DAS ENDE DER GLOBALISIERUNG

Die Politik der EU läutet das Ende der Globalisierung ein

von Thomas Röper (Anti-Spiegel, 16. Juni 2022)

gekürzt u. kommentiert von Nikolas Dikigoros

Dass die treibende Kraft in der Anti-China-Politik, der sich die EU mittlerweile verschrieben hat, die USA sind, ist für jeden offensichtlich. Als Präsident Trump den Handelskrieg gegen China vom Zaun gebrochen hat, da hat sich die EU noch gesträubt, sich dem anzuschließen, obwohl führende EU-Politiker wie Reinhard Bütikofer schon zu Trumps Zeiten für einen explizit anti-chinesischen Kurs getrommelt haben, auch wenn das der Wirtschaft in der EU schadet und Millionen Arbeitsplätze kosten kann.

Wenn Trump und Biden das gleiche tun

Als Trump dann aus dem Amt war, hat man in Brüssel wohl gehofft, dass sich die amerikanische Chinapolitik unter dem als Heilsbringer gefeierten Joe Biden ändern würde. Aber die Anti-China-Politik war keine Marotte von Trump, sondern ein geopolitisches Ziel der Eliten in den USA, und Biden hat den Kurs von Trump nicht nur beibehalten, sondern sogar noch verschärft. Daher hat sich die EU in treuer Vasallentreue (Anm. Dikigoros: Was mag der gute T.R. da wohl treulich übersetzt haben?!? :-) gegenüber Washington unmittelbar nach dem Machtwechsel in Washington dem amerikanischen anti-chinesischen Kurs angeschlossen, auch wenn er für die EU wirtschaftlich weitaus schädlicher ist, als für die USA. Was unter Trump noch "Pfui!" war, war unter Biden plötzlich toll.

Genauso, wie gerade gegen Russland, rennen die führenden Politiker in der EU und ihren Mitgliedsländern auch in Sachen China sehenden Auges in den wirtschaftlichen Selbstmord, nur um ihrem Kolonialherren in Übersee zu gefallen.

Die "Ideale" der Grünen

Bekanntlich sind die Grünen in ihrer Rhetorik die lautesten Trommler für einen harten Kurs gegenüber China und für eine Abkehr von dem Land. Dass die Grünen keine Ahnung von Wirtschaft haben und dass ihre "Ideale" für sie über so banalen Fragen, wie Wirtschaft und Arbeitsplätzen stehen, ist auch nicht neu. Neu ist allerdings, dass ihnen ihre "Ideale" inzwischen sogar wichtiger sind als der Umweltschutz. Das konnten wir schon bei den Russland-Sanktionen erleben, die de facto zu einer Renaissance der Kohleenergie geführt haben und auch den für die Grünen so heiligen Atomausstieg in Frage stellen.

Das wird wohl auch beim Kampf gegen China passieren, denn eine wirtschaftliche Abkopplung der EU von China wird unter anderem dazu führen, dass die von den Grünen propagierte Energiewende nur auf Kosten großer Umweltschäden in Europa umsetzbar wird. Man wird zur Gewinnung vieler Rohstoffe (nicht nur Öl und Gas) auch in Europa nicht um das umweltschädliche Fracking herumkommen, was die Grünen dann als den Preis bezeichnen werden, den man für die "westlichen Werte" zu zahlen bereit sein muss.

Um die dafür nötige Stimmung in der Öffentlichkeit zu schüren, werden immer wieder anti-chinesische Medienkampagnen losgetreten. Die letzte war die Präsentation der sogenannten "Xinjiang Police Files" - das war, wie man in nur fünf Minuten Recherche überprüfen konnte, eine ziemlich dilettantische Propaganda-Aktion der USA, um die westliche Öffentlichkeit weiter auf ihren Anti-China-Kurs einzuschwören.

Die einzigen "Ideale", denen heutigen Grünen noch folgen, sind die Ideale der US-Eliten. Die Grünen sind mittlerweile zu den eifrigsten Unterstützern der Ziele der amerikanischen Geopolitik geworden, und diese "Ideale" stehen für die Grünen mittlerweile über so banalen Themen wie Umweltschutz oder Sicherung des Wohlstands der Menschen, wobei letzteres die Grünen ohnehin nie wirklich interessiert hat.

Die neue(n) Weltordnung(en)

Ich habe sehr oft darauf hingewiesen, dass es in dem derzeitigen Konflikt nicht um die Ukraine geht, das gebeutelte Land ist nur das Bauernopfer der Geopolitik. Es geht um den Kampf der Globalisten, die im Westen die Zügel in der Hand halten, gegen Staaten, die der Meinung sind, dass die Wirtschaft zwar gerne Geld verdienen darf, sich aber gefälligst aus der Politik herauszuhalten hat. Diese Staaten sind in erster Linie Russland und China und daher sind sie die erklärten Feindbilder der USA und ihrer Eliten.

In diesem Jahr sind wir in die heiße Phase dieses geopolitischen Ringens eingetreten, über das westliche Medien und Politiker offen sagen, dass es ihnen um eine neue Weltordnung geht. Da sie Russland und China jedoch nicht besiegen konnten, ist die neue Strategie in dieser heißen Phase des geopolitischen Ringens offenbar, sämtliche Beziehungen - nicht nur die politischen, sondern auch die wirtschaftlichen - zu Russland und China zu kappen. Wenn keine der beiden Seiten demnächst einen entscheidenden Sieg erringt, dürften wir in absehbarer Zeit zwei nebeneinander existierende Wirtschafts- und Finanzsysteme auf der Welt haben.

Über die Ziele der westlichen Politik, die Wirtschaft so sehr zu schädigen, dass im Westen schließlich ohne allzu große Proteste ein neues System, die neue Weltordnung, eingeführt werden kann, und die Mittel, mit denen dieser Weg umgesetzt wird, veröffentlichen russische Analysten immer mehr Artikel, aktuelle Beispiele finden Sie hier und hier.

Zu diesem Schluss kommen übrigens auch Experten im Westen, auch wenn sie andere Formulierungen benutzen. Vor einer Woche hat der Spiegel in einem Artikel von den gleichen Tendenzen berichtet, auf die sich demnach die Mehrheit der Finanzvorstände westlicher Konzerne vorbereiten. Was russische Experten offen beim Namen nennen, wird im Westen mit dem Worten wie "Blockbildung" und Formulierungen wie "Lokalisierung der Lieferketten" umschrieben. Aber es bedeutet das gleiche, was auch die Russen kommen sehen: Die Entstehung von zwei nebeneinander existierenden Wirtschafts- und Finanzsystemen auf der Welt.

Nun hat die russische Nachrichtenagentur TASS eine weitere Analyse veröffentlicht, die sich mit der - allen voran von den Grünen propagierten - Anti-China-Politik der EU beschäftigt und aufzeigt, warum diese Politik für die EU ein weiterer Nagel in ihrem selbst gezimmerten Sarg ist. Da ich die Analyse sehr aufschlussreich finde, habe ich sie übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Ist die Globalisierung Vergangenheit? Europa bricht auf Befehl der USA mit China

Peking, nicht Washington, war in den 2010er Jahren der wichtigste Handelspartner der EU. Doch im Jahr 2022 ist Politik wichtiger als Wirtschaft: Die etablierten Handels- und Investitionsbeziehungen zerbrechen vor unseren Augen.

Nach einer einjährigen Pause bereiten sich China und die EU auf eine neue Runde im Sanktionskrieg vor. Am 9. Juni erkannte das Europäische Parlament den Inhalt der "Xinjiang-Files" - einer Datenbank über die Situation der chinesischen Uiguren, die durch Hacker erlangt wurde - als authentisch an. (Anm. Dikigoros: Ausgerechnet wegen der muslimischen Uiguren setzt sich der "Wertewesten" bei China in die Nesseln. Das Schicksal der tibetischen Buddhisten oder der chinesischen Christen ist ihm dagegen sch...egal!) Die Abgeordneten fordern, dass zu den bereits 2021 verhängten Sanktionen weitere hinzukomen, auch gegen hochrangige chinesische Beamte. Beim letzten Mal hat China einen solchen Angriff nicht unbeantwortet gelassen: Es hat selbst Europa-Abgeordnete auf die schwarze Liste gesetzt. Europa ist zu einer Fortsetzung des Schlagabtauschs bereit: Laut einer Umfrage wäre ein Viertel der deutschen Investoren bereit, die Produktion aus China in andere Teile der Welt zu verlagern. Allerdings profitiert niemand von einem solchen Bruch: Die chinesischen Investitionen in der Alten Welt haben sich in den letzten zehn Jahren verzehnfacht, und seine Wirtschaft in die Lage versetzt, mit zwei Finanzkrisen zurechtzukommen. Andere derartige Investoren zu finden, ist kaum möglich.

Von Europa stehlen

Trotz der sich abzeichnenden Risiken spricht die EU davon, dass der Rückzug aus China beschlossene Sache ist: In den Beziehungen zu China will die Alte Welt dem Weg der USA folgen. Im Mai 2022 bezeichnete der deutsche Finanzminister Christian Lindner eine "Reduzierung der Abhängigkeit" der deutschen Wirtschaft vom Reich der Mitte als dringend notwendig. Sein Kollege in der Regierungskoalition, Vizekanzler Robert Habeck, ist der gleichen Meinung: "Wir diversifizieren unsere Beziehungen zunehmend und verringern unsere Abhängigkeit von China. Die Unterstützung der Menschenrechte ist wichtiger [als finanzieller Gewinn]" Im Oktober 2021 besuchte eine Delegation des Europäischen Parlaments Taiwan, das China als integralen Bestandteil seines Landes betrachtet. Indem sie dieses heikle Thema anfassen, zeigen die Europäer die Ernsthaftigkeit ihrer Absichten: Es ist bekannt, dass China in der Frage seine Grenzen keine Zugeständnisse machen wird. Als der Bundestag im Mai 2022 die Aufnahme der Insel in die Weltgesundheitsorganisation forderte, als wäre sie ein souveräner Staat, konnte man das nur als einen direkten Angriff auf China verstehen.

Seit 2019, als die EU China zum ersten Mal offiziell als unfreundliche Macht - ihren "Systemgegner und wirtschaftlichen Konkurrenten" - bezeichnete, hat es viele solcher Sticheleien gegeben. In Deutschland wurde chinesischen Unternehmern die Erlaubnis verweigert, einheimische Firmen zu kaufen: Der Staat griff ein. In Frankreich hat sich der Kauf von Ackerland als unmöglich erwiesen: Angesichts des chinesischen Interesses hat Paris die Vorschriften für Transaktionen drastisch verschärft. Und 2021 wurde das wichtigste Abkommen zwischen Europäern und Chinesen, das Große Investitionsabkommen, über dessen Details von 2013 bis 2020 verhandelt wurde, in Frage gestellt. Am 30. Dezember 2020 nahmen die Verhandlungsführer den endgültigen Text an, doch sechs Monate später wurde er von den Abgeordneten des Europaparlamentes eingefroren. Seitdem will man in der Alten Welt nicht mehr an das Dokument erinnern.

Der Kurs der EU, die Verbindungen zu China abzubrechen, fällt nicht zufällig mit der noch tieferen Krise in den Beziehungen zwischen den USA und China zusammen. Washington sagt, es tue sein Bestes, um eine "auf Werten basierte Koalition" zu bilden, deren erklärter Gegner Peking ist. Und doch springt der Unterschied der Ausgangsbedingungen ins Auge: Für die weniger exportorientierte amerikanische Wirtschaft ist ein Abbruch der Beziehungen zum Reich der Mitte keineswegs so schmerzhaft wie für die Europäische Union. Und die vom Pazifischen Ozean ausgehenden Sicherheitsrisiken wiederum sind für die Amerikaner weitaus besorgniserregender als für die Alte Welt. Die Europäer, die gezwungen sind, dem Streit ihres großen Bruders mit China zu folgen, verlieren mehr als nur Geld: Sie verlieren die Initiative, die Chance, sich als einflussreiche internationale Kraft zu behaupten. Es überrascht nicht, dass die Vorbereitung des Rückzugs in Europa manchmal ein Raunen hervorruft.

Dem Drachen am Schnurrbart ziehen

"Sollen wir jetzt alle Fabriken [in China] schließen?" fragt Jörg Wuttke, Leiter der EU-Handelskammer in China, irritiert. Sein Unverständnis ist verständlich. Rund 900.000 Arbeitsplätze in Deutschland sind direkt mit den Geschäften deutscher Unternehmen in China verbunden, wo sie fast eine Million Menschen beschäftigen. Die deutschen Investitionen in China belaufen sich auf insgesamt 86 Milliarden Euro. Es überrascht nicht, dass China von 2015 bis 2021 ununterbrochen den ersten Platz unter den deutschen Handelspartnern einnimmt.

Historisch gesehen stehen die Vorteile der deutsch-chinesischen Beziehungen mit der Überwindung von drei aufeinanderfolgenden Finanzkrisen durch Deutschland in Verbindung: die erste nach der Wiedervereinigung mit der DDR, die zweite nach dem Crash von 2008 und die letzte durch die Pandemie. Das Wirtschaftswachstum Chinas bedeutet einen proportionalen Anstieg seiner Zahlungsfähigkeit. Das Reich der Mitte hat den stagnierenden Volkswirtschaften der Alten Welt jahrelang durch seine starken bilateralen Beziehungen (und seine Nachfrage nach europäischen Waren) geholfen, eine Rezession zu vermeiden.

Außerdem hat China bei ihnen investiert. Von 2010 bis 2018 haben sich die Gesamtinvestitionen verzehnfacht, von 6,1 Milliarden Euro auf 79 Milliarden Euro. Und obwohl die Handelsbilanz stets zu Gunsten Chinas ausfiel, hat das Land jedes Jahr mehr und mehr ausgegeben, bis es Ende des letzten Jahrzehnts in Europa auf einen kalten Empfang stieß.

Der Preis der Uneinigkeit

Der Wunsch, die Verbindungen zu China abzubrechen oder zumindest qualitativ zu schwächen, stellt für Europa das gleiche Problem dar, wie die Pläne zum Boykott Russlands. So, wie der Verzicht auf russisches Pipeline-Gas die Europäer zwingt, viel umweltschädlicheres Flüssiggas zu kaufen, so erschwert der Ausschluss Chinas aus den Lieferketten den Übergang zu einer grünen Wirtschaft, deren Ressourcenbasis in China konzentriert ist. Das Reich der Mitte ist anerkanntermaßen führend bei der Gewinnung von seltenen Erden, ohne die Elektroautos, Solarpaneele und Windturbinen nicht hergestellt werden können. Von den 30 Arten von Rohstoffen, die in der EU als kritisch eingestuft werden, sind 19 überwiegend chinesischen Ursprungs. Das bedeutet, dass Europa, wenn es seine Beziehung zu China als eine Abhängigkeit betrachtet, keine andere Möglichkeit hat, als die Versorgung aus alternativen Lagerstätten zu sichern, die es erst einmal finden muss.

Die Aufgabe zu lösen, ist, so seltsam sie auch erscheinen mag, nicht unmöglich. Lagerstätten für seltene Erden sind gar nicht so selten: Es gibt sie in Europa, wo in Sachsen bereits die Förderung von Lithium vorbereitet wird, und in Grönland, das zu Dänemark gehört. Die Schwierigkeit liegt in der Gewinnung dieser Ressourcen: Wie das US-amerikanische Frackingöl und -gas kann man sie nur zum Preis der Zerstörung der Umwelt aus dem Boden holen. Der Bruch mit China stellt die Europäer vor eine schwierige Wahl: entweder Geopolitik oder Umweltschutz.

Aus der Sicht der USA, wo die Umweltstandards niedriger sind als in Europa, scheint diese Schwierigkeit nicht unüberwindbar zu sein. Das boden- und wasservergiftende Fracking zur Gewinnung von Öl und Gas aus Schiefergestein ist in einem Teil der amerikanischen Bundesstaaten erlaubt, was es ihnen 2022 ermöglicht hat, ihre Einnahmen zu steigern, indem sie konkurrierende sauberere russische Produkte vom Markt verdrängt haben. In Europa selbst, das sehr sensibel mit seinem Naturerbe umgeht, sieht die Situation anders aus. Solche Opfer zu bringen, ist für Europa schwierig.

Vor der chinesischen Mauer

Vielleicht, weil die Last der Zweifel für die Europäer größer ist, sind sie beim Rückzug aus China schon seit 2018 hinter Tempo der USA in dem von den Amerikanern ausgelösten Konflikt zurückgeblieben. Es besteht jedoch kaum eine Chance, ihn in absehbarer Zeit zu entschärfen. Die EU wird dabei von dem natürlichen Solidaritätsprinzip einer jeden Union gestört, das die Unterstützung aller Mitgliedstaaten voraussetzt, von denen einige ein besonderes Vertrauensverhältnis zu den USA haben. Dazu gehört auch Litauen, das 2021 einen völlig unvorhergesehenen Streit mit China ausgelöst hat.

Aufgrund der freundschaftlichen Beziehungen zu den Amerikanern (etwa 600.000 Litauer leben in den USA, gegenüber 2,5 Millionen im Baltikum) erklärte sich Vilnius bereit, eine Handelsmission aus Taiwan bei sich aufzunehmen. Die daraufhin von China verhängten Sanktionen waren zu erwarten, doch der Schlag traf, wenn auch nur symbolisch, die gesamte Europäische Union, weil er eines ihrer Mitgliedsländer betraf. (Anm. d. Übers.: Darüber habe ich berichtet, Details finden Sie hier)

Die Falle ist zugeschnappt: Die europäischen Staaten wurden in eine neue Runde der Konfrontation mit Peking hineingezogen. Ihre Fortsetzung ist mit globalen Veränderungen für die Weltwirtschaft verbunden, denn nicht nur China ist der erste Wirtschaftspartner für die EU, sondern auch die EU für China. Wenn sie auseinanderdriften, werden sie sich auf die Bedürfnisse ihrer Heimatmärkte konzentrieren und die Weltwirtschaft fragmentieren. Europa verliert dabei seine Chance, ein vollwertiger geopolitischer Akteur zu werden.

Ende der Übersetzung


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