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Jeder Sexualakt ein Akt des Widerstands

Homosexuelle Männer im KZ Sachsenhausen

Über 100 schwule und lesbische Lokale gab es im Berlin der Weimarer Republik, zahlreiche homosexuelle Vereine, Zeitschriften und Verlage. Die gesellschaftliche Akzeptanz wuchs spürbar, ein Ende der
Kriminalisierung rückte in greifbare Nähe, als der Strafrechtsausschuss des Reichtags 1929 beschloss, Homosexualität zwischen Erwachsenen in Zukunft straffrei zu stellen. Doch es kam anders: Denn mit ihrer Aktion "Sauberes Reich" läuteten die Nationalsozialisten schon im Februar 1933 die Zerstörung der blühenden schwulen Subkultur Berlins ein. Das legendäre Transvestitenlokal "Eldorado" wird als eines der ersten geschlossen, homosexuelle Einrichtungen zerstört und geplündert, das WhK, die älteste Homosexuellen-Organisation der Welt, löst sich selbst auf. Wer nicht, wie Klaus Mann oder Magnus Hirschfeld, der Gründer des Berliner "Instituts für Sexualforschung", frühzeitig ins Exil geht, findet sich plötzlich von der Nazi-Propaganda als "Volksschädling" und
"jüdischer Knabenverderber" denunziert, wird Opfer von Razzien und
Schutzhaftbefehlen. Die Verschärfung des § 175 im Jahr 1935 macht jeden Sexualakt zwischen Männern zu einem Akt des Widerstands.

Eine hervorragende Doppel-Ausstellung der Gedenkstätte Sachsenhausen und des Schwulen Museums Berlin zeigt nun die
Chronologie dieser "Verfolgung homosexueller Männer in Berlin
1933-45" - so ihr Titel. Dabei widmet sie sich der Zerschlagung der
homosexuellen Subkultur in der Reichshauptstadt Berlin und der Situation schwuler Männer im KZ Sachsenhausen. In ihrem dritten, weitaus umfangreichsten Teil rekonstruiert sie rund 60 Einzelschicksale homosexueller Männer während der NS-Zeit. In jahrelanger Recherchearbeit sind Briefe, Fotos, Dokumente und Zeichnungen aus Privatbesitz und Archiven zusammengetragen und Strafakten gesichtet worden. Sie dokumentieren, wie immer neue Erlässe die Homosexuellenverfolgung systematisch intensivierten, wie Schwule versuchten, sich durch Scheinehen zu schützen, wie sie Experten des Versteckspiels und Opfer von Denunziationen wurden. Sie erzählen aber auch von schwulen Mitläufern des NS und heimlichen Schwulen-Treffpunkten in Berlin. 

Noch nie zuvor hat eine Ausstellung den Schicksalen Homosexueller in einem KZ so umfassend und detailliert nachgeforscht wie hier. Über 1000 schwule Inhaftierte gab es in Sachsenhausen, ab 1939 wurden sie vom Hauptlager isoliert und automatisch der Strafkompanie und damit besonders brutalen Arbeitskommandos zugeteilt. Allein bei den Mordaktionen im Sommer 1942 im Klinkerwerk wurden innerhalb weniger Tage 300 bis 400 von ihnen ermordet. Die ausgestellten Sterbeurkunden sprechen von "auf der Flucht erschossen". Durch Recherchen bei Zeitzeugen, in Berlin und in Moskau - wohin die KZ-Dokumente gebracht worden waren - konnte man die Schicksale von 270 in Sachsenhausen ermordeten Homosexuellen rekonstruieren. Öfter als andere Häftlingsgruppen wurden sie für medizinische Experimente herangezogen, besonders für Kastrationen.

Was nach 1945 geschah, zeigt ein kleiner Nebenraum der Ausstellung. Die hier ausgestellten Dokumente führen dreierlei sehr deutlich vor Augen: Für Homosexuelle gab es in Nachkriegsdeutschland keine Anerkennung als Opfer des Faschismus und keinen Anspruch auf Wiedergutmachung. Zudem übernahm die Bundesrepublik die 1935 verschärfte Nazi-Fassung des § 175 und behielt sie bis 1969 in dieser Form bei. Endgültig aus dem Strafrecht gestrichen wurde der § 175 erst im Jahr 1994. In der DDR lehnte man den Nazi-Paragrafen ab, einvernehmliche homosexuelle Beziehungen blieben aber bis 1957 strafbar. Der § 175 wurde allerdings schon 1968 abgeschafft.

Ausstellung: bis 30.7. Gedenkstätte Sachenhausen und Schwules
Museum Berlin, Info: 03301/810912.

(Berliner Zeitung vom 28.3.2000)

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