DI Siegfried Ellmauer, Alminspektor Ober�sterreich

Beobachtungen aus der Almenwirtschaft

Nach einem Tonbandprotokoll:

Das Thema Wildwuchs inspiriert mich sehr, weil wir stehen gerade vor meiner urspr�nglichen Lieblingslandschaft: dem Freigebirg, da oben ist die Wildenseealm, wo ich seit 17 Jahren meinen Unterstand habe. Seit ich meine Diplomarbeit �ber das Zirbenvorkommen gemacht habe, wo ich 2 Sommer lang in einer abgeschiedenen Almh�tte gelebt habe. Mein Zugang zur Alm war ein forstlicher. Meine Vorfahren waren Holzknechte und F�rster und von der m�tterlichen Seite waren es Bauern. Ich habe dort oben die Gelegenheit gehabt mit alten Bauern in Kontakt zu treten und auch die �lteste und letzte Sennerin, die in Altaussee auf die Alm gegangen ist, die Scheutz Martl, kennen zu lernen. Sie ist aus Lupitsch, von der ich mir jeden 2. Tag meine Lebensmittel, Milch, Butter geholt habe. Ich bin oft 3-4 Wochen nicht mehr runter gegangen, weil ich das Leben oben auf der Alm voll in mir aufnehmen wollte. Ich wollte forstlich hier Fu� fassen im Salzkammergut als Forstmeister, weil es noch so viele Forstverwaltungen hier gab: �ber 10 gab es noch. Ich bin in einer Zeit mit dem Studium fertig geworden, wo �ber 7 Jahre Aufnahmesperre bei den Bundesforsten geherrscht hat, so habe ich 3 Jahre lang Holzknechtarbeit gemacht, bis ich dann beim Land Ober�sterreich im Agrarbereich Fu� fassen konnte. Hat mir nicht geschadet. Im Jahr 2000 hatte ich die Chance, meinen Vorg�nger zu beerben und Alminspektor zu werden. Dies ist gar nicht selbstverst�ndlich, denn es waren ernste Bestrebungen da, das Gesetz zum Schutze der Almen zu deregulieren, weil wir das nicht mehr brauchen. "Die Alm sch�tzt sich selber, wenn sie dies nicht tut, dann haben wir den Naturschutz", das war der damalige Gedanke. Der Landeshautpmann hat in Ischl andere Meinungen geh�rt und ich hab es denen zu verdanken, dass es mich heute gibt.

Zum Thema Wildwuchs: das Tote Gebirge hat den Namen Freigebirge, denn da oben hat man bis ins sp�te Mittelalter noch manches tun d�rfen, was herunten schon lange verboten war: frei die Almkultur und frei die Jagdkultur zu leben; da gab es noch keine Wilderei. Es hat sich der Almbauer im Sommer einmal ein St�ck Wild aus der Natur genutzt und das ist bis ins 19. Jhdt. auf den Hochfl�chen sogar geduldet worden, obwohl es im ganzen Salzkammergut verboten war. Warum war dies so? Weil man 5-8 Stunden bis in dies zentralen Hochfl�chen im Karst gehen hat m�ssen.Das haben damals die Jagdherren nicht gemacht und schon gar nicht deren G�ste. Das war also noch so eine Art Freiraum, wo ohne gesetzliche Reglemationen die Einheimischen ihre Gams heimgetragen haben. Ungef�hr ab 1856 sind die Jagdherren nach Altaussee gekommen: im Zuge von Kaiser Franz Josef, der sich in Ischl angesiedelt hat, haben sich Freunde des Kaisers, wie die F�rsten Hohenlohe, hier angesiedelt. Die waren sehr gut zu den Einheimischen: sie haben die jagdliche Erschlie�ung des Toten Gebirges durchgef�hrt, die erste Schule in Altaussee gegr�ndet und einiges zum Gemein- und Sozialwesen beigetragen. F�r in Notgeratene hat die F�rstin sehr geholfen, sie hat auch �ber die Almbauern die jagdliche Erschlie�ung bauen lassen und zwar mittels der Reitwege, die es heute noch gibt. Sie ist mit den Reittieren ins Tote Gebirge hinaus, wo ihnen die Almbauern Dienste und Treiberdienste gemacht haben. Da wo die F�rstin war, ist meines Wissens sehr wenig gewildert worden, weil sie auf legalem Wege diesen Treibern, den Almleuten Wildfleisch gegeben hat und drunt im Tal sehr sozial gewesen ist. Das ist ein wichtiger Hintergrund, wo es mich heute besonders freut, dass wir in der Jagdh�tte der F�rsten Hohenlohe sind.
Das Thema Wildwuchs ber�hrt mich auch deswegen, weil wir vor der Haust�re den Gletscher vom Dachstein leuchten sehen. Der Dachstein ist ja eine der Wiegen f�r die Almwirtschaft. Wir haben im nahen Umfeld in Hallstatt eine 300.000 Jahre alte Salzkultur. Die Kelten haben damals schon bergm�nnisch mit Lappenbeilen und mit Pickeln herzf�rmig aus dem Salzgebirge die Grobsteinbl�cke herausgenommen, die wir heute als Bergsalz  f�r die Sulzen nehmen. Diese Kelten haben irrsinnig viel Gebrauchswissen �ber Heilkr�uter gehabt und haben auch nicht nur von Kr�utern und Pflanzen gelebt, sondern auch vom Fleisch. Sie haben domestizierte Rinder im Hochtal im Dachsteingebiet gehalten und bereits ins Dachsteingebirge aufgetrieben.

Die Weidewirtschaft hat sich von oben nach unten entwickelt. Oben am Plateau am Dachstein waren von Natur aus gro�e weidefreie Fl�chen. Sie haben oben die Weidefl�chen f�r die Weidetiere gen�tzt und durch schwenden von Latschen und B�umen diese Fl�chen erhalten. Sie haben erste Geb�ude in Blockzimmerung errichtet - diese Technik ist �ber 3.000 Jahre alt. Man hat k�rzlich in Hallstatt eine alte keltische Stiege entdeckt und lange dar�ber nachdenken m�ssen, wie die Handwerker fr�her die beweglichen Trittbretter hergestellt haben. Je nach dem wie steil die Stiege sein musste, hat man dies durch die beweglichen Trittbretter regulieren k�nnen. So schlau waren unsere Vorfahren.
Dr�ben im Tirolerischen hat es im September 1991 am Similaun den �tzi ausgeapert. Man hat die Gelegenheit gehabt, dass man  den Menschen aus der Urzeit, Ende der Steinzeit, erforscht. Dieser �tzi war bereits einer der ersten Almbauern, er war Hirte und J�ger. Man hat eine Jahrtausend alte Kultur wiederentdeckt. Es werden auch heute noch an dieser Stelle tausende von Schafen dr�ber getrieben. Die �ltesten �berlieferungen der Bergbev�lkerung haben sich durch den Fund bewahrheitet. Alle Schw�tzer von volkskundlichem Wissen sind eines besseren belehrt worden.
Wir haben die Riesenchance, in der Almwirtschaft noch die letzten Reste einer alpenweit umspannenden Kultur noch zu retten. Ich hatte das Gl�ck gehabt, die alte Sennerin vor 16 Jahren da oben noch kennen lernen zu d�rfen, sie hat mich gefesselt mit ihrer Wirtschaftsweise und mit ihrem �berlieferten Wissen ihrer Vorfahren. Das hat mich seit dem beseelt und nicht mehr losgelassen. Es nutzt nichts, wenn man die heutige Zeit verteufelt, denn alles ist in Bewegung, alles ist im Fluss, das haben schon die alten Griechen gewusst. 
Das hat der Kyril auch gezeigt. Solche Katastrophen soll man nicht als Katastrophe sehen, sondern es sind neue Chancen f�r die Natur, f�r Neubeginn, neuen Lebensraum, den der Sturm geschaffen hat, wo viele andere Entwicklungen gar nicht m�glich w�ren. Auch die Entwicklung unserer heutigen Wohlstandsgesellschaft ist eine riesige Chance f�r uns, dass wir das alte Gebrauchswissen, das in unserer Bev�lkerung da ist, retten und der n�chsten Generation weitergeben und weiterbeleben.

Darum habe ich bereits seit ca. 5 Jahren im Bereich Almen und zwar als das Internationale Jahre der Berge von der UNESCO ausgerufen wurde, im Land O� Initiativen in Zusammenarbeit mit der Jugend ergriffen. Ich bin mehrmals mit den Kindern als Waldp�dagoge in den Wald gegangen. Doch der Lebensraum ist viel umfassender, es geh�rt auch eine Alm dazu, Hochgebirge mit Karst, Seen , das ganze Umfeld. Die Alm hat den Vorteil, dass sie alles unter einem Dach vereint. Auf der Alm hab ich nicht nur die freien Blumenweiden, da hab ich auch den Gebirgswald, die Seefl�che vom Wildensee, da hab ich den Karst, die Geologie, da hab ich alles auf kleinstem Raum vereint. Das m�chte ich den Kindern vermitteln.

Das Projekt, was wir im Jahr 2002 entwickelt haben, nennt sich
Erlebnis Alm: in der Schulzeit mit Schulkindern, in der Ferienzeit mit Erwachsenen oder beim Urlaub auf dem Bauernhof oder einfach mit interessierten Kulturtouristen. Wir wollen einen ganzen Tag  sch�ne Themen r�berbringen, Schwerpunkt ist das Almthema, die Almwirtschaft und die Almarbeit. Die Arbeit des Bauern wird in den Vordergrund gestellt. Die meisten Leute, die zu uns kommen, meinen auf die Alm geht man nur zur Erholung, zum Feste feiern hinauf und sie kennen nur den Spruch: auf der Alm gibt�s koa S�nd und sie kennen nur den ganzen Klamauk, den sie schon 50 Jahre im Einheitsalpenstil vorgegaukelt kriegen, auch aus den Heimatfilmen. Wir wollen, dass sie die Arbeit des Bauern kennen lernen. Wieso es wichtig ist, das Weidevieh aufzutreiben, damit die Hochfl�chen abgeweidet werden, dass wir wertvolle Milch und Butter kriegen. Um zu erkennen, dass das Offenhalten der Alpenlandschaft m�hsam ist, wird von uns mitgeholfen, Latschen zu schneiden, die Alm zu entsteinen und den Steig zu sanieren. Es wird ca. � Stunde Arbeit eingebaut. Sie k�nnen aber dann auch die Lorbeeren ernten, wenn es zu Mittag ein gutes Essen kriegen, das erste mal eine richtige Almbutter kosten oder einen Schmarrn, der mit einem Schwarzbeerenmus veredelt worden ist, oder wilden Schnittlauch sammeln oder Petersielie sammeln und der Almb�uerin bringen, dass sie dies verkocht.
Das Netzwerk soll �ber die Kinder zu den Eltern weitergehen. Die Kinder reissen die Eltern praktisch wieder mit und zeigen ihnen Sachen, die die Eltern gar nicht mehr wissen. Sie k�nnen z.B. eine Fichte von einer Tanne unterscheiden und sie wissen, dass es nicht nur K�he gibt, dass es K�lber und Ochsen gibt, oder einen Stier. Dass es die Milka Kuh nicht gibt, da kommen sie auch drauf. Es ist unsere Chance, auf die Kinder spielerisch und lernisch einzuwirken. Das ist kein Unterricht wie da bei uns heute oder in Schulr�umen, es wird alles mit allen Sinnen ertastet, errochen oder erarbeitet, das bleibt bei den Kindern h�ngen, die sind so aufnahmef�hig, so wissbegierig. Sogar mit f�nfj�hrigen Kindergartenkindern kann man die tollsten Sachen machen. 2 Monate sp�ter sind sie dann mit den Eltern wieder auf der Alm und m�chten den Kontakt zum Almbauern finden.
In dieser Richtung bauen wir auch andere Themen ein, 50 % sind nicht almwirtschaftliche Themen, das ist die Jagd und der Schutzwald, denn eine Alm funktioniert nur dann, wenn der sch�tzende Wald den Boden sch�tzt und die Verkarstung verhindert und dass der Wald ein Ort ist, wo viele Wildtiere ihren Lebensraum haben.Die Bergsteiger, die eigentlich Erholung suchen wollen, k�nnen auch nicht mehr abschalten. Sie sehen links und rechts nicht mehr, was neben dem Weg kreucht und fleucht. Da haben wir den Auftrag, dass wir die Leute aufmerksam machen. 
Die zweite Ebene, wie ich das Netzwerk aufbaue, ist �ber die Alpinvereine, da gibt es die tollsten Projekte, mit den Umweltbaustellen, wo sich Jugendliche eine Woche freiwillig bereit erkl�ren, unentgeltlich, gegen Kost und Unterkunft, zu arbeiten.

Ein weiterer Schwerpunkte ist die
Almrevitalisierung. Auf Almen, die vielleicht in 5 Jahren aufgelassen w�rden, helfen wir dem Bauern in seinem letzten Lebenskampf, um mit den Jugendlichen den Energieschub in seinen Kopf hineinzubringen, dass er nicht aufgibt: hoch oben am Berg, wo er 2-3 Stunden zu Fu� hingeht. Diese Almen haben ein urspr�ngliches Landschaftsbild bewahrt, weil eben keine Stra�e hinf�hrt und weil gro�e Erschwernisse �ber Generationen ertragen wurden. Wir haben heute andere technische Hilfsmittel, wie man z.B. Lasten auf die Alm auffliegen kann, z.B. den Hubschrauber, wo wir die Landschaft nicht zerst�ren m�ssen. 
Ein weiterer Impuls, wo ich den Wildwuchs auch noch ausweiten will, ist bei meiner
Ausbildung der Almf�hrer f�r Schulen, daf�r bedarf es geschulter Naturp�dagogen. Wir haben seit einem Jahr das Projekt �sterreichweit mit Hilfe des Lebensministeriums verankert. Es gibt mittlerweile in 5 Bundesl�ndern die Almf�hrer, die ihre Dienste anbieten.

Diese Wildwuchsgeschichte hat mich auch deswegen so gefreut, weil wir vor 2 Tagen Sonnenwende feierten. Die Sonnenwende ist ein Kulttag, die Winter- und die Sommersonnenwende war bei den Kelten ein ganz besonderes Ereignis. Diese alte Kultur haben Almbauern �ber viele Jahrhunderte weitergetragen, indem sie ein Sunnwendb�scherl binden, z.B. in Altaussee gibt es diesen Brauch noch. Genauso wie beim Herbst beim Almabtrieb das Reifb�scherl ein wichtiges Symbol ist bei uns, vor allem f�r die m�nnlichen Besucher, das bekommt nur, wer einen Hut auf dem Kopf hat. Die Almb�scherlkultur hat im Salzkammergut eine besonders starke Auspr�gung, ist in jedem Ort, in jedem Tal eine andere Zusammensetzung, aus welchen Pflanzen das B�scherl gebunden wird. In Altaussee binden sie es anders, als in Ebensee oder Goisern, oder Gosau. Das hab ich erst durch meinen Beruf erfahren k�nnen, was da alles an Potential da ist, was aber sehr stark im Verschwinden ist. Darum ist der Wildwuchs, mit den Kr�utern, der Jagd, dem wilden Tierfang, mit dem Vogelfang, mit der Almkultur, dass wir uns bem�hen, das alte Gebrauchswissen wieder neu zu beleben. Denn was nutzt es mir als Akademiker, wenn ich jedes Pflanzerl beim Namen nennen kann, wenn ich aber nicht wei�, f�r was es gebraucht werden kann, welche Nutzanwendung sie f�r den Menschen haben. Dieses alte Gebrauchswissen ist leider im Verschwinden begriffen und da k�nnen wir, so glaub ich, in einer Gegend, wo soviel Salzkultur da ist, wo die Kelten schon gearbeitet haben, ihr Druidenwissen zu neuem Leben erwecken.

Es ist auch sehr wichtig, dass man mahnende Geister haben, ansonsten fahren wir mit Volldampf ins Verderben und s�gen immer weiter an dem Ast, auf dem wir sitzen. Nur Nachhaltigkeit und vorausschauendes Handeln ist das Gebot der Stunde, weswegen wir das Gebrauchswissen brauchen, damit wir uns wieder neu befruchten k�nnen. Ich w�nsche dem Wildwuchs vieles an gutem Gedeihen und sprie�enden Projekten, ich w�nsch der Veranstaltung ein kr�ftiges Berg- und Almheil.
WildWuchs
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