Wolff,
Jacob, Fabrikant |
*
1868 in
Hamburg |
+ 1926 in Hamburg |
.
Jacob
Wolff, ein unbedeutender Name in einem großen
Krieg, vor allem in einer Schlacht, wie
der bei
Verdun. Allerdings ist dieser
Name, seine Person und sein militärischer
Werdegang mit einigen Bemerkungen und
Kuriositäten behaftet, die nicht nur mit
seinem Einsatz als Kampfflieger,
insbesondere bei
Verdun,
zu tun haben.
Der
1868 geborene und in Hamburg lebende Jacob
Wolff war jüdischer Herkunft. Er war Chef
der weltbekannten und seiner Zeit größten
Zigarrenfabrik Loeser & Wolff
mit mehreren Filialen in ganz Deutschland.
In
Friedenszeiten unterstützte er die
Pazifistenbewegung, der er aktiv und überzeugt
beigetreten war.
Trotz
seines leidenschaftlichen Engagements zum Pazifismus meldete er
sich – offensichtlich seiner inneren Verpflichtung gegenüber
dem Vaterland folgend - am 2. August 1914 beim Hamburger
Bezirkskommando als Freiwilliger zur Fliegertruppe. Er stellte
sich quasi ungerufen zur Verfügung, da er als Großunternehmer
mit mehr als 4.000 Beschäftigten zweifelsohne als unabkömmlich
vom Militärdienst freigestellt worden wäre. Aber schon sein -
für die militärische Verwendung - fortgeschrittenes Alter von
46 Jahren hätten von einer Einberufung abgesehen.
Und dann meldete er sich ausgerechnet zur Fliegertruppe, obwohl
ihm bekannt war, daß das Höchstalter für die Verwendung in
dieser Waffengattung 28 Jahre betrug.
Nachdruck
für seine Ambitionen verlieh er dadurch, dass er sich sogar ein
eigenes Flugzeug kaufte. Er nahm auf eigene Kosten
Flugunterricht und erschien dann mitsamt seiner Maschine bei der
Feldfliegerersatzabteilung 2 in Berlin - Adlershof. Dort
verlangte er ausdauernd nach seiner Verwendung als Jagdflieger
an die Front kommandiert zu werden. Eine weitere Abstrusität,
denn damals wurden Jagdmaschinen grundsätzlich nur Offizieren
anvertraut, Wolff war Vizefeldwebel der Reserve.
In
Berlin wurde der von vielen belächelte Veteran mit eigener
Maschine mitnichten positiv aufgenommen. Mehrfach versuchte man
vergeblich ihn zur Rückkehr nach Hamburg zu bewegen. Ein
einsichtiger, wenn auch seniler Vorgesetzter, ließ sich
letztendlich dazu erweichen, ihn in Berlin zu behalten. So
machte Wolff nochmals die Ausbildung zum Flugzeugführer und
absolvierte 60 Alleinflüge sowie Höhen- und Überlandflüge.
Nach bestandener Prüfung wurde er am 23. November 1914 zur
Kampfflieger-Abteilung I nach Mannheim versetzt.
Auch
hier war man von Wolff nicht gerade begeistern, denn die Führungskräfte
waren nach wie vor der Meinung, dass nur junge Flieger die dort
stationierten
Fokker-Maschinen
auch kompetent fliegen konnten.
Und tatsächlich: Waren doch die späteren deutschen
Jagdfliegerasse Oswald Boelcke und Max Immelmann zusammen kaum älter,
als Jacob Wolff.
Dennoch
schaffte er es einige Monate später an die
Verdun-Front
versetzt zu werden. Er kam zur Feldfliegerabteilung 34 nach
Cunel (östlich Romagne-sous-Montfaucon). Dort wurde er als
‚Sperrflieger’ eingesetzt. Der Abteilung waren ein 30
Kilometer breiter Frontabschnitt zugeteilt. Es sollte das
Eindringen französischer Flieger in das deutsche Hinterland
verhindert werden.
Jacob
Wollf absolvierte am 31. Januar 1916 seinen ersten Frontflug,
bei dem er sich im Nebel fast verflogen hatte. Mit dem letztem
Sprit schaffte er es schließlich bei Landreville (nordwestlich Romagne-sous-Montfaucon) notzulanden. Nachdem er sich nach einem
kurzen Luftkampf mit einem französischen Flugzeug erneut
verflogen hatte, versetzt man ihn kurzerhand zum Armeeflugpark
nach Metz. Dort flog er einige Monate neue Flugzeuge ein.
Dort
wurde ihm immer wieder vor Augen geführt, wie unsinnig und
engstirnig die Auslese neuer Piloten war, die dann meist als
ungeeignet zu ihrer Waffengattung - meist direkt in den Schützengraben
- zurückgeschickt wurden.
Wolff
fiel seinem Kommandeur bei der Militärfliegerschule Metz
dadurch positiv auf, dass er einem Obergefreiten am 15. Juni
1916 unter Einsatz seines eigenen Lebens vor dem Ertrinken
rettete. Dies brachte ihm die Verleihung der Rettungsmedaille
ein. Daraufhin gab man auch seinem Versetzungswunsch nach und er
wurde der Jagdstaffel 17 überwiesen.
Am
16. August 1916 erzielte Wolff bei Nomeny seinen ersten Abschuß,
ein französischer Caudron-Gitterträger. Dieser konnte ihm aber
offiziell nicht bestätigt werden, da er die dafür nötigen
Zeugen nicht benennen konnte. Aber immerhin sprach ihm der
kommandierende General seine Anerkennung aus.
Anfang
September 1916 erzielte er nahe Metz seinen zweiten Luftsieg,
wiederum ohne Zeugen. Diesmal belobigte ihn der Gouverneur von
Metz, General von Oven, und sprach eine persönliche Anerkennung
aus. Ferner wurde ihm am 10. September 1916 das Flugzeugführer-Abzeichen
verliehen.
Wieder
an die Verdunfront
versetzt wurde er am 10. Dezember 1916 bei
Douaumont in einen Luftkampf mit vier französischen Caudron-Jägern
verwickelt. An Bord hatte er, als Beobachter zugeteilt, den
Bruder des Pour-le-Mérite-Trägers Bruno Loerzer, Oberleutnant
Fritz Loerzer. Mit drei Treffern im Kühler und zwölf Treffern
in Tragfläche und Sitz konnte er mit Mühe bei Clery-le-Grand
(südwestlich Dun-sur-Meuse) notlanden.
Es
folgten zwei weitere Abschüsse von französischen
Voisin-Maschinen
und am 23. Februar 1917 wurde ihm der
‚Ehrenbecher’ für den Sieger im Luftkampf verliehen.
Wolff,
der zwischenzeitlich auch Träger der
Eisernen Kreuze I. und II.
Klasse
war, übertrug man, aufgrund seiner Leistungen,
zwischenzeitlich sogar die Führung einer aus drei bis sechs
Flugzeugen bestehenden Gruppe. Wolff waren demnach auch, im
Rahmen dieser Gruppe, mehrere Offiziere unterstellt. Als Führer
einer solchen kleinen Abteilung schoß er am 28. April 1917 beim
Fort Brimont (nördlich Reims/ Champagne) eine doppelmotorige
französische ‚Caudron’ ab.
Nach
dieser Leistung konnte man ihm die Beförderung zum Offizier
nicht mehr verwehren. Man hatte ihm bereits mehrfach nahegelegt
seine Chancen auf eine Beförderung zu vergünstigen, indem er
den Nachweis eines christlichen Taufscheins erbringen sollte.
Pour-le-Mérite-Träger Leutnant Wilhelm Frankl
(1883-1917)
hatte dies ebenfalls so gehandhabt. Aber Wolff sah sich mehr als
‚Freidenker’. Bereits 1912 war er aus dem Synagogenverband,
nicht aber aus dem Judentum und anderen jüdischen Vereinigungen
ausgetreten. Die Empfehlung nach einem christlichen
Taufbekenntnis zu streben, kamen ihm daher wie eine Heuchelei
vor, die nur seine Beförderung zum Offizier vergünstigen
sollten.
Trotz
aller Widrigkeiten wurde der zwischenzeitlich fast 50-jährige
Jacob Wolff am 6. Mai 1917 zum Leutnant der Landwehr befördert.
Bei
seinem letzten Frontflug am 27. Juli 1917 erzielte Wolff den
Abschuß eines britischen Doppeldeckers. Er selbst stürzte,
schwer verwundet, nahe der vorderen Frontlinie ab und wurde in
ein Lazarett verbracht.
1918
kehrte Wolff wiedergenesen in das zivile Leben nach Hamburg zurück.
Er war Träger der
Rettungsmedaille, des
Flugzeugführerabzeichens,
dem
Verwundetenabzeichen, dem
Eisernen Kreuz beider Klassen
und
ihm waren offiziell vier Luftsiege bestätigt worden. Die
deutsche Luftfahrt unterstützte
er materiell wie finanziell bis zu seinem frühen Tod im Jahre
1926. Seine Firma selbst verfügte über mehrere Werksflugzeuge.
Zeitweilig stand sogar der
Pour-le-Mérite
- Träger und Sieger
in 44 Luftkämpfen, Hauptmann a.d. Loerzer, auf der Gehaltsliste
der Firma „Loeser & Wolff“.
Eine
letzte Huldigung erlangte Wolff im 1924 erschienen Buch des
ehemaligen Stabsarztes Felix A. Theilhaber Jüdische Flieger
im Weltkrieg. In der Einleitung
sagte der ehemalige Inspekteur der Fliegertruppen,
Oberstleutnant a.D. Siegert über ihn: „Stolz
dürfen wir darauf sein, dass kein Kaiser und König, kein
General oder Führer das Fliegerabzeichen anlegen durfte, der
nicht dem Feind und Tod auf nächster Entfernung ins Auge
geblickt [...] Weiter sind wir im höchsten Maße stolz auf den
Senior der deutschen Jagdflieger, Herrn Jacob Wolff, Hamburg.
Heute noch am Leben - ist er unverwüstlich und unermüdlich tätig
dafür, dass der Fluggedanke in Deutschland nicht untergehe.“
Der
Name Jacob Wolff spielt in der Geschichtsschreibung keine Rolle.
Er gehörte nicht zu den erfolgreichen Jagdfliegern wie
Immelmann, Boelcke oder
von
Richthofen. Allerdings war er einer
der vielen deutschen Flieger, die an verschiedenen Phasen der
Verdun-Schlacht
teilnahm. Und er war zu Zeiten der Schlacht vor
Ort, als die deutsche Luftüberlegenheit keine mehr war, und die
Bedingungen zu bestehen immer härter wurden. Dies soll seine
Leistung nicht herausheben, sie soll aber auch nicht geschmälert
werden.
Wirklich
bemerkenswert ist sein militärischer Werdegang, sein Mut und
seine offensichtliche idealistische Überzeugung seinem
Vaterland in schwieriger Zeit zu dienen. Allein das Bestreben
sich freiwillig und eigentlich vom Pazifismus behaftet aus
seinem pflichtschuldigen Posten als Firmeninhaber, mit der
Verantwortung über viele Hundert Mitarbeiter, in eine primäre
Gefahrensituation zu begeben, die Tausende andere mit ihrem Tod
bezahlt haben, zeigen den außergewöhnlichen Charakter eines
Jacob Wolff, der trotz fortgeschrittenen Alters, mit Hartnäckigkeit
und Ausdauer das von ihm erstrebte Ziel erreichte.
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