DIE TOTGESCHWIEGENE DIMENSION
The Hushed Up Dimension
III

Hans Mieskes


Vergleich
HANS MIESKES MIT DEM BUNDESVERDIENSTKREUZ BEDACHT

Counter

Aus Anlass der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an den 86-jaehrigen Hans Mieskes veroeffentlicht Siegbert Bruss einen Artikel in der "Siebenbuergischen Zeitung" vom 30. April 2001, S.5, der den Werdegang des Ausgezeichneten recht lueckenhaft festhaelt:

Nach Besuch der Honterusschule in Kronstadt absolvierte er das Evangelisch-theologische Lehrerseminar in Hermannstadt, 1935, studierte Erziehungswissenschaften, Theologie und Psychologie in Jena, wo er auch promovierte (1941) und sich auch habilitierte (1946). Er arbeitete als Assistent des berühmten Professors Peter Petersen, war stellvertretender Leiter von dessen international bekannter Forschungsschule (Jenaplan) und nach dessen Tod 1952 auch Institutsleiter. In den Jahren 1948 bis 1956 entwickelte er eine umfangreiche Praxis in der von ihm gegründeten „Abteilung für Wissenschaftliche Erziehungsberatung und Pädagogische Therapie“ in Jena.
Wie jeder Leser feststellen kann, sind die Jahre 1941-1945 mit einer gaehnenden Luecke belegt, die wir im Folgenden ausfuellen und auch aufklaerende Anhaltspunkte fuer die braune, nach 1945 extrem rechte Position von Mieskes liefern. Dies erfolgt unter Beachtung des Prinzips, dass fuer die Einstufung der einzelnen Faelle, ob in der NS-, ob in der kommunistischen Diktatur, nicht der Einzelne selbst, sondern das soziale und politische Umfeld (die Sozialisation) entscheidend ist, in dem der sich in der zur Diskussion stehenden Zeit bewegte.
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In einer aelteren Wuerdigung von Hans Mieskes (zum 65. Geburtstag) schreibt Winfried Klinke in den „Suedostdt. Vierteljahresblaettern“, Folge 2/1980, S.96:
 Sein Studium beendet er mit dem Dr. phil. und dem Theologischen Staatsexamen 1941. Als Assistent arbeitete er am »Institut für Sozial- und Voelkerpsychologie« der Karls-Universitae in Prag, kehrte nach dem Krieg 1945 nach Jena zurueck [...]
S. Bruss erwaehnt den
 beruehmten Professor Peter Petersen
dessen Assistent Mieskes war und nach dessen Tod 1952 er an die Fuehrung von dessen Institut gelangte. Wie war es eigentlich mit der
 international bekannten Forschungsschule (Jenaplan)
des Prof. Petersen bestellt? Die doppelbäaendige Arbeit von Wolfgang Keim, Erziehung unter der Nazi-Diktatur, Darmstadt 1997, reiht die Jenenser Richtung in die Reihe der zahlreichen reformpaedagogischen Konzepte und Modelle ein, die in der Weimarer Republik (bis 1933) entwickelt wurden. Ihnen gemeinsam war die Ueberbetonung des

ERLEBENS,

zum Nachteil der „Einsicht“, des „Verstaendnisses“ oder „diskursiver Faehigkeiten“, [Keim, I.Bd., S.39). d.h. der geistigen, abstrakten, intellektuellen Lehr- und Lernweise, die von den rechtsradikalen politischen Kreisen, zu denen auch die Nazis zaehlten, als „judaeisch“ und „intellektualistisch“ verschrieen wurden. Bei Petersen spielten „die Atmosphaere der Klasse als Schulwohnstube, das Schulleben mit Spiel und Feier“, „die am Vorbild der patriarchalischen Familie orientierte Schulordnung“ eine erstrangige Rolle [Keim, ebenda]. Keim betont, dass der „Jena-Plan“ „nicht nur individuelle Foerderung“ zum Ziel hatte, „sondern zugleich Widerherstellung“ einer anti-liberal, anti-demokratisch und anti-parlamentarisch [also anti-Weimar (Anm. K.P.)] strukturierten „voelkischen“ Lebensordnung [...]“. „Nach 1933 vertrat Petersen ausserdem Positionen, die sich mit einer kindzentrierten Reformpaedagogik kaum mehr vereinbaren liessen. So forderte er Anfang 1934 „typische Zuege des Politisch-Soldatischen im deutschen Lehrer auszubilden“ und nannte dabei als Vorbilder preussische Wehrerziehung, Haltung und Gesinnung des Frontsoldaten sowie Korpsgeist von SA und SS“ [Keim, I.Bd., S.122]. Also durchgaengige

MILITARISIERUNG der Schulerziehung

im reinsten NS-Geist. So angelegt, konnte Petersens Jena-Planschule ungehindert in der NS-Zeit weiterbestehen.
Petersen verfasste u.a. auch den Aufsatz Die erziehungswissenschaftlichen Grundlagen des Jenaplanes im Lichte des Nationalsozialismus (1935), wo er schreibt, daß er das Schulleben dem „nordisch germanischen“ Menschen gemaess gestalte und dass seine „Erziehungswissenschaft von je her offen fuer alle Forderungen der Hygiene und Eugenik, der Rassenlehre und der Erbwissenschaft“ gewesen sei [Keim, II.Bd., S.97]. Der Einschlag der NS-Rassenlehre in Petersens Jena-Plan ist also gesichert. Wolfgang Keim bemerkt, dass Petersens Jena-Plan, trotz seiner NS-Andienung zwischen 1933 und 1945 „bis heute als bekanntester Vertreter der Reformpaedagogik gilt“ und dadurch einflussreich geblieben ist [Keim, II.Bd., S.374]. Dazu hat sicherlich auch H. Mieskes seinen Beitrag geleistet. Allerdings ist die Frage angebracht, ob die Verdienste dieses Erziehungskonzepts, also auch seiner Vertreter, angesichts seines braunen Engagements, nicht ein grobes Missverstaendnis sind.

Dass H. Mieskes dem militaristischen Geist des „Jena-Planes“ treu blieb, bezeugt sein Buch Kriegsspielzeug und martialischer Geist, Bamberg 1981, rezensiert von Hans Bergel in den „Suedostdeutschen Vierteljahresblaettern“, Folge 2/1982, S.176. Der Rezensent bescheinigt Mieskes „ungewoehnlich viel Zivilcourage“. Doch die „voellig ideologiefreie Sachbezogenheit“ darf, zumindest bei diesem Buch, angezweifelt werden. Dem „landlaeufigen“ Vorwurf, Mieskes plaediere fuer eine „Erziehung zum Krieg“, stellt Hans Bergel entgegen, der Autor weise sich hier „wieder einmal als unkonventioneller, sachausgerichteter, selbstaendiger Denker und Analytiker aus“, der gegen die bundesrepublikanische Befangenheit im Umgang mit diesem Gegenstand zu Felde zieht. Mieskes plaediere fuer Nuechternheit bei der Betrachtung und Untersuchung des Kriegsspieles. Bergel vermeint, Mieskes decke mit „feinem, ueberlegenem Spott“ „ebenso haltlose wie gaengige Klischees“ auf. Solchen apologetischen (lobhudelnden) und relativierend-verharmlosenden Betrachtungen kann man nur mit derselben Verwunderung begegnen, wie der von Mieskes hier ganz im militaristischen Geist des Jena-Planes erfolgten Stoffwahl seines Buches.

Der Journalist der "Siebenbuergischen Zeitung, Siegbert Bruss, unterlaesst es, die Taetigkeit von Hans Mieskes zwischen 1941-1945 am „Institut für europaeische Voelkerkunde und Voelkerpsychologie“ (nicht „Institut für Sozial- und Voelkerpsychologie“, wie es Winfried Klinke nennt; das war die Bezeichnung des Lehrstuhls, an dem Mieskes tätig war) zu benennen. Die Berufung von Mieskes nach Prag scheint mit der vom Reichsicherheitshauptamt (RSHA), der SS-Zentralbehoerde, betriebenen personalpolitischen Besetzung der Deutschen Karls-Universitaet mit „einem SD [Sicherheits-Dienst] loyalen Kader von Hochschullehrern“ [Karl Heinz Roth, Heydrichs Professor. Historiographie des »Volkstums« und der Massenvernichtungen: Der Fall Hans Joachim Beyer , in: Peter Schöoettler (Hg.), Geschichtsschreibung als Legitimationswissenschaft 1918-1945 , Frankfurt a.M.. 1997, S.298] erfolgt zu sein. Der Chef von Mieskes war Rudolf Hippius, der 1942 einen Lehrstuhl für Sozial- und Voelkerpsychologie in Prag besetzte [Roth, S.299]. Im Mai 1942 konnte der Reichsprotektor Heydrich der Reichskanzlei melden, dass die Deutsche Karls-Universität geeignet war, „die Kapazitaeten fuer die raum- und volkstumspolitische Zukunftsplanung des Protektorats [Boehmen-Maehren] und darueber hinaus die »voelkerkundliche« Einordnung aller »Ost- und Suedostvoelker« in die Nachkriegsvisionen des RSHA zur Verfuegung zu stellen.“ [Roth, ebenda]. Mieskes stand im Prager Institut und am Lehrstuhl fuer Sozial- und Voelkerpsychologie zweifelsfrei im Dienste dieses politischen Zieles, das mit „einer rassenbiologisch, sozialanthropologisch und voelkerpsychologisch orientierten Selektionswissenschaft“ [Roth, S.307] verwirklicht werden sollte. Die Annahme liegt nahe, dass Mieskes auf den suedosteuropaeischen Raum spezialisiert war. Karl Heinz Roth stellt fest, dass „Die endgueltige Synthese und Ausweitung dieser Forschungen auf das gesamteuropaeische Umsiedlungs- und Germanisierungsprojekt“ „dem von [Hans Joachim] Beyer und Hippius geleiteten Institut fuer europaeische Voelkerkunde und Voelkerpsychologie vorbehalten“ blieb [Roth, S.307; weitere Details S. 307ff.]. Mieskes war also als Hochschulkraft und Forscher in seiner Sparte an den menschenfeindlichen raumplanerischen Projekten der SS in Richtung Slawentum und Regermanisierung beteiligt. Das Institut fuer europaeische Voelkerkunde und Voelkerpsychologie, der Arbeitsplatz von Hans Mieskes, bildete nicht zufällig den Kern der bis zum Sommer 1944 gegruendeten acht Forschungsinstitute, die in Prag errichtet wurden [Roth, S.304].

Es liegt nun bei Hans Mieskes, uns ueber seine eigentliche Taetigkeit an der Deutschen Karls-Universitaet in Prag 1941-1945 aufzuklaeren.



        Ein umfassendes Bild ueber die NS-Musteruniversitaet Jena und das bereíts vor dem Machtantritt der Nationalsozialisten zum NS-"Musterlaendle" herangereifte Thueringen liefert der beeindruckende Band »Kaempferische Wissenschaft« Studien zur Universitaet Jena im Nationalsozialismus, hg. von Uwe Hossfeld, Juergen John, Oliver Lemuth und Ruediger Stutz, Koeln Weimar Wien 2003, ISBN  3-412-04102-5. Allein zu Petersens "Jena-Plan" liegen drei Beitraege vor. Hervorzuheben sind die von Michael Koch u. Matthias Schwarzkopf, "Paedagogische Konzepte der Jenaer Erziehungswissenschaft in der NS-Zeit" und Robert Doepp, »"Doch irgendwie mittendrin ..." Jena-Plan im Nationalsozialismus. Ein Beitrag zur »Alltagsgeschichte« der NS-Zeit« (S.772-793; S. 794-821). Nicht besonders hilfreich, weil als eindeutige Verharmlosung von Peter Petersen und seines  fragwuerdigen Konzepts geschrieben, ist der Beitrag von Torsten Schwan, "Ein politisch naiver, opportunistischer Theoretiker? Peter Petersen und der Nationalsozilaismus: Stand und Probleme der Forschung" (S.822-849). Nicht nur diese Beitraege, sondern alle in diesem Band vereinigten Studien und Materialien belegen und bekraeftigen unsere Sichtweise,
dass fuer die Einstufung der einzelnen Faelle, ob in der NS-, ob in der kommunistischen Diktatur, nicht der Einzelne selbst, sondern das soziale und politische Umfeld (die Sozialisation) entscheidend ist, in dem der sich in der zur Diskussion stehenden Zeit bewegte.
Und was stellt im Fall von Mieskes das universitaere Umfeld eines Studierenden und  dessen Weiterwirken am Jenaer Institut seines Lehrers Peter Petersen dar, wenn nicht das ausschliesslich vom NS-Geist gepraegte soziale und politische Umfeld und seine damit verbundene langjaehrige Sozialisation in eben diesem Geist ? Die Laufbahn von Mieskes an der Universitaet Jena - wie auch an der "Reichsuniversitaet Prag" - weist ihn als Karrieremenschen aus, der sein berufliches Fortkommen ganz unter das Zeichen des NS-Systems und in dessen Dienst stellte.



Datei: Dimension4.html    Erstellt: 04.07.2001   Geaendert: 13.07.2004    Autor und © Klaus Popa


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