belinda plötzlich nachdenklich: "Du, die wird doch wohl jetzt nicht etwa mit dem Auto fahren wollen." Ach du meine Güte! Sie war ja mit ihrem Kind in Richtung Parkplatz getorkelt. Wir nahmen unsere schweren Geräte unter den Arm und rannten ihr nach.

Wir kamen gerade noch rechtzeitig. Die Frau saß in ihrem Auto auf dem Fahrersitz. Ihren Sohn hatte sie auf dem Schoß. Ich riss die Fahrertür auf und machte sie an: "Hören Sie mal, finden Sie nicht, dass sie viel zu zu sind, um Ihr Auto zu steuern?" Die betrunkene Frau lallte mich an: "Doch. Schschtimmt, Kindchen. Dessswegen wird mein kleiner Sohnnn hier lenkennnn. Ich werde nur Gas gebennn und ein bisschennn schschschaltennnn. Bsssss. Hicks. Bsss." Während ich noch überlegte, was ich zu so viel Schwachsinn sagen sollte, handelte Belinda. Entschlossen zog sie den Autoschlüssel aus dem Schloss. Dann sagte sie zu der Betrunkenen: "Den Wagenschlüssel können Sie sich auf dem Lehrter Polizeirevier abholen. Dort arbeitet nämlich mein Vater. Vielleicht sollten Sie Ihren Führerschein dann besser gleich mitbringen."

Überzeugt davon, das Richtige getan zu haben, ließen wir die beiden zurück. Ich war empört: "Das gibt's doch wohl nicht? Will ihren kleinen Jungen lenken lassen! Tsss!" Belinda stimmte mir zu: "Ja, verrückt. Pass auf, ich bringe jetzt sofort den Schlüssel zur Polizei. Du kannst ja inzwischen unsere Arbeit fertigmachen." Ehe ich "Ja, gut" sagen konnte, hörten wir, wie ein Automotor startete. Wir drehten uns um - und die Betrunkene fuhr mit ihrem Wagen mit quietschenden Reifen auf und davon. Das heißt: Eigentlich nicht auf und davon. Sondern immer im Kreis. Ihr Sohn lenkte den Wagen. "Mist. Ich hatte nicht daran gedacht, dass sie einen Zweitschlüssel dabei haben könnte. Den hätten wir ihr auch abnehmen müssen", ärgerte sich Belinda.

Belinda rief sofort die Polizei an, und die eilte auch sofort herbei. Die Polizisten versuchten nicht, den im Kreis fahrenden Wagen zu stoppen, sondern sperrten die Gegend weiträumig ab. Nach einigen Stunden ging dem Wagen dann das Benzin aus. Und die Frau bekam eine Menge Ärger, das kann ich euch sagen.

Es grüßt euch

Eure CLAUDIA FLUNKERT

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