Rocky Marciano
[Rocco Marcheggiano]
(1.9.1923-31.8.1969)

[Rocky Marciano]

Tabellarischer Lebenslauf
zusammengestellt von
Nikolas Dikigoros

[Signierter Boxhandschuh Marcianos]

1923
01. September: Rocco Francesco Marcheggiano1 wird als ältestes von sechs überlebenden Kindern (für italienische Immigranten der 1. Generation nicht gerade viel) von Piero ["Pierino"] Marcheggiano und seiner Ehefrau Pasqualina, geb. Picciuto, in Brockton/Massachusetts geboren.
Sein Vater arbeitet in einer Schuhfabrik (Brockton war in der Zwischenkriegszeit eine Hochburg der Schuhproduktion), seine Mutter ist Hausfrau.
Er wächst in einem "multi-ethnischen" Viertel auf, wo Straßenschlägereien, vor allem zwischen italienischen und irischen Jugendbanden, an der Tagesordnung sind.

1933-34
Mit Primo Carnera ist zum ersten - und bisher letzten - Mal ein gebürtiger Italiener Box-Weltmeister aller Klassen. (Er ist freilich mehr als doppelt so groß und schwer wie der kleine Rocco :-)

[Primo Carnera auf Werbe-Tournee mit seinen Mafia-Managern]

1934-40
Luigi d'Ambrosio ("Lou Ambers") ist - mit Unterbrechungen - Box-Weltmeister im Leichtgewicht.
Rocco - der ein "guter Amerikaner" werden will - widmet er sich jedoch zunächst lieber den Nationalsportarten Football und Baseball; er schafft es in die Schulauswahl der Brockton High School.

1940
Rocco verläßt die Schule ohne Abschluß und beginnt in der selben Schuhfabrik - Stacey Adams - zu arbeiten wie sein Vater. Im Laufe der Zeit entwickelt er jedoch eine Allergie gegen Lederstaub und Gerbsäure.
(So jedenfalls die offizielle Darstellung; Dikigoros hat freilich noch nie von Lederstaub und/oder einer Allergie gegen Gerbsäure gehört :-)

1941
September: Durch die Shoot-on-sight-order Präsident Roosevelts treten die USA de facto in den Zweiten Weltkrieg ein.

1943
Rocco wird zur U.S. Army eingezogen. Er kommt jedoch nicht zur kämpfenden Truppe, sondern zum Nachschub.2
Nebenbei betreibt er Boxen - eine in den US-Streitkräften gern gesehene Sportart.
Eine "ordentliche" Box-Ausbildung genießt er allerdings nicht; er bevorzugt den offenen Schlagabtausch mit "wilden Schwingern" und verläßt sich vor allem auf den lieben Gott - er ist gläubiger Katholik - und seine in den Straßenkämpfen von Brockton erworbenen "Nehmerqualitäten". (Kritiker wollen ausgerechnet haben, daß rund zwei Drittel seiner eigenen Schläge ihr Ziel verfehlten. Ist das viel? Dikigoros weiß es nicht; wer sich besser auskennt kann ihm ja mal mailen. Wie dem auch sei, im Schwergewicht ist das nicht so wichtig; da genügt oft schon ein einziger Treffer - der "lucky punch" - zum k.o.-Sieg :-)

1946
März: Rocco bestreitet bei einem Boxturnier in Fort Lewis als Vertreter der Armee einige Kämpfe gegen Vertreter anderer Waffengattungen, die er durchweg gewinnt.
Daß es sich dabei um die "Box-Meisterschaft der US-Streitkräfte" handelte, ist freilich ein Märchen, das er seinem Onkel Mike in Brockton auftischt, der daraufhin ein Match gegen den Lokalmatador Henry Lester arrangiert.
15. April: Rocco bestreitet seinen ersten Profi-Kampf - um eine Börse von 30 [dreißig] US-$.
(Das klingt wenig, wenn man nicht weiß, daß Rocco nach seiner Entlassung aus der U.S. Army im Vormonat - wie 'zigtausende andere GIs auch - ein Jahr lang von der Arbeitslosenhilfe der Streitkräfte lebte, die 20 [zwanzig] US-$ im Monat betrug.)
Er wird von dem erfahrenen Ex-Golden-Gloves-Gewinner 3 Runden lang gründlich vermöbelt und schließlich in der 4. Runde wegen Tiefschlags disqualifiziert.
(Dieser blamable Kampf ist aus den offiziellen Biografien und Statistiken verschwunden, um die Legende von den "49 Profi-Kämpfen ohne Niederlage" aufrecht zu erhalten; tatsächlich bestritt Rocco deren 50 und gewann "nur" die letzten 49 :-)

1947
März: Nachdem Rocco sich bei den Chicago Cubs erfolglos als Baseball-Spieler versucht hat, bestreitet er - unter dem Namen "Rocky Mackianno" - in Holyoke/Massachusetts seinen ersten offiziellen Profi-Kampf. Er schlägt den Lokalmatador Lee Epperson durch k.o. in der 3. Runde. Danach kehrt er jedoch ins Amateurlager zurück.

1948
März: Rocco scheitert bei dem Versuch, die "Golden Gloves" zu gewinnen. [Das ist zwar eine Amateur-Veranstaltung, die jedoch als probates Sprungbrett auch für Profi-Karrieren gilt.]
Eine umstrittene Niederlage nach Punkten bestärkt ihn in der Auffassung, daß man sich nicht auf Punktrichter-Entscheidungen verlassen, sondern immer einen k.o.-Sieg anstreben sollte.
April: Rocco beteiligt sich an den Ausscheidungskämpfen zu den Olympischen Sommerspielen in London, muß diesen Traum jedoch schon nach dem ersten Kampf begraben, den er zwar gewinnt, sich dabei aber an beiden Händen verletzt.
(Ein sicheres Indiz für mangelhafte Schlagtechnik, zumal beim Amateurboxen relativ dicke Handschuhe getragen werden, die vor solchen Verletzungen eigentlich schützen. Dikigoros hat zwar nie geboxt, aber in jungen Jahren Taek Won Do betrieben, wo eine ähnliche Verletzungsgefahr besteht, zumal dort mit bloßen Händen gekämpft wird. Rocco bekam nur selten eine saubere Gerade hin. Auch seine Beinarbeit widersprach allen Regeln der Kunst: Jeder Kampfsportler lernt sich so zu stellen, daß er die ganze Körperkraft in einen Schlag legt, also beim Schlagen mit der rechten Hand auch mit dem rechten Bein vorzugehen - zumal wenn er kurze Arme hat. Aber Rocco tat das nie; er schlug stets "aus der Hinterhand"; wie er dennoch eine so große Schlagkraft entwickeln konnte, ist Dikigoros - der gezielt Fotos ausgesucht hat, auf denen man das besonders deutlich sieht - ein Rätsel.)
Danach wird Rocco endgültig Profi. Als seinen Manager gewinnt er den gerissenen Juden Al Weill, als seinen Trainer dessen Spezi Charley Goldman. Die beiden (die zuvor bereits "Lou Ambers" betreut hatten, der seine Karriere nach 106 Profi-Kämpfen beendet hat) gewöhnen ihm das Rauchen und Alkohol-Trinken ab und halten ihn zu diszipliniertem Training an - er hat von nun an bei allen Kämpfen eine Top-Kondition - und bauen ihn, der für einen Schwergewichtsboxer eigentlich zu leicht, zu klein und vor allem zu kurzarmig ist (ersteres kann man ändern, letzteres nicht3) sehr behutsam auf, mit "handverlesenen" Gegnern.
Juli: Rocco schlägt in Providence/Rhode Island - wo der Ringsprecher "Marcheggiano" nicht aussprechen kann, weshalb ihm Weill das Pseudonym "Rocky Marciano" verpaßt - einen gewissen Harry Bilazarian durch t.k.o. in der 1. Runde.
Auch die übrigen zehn Gegner des Jahres kommen nicht über die Runden. (Ein gewisser Bobby Quinn schafft es bis in die 3., alle anderen gehen schon in der 1. oder 2. Runde k.o. - Fallobst4.)

1949
Marciano bestreitet 13 Kämpfe, meist gegen wenig renommierte Gegner, von denen wieder nur einer über die Runden kommt, nämlich "Tiger" Ted Lowry, den er nach Punkten schlägt.
Dezember: Marciano boxt erstmals im New Yorker Madison Square Garden - allerdings nur im Vorprogramm - gegen einen gewissen Pat Richards (k.o. in der 2. Runde).

1950
Marciano bestreitet in diesem Jahr "nur" sechs Kämpfe, die allerdings schon besser bezahlt werden. Über die Runden kommen nur Roland LaStarza5 und erneut Ted Lowry.
31. Dezember: Marciano heiratet seine Jugendfreundin Barbara Mae, geb. Cousins (1928-1974), die zwar aussieht wie Sau, pardon, like "lipstick on a pig", aber ein großer Box-fan ist.
Nach anderen Quellen lernte Marciano sie erst 1947 kennen; aber das ist wenig glaubhaft, da sie die Tochter eines Streifenpolizisten in seinem Heimatviertel war. Sie soll ihn schon als Halbwüchsigen bei seinen Straßenkämpfen als "Schlachtenbummlerin" begleitet und angefeuert haben. (Damals konnten - jedenfalls in katholischen Gegenden - Mädchen noch unbehelligt zuschauen ohne Gefahr zu laufen, mit verprügelt - oder schlimmeres - zu werden.)


Aus der Ehe geht eine Tochter hervor, über die Dikigoros den barmherzigen Mantel des Schweigens breitet. (Hätte er bloß eine Italienerin geheiratet!) Später adoptiert das Paar noch einen Sohn.
Marciano soll, anders als viele seiner Berufskollegen, ein ausgesprochener Sex-Muffel gewesen sein, der zumal in den Trainingsfasen vor seinen Kämpfen - und er kämpfte ja am laufenden Band - lebte "wie ein Mönch". (Das meint natürlich keinen lutherischen, sondern einen katholischen Mönch :-)

1951
Januar-August: Marciano gewinnt sechs weitere Kämpfe (fünf durch k.o.).
Oktober: Marciano schlägt den abgehalfterten Ex-Weltmeister Joe Louis durch k.o. in der 8. Runde und beendet damit dessen Karriere.6


1952
Februar-Juli: Marciano gewinnt vier weitere Kämpfe (einen durch Aufgabe, drei durch k.o.).
23. September: Marciano schlägt - drei Wochen nach seinem 29. Geburtstag - den zehn Jahre älteren Titelverteidiger "Jersey" Joe Walcott - der ihn ob seiner wenig filigranen Technik völlig unterschätzt (Zitat: "Wenn der mich schlägt, könnt Ihr meinen Namen aus den Annalen der Boxgeschichte streichen!") - durch k.o. in der 13. Runde und wird so Boxweltmeister aller Klassen.
Die Bezeichnung "Boxweltmeister im Schwergewicht" - auch auf den beiden folgenden Autogrammkarten - ist ungenau: Zwar dürfen Boxer aus höheren nicht in niedrigeren Gewichtsklassen boxen, wohl aber umgekehrt: Es ist öfters vorgekommen, daß ein Halbschwergewicht versuchte, ein Schwergewicht vom Thron zu stoßen. (Die meisten Boxweltmeister aller Klassen in den ersten drei Vierteln des 20. Jahrhunderts - auch Marciano - waren nach heutigen Maßstäben ohnehin nur Halbschwergewichte :-) Man beachte übrigens, daß auf beiden Karten auch der Manager ("MGR.") Al Weill erwähnt ist - Werbung in eigener Sache!


1953
Mai: Im obligatorischen Rückkampf macht Marciano kurzen Prozeß mit Walcott und schlägt ihn schon in der 1. Runde k.o.


September: Auch Roland LaStarza bekommt nochmal eine Chance. Diesmal hält er nur bis zur 11. Runde durch.


Man sagt, daß LaStarza der einzige Gegner Marcianos gewesen sei, den er persönlich haßte, weshalb er ihn besonders brutal zusammengeschlagen habe. Sonst kam er mit allen US-Italienern gut aus, insbesondere anderen "Celebrities". Mit dem Sänger Frank Sinatra und dem Baseball-Spieler Joe DiMaggio - kurzzeitig Ehemann von Marilyn Monroe - war er angeblich sogar mehr oder weniger eng befreundet.

1954
Juni: Marciano verteidigt seinen Titel gegen Ex-Weltmeister Ezzard Charles, der auch nach 15 Runden nicht k.o. geht.
Marcianos Punktsieg ist zwar einstimmig, aber der Herausforderer fühlt sich noch nicht am Ende und pocht auf Revanche.
September: Im Rückkampf, der mit äußerster Härte geführt wird - Charles spaltet Marciano die Nase -, siegt der Titelverteidiger wieder "standesgemäß" durch k.o. in der 8. Runde.


1955
Mai: Marciano verteidigt seinen Titel gegen Don Cockell (Ex-Europameister im Halbschwergewicht und offensichtlich nicht Dank Muskel-, sondern Fettzuwachs in die oberste Gewichtsklasse aufgestiegen, aber ein legitimer Herausforderer, denn er hatte zuvor LaStarza geschlagen) durch t.k.o. in der 9. Runde.


September: Marciano verteidigt seinen Titel gegen Archie Moore (Weltmeister im Halbschwergewicht) durch k.o. in der 9. Runde.


1956
April: In einer vom Fernsehen übertragenen Pressekonferenz erklärt Marciano, daß er seinen WM-Titel nicht mehr verteidigen werde und vom Profi-Boxsport zurück trete.
Dieser Rücktritt nach 49 siegreichen Profikämpfen und sechs erfolgreichen Titelverteidigungen als Weltmeister aller Klassen macht Marciano zwar nicht zu einem großen Boxer, aber zu einem großen Sportsmann. Wer sonst hätte der Versuchung widerstanden, wenigstens noch den Rückkampf gegen Moore "mitzunehmen", sei es aus Eitelkeit (um die "50" voll zu machen), sei es aus finanziellen Gründen? (Als Titelverteidiger hätte Marciano selbst im Falle einer - eher unwahrscheinlichen - Niederlage den Löwenanteil der Börse erhalten.) Dikigoros nicht, und wenn Ihr ehrlich seid, liebe Leser, Ihr doch auch nicht!7

ab 1956
Anders als viele Berufskollegen investiert Marciano sein sauer verdientes Geld nicht in Alkoholika o.a. Drogen, sondern in eine Spaghettifabrik in San Francisco. (Pasta war schon immer sein Lieblingsessen :-)


ab 1961
Marciano steigt voll in das (nicht mehr ganz neue, aber erst jetzt - mit größeren Bildschirmen - zu neuer Popularität erwachte) Medium Fernsehen ein - zunächst als Kommentator von Boxkämpfen, dann sogar mit einer eigenen TV-show.

1969
31. August: Rocco Marcheggiano alias "Rocky Marciano" verunglückt bei einem Flugzeugabsturz über Newton/Iowa tödlich.


Man hat im Nachhinein kübelweise Dreck ausgeschüttet über den "unerfahrenen", "unfähigen" oder "unvorsichtigen" Piloten, der sich gegen diese Vorwürfe nicht mehr wehren konnte, da er beim Absturz mit ums Leben gekommen war. Unstreitig ist, daß er in ein nächtliches Unwetter geriet und bei der Notlandung Bruch machte, weil seiner kleinen Cessna ein Baum im Wege stand, den er in der Dunkelheit nicht sah. (Beachtet bitte die bewußt neutrale Formulierung: Dikigoros - selber kein Pilot, aber ehemaliger Luftwaffenangehöriger, der einige Piloten kannte - schreibt weder "... übersah" noch "... sehen konnte", denn er will sich nicht an dem Streit beteiligen - obwohl er bezweifelt, daß einer der Kommentatoren, Kritikaster und Keksperten die Notlandung selber besser hinbekommen hätte. Fehler sind menschlich, und nur wer nichts macht, macht auch nichts verkehrt, vor allem kein Pilot, der manchmal in Sekundenbruchteilen Entschlüsse fassen muß, die über Leben oder Tod entscheiden.)
September: Marciano wird auf dem Waldfriedhof von Ft. Lauderdale/Florida beigesetzt.

* * * * *

1990
Marciano wird in die neu gegründete "International Boxing Hall of Fame [Internationale Ruhmeshalle des Boxens]" in Canastota aufgenommen - im Gegensatz zur "alten" Ruhmeshalle im Madison Square Garden von New York City ein Muster ohne großen Wert.

[Massenware]


Ursprünglich auf 20 zu rühmende angelegt, wird die Sammlung seitdem jedes Jahr im Durchschnitt um ein halbes Dutzend Boxer erweitert, wobei die Anforderungen immer niedriger geschraubt werden; inzwischen haben selbst die Klitschko-Brüder ihren Platz gefunden, die in den USA kaum jemand kennt - nicht mal dem Namen nach. [Sie werden dort (und anderswo :-) penetrant falsch ausgesprochen, nämlich "Klíttschko" mit kurzem, offenem "i" und geschlossenem, unbetontem "o"; richtig wäre es genau umgekehrt, nämlich "Klietschkó, mit langem, geschlossenen "i" und offenem, betonten "o".]"

[Sie gieren auch nach Kriegsruhm]
Die Klitschkos und das Kriegstreibende Strack-Zimmertranse

1999
Mai: Charles Winkler dreht "Rocky Marciano", mit Jon Favreau in der Titelrolle.


Der Fernsehfilm - der sich keiner kommerziellen Konkurrenz im Kino zu stellen braucht - wird zwar von professionellen Kritikern hoch gelobt, kommt aber beim Publikum nicht an, wie auch der schleppende Verkauf der DVD zeigt: Die Biografie eines Boxweltmeisters, die alle seine WM-Kämpfe ausspart?! (Sie bricht nach dem Kampf gegen Joe Louis ab und beginnt erst wieder nach Beendigung seiner Box-Karriere.) Und das, da die US-Post eine Woche später eine Briefmarke heraus bringt, die gerade darauf abstellt, daß er in all diesen Kämpfen unbesiegt ("undefeated") blieb:


2006
Marino Amoruso dreht die Dokumentation "Rocky Marciano. A Life Story [Eine Lebensgeschichte]", eine Mischung aus alten Aufnahmen seiner Kämpfe und neuen Interviews mit Verwandten und Bekannten, kommentiert von Robert Loggia.


(Unter Leuten, die jenen Film nicht - oder nicht bis zum Ende - gesehen haben, hält sich hartnäckig das Gerücht, er sei bereits 2004 erschienen; dabei steht im Abspann eindeutig "2006".
Nachtrag: Anno 2023 wurde das Original in der Tube gelöscht und statt dessen eine neue Fassung aufgeladen, bei der die letzten 4 Sekunden mit der Jahreszahl heraus geschnitten sind. Was das soll? Dikigoros hat keine Ahnung. Wer eine Idee hat, kann ihm ja mal mailen :-)


2012
23./24. September: Zum 60. Jahrestag seines Titelgewinns werden Marciano von den Städten Brockton und Ripa Teatina (Geburtsort seines Vaters) Denkmäler errichtet.
(Letzteres wird einen Tag später enthüllt, denn als der abendliche Kampf in den USA statt fand, war in Italien schon der nächste Morgen angebrochen :-)

[Marciano-Denkmal in Brockton] [Marciano-Denkmal in Ripa Teatina]


1Heute liest man meist "Marchegiano"; aber das ist ganz un-italienisch. Dikigoros glaubt sich zu erinnern, daß der Name früher auch in den USA korrekt mit Doppel-"g" geschrieben wurde. Auf dem Grabstein seines Adoptivsohns Peter aus dem Jahre 2015 - die ganze Familie starb beinahe gleichaltrig jung, das ist fast schon makaber zu nennen - steht freilich nur ein "g"; es muß also irgendwann eine amtliche Namensänderung statt gefunden haben; und Dikigoros kann nicht ausschließen, daß sie schon einige Jahrzehnte zuvor erfolgte.

2Das wollt Ihr bitte nicht gering achten, liebe Leser. Dikigoros' Mutter - 1944/45 als Stabshelferin für den Regimentsnachschub zuständig (freilich "nur" im besetzten Norwegen, von wo man alle entbehrlichen Männer abgezogen hatte, um sie an die Front zu werfen) - pflegte zu sagen: "Ohne Munition, Essen und Trinken hat auch der beste Soldat in der Hauptkampflinie keinen Wert." Und er erinnert sich, wie sein Vater darauf einmal sagte: "Wir haben den Krieg nicht verloren, weil wir schlechtere Soldaten oder Waffen gehabt hätten - im Gegenteil; wir hatten die besten Soldaten, Panzer und Flugzeuge der Welt. Aber wenn die Amis jemanden einzogen, der im Zivilberuf Fuhrunternehmer war, dann haben sie ihn sofort mit temporary rank Colonel zum Leiter des Divisionsnachschubs gemacht. Bei der Wehrmacht dagegen hätte er erstmal eine Grundausbildung machen müssen und wäre dann irgendwo als Schütze Arsch verheizt worden; und den Nachschub hätte man sonstwem anvertraut, z.B. einer gelernten Kontoristin, die gut mit dem Kommandeur konnte. Irgendwelche Fressalien und Trinkwasser hätte man immer irgendwo auftreiben können; aber die Heeresgruppe Mitte ist im Sommer 1944 zusammen gebrochen, weil ihre dollen Panzer und Flugzeuge ein paar Tage nach Beginn der russischen Offensive kein Benzin mehr hatten, die Artillerie keine Granaten und die Infanteristen keine Patronen und keine Glimmstengel. Sonst hätte dem Iwan auch seine zahlenmäßige 10:1-Überlegenheit nichts genutzt."

3Muß man auch nicht. (Dikigoros darf das schreiben, denn er selber ist einen Kopf größer als Marciano und hat eine enorme Reichweite - weshalb man ihm in jungen Jahren den Spitznamen "Tarzan" verpaßte :-) Auch die beiden in ihrer Blütezeit wohl schlagstärksten Boxer des 20. Jahrhunderts, Jack Dempsey und Mike Tyson, waren "eigentlich" zu klein und zu kurzarmig; aber das half ihren Gegnern ebenso wenig wie deren "technische" Überlegenheit. Welche Boxweltmeister des 20. Jahrhunderts waren denn schon "gute Techniker"? (Dikigoros meint damit die schwergewichtigen; in den leichteren Gewichtsklassen gab es die durchaus - obwohl es auch dort nicht die Regel war :-) Die meisten waren doch brutale Schläger - auch die, denen man das nicht, wie z.B. Primo Carnera oder Max Baer, schon fysisch ansah. Das gilt für die ganze Generation um Rocky Marciano, ebenso für die ganze Generation um Mike Tyson. Letzlich kam es nicht auf Technik an, sondern auf Kraft; und Kraft ist Masse mal Beschleunigung. Was Marciano und Tyson an Masse fehlte, machten sie durch Schnelligkeit wett. (Beim Football war er als "zu langsam" aussortiert worden, aber für den Boxring reichte es offenbar :-) Und das gilt auch für die Generation in between dazwischen, die des "goldenen Boxzeitalters" um Cassius Clay alias Muhamad Ali, über den Marciano mal in einem Interview mehr oder weniger verächtlich sagte, den halte er so lange nicht für einen guten Boxer, wie er nicht gesehen hätte, daß der auch mal ein paar richtig harte Treffer einstecken könne - der weiche ja immer nur aus und liefe weg... Er tat ihm Unrecht, und dennoch - oder gerade deshalb - ist das ein Musterbeispiel für das, was Dikigoros eben geschrieben hat: Als Cassius Clay noch jung und leicht war, kompensierte er das durch Schnelligkeit. Später, als er während seiner Zwangspause schwer und unbeweglich geworden war, konnte Muhamad Ali auch die härtesten Prügel einstecken - sei es von Joe Frazier, George Foreman und/oder Ken Norton - und ebenso hart zurück schlagen. Aber da war Marciano leider schon tot - Dikigoros hätte zu gerne noch seine Meinung über diesen grundlegenden Paradigma-Wechsel erfahren.

4Das erkennt man schon daran, daß kein einziger dieser Kämpfe auf mehr als 10 Runden angesetzt war (bis Sommer 1952!), während die übliche Distanz damals noch 15 Runden betrug. Meist waren das Vorkämpfe, die man kürzer ansetzte, um das Publikum - das ja überwiegend wegen des Hauptkampfes kam - nicht zu langweilen.

5Manche meinen, daß LaStarza - der bis dahin ungeschlagen war - sogar den Punktsieg verdient gehabt hätte, da Marciano an jenem Abend ungewöhnlich schwach geboxt habe. Dikigoros kann das nicht beurteilen, denn Aufnahmen von jenem Kampf scheint es nicht (mehr?) zu geben. Aber er kennt den - angeblichen - Grund: Marciano hatte im vorauf gegangenden Kampf einen gewissen Carmine Vingo so schwer k.o. geschlagen, daß der sich im Krankenhaus wieder fand und dem Tod nur knapp von der Schippe sprang. Das soll Marciano innerlich so belastet haben, daß er ihn jeden Tag im Krankenhaus besuchte, jede Nacht für ihn betete, jeden Monat seine Arztrechnung bezahlte... bla bla bla. Was Dikigoros an dieser rührseligen rührenden Geschichte stört? Im Prinzip nichts, nur... daß er sie so ähnlich schon einmal gehört oder gelesen hat, nämlich als Primo Carnera - noch bevor er Weltmeister wurde - einen seiner Gegner im Ring krankenhausreif schlug (im Gegensatz zu Vingo erlag der später seinen Verletzungen), was ihn innerlich so belastet haben soll, daß er... usw. Vielleicht hat da jemand einen alten Zeitungsartikel gefunden und bloß abgeschrieben, unter Auswechslung der Namen?!?

6Marciano behauptete später, dieser Kampf sei sein psychologisch schwerster gewesen, da er Hemmungen gehabt habe, einen "alten Mann" zusammen zu schlagen. (Im Kampf bemerkte man freilich von diesen "Hemmungen" nichts, auch wenn der Bearbeiter der deutschsprachigen Wikipedia-Seite schreibt, es sei "offensichtlich" gewesen, daß Marciano "sein ehemaliges Vorbild schonte" - aber der muß wohl ein anderes Match gesehen haben :-) Böse Zungen lästerten unter Bezugnahme auf diese Aussage, Marciano sei bloß deshalb ungeschlagen geblieben, weil er immer nur gegen "alte Männer" geboxt habe. Aber das ist schon in der Sache falsch, und selbst wenn es wahr wäre, dann würde es nicht viel besagen: Fast alle Weltmeister der Boxgeschichte wurden das gegen z.T. deutlich ältere Titelverteidiger. Marciano ging auch schon auf die 30 zu und war nur 9 Jahre jünger als Louis, der selber anno 1936 dem 9 Jahre älteren Max Schmeling unterlegen war. Der Hauptgrund war ein ganz anderer.
Darf Dikigoros etwas weiter ausholen? Er spielte in jungen Jahren Schach - auch turniermäßig -, und zwar überdurchschnittlich gut, wenngleich nicht überragend. Er verfolgt noch heute auf einschlägigen Webseiten aktuelle "Spitzenpartien" und ist ziemlich sicher, daß er mit der Spielstärke, die er als 20-jähriger besaß, gegen die heutigen "Großmeister", einschließlich des norwegischen Figurenschiebers, der sich "Weltmeister" nennen darf, kaum ein Remis abgeben würde. (Vergeßt die hohen ELO-Zahlen - die sagen doch nur etwas über die relative Spielstärke aus, und unter Einäugigen ist der Blinde König!) Woran liegt das? Ganz einfach: Intelligente, begabte Menschen wollen keine Schach-Profis mehr werden. Warum? 1. weil sie wissen, daß Menschen immer schlechter spielen werden als selbst die billigsten Schachprogramme. (Die "Cracks" leben in ständiger Angst, von ihren Gegnern mit Hilfe eines Computers "betrogen" zu werden :-) 2. weil sie wissen, daß es finanziell nicht mehr genügend abwirft.
In den 1970er Jahren, nach Bobby Fischers WM-Sieg, wurde Schach in den USA zu einer der populärsten Sportarten überhaupt. Man konnte so gut wie jedes Wochenede an irgend einem Turnier teilnehmen, bei dem selbst mittelmäßige Spieler mit etwas Glück immer ein paar US-$ gewinnen konnten, denn diese Turniere wurden in Rating-Gruppen ausgetragen, mit Auf- und Absteigern wie heute in den Fußball-Ligen. Es gab "Künstler", die bei einem Turnier absichtlich alle Partien verloren, um in eine tiefere Gruppe abzusteigen, wo sie dann beim nächsten Turnier alle Partien - und das Preisgeld, das es nicht nur für Gruppensieger, sondern auch für Zweit- und Drittplazierte gab - gewannen, wieder aufstiegen usw. Davon ist nichts mehr geblieben.
Im Boxsport der 1930er Jahre war es ganz ähnlich wie im Schach der 1970er Jahre: Selbst ein mittelmäßiger Schläger "Fighter" konnte in irgend einem Provinzkaff oder in irgend einem Vorkampf relativ gutes Geld verdienen. (Es herrschte Wirtschaftskrise, d.h. besser bezahlte "normale" Jobs waren, zumal für ungelernte Arbeiter, rar; und die, die es gab - z.B. Bauarbeiter auf Brücken und Wolkenkratzern -, waren nicht weniger gefährlich für Leben und Gesundheit als eine Schlägerei Ringschlacht vor zahlendem Publikum.) Aber dann kam der Krieg. Gewiß, die Profis durften weiter boxen; aber sie wurden mit mehr oder weniger Nachdruck gezwungen genötigt überredet, ihre Kampfbörsen der "guten Sache", d.h. dem Militär zu "spenden" - wenn sie nicht eingezogen und an die Front geschickt werden wollten. (Einige waren schon eingezogen worden, hatten aber bequeme "Druckposten" zuhause.) Nach dem Krieg bekamen sie dann Post vom Finanzamt, wonach diese Spenden nicht "gemeinnützig", somit nicht von der Steuer absetzbar, sondern nachzuversteuern seien - selbstverständlich nebst saftiger Verzugszinsen. (So wurde z.B. ein Joe Louis in den finanziellen Ruin getrieben und zu seinem de facto aussichtslosen Comeback-Versuch gezwungen: Der Fiskus bekam seine Börsen, er selber die Prügel. Der Mohr hatte seine Schuldigkeit getan, oder, wie es die Ulknudel Ingrid Steeger mal in Klimbim noch treffender ausdrückte: "Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan; der Mohr kann kaum noch gehen!" :-) Unter diesen Umständen wollte kein halbwegs gescheiter Mensch mehr Profi-Boxer werden. Es blieben praktisch nur "alte Männer" - überwiegend dunkler Hautfarbe - übrig, die dann auch nach 1945 weiter machten. (Und sie waren durchaus nicht alle schlecht; Dikigoros hätte sich auch als 20-jähriger nicht mit einem 40-jährigen Joe Walcott oder Archie Moore schlagen wollen - geschweige denn mit einem 40-jährigen Sonny Liston oder George Foreman :-) Fazit: Marciano war vielleicht kein überragender Boxer, sondern verdankte seine Karriere günstigen äußeren Umständen; aber mit seinem Alter - oder dem seiner Gegner - hatte das nicht annähernd so viel zu tun wie oft behauptet.

7Zwei Anmerkungen in einer Fußnote:

  1. Es könnte noch einen anderen, auf den ersten Blick viel triftigeren Grund gegeben haben, weshalb Marciano seine Karriere beendete: Er hatte heraus gefunden, daß der Jude Weill ihn allein bei seinem vorletzten Kampf um 10.000 US-$ (nach heutiger Kaufschwächekraft ca. 400.000 US-$) betrogen hatte. Er kündigte ihm daraufhin die Zusammenarbeit und erklärte, nie wieder einen Kampf "für ihn" austragen zu wollen. Aber auf den zweiten Blick ist das kein zwingender Grund: Ein Nachwuchsboxer mag einen gerissenen Manager brauchen, um den Einstieg ins große Geschäft zu finden; aber wer Weltmeister ist, benötigt solche Hilfe nicht mehr. Ausschlaggebend dürften tatsächlich sportliche und/oder gesundheitliche Erwägungen gewesen sein.
    Es war Marciano, nicht Moore, der auf den Rückkampf verzichtete. Letzterer trat vielmehr im Kampf um den durch den Rücktritt vakant gewordenen Titel noch einmal an, scheiterte jedoch an Floyd Patterson, der nicht mal halb so alt war wie er selber.
    Marciano hatte bereits die für November 1953 in Miami angesetzte Titelverteidigung gegen Nino Valdes "sausen lassen" und lieber die Vertragsstrafe gezahlt.


  2. Als Marcianos WM-Nachfolger Patterson 1959 von Ingemar Johansson völlig überraschend (er war 5:1-Favorit) k.o. geschlagen wurde, juckte es Marciano nach eigenem Bekunden noch einmal in den Fingern, gegen den - 9 Jahre jüngeren - Schweden ein Comeback zu versuchen; aber am Ende siegte die Vernunft, und er lehnte das - durchaus lukrative - Angebot, gegen "Thors Hammer" anzutreten, ab.


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