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Die Basilika SS. Giovanni e Paolo und der Clivus Scauri
Der Clivus Scauri gehört zu den schönsten römischen Straßen; er
erschließt den Caelius und ermöglicht auf engem Raum beispielhafte
Einblicke in Siedlungsgeschichte und Architektur der Antike.
Wenn man von der Metrostation Circo Massimo kommt, liegen links der Circus
Maximus und der Palatin, man wendet sich jedoch nach rechts und ersteigt
auf einer Straße, die dem antiken Straßenverlauf genau folgt, den Caelius,
wobei sich links und rechts römische Mauerzüge aus spätantiker Zeit teils bis
in das zweite Stockwerk erhalten hinziehen. Man sollte es nicht bei der
Besichtigung von SS.Giovanni e Paolo bewenden lassen, sondern der Straße im
Anschluß bis zum Ende folgen: Beeindruckende Bögen der Aqua Claudia,
die eine große bei SS.Giovanni e Paolo gelegene Zisterne (Wasserreservoir aus
claudischer Zeit) speiste, ein Tor der servianischen Stadtmauer (Bogen des
Dolabella) unter den Pfeilern der Aqua Claudia und im Anschluß die räumliche Nähe zu S.Maria in Domnica und S.Stefano Rotondo
machen den Weg lohnend. Wenn man dann den Weg zum Colosseum nimmt, passiert man
erneut hohe antike Mauerzüge, die z.T. einen Aufschluß in unterirdisch
verlaufende Kanäle einer der drei neben der Aqua Claudia über den Caelius
geführten Wasserleitungen zeigen.
Die Basilika SS.Giovanni e Paolo liegt an einem offenen Platz und bedeckt
z.T. einen Gebäudekomplex der Kaiserzeit. Zu Beginn des 2.Jhdts lagen hier vier
Gebäude: vom dritten sind in den Mauern des nördlichen Kirchenschiffs, vom
vierten in der Westmauer des südlichen Kirchenschiffs Reste erhalten. Die Mauer
des vierten
Hauses reicht etwa bis zur Höhe des dritten Stockwerks. Es könnte sich um ein
Privathaus mit einer Thermenanlage gehandelt haben. Die Anlage umschloß auch
einen Hof mit einem Nymphaeum, dessen elegante Dekoration aus dem 3.Jhdt., ein
Wandgemälde, das Proserpina und andere Gottheiten zwischen Putten in einem
Schiff zeigt, erhalten ist. Außerdem gibt es Reste eines anderen Wandgemäldes
mit Meeresmotiven und in einem der Bogenfenster Spuren eines Mosaiks.(Die Wandgemälde der römischen Villa unter SS.Giovanni e Paolo gehören zu
den besterhaltenen Roms.)
Das Haus am Clivus Scauri wurde in ein neues Gebäude einbezogen, in dessen
Erdgeschoß vier oder fünf Ladenlokale lagen.
Vor der Mitte des 3.Jhdts wurde am Clivus Scauri eine Fassade mit einem Portikus,
über dem zwei Fensterreihen liegen, errichtet; es muß hier also mindestens
zwei obere Geschosse gegeben haben. Die Anlage entspricht nun einem titulus,
mit einer Eingangshalle im Erdgeschoß, einem großen Saal für liturgische
Versammlungen und einer Reihe von Büroräumen im oberen Stockwerk. Das
Erdgeschoß wurde mit Fresken, teils christlichen (ein Beter und ein Philosoph),
teils nichtchristlichen Inhalts (z.B. den Darstellungen
von geflügelten Genien,
Girlanden und Vögeln aus dem 3.Jhdt) ausgemalt. Der Raum mit den christlichen
Fresken könnte ein Oratorium gewesen sein. Hinter dem Kryptoportikus hätte man
dann eine Confessio, die vom Erdgeschoß bis in den ersten Stock hinaufreichte und
einige kleine Fenster hatte.
Auf den Wänden der Confessio waren christliche Themen dargestellt (Enthauptung
des Crispus, des Crispinianus und der Benedicta, weibliche Gestalten und ein
Betender). In den anstehenden Tuff findet man drei schmale Räume eingearbeitet,
die man für Gräber gehalten hat.
Selbst wenn die Titularheiligen der Basilika Johannes und Paulus und ihr
Martyrium unter Kaiser Julian eine spätere Zutat und christliche Propaganda
gegen den als Abtrünnigen (Apostata) und Christenverfolger diffamierten
Philosophenkaiser sein sollten ergibt sich jedoch eine in Verbindung mit
den drei Gräbern um so erstaunlichere Übereinstimmung der Wandgemälde mit der
Tradition, die wissen will, daß die Märtyrer Crispus, Crispinianus und
Benedicta im Haus des christlichen Senators Bizantius bestattet worden seien.
Bizantius könnte das Haus der Kirche übereignet haben, die es dann zu einem titulus
umgestaltete. Die Fresken der zweiten Hälfte des 4.Jhdts, in denen das
Martyrium von zwei Männern und einer Frau geschildert wird, unterstützen die
Tradition hier sehr. Vielleicht hat die Basilika einfach nur die falschen
Titularheiligen und müßte eigentlich nach Crispus, Crispinianus und Benedicta
benannt sein
Von der Höhe der heutigen Kirche führt an der
Stelle, wo ein
Altar aus dem 6.Jhdt stand, ein Schacht bis zum Erdgeschoß des
Hauses hinunter. Vielleicht stand auch in der Confessio ein Altar.
Die später hier errichtete Basilika schloß den titulus und die
umliegenden Gebäude ein. Der Bau wurde ungefähr 410 begonnen. (Vielleicht ist
ein Grund der, daß nach der Plünderung Roms durch Alarich 410 viele Häuser in
der Gegend nicht wieder aufgebaut und weitergenutzt wurden). Es folgten jeweils
kurz hintereinander mehrere Bauphasen. Die erste, die aus opus
mixtum gebaut wurde und die die älteren Bauteile einschloß, wurde
unterbrochen. Zur zweiten gehören die Ziegelmauern. Das Mittelschiff (44,30 m
lang, 14,68 m breit) wird von den 7,40 m breiten Seitenschiffen durch 12 Säulen
abgetrennt, auf denen 13 Bögen aufruhen. Die Säulenreihen wurden über den
früheren Gebäuden errichtet, so daß der titulus im Erdgeschoß nur
noch teilweise zugänglich war. An das Mittelschiff baute man eine halbrunde
Apsis mit vier großen Fenstern an. Die Fenster in den Seitenschiffen wurden
vermauert und stattdessen im Obergaden 13 Fenster mit Rundfenstern darüber
geöffnet. Dadurch erscheint das Mittelschiff sehr hell und hoch. Wahrscheinlich
wurde zum Schutz der Fassade, die eine Bogenreihe und darüber 5 Fenster
aufweist, die dreistöckige Vorhalle davorgesetzt.
Der unter dem Campanile befindliche Claudiustempel, den Agrippina 54 gleich nach
dem Tod des Claudius begann, wurde von Nero wieder z.T. zerstört und in ein
Nymphaeum umgewandelt. Wie Martial berichtet, bildete es den äußersten Punkt
der Domus aurea.
Der Campanile, m.E. der schönste Glockenturm Roms, ist direkt auf die Grundmauern des Claudiustempels gebaut, die
heute noch ohne Verstärkung ein solides Fundament abgeben und zweistöckig erhalten sind; der Piranesi-Stich gibt ein auch heute noch
zutreffendes Bild; der Küster der Basilika ist bei freundlicher Anfrage gern
bereit, dem interessierten Besucher einen Blick auf dieses beeindruckende
Bauwerk werfen zu lassen (im Interesse zukünftiger Besucher sollte das
Entgegenkommen des Küsters nicht als Selbstverständlichkeit gewertet, sondern
angemessen gewürdigt werden).
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