Terminologische und politische Blindheit II

Terminological and Political Blindness II

Fritz Valjavec (1909-1960) oder »Ueber die "deutsche Wissenschaft" als nachrichtendienstliche Aufklaerungsarbeit«

Fritz Valjavec (1909-1960) or »"Germanic Science" as Conspirative Enlightenment"


Dokumente ueber Fritz Valjavec's NS-Lebenswandel

Siehe unten

Documents concerning the Nazi Conduct of Fritz Valjavec



Es liegt in der Tradition einer gewissen Geschichtsauffassung und -ueberlieferung nur das als geschichtsfaktisch relevant gelten zu lassen, was dem ideologisch vorgepraegten und als Zwangsjacke funktionierenden Bild von historischen Tatbestaenden und Persoenlichkeiten konform ist. So werden jene Taetigkeiten und Lebensabschnitte von Personen und Gruppen ausgespart, die in irgendeiner Weise in den Sog des NS gerieten bzw. sich dem NS bis hin zum Fanatismus verschrieben.

Das juengste, in seiner Leichtfertigkeit und Geschmacklosigkeit unuebertreffbare Exempel dieses verantwortungslosen Gedaechtnisschwundes bietet Krista Zach, die Leiterin des Suedostdeutschen Kulturwerks (SODKW) und des angegliederten Instituts fuer deutsche Kultur und Geschichte Suedosteuropas in Muenchen in dem Portrait des in der Manier eines Saeulenheiligen verehrten Fritz Valjavec1, den Zach fuer seine vermeintlich hervorragende Rolle in der Suedosteuropaforschung nach dem Zweiten Weltkrieg anlaesslich des 50-jaehrigen Jubilaemus des SODKW und dessen Organ, die Suedostdeutschen Vierteljahresblaetter, kraeftig beweihraeuchert.

Zach schreibt, Valjavec habe sich in seinen Bemuehungen um die Suedosteuropaforschung, welche er angeblich als neues akademisches Fach aufbaute, um die "gleichwertige(n), vergleichende(n) Betrachtung aller Gruppen, Voelker und Religionsgemeinschaften" Suedosteuropas bemueht. Sein Werk Betrachtungen zur Lage unserer Kultur (1941) sei "konservativ-reflexiv". Seine von Friedrich A. Valjavec fuer den Druck vorbereiteten tagebuchartigen Aufzeichnungen von 1934 bis 1946 sollen "einen vermittlend taktierenden, regimekritischen, liberalkatholisch ausgerichteten Menschen, der in Deutschlands schwierigsten Jahren mit diplomatischem Geschick dem Ethos des Wissenschaftlers verpflichtet zu bleiben trachtete" aufzeigen, dessen "Arbeitsgebiet" "ihn in enge Fühlung mit der NS-Politik bringen" musste. Er soll sich dem Druck der NSDAP damit zu entziehen versucht haben, dass er angeblich auf "Arbeitsueberlastung" oder "Krankheit" hinwies. Und die Kompromisse, die er einging, seien lediglich zur "Tarnung" erfolgt2. Dass Valjavec "postum der "Deutschtuemelei" geziehen wurde, findet Chr. Zach ungerecht, weil er doch weiter nichts als "einen ganzheitlichen, komparatistischen Zugriff auf die suedosteuropaeische Geschichte" konstant vertreten habe3.



Folgende Ausfuehrungen entkleiden den "ganzheitlich, komparatistischen Zugriff auf die suedosteuropaeische Geschichte", die "konservative Reflexivitaet"; die vorgeblichen Zwangslagen, in die er durch sein Arbeitsgebiet im Verhaeltnis zur NS-Politik gelangt sein soll; das wissenschaftliche Ethos, dem Valjavec angeblich treu zu bleiben trachtete; schliesslich seine vermeintlichen Tarnungsversuche der unverschaemt-apologetischen Aura, mit der Valjavec und seinesgleichen durch das auf Halbwahrheiten und Mythenbildung gegruendete Geschichtsverstaendnis umgeben werden - letzteres erfolgt ganz in der eigentlichen Tradition des Vergoetterten.


1. Krista Zach, Fritz Valjavec, in: Suedostdeutsche Vierteljahresblaetter, 50. Jg., Folge 1, Muenchen 2001, S.21f.
2. Ebenda.
3. Der angebliche "Komparatismus" bei Valjavec beschraenkt sich auf die einfache, diskriminierende Gleichung, dass deutsche Kulturschoepfung gleichbedeutuend mit Zivilisierung und Europaeisierung der ost- und suedosteuropaeischen Voelker ist.


Die Untersuchung Michael Fahlbuschs

Wissenschaft im Dienst der nationalsozialistischen Politik? Die "Volksdeutschen Forschungsgemeinschaften" von 1931-1945, Baden-Baden 1999

informiert ueber den tatsaechlichen Forschungsstandort von Valjavec in den 30er Jahren und waehrend des Zweiten Weltkriegs:

Valjavec zaehlte zu jenen wichtigsten Mitgliedern der Volksdeutschen Forschungegemeinschaften, die 1939 im Hauptschulungsamt der NSDAP ausgewiesen sind (S.132f.).

Valjavec wurde 1938, also als 29-Jähriger, Geschaeftsfuehrer des Suedost-Instituts Muenchen (S.261). Dieses Institut war auch für die Betreuung der deutschen Volksgruppen [in Suedosteuropa] zustaendig. Hierfuer wurde unter der Leitung Valjavecs seit 1936 die Zeitschrift "Suedostdeutsche Forschungen" herausgegeben, die 1940 in "Suedostforschungen" umbenannt wurde (S.262). Die Mitarbeiter des Instituts, Fritz Valjavec und Min.Dir. Karl A. Fischer betreuten etwa 20 Doktor- und Zulassungsarbeiten.

Unter den Aufgaben und Funktionen des Suedost-Instituts Muenchen zaehlt Fahlbusch auf:
die systematische Foerderung der Deutschtumsforschung, die Unterminierung der Propagandaarbeit der suedosteuropaeischen Staaten, die Unterstuetzung wissenschaftlicher  Unternehmen, die eine gesamtdeutsche Auffassung4 beinhalteten. Hans Hirsch konstatierte die Notwendigkeit der verdeckten politischen Arbeit: Die wissenschaftliche Arbeit solle "moralische Impulse" setzen, das "Volksbewusstsein zu wecken und zu mehren bei bewusser Fernhaltung von allen politischen Bestrebungen4a" (S.263).

Ein Stipendium für Archivstudien in Budapest erhielt Fritz Valjavec vom Suedost-Institut in München im Jahre 1938.
Bezueglich der aus Valjavec's Promotionsschrift hervorgegangenen Arbeit Der deutsche Kultureinfluß im nahen Südosten, Bd.1. München 1940, bemerkt Fahlbusch, Valjavec betreibe "diskursive Ueberinterpretation". Fahlbusch unterstreicht, dass  die im Kontext der Suedostdeutschen Forschungsgemeinschaft von Valjavec aus tiefster Ueberzeugung betriebene "Volkstumsforschung" sich durch "das Gleichsetzen massenhaften individuellen Handelns" auszeichnet, "was sowohl bei den Darstellungen der Ansiedlungsphase als auch bis in die Gegenwart hinein deutlich wird. Den Einwanderern wurde nicht nur durch die leidvollen Pionierleistungen eine Art hoeherwertige Einheit bescheinigt, sie erfuellten darueber hinaus auch eine kulturhistorische Mission, die Fritz Valjavec direkt mit der Allegorie des "Volks- und Kulturbodens" definierte: "Aus menschenleerem, veroedetem und versumpftem Gebiete schuf deutscher Haende Fleiss einen bluehenden Kulturboden, der fuer die uebrigen Gebiete beispielgebend war."; Und "entsprechend seiner Ueberlegeneheit" wurde das "deutsche Element [...] fuer die umwohnende Bevoelkerung Lehrmeister in wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht." Fahlbusch meint zurecht, hier liegt "eine diskursive Ueberinterpretation Valjavecs vor, dessen nationalistische Konstruktionen unmittelbar mit seinen eigenen Wertvorstellungen (Vorurteilen) gekoppelt waren." Alle weiteren Schlussfolgerungen, dass man sich um diese zur (deutschen) Volksgemeinschaft zaehlenden Suedostdeutschen kuemmern, ihnen (finanzielle und ideologische) Unterstuetzung zukommen lassen und ihnen einen besonderen Status als Volksgruppen im Wohnstaat einraeumen muesse, leiten sich doch selbstverstaendlich aus dem NS-Volksgruppenrecht ab. ( S.282-283).
 

Karl Heinz Roth, Heydrichs Professor. Historiographie des "Volkstums" und der Massenvernichtungen: Der Fall Hans Joachim Beyer, in: Peter Schoettler (Hg.), Geschichtsschreibung als Legitimationswissenschaft 1918-1945, Frankfurt a.M. 1999,
informiert, dass Valjavec, der am Berliner Auslandswissenschaftlichen Institut lehrte, wie alle im Sommer 1941 als volktumspolitische Berater der Einsatztruppen5 abkommandierten Historiker und Volkswissenschaftler , vom Juli bis Dezember an die in Suedrussland operierende Einsatzgruppe D delegiert war (S.270).

Das von Hans Krausnick beschriebene Itinerar der Einsatzgruppe D war, wie Archivunterlagen belegen, zumindest bis das Sonderkommandos 10b dieser Einsatzgruppe in Czernowitz (Cernauti, heute Tschernewtzi) Quartier bezog, auch das von Fritz Valjavec. Ueber Pressburg, das Burgenland, Arad, Muehlbach, Schaessburg erreichte das Einsatzkommando erst am 4. oder 5. Juli Piatra Neamt6. Krausnick informiert, dass "das dem Deutschen Verbindungskommando (»DVK«) bei der 3. rumaenischen Armee zugeteilte Sonderkommando 10b auf Befehl des AOK6a 11 ueber Suczawa in der Bukowina am 6.-7. Juli in deren Hauptstadt Czernowitz einrueckte. Es wirkte hier bei der rumaenischen Besatzungsbehoerde dahin, die »Drangsalierung der Ukrainer« in der von ihr beanspruchten Nordbukowina zu stoppen, dafuer »in der Judenfrage schaerfer vorzugehen«, und unternahm bereits am 8. und 9. Juli selber eine »Grossaktion« gegen die Juden von Czernowitz."7 Um "den Versuch der Rumaenen, »die Juden  und Russen Bessarabiens ueber den Dnejstr nach Osten abzuschieben, ... mit allen Mitteln ... [zu] verhindern« wurde das Sonderkommando 10b ab dem 29.7.1941 aus Czernowitz abgezogen8, nicht aber Valjavec, der als SD9-Mann mit dem Grad eines SS-Untersturmführers (Leutnant) nachweislich die ukrainische Minderheit der Nordbukowina im Interesse des Dritten Reiches zu nachrichtendienstlichen Zwecken aufbauen sollte, weshalb sein Aufenthalt in Czernowitz bis Dezember 1941 waehrte. Das durch den Abzug des Sonderkommandos 10b entstandene Vakuum wurde seitens der Einsatzgruppe C in Absprache mit dem Chef der Einsatzgruppe D in der ersten Augusthälfte 1941 mit der Entsendung eines aus 15 Beamten und 15 Mann Waffen-SS bestehenden Kommandos erfuellt, mit dem Zweck, »im wesentlichen ... die Interessen der voellig schutz- und hilflosen Ukrainer wahrzunehmen«"10.

Damit sind jene Luecken in Valjavec's Leben nachgewiesen, die bisher eisern totgeschwiegen wurden. Damit vermeinen wir auch die zuegellosen Lobpreisungen, die Valjavec im Monat Maerz 2001 in Muenchen zuteil wurden, entlarvt und blossgestellt zu haben. Valjavec war keineswegs der taktierende, reservierte, liberal-katholische Mann, der nur zur Tarnung Kompromisse mit dem NS einging, sondern ein an den groessenwahnsinnigen Zielen und Projekten des Hitlerregimes unmittelbar Beteiligter, der selbst nach der Beseitigung der braunen Diktatur an der Doktrin des europaeischen Ostens und Suedostens als deutscher Kulturboden festhielt. Letzteres belegt der nachfolgende Aufsatz.

Warum nun Valjavec ausgerechnet nachrichtendienstliche Taetigkeiten bei den Ukrainern der Nordbukowina ausfuehrte, steht wohl mit der ukrainischen Herkunft seines Vaters in Verbindung, ueber die bisher ueberhaupt nichts verlautet wurde, wohl auch deshalb, um das Bild des "makellosen" Deutschen Valjavec nicht zu schmaelern. Er soll alle im ungarischen Teil von Oesterreich-Ungarn landesueblichen Sprachen gesprochen und alle Voelker des Nationalitaetenstaates Ungarn gekannt haben11, obwohl er erst 1919 mit seiner Mutter nach Budapest umzog12. Der Lobsaenger von 1960 schreibt der Naehe, welche Valjavec angeblich "zu den Dingen und Menschen dieser erlebten Welt" hatte, seine Faehigkeit zu, "die Geschichte dieses Raumes und ihre Spiegelung im Bewusstsein der verschiedenen Volksstaemme zu verstehen", sein "Fingerspitzengefuehl(s) fuer ihre Behandlung und ihre Heranziehung zu der Forschungs- und Aufklaerungsarbeit, in der er eine Aufgabe der deutschen Wissenschaft erkannte [...]"13.
Mit der letzen Aussage spricht Harold Steinacker mehrere Tatsachen aus:

a) die Kenntnisse ueber die verschiedenen "Volksstaemme" des Nachtrianon-Ungarn setzte Valjavec nicht in deren Interesse ein, nein, er stellte diese und sein Einfuehlungsvermoegen ausschliesslich in den Dienst reichsdeutscher Interessen.

b) sein Wissenschafts- und Forschungsverstaendnis raeumte den "verschiedenen Volksstaemmen" nur die Bedeutung ein, welche die "deutsche Wissenschaft", d.h. die voelkisch-nationalsozialistische Pseudowissenschaft des Dritten Reiches, diesen einraeumte.

c) Fuer unseren Enthuellungskontext besonders wichtig ist der Terminus  "Aufklaerungsarbeit" im Zusammenhang mit Valjavec's Taetigkeit. Steinackers Aussage ist auch deshalb brisant, weil sie die NS-Praxis belegt, Forschung und politische "Aufklaerung " zu verquicken, indem "Wissenschaft" missbraeuchlich, d.h. zu politischen Tarnzwecken  nachrichtendienstlich eingesetzt und ausgenuetzt wurde. Valjavec froente also Zeit seines Lebens einer ideologisierten und politisierten "Forschung", der kaum Wissenschaftlichkeit zugetraut werden kann.

Valjavec's "Heranziehung" von und "Aufklaerungsarbeit" in den Reihen der "verschiedenen Volksstaemme" fand unter anderem in seinem bisher totgeschwiegenen Kriegseinsatz bei den Ukrainern der Nordbukowina ihren Niederschlag. Sonst kuemmerten ihn die Voelker des Ostens und Suedostens nur, insofern sie sich mit den Massstaeben deutscher Universitaeten, also der "deutschen Wissenschaft" des Dritten Reiches messen liessen. Und diese waren klar gesteckt: Ost- und Suedosteuropa waren deutscher "Kulturboden", d.h. erst durch deutsche Kolonisten in Verhaeltnisse abendlaendischer (sprich: deutscher) Ordnung ueberfuehrt worden. Valjavec war nur vordergruendig an "eine(r) gleichwertige(n), vergleichende(n) Betrachtung aller Gruppen, Voelker und Religionsgemeinschaften" interessiert14, weil es ihm vorrangig um den Nachweis der "deutschen Kulturbeeinflussung" dieser Voelker ging.

Damit schneiden wir das Praedikat "Kulturhistoriker" an, das die Apologeten Valjavec anheften. Harold Steinacker vermeint in Valjavec  einen "der wenigen wirklichen Kulturhistoriker der heutigen Generation" ekennen zu duerfen15. Doch eine Geschichts-"Wissenschaft", die nach Grundsaetzen kultureller Exklusion verfaehrt, in dem Sinn, dass nur das kulturell relevant ist, d.h. als Kulturschoepfung anzusprechen ist, was auf irgendeine Weise mit dem Deutschtum verbunden werden kann - die Frage, ob diese Verbindungen Tatsachen entsprechen oder nicht, ist der apodiktischen Kulturbringermythologie egal - kann im Ergebnis nicht als "kulturgeschichtlich", höchstens als kulturimperialistisch gelten.

Die Konsequenz davon ist, und Valjavec's Werk belegt das auf Schritt und Tritt, dass Bilder von Voelkern und Kulturen entstehen, die nur einen Aspekt, der aber als massstaeblich betrachtet wird, vermitteln, naemlich den betonter oder minder betonter kultureller - damit auch wirtschaftlicher und politiischer - Abhaengigkeit vom binnendeutschen Raum. Und weil die deutschzentrierte Apodiktik alles Deutsche mit kultureller Ueberlegenheit gleichsetzt, wird der Einstufungs-"Wert" der nach Valjavec's Methode beleuchteten Voelker und Kulturen ausschliesslich davon bestimmt, inwieweit sie von deutschen "Kulturleistungen" geschwaengert worden sind. Das ist beileibe keine Kulturgeschichte sondern Deutschzentriertheit, bornierter Deutschenglauben, Kulturimperialismus und -chauvinismus.

Denn wahrhaftige Geschichtswissenschaft und Kulturgeschichte operieren mit uebernationalen, allgemeinmenschlichen, nicht mit den engen Wertmassstaeben eines obsessiven Nationalismus. Die von Valjavec und von den in den "Forschungsgemeinschaften" des Dritten Reiches vereinigten "Wissenschaftlern" betriebene "Wissenschaft" ist auch deshalb unwissenschaflich, weil sie das deutsche Volkstum zum Wertmassstab auch jener Kulturschoepfungen erhebt, die im vornationalistischen Zeitalter entstanden, als die Volkszugehoerigkeit irrelevant war. So ist es auch verstaendlich, wieso Valjavec und Gesinnungsgenossen den christlichen Glauben und die katholische Kirche (bis zur Reformation), dann beide Kirchen (von der Reformation bis zur Franzoesischen Revolution), noch die entscheidende Rolle der jeweiligen Staasgewalten, auf welche die Berufung von Kolonisten aus dem binnendeutschen Raum und deren rechtliche Absicherung zurueckgeht, als Bezugspunkt ihrer Bewertung anerkennen.

Aus den genannten Gruenden ist die in der "Suedostdeutschen Vierteljahresschrift", Folge 1, 2001 verkuendete Veroeffentlichung der tagebuchartigen Aufzeichnungen von Valjavec mit hoechster Skepsis zu betrachten.



4. Im Gegensatz zur "grossdeutschen" Auffassung brachte die deutschnationale Forschung Oesterreichs diese Dimension in die voelkisch-nationalsozialistische Volkstunmsforschung ein.
4a. Ein frommes, daher ganz unglaubwuerdiges Vorhaben, weil die Volkstumsforschung, auch die auf Suedosteuropa ausgerichtete, in politisch-ideologischer Abhaengigkeit vom Naziregime schwelgte.
5. Zu den Einsatzgruppen vgl. Helmut Krausnick, Hitlers Einsatzgruppen. Die Truppe des Weltanschauungskrieges 1938-1942, Frankfurt a.M..1998. Heydrich, Chef der Sicherheitspolizei und des SD (Sicherheits-Dienst) fasste am 2. Juli 1942 die Aufgaben der Einsatzgruppen wie folgt zusammen:"Zu exekutieren sind alle Funktionaere des Komintern (wie ueberhaupt die kommunistischen Berufspolitiker schlechthin); die hoeheren, mittleren und radikalen unteren Funktionaere der Partei, der Zentralkomitees, der Gau- und Gebietskomitees; Volkskommissare; Juden in Partei- und Staatsstellungen; sonstige radikalen Elemente (Saboteure, Propagandeure, Heckenschuetzen, Attentaeter, Hetzer usw." (S.135).
6. Krausnick, S.169.
6a. Armee-Ober-Kommando.
7. Krausnick, S.170.
8. Idem, S.173 und Anm. 246, S.328.
9. Sicherheitsdienst, ein Hauptbestandteil der SS.
10. Krausnick, S.163.
11. Harold Steinacker, Fritz Valjavec, in: Gedenkschrift fuer Fritz Valjavec (1909-1960) (Kleine Suedostreihe, Heft 2), Muenchen 1963, S.20.
12. Solch widerspruechliche Aussagen verleiten zu der Annahme, dass die Verklaerung und Mythisierung bereits auf  die fruehste Lebensphase von Valjavec angewendet wird.
13. Steinacker (wie Anm.11), S.20.
14. Zach (wie Anm.1), S.21.
15. H. Steinacker (wie Anm.11), S.22.


Wie es um Valjavec's Deutschtuemelei steht, haben unserer "Blaetter" bereits publik gemacht. Betreffender Text wird hier der Klarheit halber nochmals gebracht.

  Es gibt eine bestimmte Form der deutschen Geschichtsschreibung, die das Deutsche mit dem westeuropaeischen Kulturkomplex gleichsetzt, wodurch alle kulturellen Einfluesse und Entwicklungen im ost- und suedosteuropaeischen Raum pauschal dem Deutschtum zugeschrieben werdent. Kein oder kaum ein Wort ueber die christlich-lateinische Kirchentradition, die universalistisch und ueber-, also auch vor- und international war, unter deren Mantel der von Kolonisten aus dem deutschen Binnenraum besorgte Kulturtransfer erfolgte.

        Diese Art Geschichtswissenschaft, die das deutsche Volk und seine Geschichte zum  ausschliesslichen Forschungsobjekt erhebt, uebertraegt Kategorien der Volksforschung vorbehalts- und differenzlos auf die vornationalen Zeitabschnitte. Das Stereotyp des deutschen Kulturbringertums wird gebetsmuehlenhaft angestrengt, indem obsessiv auf die deutsche Kulturleistung im osteuropaeischen Raum verwiesen wird.

        Das Habsburgerreich als Inbegriff der "Reichsidee" wird als Synthese von "Reich" und "Deutschtum" angebetet, indem sein politischer und kultureller Einfluss, der seit den 20er Jahren des 16. Jahrhunderts zunehmend nach Suedosteuropa ausgriff, als "deutsch" verabsolutisiert wird, wo eigentlich der Katholizismus des oesterreichischen Kaiserhauses ausschlaggebend war. Dass die Muttersprache dieses Hauses deutsch war, ist wenigstens bis ins spaete 18. Jahrhundert irrelevant gewesen, aehnlich wie das postulierte Deutschtum der Kolonisten des 11.-13. Jahrhunderts, die von den ungarischen Koenigen angesiedelt wurden.

        Die volksgeschichtlich zentrierte Geschichtswissenschaft verknuepft die geopolitische Gegebenheit der Grenzlage des deutschen Sprachgebietes zum westlichen und suedlichen Slawentum und zum Magyarentum mit dem kulturhistorischen Dogma des Kulturbringertums. Dass vom Deutschtum in nationalem Sinn erst seit der Franzoesischen Revolution zu sprechen ist, ignorieren die Volksgeschichtler auf der ganzen Linie. Weil Deutschtum mit Kulturbringertum gleichgesetzt wird, werden die Folgen der Rand- bzw. Grenzlage des nachmalig innerdeutsch bezeichneten Siedlungsgebietes zum slawischen Osten und Suedosten, mit der die Freigabe von Kolonisten, konfessionelle, Bildungs- und sonstige kulturelle Beeinflussung einhergeht, zur deutschen Kulturleistung hochstilisiert. D.h., dass normale Vorgaenge der kulturellen und wirtschaftlichen Beeinflussung auf einseitige Weise nur dem Deutschtum zugeschrieben werden. Die Deutsch-Vereinnahmung geht so weit, dass zwischen dem vermeintlichen oder nachgewiesenen Deutschtum und den geographischen, politischen, konfessionellen und kulturellen Gegebenheiten das Istgleichzeichen gesetzt wird. So wird das Deutschtum in dogmatischer Weise zum Massstab aller Wertungen erhoben. Dass die Ursaechlichkeiten ganz woanders, fern vom deutschen Volkstum liegen, selbst im Zeitalter der Aufklaerung und danach, davon wollen und koennen die Volksgeschichtler und Volkstumsforscher nichts wissen.

        Es ist doch so, dass die deutsch-slawisch-ungarische Nachbarschaft, zwar vorgegeben, auch aus dem Blickwinkel der Zufaelligkeit betrachtet werden darf. Es ist erlaubt, sich statt der Deutschen eine andere Ethnie in der Beruehrungszone zu den Slawen und Ungarn vorzustellen, die, obzwar nicht deutsch, zweifelsohne aehnlichen oder denselben Einfluss auf die oestlichen Nachbarn ausgeuebt haette.

        Die Volksgeschichtler und Volkstumsforscher muessen sich auch sagen lassen, dass allgemeine kultur- und wirtschaftsgeschichtliche Prozesse, die auf Beeinflussung und Austausch von Werten beruhen, niemals einseitig erfolgen, weil sie ein stetes Geben und Nehmen sind. Die aus dem binnendeutschen Raum im Osten und Suedosten siedelnden Kolonisten waren keinesfalls nur ueberlegene Geber, sondern auch Empfaenger. Eine Hauptursache ihres jahrhundertewaehrenden Fortbestandes als Gruppe(n) war doch ausgerechnet das, was die solipsistische Volksgeschichts- und Volkstumsforschung apriori ausschliesst, naemlich die Bereitschaft von der anderssprachigen, zuweilen anderskonfessionellen Mehrheitsbevölkerung der Gastlaender bestimmte Haltungen und Umgangsformen, selbst technische Errungenschaften, anzunehmen und sich zueigen zu machen.

        Die Volksgeschichtler und Volkstumsforscher ignorieren durch ihr deutsch-solipsistisches Gehabe weitere Voraussetzungen, die beim Aufeinandertreffen unterschiedlicher Kulturen und Lebensweisen mitspielen. Weil sie sich nur auf der "deutsch-voelkischen" Ebene bewegen, uebersehen sie die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der  jeweiligen Gastlaender und deren Qualitaet als Herrschaftsgebiete (Hoheitsterritorien). Das vermeintliche oder erwiesene Deutschtum der Kolonisten war nur eine, nicht DIE, auch nicht DIE EIGENTLICHE Voraussetzung fuer deren sozialen, politischen und wirtschaftlichen Erfolg16 in den Gastgeberlaendern. Grundvoraussetzung (eigentliche Voraussetzung) dafuer waren die in Freibriefform von den jeweiligen Territorialherren (im Fall Ungarns die ungarischen Koenige) zugesicherten Rechte, die selbst lokale, zuweilen auch territoriale Verwaltungsautonomie garantierten (so der "Koenigsboden" der Siebenbuerger Sachsen). Als DIE Voraussetzung des Kolonistenrefolgs ist keinesfalls die deutsche, sondern die westeuropaeisch-katholische Herkunft anzusprechen.

        Das aus dem Deutschsolipsismus abgeleitete Mythen- und Stereotypengeflecht, mit dem die "Volksgeschichte" und die "Volkstumsforschung" ihre Forschungsobjekte ueberziehen, entkleidet diese "Forschungs"-Disziplinen jeglicher Wissenschaftlichkeit. Weil die systematische und bis zur Ermattung betriebene Deutschenduselei nur einen von nationalistischen Ideologemen erfuellten "Maerchen"-Diskurs hervorbringt.

        Wo die Herkunft aus dem spaeteren deutschen Sprachraum als einfache Begleiterscheinung der komplexen Ost- und Suedostkolonisation  zum A und O erhoben und alle anderen Aspekte davon abhaengig gemacht und be- bzw. ab- und entwertet werden, herrschen die Gesetze willkuerlicher und vorsaetzlicher Kausalverdrehung, also ideologische Beliebiegkeit und Befangenheit.

        Beispielhaft fuer deutsch-solipsistische Schraegheit ist der Text, den Fritz Valjavec, der 1960 verstorbene Mentor der Suedostdeutschen Historischen Kommission, der Wiederbeleber des Suedostinstituts und der "Suedostforschungen", der Mitbegruender des Suedostdeutschen Kulturwerks und Herausgeber der Buchreihen dieses Instituts dem siebenbuergisch-saechsischen Gelehrten Karl Kurt Klein zum 60. Geburtstag im "Suedostdeutschen Archiv", 1. Band, 1958, S.66-75 (Die kulturellen Leistungen des Suedostdeutschtums in der Geschichte) widmet. Die Vokabeln "deutsch" samt Komposita und "Deutschtum" kommen insgesamt 119 mal flutartig auf den Leser zu. Das sind durchschnittlich 13,22 solcher Begriffe pro Druckseite. Weil der Wissenschaftlichkeitsgrad  seit dem Zeitalter der "Volksgeschichte" und "Volkstumsforschung" gluecklicherweise nicht mehr von der Haeufigkeit der "deutsch"-Floskeln bestimmt wird, faellt es nicht schwer, dem Text von Valjavec jeden wissenschaftlichen Wert abzusprechen. Auch deshalb, weil hier kein Wissenschaftler, sondern ein Deutschtums-Besessener schreibt, weil hier kein Historiker am Werk ist, sondern ein politischer Soldat des verblichenen nationalsozialistischen Regimes.



16 Volksgeschichtler und Volkstumsforscher ziehen hier die ideologisch belastete Vokabel "Leistung" vor.

Dokumente ueber Fritz Valjavec's NS-Lebenswandel
          Inden Bestaenden des ehemaligen, nun ins Bundesarchiv Berlin integrierten Berlin Documentary Center befinden sich einige Unterlagen aus der Personalakte von Fritz Valjavec. Am 19. Dezember 1938 forderte die Gaulietung Muenchen-Oberbayern der NSDAP die Ortsgruppe in Muenchen, Friedrichstr. 2 auf, sich ueber die politische Zuverlaessigkeit von Valjavec zu aeussern. Die geschah am 23. Januar 1939 durch eine Beurteilung, in der ausgefuehrt wird, dass Valjavec seit dem 1. Mai 1933 mit Nr. 3202280 NSDAP-Mitglied und Blockleiter war. Der eigentliche Beurteilungstext lautet:
Angefragter ist seit 1933 Mitglied der NSDAP sowie des NSLB.17 Er bekleidet z.Z. in der Ortsgruppe das Amt eines Blockleiters, das er mit grossem Pflichtbewusstsein verwaltet. Sowohl politisch als auch charakterlich kann ihm nur ein gutes Zeugnis ausgestellt werden. [...] [BAB, PK (BDC) S 0014, Fiche 0244].
            Am 18. Juli 1939 richtet die Gauleitung Muenchen-Oberbayern der NSDAP ein weiteres Ersuchen, nun an die Ortsgruppe Bluetenstrasse. Die Beurteilung soll Valjavec als Schriftleiter der "Suedostdeutschen Forschungen" dazu verhelfen, " den vertraulichen Zeitschriften Dienst des Reichsministeriums fuer Volksaufklaerung und Propaganda" erhalten zu koennen [BAB, PK (BDC) S 0014, Fiche 0246].

               Auf ein weiteres Ansuchen der Gauleitung Muenchen-Oberbayern der NSDAP vom 1. September 1942 zwecks Ernennung von Valjavec zum Professor stellte das betreffende Gaumant folgendes "Ausfuehrliches Gesamturteil" aus:

    Dr. Fritz valjavec ist in Wien geboren und hat 1930 an der Reichsdeutschen Oberrealschule zu Budapest die Reifepreufung abgelegt. Von 1930-1934 hat er an der Universitaet Muenchen studiert und bei Prof. Karl Alexander v. Mueller seinen Doktor gemacht. Er war sodann tatetig im Suedostausschuss der deutschen Akademie (1934), erhielt 1935 ein Stipendium der deutschen Forschungsgemeinschaft fuer eine Geschichte des Deutschtums des Suedostens von 1760-1918 und trat dann als Mitarbeiter in das "Institut zur Erforschung des deutschen Volkstums im Sueden und Suedosten" ein. Seine wissenschaftlichen Forschungen und Arbeiten umfassen ausschliesslich Volkstums- und Nationalitaetenfragen im nahen Suedosten, insbesondere in Ungarn.
    Dr. Valjavec besitzt eine ausgesprochen wissenschaftliche Begabung und ist ein gewissenhafter, klarer und zuverlaessiger Forscher. Neben reichen und sicheren Sprachkenntnissen verfuegt er ueber ein sehr klares, geschichtliches Urteil, einen sicheren allgemeinen Ueberblick und sehr genaue Einzelkenntnisse.
    Dr. Valjavec ist eine zielbewusste und abgeklaerte Persoenlichkeit, geistig vielseitig regsam, nuechtern und klar im Denken, gesinnungstreu und offen, ohne Winkelzuege, doch mangelt es ihm an selbstbewusstem und geschlossenem Auftreten. Er ist keine Fuehrernatur, zeigt aber politischen Instinkt und kaempferische Veranlagung.
    Sein fruehzeitiger und seit 1934 waehrender Einsatz in der Volkstumsarbeit spricht fuer seine politische Zuverlaessigkeit. Politisch bestehen gegen ihn keine Bedenken.
[BAB, PK (BDC) S 0014, Fiche 0252]
            In derselben Angelegenheit der Ernennung zum Professor stellte die Ortsgruppe Roemerstrasse der NSDAP in Muenchen  am 15. Oktober 1942 folgende Beurteilung aus:
Dr. Valjavec war mehrere Jahre Blockleiter der Zelle und hat sich in jeder Beziehung um das Wohl der Volksgenossen angenommen und die Aufgaben eines Blockleiters voll erfuellt. Charakterliche und politische Einwandfreiheit ist gegeben.
[BAB, PK (BDC) S 0014, Fiche 0260]


Weitere Dokumente folgen
Further documents will follow 


17. Nationalsozialistischer Lehrerbund.


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Datei: Blindheit2.html      Erstellt:   01.05. 2001   Geaendert: 06.12.2004  Autor und © Klaus Popa

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