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Der Geldwechslerbogen und die Basilika San Giorgio in Velabro

Die Basilika San Giorgio in Velabro steht auf uraltem historischem Grund, an der sumpfigen Stelle, an der die Wölfin Romulus und Remus gefunden haben soll: die Silbe vel bezeichnet in alten italischen Dialekten feuchten Boden.
Die dem heiligen Georg von Kappadokien (in einem Stadtviertel, das zu dieser Zeit zum Großteil von griechischsprachigen Händlern und Beamten des östlich-byzantinischen Reichsteils bewohnt war) geweihte Kirche ist spätantik; Papst Gregor d.Große erneuerte hier im späten 6. Jhdt. eine "Diakonie", in der Arme gespeist wurden. Der heutige Bau entstand zwischen dem siebten und dem zehnten Jahrhundert und erinnert in seiner schlichten Basilikastruktur wohl von allen Kirchen Roms am ehesten an den konstantinischen Petersdom. 1295 erhob Papst Bonifaz VIII. ihn zur Kardinalskirche, damals soll Giotto die Apsis ausgemalt haben. Der gedrungene Glockenturm wurde im 12. Jhdt hinzugefügt.
Kunsthistorisch wichtig ist auch die wohl ins frühe 13. Jhdt zu datierende Vorhalle. Hier waren die Säulen nicht mehr, wie oft noch im 12. Jhdt (und natürlich auch im Schiff der Basilika San Giorgio in Velabro selbst), antike Spolien, sondern Neuanfertigungen des Mittelalters. In solchen Neuproduktionen nach ererbten Mustern zeigte sich nicht nur die Erschöpfung des antiken Materialbestandes, sondern vor allem ein gesteigertes Selbstbewußtsein der antiken Künstler und Handwerker. Sie wetteiferten nun mit ihren antiken Vorläufern aus eigener Kraft, nicht mehr in sklavischer Abhängigkeit.
Solche Eigenständigkeit ist wohl in Zusammenhang mit dem Aufblühen Roms im 12. Jhdt zu bringen, das sich gegen die Herrschaft der Päpste auf altrömische Rechtsansprüche berief und diesen politischen Freiheitswillen in antikisierenden Kunstwerken dokumentierte.
Die Vorhalle von San Giorgio - wie die der nahe gelegenen Kirche Santa Maria in Cosmedin, in der die berühmte Bocca della Verita steht - wiederholt dabei einen profanen Bautyp, der sich im hochmittelalterlichen Rom an zahlreichen Bürgerhäusern befunden haben soll: kolonnadenartige, schattenspendende Vorräume und Umgänge in Straßen und Plätzen. Da in Rom mittelalterliche Profanbauten kaum erhalten sind, kommt diesen kirchlichen Bauzeugen besondere Bedeutung zu. 

Der Geldwechslerbogen wirft einige interessante Fragen hinsichtlich Funktion des Baues,  Motivation der Stifter – der argentarii et negotiantes boarii – und  Wahl des ikonographischen Programmes auf.
Das erste, was den Betrachter stutzig macht, ist die Bauform. Das Monument wird zwar allgemein als ‘Bogen’ bezeichnet, aber es ist kein Bogen im eigentlichen Sinne, denn es handelt sich um einen Architravbau, der aus drei Grundelementen, dem Architrav und den zwei Standpfeilern besteht. Diese Form, derart dekoriert, kennen wir als alleinstehenden Bau kaum.
Gegen seine Funktion als freistehender Durchgang zum Forum Boarium und Velabrum spricht die Tatsache, daß er auf der Rückseite nicht dekoriert ist und daß die Theorie, unter ihm habe eine direkte Verbindungsstraße zum Vicus Iugarius hindurchgeführt, grabungstechnisch nicht bewiesen ist.
Die Idee, sich den Argentarierbogen als monumentale Statuenbasis vorzustellen, scheitert daran, daß jegliches Element für eine Identifizierung von Einlassungsspuren oder einer Basis für Skulpturen fehlt. Damit bleibt nur eine Möglichkeit offen: es handelt sich beim Argentarierbogen um einen Eingang, der nicht etwa zu einem Stadtviertel, wie dem Velabrum, führte oder vom Forum Boarium weg, sondern den Zugang zu einem Gebäude bildete, vielleicht zur schola, dem Vereinshaus der beiden Stifterkollegien.
Was die Motivation für die Stiftung des Argentarierbogens betrifft, so haben wir keine eindeutigen Beweise und können nur anhand von Vergleichen, die uns aus der severischen Zeit zur Verfügung stehen, Vermutungen anstellen. Fest steht, daß das Kollegium der Bankiers und Rinderhändler des Forum Boarium sich für irgend etwas dankbar erwiesen hat, und zwar dem Kaiser und seiner Familie gegenüber, aber vielleicht auch den Konsuln des Jahres 204. Zumindest einer von ihnen hatte als Schutzherr des Kollegiums, als patronus, gewirkt und sich dabei wohl Verdienste erworben.
Am ehesten kämen dabei Vergünstigungen in Hinblick auf das unter Septimius Severus immer mehr angewandte munera-privilegia-System in Frage, das den Rinderhändlern im Falle ihrer konzentrierten Mitwirkung bei der annona, der Lebensmittelversorgung der Stadt, steuerliche Erleichterungen und damit wirtschaftliche Vorteile verschaffte. Diese Mitwirkung bestand in der autonomen Beschaffung der Tiere in den umliegenden Gebieten Roms und ihrer Einfuhr in die Stadt. Diese Privilegien betrafen natürlich nicht nur die negotiantes boarii, sondern auch deren enge Mitarbeiter, die argentarii. Ein weiterer Beweggrund für die Stiftung, der sich allerdings nicht beweisen läßt und deshalb auch nur als Denkansatz angesehen werden soll, liegt im der Darstellung des kleinen unteren Reliefs der linken Außenseite des Monuments, worauf möglicherweise der Abtransport der erbeuteten Tiere aus den Partherkriegen wiedergegeben ist. Vielleicht erhielten die Rinderhändler des Forum Boarium das Privileg, sich um die Beutetiere zu kümmern und erwirtschafteten daraus große Gewinne.
Gehen wir von der These aus, daß sich hinter dem Argentarierbogen die schola des Kollegiums befunden hat, so wäre es auch möglich, daß Septimius Severus im Zuge der generellen Umstrukturierung und Monumentalisierung des Forum Boarium den Bankiers und Rinderhändlern beim Bau ihres Vereinssitzes geholfen bzw. einen Teil der Finanzierung übernommen hat. Als Dank hätten die Nutznießer den Eingang zu ihrer schola monumental ausgestaltet und sich so beim Kaiser für seine Großzügigkeit revanchiert, indem sie ihn und sein Haus verherrlichten.
Die Gliederung und Aufteilung des plastischen Schmucks am Argentarierbogen ist, soweit man aus dem Erhaltenen schließen kann, regelmäßig und symmetrisch. Gesims und Gebälk sind mit verschiedenen Ornamentleisten reich dekoriert, und an der Vorderseite ist der Architrav mit der Inschrift versehen, an deren Enden sich jeweils eine Darstellung des Hercules und des ‘Genius’ befindet, die wohl beide am ehesten als Schutzgottheiten des Forum Boarium zu verstehen sind. Die Unterseite der Bekrönung des Argentarierbogens besteht aus einer Kassettendecke.

Der Durchgang ist an den Standpfeilern von oben nach unten mit girlandentragenden Victorien dekoriert. Dann folgen die zentralen Bilder, rechts jenes mit Septimius Severus, Iulia Domna und Geta, der vielleicht den caduceus in der Hand hielt, und links jenes mit Caracalla an dessen Seite man sich noch Plautilla und ihren Vater Plautian vorzustellen hat. Darunter waren Opferinstrumente und je ein Relief mit der Tötung des Opferstieres angebracht.

Die Vorderseite ist zwar in einem wesentlich schlechteren Erhaltungszustand als die Innenseite, doch Rekonstruktionsvorschläge sind möglich. So könnte man sich die vordere Ansichtsseite von oben nach unten mit girlandentragenden Adlern, dem zentralen Relief mit links und rechts jeweils einem Mann in Toga denken, die mit Vorsicht vielleicht als die Konsuln aus dem Jahre 204,  M. Annius Flavius Libo und L. Fabius Cilo Septiminus zu identifizieren sind, und die Szene der Geleitung des geschmückten Stieres zum Opferaltar.
Die einzige uns erhaltene Außenseite zeigt oben vier Jünglinge mit einem Thymiaterion, darunter die große Darstellung mit zwei gefangenen Barbaren, die von Soldaten abgeführt werden. Das kleine Relief darunter zeigt eine Rinderherde, die von einem bärtigen Mann angetrieben wird.
Was die künstlerische Ausführung und den Stil des Architekturdekors und des Reliefschmuckes am Argentarierbogen betrifft, so ist eindeutig zu spüren, daß es sich um kein öffentliches Staatsdenkmal, sondern um eine Stiftung durch Private handelt, die sicherlich nicht über ausreichende Mittel verfügten, um sich Künstler zu leisten, wie sie etwa am Forum Romanum tätig waren. So ist zu erklären, daß die Komposition durch die Vorliebe für das rein Ornamentale und eine Art Horror vacui beherrscht wird und die Figuren in derselben Art behandelt sind wie die Ornamente, die den Ausführenden ganz offensichtlich mehr lagen.
Der Beginn des dritten Jahrhunderts mit dem Herrscherhaus der Severer an der Spitze des Reiches stellt für die Entwicklung der römischen Welt einen wichtigen Zeitpunkt dar, da der unaufhaltsame kulturelle, politische und soziale Wandel, der dem Reich bevorsteht, immer offensichtlicher wird. Die traditionsbewußte Hauptstadt Rom muß sich immer mehr Einflüssen aus der Provinz fügen, versucht aber dennoch, und dies wird besonders unter der Herrschaft der Severer deutlich, an der Tradition festzuhalten und das zentralistische, immer starrer werdende System, zu erhalten. Diese Tendenz kommt auch in der Kunst zum Ausdruck. Durch die immer auffallendere Vermischung künstlerischer Elemente aus allen Reichsteilen kommt es zu einer Verschiebung der Wertigkeiten. Dieses vieldiskutierte Phänomen der römischen Kultur versieht man gerne mit der Etikette ‘beginnende Spätantike’ und verwendet damit für ein äußerst komplexes System mit unterschiedlichsten Wechsel- und Auswirkungen einen ziemlich einfachen Begriff.
Einen kleinen Beitrag zur künstlerischen ‘Dezentralisierung’ der Hauptstadt leistet auch der Argentarierbogen mit seinem nicht gerade ‘stadtrömischen’ Aussehen und dem Mut seiner Erbauer, für Rom fremde Elemente mit Althergebrachtem zu vermischen und daraus etwas stilistisch aber auch baulich Einzigartiges zu schaffen.

Wenige Schritte entfernt steht ein großer Bogen mit Durchgängen in allen vier Seiten. Dabei handelt es sich wohl um einen Ehrenbogen und zwar, wenn man die Fragmente einer großartigen Weiheinschrift aus dem 4. Jhdt, die sich in der Kirche S. Giorgio in Velabro teils unter dem Porticus, teils im Innenraum eingemauert findet, wo man sie im Mittelalter wieder verwendete, berücksichtigt, um den Arcus Constantini. Die Formulierungen, in denen von einem Kaiser die Rede ist, der einen Tyrannen besiegte, können sich auf Konstantin oder auch auf Constantius II. beziehen.
Die vier Bogenscheitel des Durchgangsbogens sind mit Darstellungen der sitzenden Roma und Iuno und der stehenden Minerva und wohl Ceres geschmückt.
Der Bogen stand an der äußersten Ostseite des Forum Boarium über einem Arm der Cloaca Maxima. (In der Nähe des Bogens kann man hinter einem modernen Gitter ein Stück der Cloaca Maxima sehen.)

 

 

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