Udo Jürgens

Es lebe das Laster

Er war eben so, war völlig daneben
Er hat nie geraucht, ging nie einen heben
Statt Vino und Gambas - Vollmilch und Brot
und was hat er davon? Denn nun ist er tot!

Er saß wie ein Geier auf seinen Moneten
Er ließ es nie krachen auf diesem Planeten
War immer versichert für jegliche Not
Und ich trinke auf ihn, denn nun ist er tot!

(Kehrreim:)
Es lebe das Laster,
denn wer brav ist wird nirgendwo vermißt,
Erst recht wenn er daran gestorben ist.

Er ging nie zum Aufriß in heiße Lokale,
machte niemanden an und niemals Randale
Kein Cocktail am Strand im Abendrot
Er tut mir so leid, denn nun ist er tot!

Er hat das Finanzamt niemals beschummelt
Und hätt' er 'ne Frau, hätt' er sie nie befummelt
Er war nie im Bett mit Blond oder Rot
Und jetzt ist es zu spät, denn nun ist er tot!

Kehrreim

Er aß sich nie satt und war trotzdem nicht schlank
Er fuhr nie ans Meer, denn die Sonne macht krank
Alkohol war tabu, weil das die Leber zerstört
Er ist von innen vertrocknet und von außen verdörrt.

Kehrreim


Ein Stück aus der untersten Schublade des deutschen Schlagers, das gesungen zu haben sich Professor h.c. Bockelmann alias U.J. zeitlebens hätte schämen sollen. Man muß ja als Schlagersänger nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen und nicht jeden Text persönlich beherzigen - obwohl U.J. das immer wieder für sich in Anspruch genommen hat, zumal dann, wenn er sich damit als Bürgerschreck aufspielen konnte. Aber etwas mehr Konsequenz sollte man schon an den Tag legen: Mal verarschte er Frauen, die gerne Kuchen essen - aber bitte mit Sahne - und behauptete: Der Teufel hat den Schnaps gemacht; und auf seinem Flügel stand immer demonstrativ eine Tasse, in der sich - angeblich - Kamillentee befand; aber dann sang er so etwas: Wer nicht raucht, säuft und schlemmt, wer sich keinen Hautkrebs in der prallen Sonne holen will, und wer gar so ungesunde Dinge wie Brot ißt und Milch trinkt, der kann einem nur leid tun, denn der hat nie gelebt - und nun isser tot... Ich vermute nur, daß er länger und besser gelebt hat als derjenige, der dem laster gefrönt hat und ja auch irgendwann mal sterben muß, und wahrscheinlich sehr viel jämmerlicher, an Lungen- oder Kehlkopfkrebs, Leberzirrhose oder Herzverfettung. Wohlgemerkt, man kann das auch andersherum ausdrücken, positiv statt negativ und humorvoll statt gehässig: Wenn z.B. Tony Marshall sang, daß man saufen und die Nacht durchfeiern und "Rabatz machen" sollte, dann war das zwar auch nicht gerade das Gelbe vom Ei, aber das sei jedem unbenommen, der Spaß daran hat; das zu besingen ist etwas ganz Anderes als auf denjenigen herumzuhacken, denen das halt keinen Spaß macht und die lieber "solide" leben, ihnen den Tod zu wünschen und dann noch hämisch darauf zu trinken, daß sie gestorben sind! Wenn dagegen Rainhard Fendrich Es lebe der Sport sang, dann nahm er nicht den Sport an sich auf die Schippe, sondern die Auswüchse einer falsch verstandenen Sportbegeisterung, die sich am Ende darauf beschränkt, mit dem Bier vor der Glotze zu sitzen und zuzuschauen, wie Andere sich durch den Boxring prügeln, gegen den Ball - oder den Schiedsrichter - zu treten und beim Autorennen verunglücken. So etwas hatte pädagogischen Wert, auch wenn es "nur" ein Schlager war!
Nachtrag: Als U.J. Ende 2014 starb, wurde sogleilch der alte römische Satz strapaziert, man sollte über die Toten nur Gutes sagen. Wieso eigentlich? Wer sagt denn Gutes über Hitler, Stalin, Mao, Pol Pot oder Idi Amin? Eben. Und was denen recht ist, sollte U.J. billig sein. Und erst recht heißt das nicht, daß man, um überhaupt etwas zu sagen, verlogene Lobhudeleien erfinden müßte. Die schlimmste, die ich las, lautete: "Udo, du warst ein guter Mensch, aber kein Gutmensch!" Das Gegenteil ist richtig: U.J. war kein guter Mensch. Er hat ebenso Steuern hinterzogen wie Freddy Quinn, Michel Polnareff, Johnny Hallyday, Milva u.a. "Größen" der Schlagerbranche - bloß mit dem Unterschied, daß ihm daraus nie jemand einen Strick gedreht hat. Warum nicht? Weil er eben doch ein "Gutmensch" war, dem man nicht an den Wagen karren wollte. Wenn man über den nur noch Gutes sagen dürfte und dennoch bei der Wahrheit bleiben wollte, müßte man fortan schweigen wie ein Grab. Und da das nicht meine Art ist, erhebe ich mein Milchglas und sage laut und deutlich: Nun ist er tot, und das ist gut so, denn nur ein toter Gutmensch ist ein guter Gutmensch. Prost!

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