Hildegard von Bingen
Die
heilige Hildegard von Bingen war eine große Frau des Mittelalters, ein
helles Gestirn am Himmel abendländischer Geistesgeschichte. Der helle
Glanz, der ihr Leben überstrahlte, stammt von einem geheimnisvollen Phänomen,
für das die Wissenschaft bis heute keine Erklärung gefunden hat: von ihrem
Charisma, das man kurz als Gabe der Schau umschreiben könnte.
Im
Alter von acht Jahren wurde sie einer Klausnerin zur Ausbildung übergeben -
der Gräfin Jutta von Sponheim - die auf dem Disibodenberg einige Schülerinnen
im Lesen und Schreiben, im Singen der Psalmen, in Handarbeit und Musik
unterrichtete. Diese Klause der Gräfin entwickelte sich zu einem
Benediktinerinnenkloster, und nach dem Tod der Meisterin im Jahre 1136 wurde
Hildegard einstimmig zur Äbtissin gewählt. Elf Jahre später wurde das
Kloster auf den Rupertsberg bei Bingen verlegt.
Als
Wibert von Gembloux Hildegard um eine ausführliche Beschreibung ihres
Charismas bat, gab die 77jährige "Seherin vom Rhein" dem Mönch
folgende Auskunft:
"lch
sehe diese Dinge nicht mit den äußeren Augen und höre sie nicht mit den
äußeren Ohren, ich sehe sie vielmehr einzig in meiner Seele, mit offenen
leiblichen Augen, so dass ich niemals die Bewusstlosigkeit einer Ekstase
erleide, sondern wachend schaue ich dies bei Tag und Nacht. Das Licht, das
ich schaue, ist nicht an den Raum gebunden. Es ist viel, viel lichter als
eine Wolke, die die Sonne in sich trägt."
Die
Seherin sollte zur Prophetin werden und sie erhielt von Gott einen konkreten
Auftrag: "Schreib, was du siehst und hörst! Tu kund die Wunder, die du
erfahren! Schreib sie auf und sprich!" Hildegard erschrak zutiefst und
wollte sich scheu zurückhalten; sie hatte nicht die harte Natur eines
Johannes des Täufers. Gott zwang sie aufs Krankenlager: Sie war wie gelähmt.
Und erst als sie anfing zu schreiben, wurde sie wieder gesund. Nun erkannte
sie Gottes Willen und schrieb in den folgenden zehn Jahren ihr erstes Werk
"Scivias - Wisse die Wege." In einer gewaltigen Schau werden die
Dimensionen und Hintergründe der Schöpfung und der Erlösung aufgerollt.
Kein
Geringerer als Papst Eugen III. las 1147 auf einer Synode in Trier vor
versammelten Kardinälen, Bischöfen und Theologen aus der Scivias vor,
nachdem er vorher die Sehergabe Hildegards durch eine Kommission hatte prüfen
lassen. So wurde ihre Gabe der Schau von höchster Stelle sanktioniert und
Hildegard als die deutsche Mystikerin im gesamten Abendland berühmt und
angesehen.
Durch
die vom Kaiser in jener Zeit immer wieder eingesetzten Gegenpäpste war die
Christenheit in Unruhe geraten, die Zucht beim Klerus und in den Klöstern
schwand. Nun war Hildegard nicht mehr zu halten. In ihrer Sorge um das Reich
Gottes verließ sie von 1158 bis 1171 oft ihre Klosterzelle und unternahm
vier ausgedehnte Missionsreisen, nach Franken, Würzburg und Bamberg,
rheinabwärts nach Köln, nach Trier und schließlich nach Süddeutschland,
wo sie in Klöstern und auf Marktplätzen predigte und Volk und Klerus zu Buße
und Umkehr aufrief. Man kann sich ausmalen, welche Strapazen das für eine
über siebzigjährige Frau mit sich brachte, musste sie ihre Predigtreisen
doch streckenweise zu Pferd, zu Fuß oder per Schiff zurücklegen. Hildegard
war so von Gott erfüllt, dass sie überall die Herzen erschüttern und zur
Umkehr bewegen konnte. Hildegard war aber nicht nur für das geistliche Wohl
ihrer Mitmenschen besorgt. Da sie selbst fast ständig unter Krankheiten
litt, versuchte sie auch den Kranken zu helfen. Sie schrieb ihre Medizinbücher,
um die Menschen auf jene Heilkräfte aufmerksam zu machen, die Gott in die
Natur gelegt hat.
Der
Konstanzer Arzt Dr. med. Gottfried Hertzka hat als erster die Bedeutung der
medizinischen Erkenntnisse und Ratschläge der heiligen Hildegard erkannt
und neu entdeckt. In jahrelanger Forschungstätigkeit hat er die wichtigsten
von etwa 2000 medizinisch-ernährungswissenschaftlichen Prophezeiungen in
seiner Allgemeinpraxis erprobt und unserer Zeit zugänglich gemacht.
Hildegard starb am 17.
September 1179 im Alter von 81 Jahren. Bei ihrem Tod erstrahlte ein helles
Lichtkreuz am Himmel - ein Zeugnis dafür, dass sie das "lebendige
Licht" schauen durfte.
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