Karl Eskelund

(1918 - 1972)

[Karl Eskelund]

EIN KAPITEL AUS DIKIGOROS WEBSEITE
ALS ES NOCH KEIN INTERNET GAB
Reiseschriftsteller des 20. Jahrhunderts

Kaum ein Reiseschriftsteller des 20. Jahrhunderts ist heute so vergessen - und keiner so zu Unrecht - wie der Däne Karl Eskelund, von dem heute praktisch niemand mehr etwas weiß - nichtmal im Internet. Man muß sich also auf seine autobiografischen Schriften - "Meine chinesische Frau" (1945) und "Mein dänischer Vater" (1947) verlassen - und auf die seiner Frau Chi-yun, die 20 Jahre nach seinem Tode einen Nachruf unter dem viel sagenden Titel "Mein Casanova" über ihn verfaßt hat.

Daß man ihn in Deutschland kaum kannte und kennt, ist verständlich - unmittelbar nach dem Krieg hatten die Deutschen ganz andere Sorgen; und als dann in den 50er Jahren einige Übersetzungen auf den Markt kamen, dann unter Titeln, die garantiert keinen Freund von Reisebeschreibungen auf sich aufmerksam machten, wie "Mein Frau ißt mit Stäbchen", "Mein Vater der Zahnarzt", "Kopf in der Tasche", "Des Kaisers neue Kleider" (in Anspielung auf ein Märchen des dänischen Dichters Hans-Christian Andersen) oder "Der rote Mandarin". Sie blieben meist in den Regalen liegen, so daß seine späteren Werke nicht mehr ins Deutsche übersetzt wurden.

Dabei war es für Eskelunds späteres Reiseleben durchaus nicht unwichtig, daß sein Vater Zahnarzt war. Dikigoros hat an anderer Stelle geschrieben, daß die zwischen 1912 und 1932 Geborenen für gewöhnlich anderes zu tun hatten, als durch die Welt zu reisen und darüber zu schreiben. Karl Eskelund war die eine Ausnahme, welche die Regel bestätigt; denn sein Vater wurde, lange bevor der Zweite Weltkrieg ausbrach, an den Hof des Königs von Thailand berufen - als Zahnarzt. So konnte er reisen, und das tat er auch, trotz des [Bürger-]Krieges, der auch in China herrschte, und er brachte sich von dort sogar eine Frau mit, die ihn auf vielen seiner späteren Reisen begleitete...

"Kopf in der Tasche" war die Übersetzung von "Head Hunting in Ecuador" - das Thema der Kopfjagd der "Wilden" hatte offenbar auch im Jahre 1953 noch nichts von jener Faszination verloren, der einst Ferdinand Emmerich erlegen war, was umso erstaunlicher ist, als die "ziviliserten" Völker doch gerade erst einen Weltkrieg mit über 50 Millionen Toten geführt hatten, in und nach dem sie sich aufgeführt hatten, daß jedem braven Jivaro im Urwald von Ecuador mit Recht die Haare zu Berge gestanden hätten. (Später wurde der Titel geändert in "Vagabond fever. A gay journey in the land of the Andes" - aber das konnte man 1957, als die deutsche Ausgabe erschien, erst Recht nicht mehr verkaufen, nachdem "gay", das ursprünglich "fröhlich" bedeutete, allmählich die Bedeutung von "schwul" annahm.)...

Auch in Indonesien gab es, als Eskelund es 1954 besuchte - und wohl noch einige Zeit danach - "Menschenfresser", genauer gesagt im Dschungel von Borneo...

Aber wenn Eskelund weiter nichts geschrieben hätte, hätte Dikigoros ihn mit Sicherheit nicht in die Reihe der "großen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts" aufgenommen, denn ihm geht es ja um die Beschreibung fremder Kulturen Zivilisationen, die zwar gerne auf einer früheren Stufe als der modernsten Moderne stehen dürfen; aber in der Steinzeit stehen geblieben sollten sie auch nicht gerade sein. Wie Dikigoros nie müde wird zu betonen, ist die einzige große Kultur der Menschheitsgeschichte, die das 20. Jahrhundert überlebt hat, die indische - die anderen wurden bereits im Mittelalter von den Muslimen zerstört, bis auf die chinesische, die erst dem Maoismus zum Opfer fiel - aber darauf kommen wir gleich zurück. 1956 bereiste Eskelund also - anders als so viele andere Reiseschriftsteller - Indien, und zwar wie man es dümmer nicht anstellen konnte (und kann - zumal das indische Bahnnetz inzwischen stark verbessert wurde): mit dem Auto...

(dts: Hallo, Sahib! Mit dem Auto durch Indien)

Mit erklecklicher Verspätung kam "Des Kaisers neue Kleider" auf den Markt, der Bericht über einen mehrmonatigen Japan-Aufenthalt, zu dessen Veröffentlichung sich Eskelund - der sonst als Zeitungsreporter von mehr oder weniger langen Artikeln lebte - offenbar erst unter dem Eindruck seiner indischen Erlebnisse entschloß; anders kann sich Dikigoros jedenfalls den negativen Unterton nicht erklären, der Kennern des Märchens ja schon aus dem - nicht umsonst gewählten - Titel deutlich wird. Es ist ein böses Buch und ein schlechtes Buch (vieles darin ist nachweislich falsch, z.B. Eskelunds Behauptung, er habe als erster über die japanischen Kastenlosen, die "Eta" geschrieben; tatsächlich konnte man über sie schon im 19. Jahrhundert bei Papinot nachlesen; hätte Eskelund es getan, hätte er auch gewußt, daß es 1953 in Japan tatsächlich keine Eta mehr gab, wie ihm seine Gesprächspartner immer wieder versicherten - man hatte sie nämlich schon 1871 umbenannt :-); dennoch ist es eines seiner interessantesten, und es hat Dikigoros sehr zum Nachdenken gebracht, vor allem über China, das heute etwa auf dem japanischen Niveau der 50er Jahre angelangt ist, über das Eskelund im Vergleich zur Vorkriegszeit schreibt: "Früher war alles japanische schlecht und billig; jetzt ist es alles schlecht und teuer!" 20 Jahre später unternahmen es die Japaner, den Spieß umzudrehen und den Weltmarkt mit Produkten zu erobern, die gut und billig waren - was ihnen Eskelund wohl nie für möglich gehalten hätte; leider lebte er auch nicht lange genug, um es noch mit zu erleben. Dikigoros hält es für ebenso unmöglich, daß Rotchina je über das Niveau "schlecht und billig" hinaus gelangen könnte - aber warum sollte ihnen das nicht ebenso gelingen wie den Japanern? Mit den gleichen Mitteln - Ideenklau am geistigen Eigentum des Westens, Ausbeutung der eigenen Arbeitskräfte und massiven staatlichen Exportsubventionen? Dikigoros hat darüber mit anderen Kennern des Fernen Ostens diskutiert und ist zu dem Schluß gekommen, daß er in Bezug auf Japan vielleicht selber einem Irrtum unterlegen ist: Bei aller Bewunderung für die Errungenschaften der Japaner - deren Aufstieg er intensiv mit erlebt hat - muß man doch feststellen, daß diesen Methoden auf die Dauer kein Erfolg beschieden sein konknte; und die japanische Wirtschaft ist ja auch im Strudel der Asienkrise von 1997 genauso schwer unter die Räder gekommen wie die deutsche im Zuge der ungenau "Globalisierung" genannten Entwicklungen in Europa. Wenn es denn den Rotchinesen gelingen sollte, kurzfristig bei Abnehmern bescheidenerer Ansprüche an ihre Stelle als Dumping-Weltmeister zu treten, dann wird dieser Boom ebenso schnell - oder noch schneller - zusammen brechen wie der japanische Aktien- und Immobilienmarkt in den 90er Jahren. Aber zurück zu Eskelund, der in ganz Japan nur einen wirklich sympathischen Menschen gefunden haben will: den japanischen Pionier der Abtreibung; denn wenn man verhindern wollte, daß die Japaner sich für ihren Bevölkerungsüberschuß wieder neue Gebiete eroberten, also erneut zu bösen Militaristen würden, mußte man sie dezimieren, und das ging eben am besten durch die Tötung ungeborener Kinder im Mutterleib - na bravo!

Wenn man Eskelund liest, sieht man keine großen Unterschiede zwischen Indien, Japan und China - das war halt "Asien", genau wie man sich das im Westen vorstellte: Armut (wer überhaupt Arbeit hatte, der schuftete für ein paar Pfennige), Hunger (eine Handvoll Reis am Tag, dazu etwas Gemüse, mit viel Glück ab und zu auch mal einen Fisch), Schmutz (vor allem die hygienischen Verhältnisse machten den Arztsohn schaudern) und Übervölkerung - wo war da schon der große Unterschied? In der Kultur? Aber die konnte man als des Lesens und Schreibens in allen drei Ländern gleichermaßen unkundiger Ausländer doch nicht essen! Nach Eskelunds Meinung hatten die Japaner ohnehin fast alles von den Chinesen übernommen, sogar den - ursprünglich indischen - Buddhismus. Aber halt, eines war doch in China inzwischen anders als in Indien und Japan: es gab keine Kasten mehr - damit hatten die braven Kommunisten doch endlich Schluß gemacht!...

Red Mandarins: Travels in China (1957)
(dts: Der rote Mandarin, Eine Reise durch das China Mao Tse-tungs, 1961)

Black man's country: A journey through Ghana (1958)
The forgotten valley: A journey into Nepal (1959)
(dts: Zeitenwende in Nepal, 1962)
While God slept: Travels in Africa (1961)

Black caviar and red optimism: Travels in Russia (1962)
Revolt in the tropics. Travels from Cuba to British Guiana (1963)

Sun, slaves and sinners: Travels in the Philippines (1964)

Behind the peacock throne: Travels in Persia (1965)

...

(Fortsetzungen folgen)

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