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Geborstene Ellipsen Zwei Ausstellungen über die Verfolgung homosexueller Männer von 1933 bis 1945 von OLIVER KÖRNER V. GUSTORF Es ist, als würde in Sachsenhausen
alles erbleichen. Angesichts der
Im dritten Reich galt Homosexualität
als ansteckende Seuche, Schwule als Asoziale, die "die Substanz der völkischen
Leistungsgemeinschaft" im Sinne der sozialdarwinistischen Lehre "auszehrten".
Im Gegensatz zu den als Parasiten eingestuften Rassen, insbesondere den
Juden, betrachteten die Nazis
Aktenvermerke, Verhörprotokolle,
Fotos und Erinnerungsstücke schildern die 1933 begonnene Zerschlagung
der schwulen Subkultur Berlins und den Kreislauf aus Denunziation und Bespitzelung,
den die 1935 eingeführte Verschärfung des § 175 und die
1936 von Himmler veranlasste Gründung der Reichszentrale zur Bekämpfung
von Homosexualität und Abtreibung zur Folge hatten. Wie komplex und
perfide die Maschinerie der Nazis funktionierte, das verdeutlicht die von
Andreas Sternweiler und seinen Mitarbeitern nach über zehnjähriger
Vorarbeit zusammengestellte Ausstellung ohne die exponierte Darstellung
von Greueltaten. "Bei K. handelt es sich um einen verlogenen und verkommenen
Transvestiten gemeinster Art": Die Demütigung beginnt mit der peinlichen
Aufzählung intimer
Den Polizeifotos, Verhaftungsstatistiken
und Hetzschriften werden in der Ausstellung private Zeugnisse entgegengestellt,
die sich vom Mitläufer bis zum Widerstandskämpfer auf anrührende
Weise ähneln. Ein über die Schulter des Anderen gelegter Arm,
die gemeinsame Zigarette, ein Blick - wie ein feines Geflecht entfaltet
sich das schwule Abbild eines seltsam fernen Vorkriegsdeutschlands durch
Klassenzugehörigkeit und Gesinnungen hindurch, auf Jugendfahrten,
in Wohnzimmern und Tätowierstudios. Seine Sexualität zu leben,
Ein Großteil der in Sachsenhausen und Berlin fragmentarisch angedeuteten Lebensläufe enden im Konzentrationslager, im Schlamm der Tongrube, im Klinkerwerk, in einer Schlinge am Bettpfosten. Das berüchtigte Strafkommando "Schuhläufer", die Krankenstation, auf der Schwule kastriert wurden, die Isolierbaracken, all das taucht nicht nur in Zeichnungen und Erinnerungen auf, es ist in Sachsenhausen physisch erfahrbar. Das leuchtfarbene Licht schafft eine Gleichzeitigkeit zwischen Gegenwarten und Orten, es führt in die Alltäglichkeit, mitten in die Berliner Schwulenszene. Bis zum heutigen Tag hat es keine Entschädigung der Opfer gegeben. Betroffene, wie der Widerstandskämpfer Paul Hahn, wurden nach der Befreiung erneut verfolgt und verhaftet, um ihre Strafe abzusitzen. Der Berliner Hauptausschuss "Opfer" wertete in den ersten Nachkriegsjahren selbst Kastrationen nicht als NS-spezifisches Unrecht. Der § 175 wurde erst 1994 ersatzlos gestrichen. Bis 1969 wurden in der Bundesrepublik etwa 50.000 Männer aufgrund des noch immer gültigen Nazi-Paragrafen verurteilt. Während der Bundestag letzte Woche über eine Entschuldigung gegenüber den Schwulen und die mögliche Aufhebung der betreffenden NS-Urteile debattierte, ließ die Rede der ehemaligen Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing anlässlich der Eröffnung der Ausstellung dieses Thema unberührt. Es kann nicht nur darum gehen, ein
"spezifisches, unverwechselbares Gedenken zu entwickeln". Es ist unerlässlich,
der lange fälligen Entschädigung der Opfer nachzukommen und einzugestehen,
dass sie auch nach dem Ende des NS-Regimes Verfolgte waren. Man sollte
sich nur einmal als offen erkennbarer Schwuler zu Fuß auf den Weg
vom Bahnhof in Oranienburg zur Gedenkstätte in Sachsenhausen
Bis 30.7., Schwules Museum, Mehringdamm
61, Kreuzberg, tgl. außer Di., 14-18 Uhr.
(taz vom 1.4.2000) |