Reinhard Mey

In diesem uns'rem Lande

Jedesmal, wenn ich die Zeitung aufschlag'
haben die Damen und Herren im Bundestag
sich schon wieder mal die Diäten erhöht.
Und ich spür', wie ich für sie vor Scham erröt'.
Ich seh' Familien, wo es vorn' und hinten nicht reicht,
seh' Opa Bölke, dem man cool das Taschengeld streicht.
Mir geh'n die Bilder von Armut nicht aus dem Sinn,
aber die Damen und die Herren langen erst mal kräftig hin!

Ist das nicht eine Schande, in diesem uns'rem Lande?

In der Tagesschau zeigt man uns ein Staatsbankett:
Alle ha'm Übergewicht, und alle sind zu fett.
Doch das gleicht sich wieder aus, denn wie man auch erfährt,
sind in unser'm eig'nen Lande Menschen unterernährt.
Wir ha'm 'nen Butterberg, und auch 'nen Milchsee ha'm wir schon,
und eine Schweinelawine überrollt die Nation.
Mit der Überschußvernichtung ha'm wir uns're liebe Not,
und Opa Bölke hat nichtmal die Magarine für's Brot.

Ist das nicht eine Schande, in diesem uns'rem Lande?

Am Flugplatz Bonn steht eine ganze Flotte parat,
die nichts als nur Polittouristen rumzufliegen hat.
Kein Anlaß ist zu nichtig, keine Entfernung zu klein,
und statt zu Fuß zu geh'n muß es ein Hubschrauber sein.
Für eine Stunde Bonzenjet bekommt man nebenbei
für dreißig Kinder drei Wochen Ferien auf Norderney.
Und alle naselang düst ein Hanswurst nach irgendwo,
und Opa Bölke streicht man den Seniorenausflug in den Zoo.

Ist das nicht eine Schande, in diesem uns'rem Lande?

Denk' ich an Deutschland in der Nacht,
dann hör' ich wie's Silvester knallt und kracht.
Opa Bölke ist jedesmal zu Tode erschreckt,
sein Bedarf an Knallerei ist in zwei Weltkriegen gedeckt.
Und für das Geld, das man beim letztenmal verballert hat,
kriegst du eine Million Menschen ein Jahr lang satt.
Da kann die Welt verhungern und in Trümmern fall'n,
das ist uns scheißegal , wir wollen weiterknall'n.

Ist das nicht eine Schande, in diesem uns'rem Lande?

Lumpige 50 Milliarden kostet uns das Militär,
die spar'n wir uns vom Munde ab, die geb'n wir locker her!
Die Armee soll leben in Saus und Braus,
dafür schließen wir auch gerne einmal ein Krankenhaus.
Selbst Opa Bölke verzichtet auf's Sterben, weil man
für sein Sterbegeld dann noch mehr Waffen kaufen kann.
Wir streichen Schul'n und Kindergärten für den guten Zweck,
nur bitte, bitte, nehmt uns unser Lieblingsspielzeug nicht weg!

Ist das nicht eine Schande, in diesem uns'rem Lande?

Manchmal denk' ich, ich wand're in die Südsee aus,
doch es gibt kein Entkommen, hier bin ich zuhaus'.
Nirgends wär' ich mehr als hier ein freier Mann,
nirgends wo ich mich so grün, gelb, rot und schwarz ärgern kann.
Hier leben meine Freunde, die ich zum Leben brauch'
und die brauchen meine Stimme als Wähler vielleicht auch.
Und weil ich Opa Bölke doch nicht so allein lassen kann,
und schließlich häng' ich irgendwie ja doch daran,

- das gesteh' ich am Rande - |: an diesem uns'rem Lande :|

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