Hannerl Reichenvatter, Kr�utlerin aus Altaussee

Wir sind seit 1850 ein Fremdenverkehrsgebiet, als die Seewiesen gebaut wurde. Inzwischen haben wir uns nach oben entwickelt, aber Gott sei Dank ist hinter uns die Welt zu Ende. Und das macht vielleicht das Ausseerland aus, in Grundlsee ist halt in G�ssl Schluss, da kannst auch nur noch zu Fu� gehen, da kommt nur mehr der hin, der hin will, oder sich verfahrt. Dadurch vielleicht haben wir uns Einiges bewahrt. Es ist seit langen Urzeiten bekannt, dass die Seewiesen selber und der Goa�knechtstoa dahinter Kraftpl�tze sind. In vielen Zeiten ist so etwas fast vergessen worden, aber momentan wird, wie fast von allem, ein Gesch�ft gemacht. Ich hab nichts dagegen, wenn etwas was bringt, wenn sich jemand ernstlich damit befasst. Aber recht gscheit schreiben und selber auch nur dar�ber gelesen haben und weiter geben wollen, ist sicher nicht der richtige Weg. Hier im Ausseerland und innerem Salzkammergut k�nnen wir �ber Sachen reden, weil wir sie noch haben, wo es in anderen Gebieten nicht mehr gibt. Sie gingen verloren durch Landschaftsver�nderungen, durch Lebensver�nderung, durch Bauma�nahmen, durch Stra�en, durch Trockenlegungen, durch D�ngung � der Platz wird auch bei uns enger.
In meinen B�chern sind lauter Pflanzen, die alle bei uns wachsen � Blumen und Heilkr�uter. Die Kr�utlerei ist was Eigenes. Als ich wahrnahm, dass so viele Stadtleute keine Margeriten von einer Glockenblume unterscheiden, weil dies ihnen fremd ist. Ich bin mit G�sten sehr viel wanderf�hrender Weise unterwegs gewesen, da bin ich drauf gekommen, dass die Menschen viel f�r uns selbstverst�ndliches nicht mehr kannten. Das ist eigentlich traurig, denn was ich nicht mehr kenne, sch�tze ich auch nicht und werde es auch nicht bewahren. Das ist eine gro�e Schwierigkeit. Dass solche Sachen nicht verloren gehen sollen, wird einem erst im reiferen Alter bewusst. Ich bin hier aufgewachsen, wenn es eine kleine Wunde gab, hat meine Mam Johanniskraut�l draufgegeben und wenn mir recht �bel gewesen ist, hab ich ein Schluckerl von irgendwas gekriegt, dann ist es auch wieder gut gewesen, da wusste ich noch nicht was dies war, es war halt irgend ein Tee. Hauptsache geholfen hat es. Sp�ter bekam ich selbst eine Familie. Meine Buben haben sich die Knie verletzt oder husteten als Baby. Da tat ich das, was ich noch von zu Hause wusste.
Bei den Kr�utern kam ich bei Fremdenf�hrungen drauf, dass das die Leute interessiert. Auch Einheimische fragen, wenn sie etwas brauchen. Sie n�tzen dies auch. Bei mir gibt es nichts zu kaufen, keine Salben oder Getrocknetes. Ich m�chte das Wissen weitergeben, damit die Leute selber etwas tun und auch kennen, sehen. Wenn ich etwas kenne, dann sehe ich es auch, auch wenn sie es nicht suchen. Gilbweiderich, eine Ranke die auf dem Boden ist, an jedem Rain bei der Stra�e oder bei den Wegen bl�ht. Das ist die sch�nste Tischdekoration in einem Moossch�sserl drinnen. Das dankbarste Publikum sind die Kinder, die merken sich noch viel mehr als Erwachsene, weil sie aufnahmef�higer sind. Mein Wissen hab ich zusammengefasst und so viel wie m�glich weitergegeben. Es gibt immer noch Wissen, das nicht gedruckt ist. Man kann zwar manches wiederbeleben, aktualisieren, aber Sachen die verschwunden sind, vom Wachsen her oder Geb�ude, die bleiben verschwunden. Ich zeige euch jetzt ein Kr�utl, es ist ein wei�es Doldengew�chs, wie der K�lberkopf, die wilde M�hre, der wilde K�mmel. Zu den allen sagen wir im Ausseerland Wasserkraut. Bei diesem Doldenkraut ist das Unverwechselbare die Bl�tter, die anderen haben lauter gefiederte Bl�tter. Aus der Pestzeit bis heute ist ein Spruch �berliefert, Kranewitt und Bibernell, dann bleibst du gesund und stirbst nit so schnell. Nicht die Bl�te, nicht das Kraut, sondern die Wurzel ist es. Es kann gekostet werden, es ist ein ganz tolles Ding, sollte in den neuen Heilkompass hinein, weil die Wurzel ist ein hochwirksames Antibiotikum, es hilft enorm, ist antibakteriell wirksam nicht nur im Mund- und Rachenraum, sondern bis in den Magen und Darm.
Das n�chste Heilmittel ist aus dem Holler im Fr�hling. Fr�her sagte man, vor der Hollerstaude muss man den Hut ziehen. Aus den frischen jungen Bl�ttern kann man einen Tee br�hen um die k�rpereigenen Abwehrstoffe zu st�rken, Bl�tentee kann auch zum Schwitzen gebraucht werden, zum Grippe vertreiben. Die Bl�ten sind auch zum Herausbacken geeignet, auch einen guten Saft kann man daraus machen. Seit ca. 10 Jahren hab ich noch etwas erfahren, es gibt bei diesen relativ frischen, den vorj�hrigen Wuchstrieben, gibt es eine braune Au�enrinde und eine gr�ne Innenrinde. Diese Innenrinde hat tolle Wirkstoffe � von oben nach unten gesch�lt, auf beiden Seiten ist das Streifchen gr�n, getrocknet bleibt nicht viel �ber, Tee aufgebr�ht mit ganz wenig Rinde, Verstopfungen k�nnen gel�st werden � von unten nach oben sch�len, auch auf beiden Seiten gr�n, getrocknet, Tee aufgebr�ht bewirkt, dass man sich �bergeben kann.
Das Heilkr�uterthema ist unersch�pflich, man lernt immer wieder dazu von Leuten, die auch was wissen. Von der Hollerrinde haben mir 2 Altenhelferinnen aus Nieder�sterreich erz�hlt. Gefunden haben sie diese Rezept in der Stiftsbibliothek von Melk. Hilft nicht immer, wie bei allen Heilkr�utern, bei einem hilfts, bei einem nicht. Erinner dich daran, wie man noch Gurken zu kaufen bekam, die auf dem Feld gewachsen sind, eine war hantig, eine andere nicht. Wenn man sie vom Stielansatz herunter sch�lt, ist sie nicht hantig, wenn man dagegen f�hrt, ist sie hantig.
Jetzt kommt das letzte St�ck. Ein Baumschwamm � ein Lerchenschwamm, Lerchenporling. Er ist seit Urzeiten bei der Bev�lkerung, da es keinen Doktor gab �blich gewesen. Dieser Lerchenschwamm ist bei Lungentuberkulose angewandt worden, die fr�her t�dlich war. Der Schwamm ist sehr bitter, muss getrocknet werden. Gefunden wird er beim Wildensee und beim �densee. Fein geschabt und mit Honig geschluckt � ist nach wie vor ein ganz tolles Mittel, schaut aus wie Brot. Diese �berlieferung findet man in Kr�uterb�chern selten, die sind schon verkommen. Da gibt es nur noch die m�ndliche �berlieferung. Mein Wissen hab ich auch nicht ausschlie�lich von meinen Vorfahren, au�erdem hab ich auch nicht alles vorr�tig f�r meine Familie. Ich brauch einen Hustentee, etwas zum Einreiben, wenn jemand Kreuzschmerzen hat. Mehr als 10 Sachen f�r den Hausgebrauch hab ich nicht, alles andere wei� ich wohl, aber benutz sie nicht. Fr�her hat es Kretzn gegeben, da hat die Mam einen Tee vom Flohkraut abgebrannt, der klebrige Wiesensalbei, der pickt so. Flohkraut hat es gehei�en, weil dieses Kraut in die Betten gelegt wurde, damit die Fl�he daran kleben bleiben sollten. Mit dem Tee aus den Bl�tenrispen haben wir uns gewaschen und so haben wir nie eine Kretzen gehabt. Heute sind Kretzn ohnehin verschwunden. Man hat zwar noch Herpes aber keine Kretzn mehr. Die Leute, die mir das Wissen gegeben haben, sind schon alle gestorben. Jetzt bin ich eine Generation, eine der letzten, die das wei�.
Bei uns geht aber auch die Narzisse verloren, das auch zum immateriellen Kulturerbe geh�rt. Narzissenfest ist gut und recht, ist ein Werbetr�ger f�r die Region, der unbezahlbar ist, f�r die Wirtschaft fast unverzichtbar. Vor rund 50 Jahren hatten wir mindestens � mehr zusammenh�ngende Narzissenwiesen als heute. Auf ehemaligen Narzissenwiesen stehen B�ume, nicht durch das Narzissenfest ist die Narzisse so gravierend zur�ckgegangen, sondern durch die Bodenkultur, weil die meisten Bauern keine Bauern mehr sind, die Fl�chen der Natur �berlassen. Zuerst wachsen dort Schwarzbeeren, dann Stauden, Jungb�ume und heute B�ume. Die Narzissenwiesen wachsen zu, sie werden ged�ngt, da sind sie f�r immer weg, hingebaut, Stra�en gebaut, drainagiert, durch Umweltver�nderung, nicht ausschlie�lich durchs Pfl�cken. Jetzt ist man so weit, dass man die Narzissenwiesen ab Donnerstag rupft, weil man die Narzissen brauchen, die Sch�nheit ist beim Teufel. Man kann das nur �ndern, wenn man die Grundbesitzer, nicht allein mehr die Bauern, �berzeugt, dass das ein bewahrenswerte Erbe aus der Natur ist und dass man dies unterst�tzt. Das ist ein regionales Problem, wenn man jetzt nichts unternimmt, sind sie weg. Sie kommen nie wieder. Dies ist mein gro�es Anliegen, die Heilkr�uter sind gut, wenn man das Wissen weitergibt, die haben wir noch, die siedeln sich wieder an. Brennesseln kann man ausrei�en und abm�hen, sie kommen immer wieder. Bei der Narzisse ist das anders, sie kann nur �berleben in einer Fl�chenkultur. Die Sch�nheit der wei�en Narzissenwiesen zusammen mit den frischen Wipferln ist umwerfend, das ist unwiederbringlich. Am Moosberg ist eine Riesenwiese, die w�chst zu, die ist Jahr schon nicht mehr gem�ht worden. Das w�re das, was uns nicht verloren gehen soll.
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