Reinhard Mey

Mann aus Alemannia

Als ich im vergang'nen Jahr bei den Pyramiden war, 
kurz behost im Wüstensand in der Reisegruppe stand, 
auf dem Kopf zum Schutz vor Hitze eine grünbeschirmte Mütze, 
hab' ich, wie die ander'n hundert, auch den großen Bau bewundert 
und mich, kamerabehängt, auch auf ein Kamel gezwängt. 
Das trug mich geduldig stumm zweimal um die Sphinx herum. 
Doch nach dieser Viertelstunde wollt' ich eine dritte Runde, 
völlig seekrank schon vom Wandeln, doch im Orient muß man handeln, 
oder man wird unbedarft gleich als Ausländer entlarvt.
Also feilschte ich massiv, bis der Kameltreiber rief: 
|: Guck mal, ach nee, sieh mal da, Mann aus Alemannia :|

Irgendwas verriet mich ganz offensichtlich auf Distanz, 
also hab' ich eingeseh'n: hier muß man subtil vorgeh'n. 
Um sich nicht zu unterscheiden hilft oft schon sich zu verkleiden, 
einen Burnus zu gebrauchen, und schon kann man untertauchen, 
gar mit einem Fez geziert wird man sofort akzeptiert. 
Also kauft' ich kurzerhand Kopfbedeckung und Gewand.
Um noch wen'ger aufzufallen, trug ich einen Teppichballen 
und ließ mir dazu noch eben Dolch und Wasserpfeife geben. 
Unauffällig wie ich war, ging ich schnurstracks zum Basar.
Zögernd stand ich noch davor, da grölte schon der Händler Chor: 
|: Guck mal, auch nee, sieh mal da, Mann aus Alemannia :|

Dieser Fehlschlag nun verdroß mich doch sehr, und ich beschloß, 
dem Erkennungsphänomen ganz bis auf den Grund zu geh'n. 
Um mich völlig zu entstellen, behängt' ich mich mit Eisbärfellen, 
einem Kimono voller Motten und dem Rock von einem Schotten, 
einem grauen Paletot, und roch wie ein Eskimo. 
So gelangt' ich unerkannt durch die Altstadt bis zum Strand, 
blieb dort eine zeitlang stehen, um den Fischern zuzusehen.
Netze knüpfen, Boote teeren, die mußt' ich erst mal belehren, 
wie man sowas richtig macht und hab' ihnen beigebracht, 
wie man rationell Angeln baut. Da jubelten die Fischer laut: 
|: Guck mal, ach nee, sieh mal da, Mann aus Alemannia :|

Dann hab' ich's nochmal versucht und die Wüstentour gebucht. 
Für zweihundert Mark in bar lieh man mir ein Dromedar. 
Hab' das Wüstenschiff erklommen und bin vom Weg abgekommen. 
Traf nicht mal mehr Amerikaner, nur noch eine Fata Morgana. 
Stundenlang bin ich verwirrt in der Wüste rumgeirrt. 
Dann sah ich eine Person. Hallo, rief ich, Wüstensohn! 
Wo geht's denn hier zur Kantine? Hör mal, alter Beduine, 
bring mich mal rasch zur Oase, ich hab' meine Bierdurstphase. 
Du bist doch hier eingebor'n, wo gibt's hier 'n Pils und 'n Korn? 
Bißchen dalli, ist das klar? Da schrie der Mann vor Schrecken starr: 
|: Guck mal, ach nee, sieh mal da, Mann aus Alemannia :|

Tags darauf trat ich alsdann schwer enttäuscht den Heimflug an. 
So schloß mein Experiment 'Rätselhafter Orient'. 
Die Versuche, Land und Leute zu studier'n, war'n eine Pleite. 
Trotz Verkleidung und trotz aller Listen bin ich aufgefallen, 
überall sofort erkannnt als ein Mann aus deutschem Land. 
Ohne jemals zu versteh'n, wodran die denn das bloß seh'n. 
Erst in Frankfurt nach der Landung kam die wundersame Wandlung: 
Als ich mein Gepäck abholte und der Zöllner wissen wollte, 
was ich anzumelden hab' und ich nicht gleich Antwort gab, 
sagte mir der Mann vom Zoll väterlich und mitleidsvoll: 
|: Du wohl Türke, nix blabla, neu in Alemannia :|

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