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Wie kaum eine andere antike Gottheit ist Apoll für viele
unterschiedliche Bereiche (Gott der Jugend, der Kunst (insbesondere Musik und
Dichtung), des Wissens, des Denkens, der Heilkunst, des Bogenschießens) zuständig. Er ist
der Gott der Weisheit
und der Weissagung. Sowohl in Griechenland als auch in
Kleinasien gab es viele dem Apoll geweihte Orakelstätten. Das wohl berühmteste
Heiligtum und Orakel des Apoll befand sich in Delphi, wo die Priesterin Pythia
- durch Drogen berauscht - den Willen ddes Gottes als Orakel offenbarte. Dieses Orakel
von Delphi hatte im religiösen, politischen und privaten Bereich höchste
Autorität.
Auf italischem Boden befand sich in der Stadt Cumae das
bekannteste Apollonorakel. Der Sage nach waren die Weissagungen des Gottes in 14
Büchern niedergeschrieben worden, welche von Sibylle, der Priesterin des
Apoll,
gehütet wurden. Drei dieser Bücher soll sie an den römischen König
Tarquinius Priscus verkauft haben. Diese sogenannten sibyllinischen Bücher
wurden zunächst im Tempel des Juppiter, darauf im Tempel des Apoll aufbewahrt
und durften nur von einem besonderen Priesterkollegium auf Senatsbeschluss in
schwierigen politischen oder militärischen Situationen um Rat befragt werden.
"Aus sich gestellt sein" nannten die Griechen den Zustand der
Wahrsager und Seher. Das eigene Ich dachte man sich dabei herausgestellt, wenn
ein Gott in den Menschen fahre und aus ihm rede; der Mensch in seinem
ekstatischen Zustand war dann "des Gottes voll" (en-theos,
Enthusiasmus).
Sibylle wurde schon in der Antike zu einer Art Berufsbezeichnung für
berühmte ekstatische Seherinnen. Die sibyllinischen Wahrsagungen reichen bis
ins Juden- und Christentum. Varro nennt zehn verschiedene Orakelorte einer
Sibylle und man glaubte auch, daß es sich in Wahrheit nur um eine, unsterbliche
Sibylle handele, die an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten
erscheinen könne. In Griechenland waren neben der von Delphi vor allem die
Sibyllen von Marpessos bei Gergis (Herophile genannt) und von Erythrai bekannt.
Der Kult von Erythrai soll nach Cumae verpflanzt worden sein.
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Die Sibylle von Cumae
führt Aeneas zum Eingang in die Unterwelt. Miniatur zum VI .Buch der
Aeneis Ms. Membr. IV E 6 (XV sec.). Napoli Biblioteca
Nazionale Vittorio Emanuele III. |
Nicht
zuletzt durch die Interessen lokaler 'Führer' ist das Nachleben vergilischer
Örtlichkeiten (antrum Sibyllae Cumanae und Campi Elysii) des sechsten Aeneisbuches zwischen Cumae, Misenum und dem Averner
See ins allzu Konkrete ausgeufert:
Seit der Spätantike hat man drei Plätze als 'Grotte
der Sibylle' bezeichnet, den Tunnel zwischen Averner und Lucriner See, die
ostwestlich verlaufende 'Crypta Romana' unter dem Burgberg von Cumae und die
(von Maiuri 1932 neu entdeckte) nordsüdliche Ganganlage an dessen Westflanke.
Die echte alte Orakelgrotte der Zeit vor 421 v. Chr. ist wohl kaum mehr zu
identifizieren, schon gar nicht, was Vergil gesehen und beschrieben hat: er war
kein Topograph, sondern folgte der literarischen Tradition, gab also kein
Abbild der phlegräischen Felder, sondern einer literarischen Odysseelandschaft
- in der erstmals bei Ephoros kenntlichhen Übertragung des homerischen
Schattenreiches der Kimmerier, ergänzt durch die epirotische Thesprotis mit
ihrem Totenorakel am Zusammenfluß von Kokytos und Acheron, nach Kampanien -,
die, schon vor der Aeneis von der Aeneassage besetzt, erst mit dieser durch eine
aeneische, somit vergilische Landschaft abgelöst worden ist.
Deren literarische Rezeption trägt dann zum Teil fast schon touristische
Züge, so bei Ovid, Petron, Statius und Späteren, vor allem bei Silius
Italicus, dessen Epos nicht ein autarkes Kunstwerk ist, sondern seine
Wirkung im Dialog mit dem Vorbild entfaltet. (vgl., als nur ein
charakteristisches Beispiel, etwa die Doppelung und Umdeutung der vergilischen
Sibylle).
Illustrationen der Berliner Aeneis
Handschrift
21r. oben: Aeneas bittet die Sibylle von Cumae um Geleit in die Unterwelt
21r. unten: Aeneas findet den für die Jenseitsreise nötigen Zweig
Versucht man dennoch, die Höhle der Sibylle zu lokalisieren, finden zwei Anlagen
viele Fürsprecher:
- Anlage A, die in Ostwestrichtung den ganzen Burgfelsen durchbricht.
Man erreicht ihren Westanfang auf Treppen, die links vom Weg zum Apollon-Tempel
abzweigen. Die Wände sind mit Reticulatwerk sorgfältig verkleidet, die
Decke abgestützt und die ganze Länge von 180 m durch Lichtschächte
erhellt und gelüftet. Hinter einem engen Eingang öffnet sich ein Vestibül
(die Decke ist eingestürzt und beseitigt). Erst 60 m vor dem Ostausgang ist
später rechts ein großes Wasserreservoir eingefügt und schließlich der
Ausgang selbst in eine katakombenähnliche christliche Grabstätte
umgewandelt worden. Die Bezeichnung als "Grotte der Sibylle"
ist somit höchstens für Nebenkammern rechts zulässig.
- Anlage B: Hier ergibt sich das höhere Alter der Bearbeitung der
Tuffhöhlen aus dem Fehlen der römerzeitlichen Mauerverkleidung.
Nach etwa 25 m nimmt
ein trapezförmiger Gang (Dromos) den Besucher
auf. In regelmäßigen Abständen geben Öffnungen von der Meerseite des Hügels
her Licht; außerdem dringt Licht auch von oben durch senkrechte Schächte
ein. So ist der 131,5 m lange Gang bei 2,4 m Breite und durchschnittlich fast 3
m Höhe gut erleuchtet und gelüftet, also ohne das Dunkel des Geheimnisses, das
allerdings durch Holzläden an den Öffnungen herbeiführbar war.
Auf der linken östlichen Seite des Ganges sind etwas hinter der Mitte drei
dunkle Seitenräume eingeschnitten, die in römischer Zeit sicher als
Wasserreservoire gedient haben; diese Zisternen sind in christlicher
Zeit zu Bestattungen verwendet worden.
Dem Gang eine besondere Bedeutung zuzuschreiben, kann nur sein Ende nahelegen. An
ihm erweitert er sich zu einem querliegenden Raum (Oikos, Adyton mit Ausdrücken
der Kultsprache benannt). Sein vier Seiten haben Bogennischen, die Decke liegt
höher als im Gang und bildet ein Tonnengewölbe. Auf der Ostseite war die
Nische, die der Lichtöffnung gegenüberliegt, verschließbar (Angellöcher
erkennbar) und Bänke laufen auf beiden Seiten auf diese Türöffnung zu. Ein
unterirdisches Gemach als Wohnung der Sibylle kann immerhin nach Art dieses
innersten Raumes vorgestellt werden.
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Cumae; Plan der Soprintendenza
Archeologica zur "Höhle der Sibylle", Anlage B. |
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Cumae, "Höhle der
Sibylle": dromos. |
Das Erscheinungsbild dieses dromos der Anlage B und die Beschreibungen
Vergils und anderer antiker Autoren (z.B. Echo der Sibyllensprüche, 100
Zugänge und Mündungen aditus centum ,ostia centum) sprechen jedoch nicht für die
Identität
dies Gangsystems mit der mythischen Höhle der Sibylle.
Gute Argumente auf seiner Seite hat die Deutung der Anlage A
als
Tunnel für militärische Zwecke. So lehrten die neueren Grabungen, daß eine
antike Straße den Ostausgang des Tunnels mit dem Forum und dadurch mit der Via
Domitiana verband. So hatte diese einen Anschluß zum Hafen von Cumae mit seinen
römischen Molen. Außerdem konnte der Tunnel wohl im Konfliktfall auch der
Bergung von Kultgegenständen aus dem darüber liegenden Apollo-Tempel dienen.
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Cumae, "Höhle der
Sibylle":
Oikos, Adyton
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