Linearbandkeramik



Zu Beginn der Jungsteinzeit - im fünften vorchristlichen Jahrtausend (d. h. von 6000 bis 5000 v. Chr.) - veränderte die sogenannte "Neolithische Revolution" für immer die menschliche Lebensweise in Mitteleuropa.
Eine Revolution ist als plötzliche Umwälzung bestehender Verhältnisse definiert; der Übergang von der aneignenden zur produzierenden Wirtschaftsweise, wie er zwischen dem 14. und dem 8. Jahrtausend im Mittelmeerraum vor sich ging, war genau dies, wenngleich als ein sehr allmählicher Prozeß vonstatten gehend - vielleicht sollte man daher besser vom "Neolithischen Wandel" sprechen.
Auswirkungen der veränderten Lebensweise ergaben sich auf Ernährung, Technologie, Sozialgefüge und natürlich auch auf die geistige Welt der Menschen - Wissenschaft und Religion. Neue Besitzformen an Häusern, Feldern, Herden und Vorräten ergaben bisher unbekannte Konfliktpotentiale, die wiederum einen Wandel der politischen Strukturen nach sich zogen. Der Mensch hatte sich für immer aus dem Kreislauf der Natur ausgeklinkt, er war nicht mehr nur ein einfacher Teil des Ökosystems - und wird es wahrscheinlich auch nie mehr sein.
In den Verbreitungsgebieten des "Neolithischen Wandels" wurden die "Ureinwohner" durch Übernahme der Neuerungen von mehr oder weniger nomadisierenden Jägern, Fischern und Sammlern zu mehr oder weniger seßhaften Ackerbauern und Viehzüchtern. Zum Zwecke der Nahrungsproduktion begannen sie planmäßig damit, ihre Umwelt nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. Erste Waldnutzungen fanden in Form von Rodung und Beweidung statt. Die Annahme, daß die Menschen dieser Zeit mit ihren "primitiven" Geräten nicht in der Lage gewesen wären, einen Baum zu fällen, ist falsch, wie Experimente der experimentellen Archäologie bewiesen haben - zudem gab es noch die Möglichkeit der Brandrodung und des Ringelns von Stämmen.


Neolitische Geräte Geräte und ihre Herstellung veränderten sich gleichfalls. Statt ausschließlich den wertvollen Feuerstein zu verwenden, benutzten die Neolithiker auch einfache Gerölle aus Gneis oder Schiefer, welche grob behauen bzw. gesägt und anschließend zu Beilklingen oder den charakteristischen Dechseln (Querbeilen) geschliffen wurden. Zwischen Holzschaft und Klinge fügte man Futterale aus Horn ein, um die Wucht der Hiebe abzumildern. Auch versah man seit dem Beginn des Neolithikums viele Steingeräte aufwendig mit sauberen Durchbohrungen, statt - wie zuvor - das Schaftloch "nur" zu durchpicken. Kochgeschirre aus Ton und Backöfen in Form von lehmverkleideten Kuppeln verbesserten die Nahrungszubereitung. Neolithische Geräte


Die ersten Gehöfte und Dörfer waren nur Inseln im Urwaldmeer, aber sie wurden periodisch verlegt und vervielfachten so ihren Einflußbereich. Außerdem konzentrierten sie sich in Gegenden mit Lößablagerungen, wahrscheinlich, weil deren fein strukturierte Bodenformen mit den damaligen Werkzeugen aus Stein, Holz und Horn am einfachsten zu bearbeiten war. Für die Ursachen der Siedlungsverlegungen gibt es verschiedene Theorien - eine eventuelle "Erschöpfung" des Bodens durch den Ackerbau gehört jedoch nicht (mehr) hierher, denn in vielen Lößgebieten Mitteleuropas hatten sich nach der Eiszeit - unter dem Einfluß des kontinentalen Steppenklimas - äußerst fruchtbare Schwarzerden gebildet, so wie sie heute noch in der "Magdeburger Börde" zu finden sind. Vielleicht zogen die ersten Waldbauern weiter, weil ihre Häuser verfielen und/oder ihre Felder verbuschten und/oder ihre Herden neue Waldweidegebiete brauchten. Vielleicht lockte sie auch nur die Ferne, die übernächste Biegung des Flusses, das Jenseits der Wasserscheide. Nach 20-30 Jahren war es dann sehr wohl möglich, daß dieselbe Stelle erneut besiedelt wurde.


Insel im Urwaldmeer



In der angelsächsischen Literatur wird die Linearbandkeramik (LBK) oft auch als "Donauländische Kultur" (engl. "Danubian Culture") bezeichnet. Die Stufe I der LBK (ca. 5800-5300 v. Chr.) wird auch als "Landnahme-Phase" bezeichnet und ist von einer großen Einheitlichkeit hinsichtlich ihrer Siedlungs- und Wirtschaftsweise geprägt. Sie entwickelte sich allem Anschein nach in der westungarischen Tiefebene, und zwar eigenständig - wenn auch unter dem Einfluß früher neolithischer Kulturen wie Starcevo-Körös in Ungarn, Vinca in Jugoslawien und Cris in Rumänien, die wiederum Beziehungen bis nach Anatolien (Türkei) aufzuweisen scheinen.

Von ihrem Ursprungsgebiet gelangte die erste Stufe der Bandkeramik zu den niederbayerischen Lößflächen (Regensburg bis Vilshofen) und die Isar aufwärts bis Landshut. Im Westen erreichte sie zwischen 5700 und 5500 v. Chr. den Rand des schwäbischen Stufenlandes - bei Dillingen/Donau liegen diese bisher letzten bekannten Ausläufer jener ältesten jungsteinzeitlichen Epoche in Deutschland. Ausbreitung der Linearbandkeramik

Dann ging es weiter, in den Rieskessel, den Neckar hinab (Siedlungsschwerpunkte lagen bei Tübingen, Stuttgart und Heilbronn) und bis zum Rhein. Ein östlicher Zweig besiedelte derweil von Böhmen aus entlang der Elbe die Lößflächen im Nordosten von Mitteleuropa - über Dresden bis Riesa - und gelangte dann ebenfalls bis zum Rhein.

Ihre Behausungen legten die Linearbandkeramiker immer in derselben Lage an: am leicht geneigten Hang (2-3 Grad) zwischen dem feuchten Talgrund und der trockenen Hochfläche. Diese Hanglage sorgte für einen guten Wasserabfluß. Auf der Ebene wurden die Ackerflächen anlegen. Zusammengesetzte Herden aus Schafen, Ziegen, Schweinen und Rindern wurden in den nahegelegenen Wäldern auf die Hutung (Waldweide) geschickt.


Langhaus

Im Tal dagegen wuchs das dichtstehende und daher geradschaftige Holz für den Bau der charakteristischen Langhäuser. Mit bis zu 40 m Länge waren diese massiven Pfostenbauten meistens von Südwest nach Nordost ausgerichtet und in bis zu drei Abschnitte gegliedert, wobei im Nordwestteil der zentrale Wohnraum, im Mittelteil der Arbeitsbereich und im Südostteil ein Stall mit eingezogenem Speicherboden vermutet werden. Allerdings variieren die Ausrichtungen und Einteilungen beträchtlich, besonders in der Anfangsphase der Linearbandkeramik.

Die mächtigen Ausmaße der Langhäuser, ihre sauber behauenen Trägerpfosten (die vielleicht durch Schnitzarbeiten verziert waren) und weit heruntergezogenen, ried- oder strohgedeckten Dächer, die festen Wände aus Flechtwerk mit Lehmbewurf und einem (eventuell farbenfroh bemaltem) Verputz aus Lehm oder gebranntem Kalk - all das dürfte großen Eindruck auf die in Hütten und Zelten hausenden "Eingeborenen" gemacht haben.
Überhaupt sind die ehemaligen Pfostenlöcher und Gruben sowie ihr noch vorhandener Inhalt die wichtigsten Befunde auf archäologischen Ausgrabungen linearbandkeramischer Siedlungen. Oft finden sich Lehmentnahmegruben entlang der Längswandpfosten. Mit dem Lehm wurden nicht nur die Wände beworfen, man schuf wohl gleichzeitig eine Dachtraufe. Die Vorratsgruben für Getreide bestanden aus tiefen Eingrabungen, deren Wände nach unten weiter wurden. Gräben wurden auch als Bestandteile von sog. "Erdwerken" angelegt; darin finden sich neben anderen Hinterlassenschaften auch Bestattungen. Und letztlich gab es noch die Gräber der Verstorbenen.


Hockergräber


Die Menschen der linearbandkeramischen Kultur beerdigten ihre Angehörigen zumeist auf Friedhöfen in Siedlungsnähe. Viele Skelette findet man als sogenannte "linksseitliche Hocker", d. h. in Schlafstellung, mit angewinkelten Beinen auf die linke Körperseite gebettet. Dabei weist der Kopf der Toten zumeist nach Osten und das Gesicht nach Süden. Abweichungen von dieser Bestattungsform sind eher die Regel als die Ausnahme: es gibt "rechte Hocker" sowie auf dem Rücken ruhende Tote mit gebeugten und gestreckten Beinen, alles in variierenden Ausrichtungen. Die Toten finden sich - ganz oder stückweise - in Einzel-, Gruppen- oder Massengräbern, als Sekundärbestattungen in Höhlen oder (Abfall)gruben und sowohl auf abgelegenen Begräbnissplätzen als auch mitten in ehemals bewohnten Siedlungen. Brandgräber, Holzsärge und Steinkisten kommen ebenfalls vor. Entweder war das Totenbrauchtum der Linearbandkeramiker unglaublich kompliziert oder einfach sehr freizügig. Als Grabbeigaben sind Steingeräte (Dechsel, Klingen, Pfeilspitzen u. a.), Keramik, Schmuck (Muscheln, Schnecken, Tierzähne, Ocker) und Nahrungsmittel (beispielsweise Brot und Fleisch) nachweisbar.
Auf sehr weitreichende Handelsbeziehungen weisen Schmuck-Muschelschalen der Art Spondylus spec. hin, welche vom Mittelmeer und Schwarzen Meer nach Mitteleuropa gelangten (allerdings sind Spondylus-Muscheln nicht für die älteste Linearbandkeramik belegt). Auch Silex und Ocker wurden über große Entfernungen transportiert und sicher auch andere, schlechter nachweisbare Güter wie Nahrungs- und Genußmittel, Werkstoffe, Gerätschaften, Waffen, Schmuck, Haustiere, Sklaven und Vorstellungen.

In ihrer maximalen Ausdehnung reichte die linearbandkeramische Kultur von den Küsten der Niederlande bis tief in die ukrainische Steppe, im mittleren Neolithikum aber zerfiel ihre Einheitlichkeit in eine Vielzahl regionaler Gruppen.


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