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 Verfolgt, ermordet und noch nicht rehabilitiert

Ausstellung über Schicksal Homosexueller im NS-Staat

VON CLAUS-DIETER STEYER

Oranienburg. Sie störten die nationalsozialistische Ideologie der "völkischen Leistungsgemeinschaft": die Homosexuellen. Zwischen 1933 und 1945 wurden schätzungsweise 50.000 Schwule verhaftet und in Gefängnisse, Zuchthäuser und Konzentrationslager eingewiesen. Die Zahl der hier ums Leben gekommenen Inhaftierten schwankt in den wissenschaftlichen Untersuchungen zwischen 5.000 und 15.000. Für das Konzentrationslager Sachsenhausen, 35 Kilometer nordöstlich Berlins gelegen, liegen erstmals genauere Angaben vor. Von den rund 1.000 schwulen Häftlingen wurden mindestens 600 ermordet. Eine gestern im Neuen Museum der Gedenkstätte Sachsenhausen eröffnete Ausstellung klärt erstmals über das weitgehend unbekannte Schicksal Homosexueller im Dritten Reich auf.

Zehn Jahre akribischer Forschungsarbeit liegen hinter dem Wissenschaftlerteam um Projektleiter Andreas Sternweiler. Im Brandenburgischen Landeshauptarchiv Potsdam und im Berliner Landesarchiv fanden sie Namen verurteilter und ermodeter Personen. Auch das Moskauer Archiv des sowjetischen Geheimdienstes NKWD, der nach der Lagerbefreiung im April 1945 das Gelände übernahm, stellte eine wichtige Quelle dar. Größere Archivbestände hatte allerdings die SS noch vor Kriegsende vernichtet. Dennoch gelang es den Forschern, anhand der übermittelten Häftlingsnamen Familienangehörige und weitere Dokumente zu finden. Oftmals verlor sich jedoch die Spur, was der Ausstellungsbesucher ganz bewusst an den Schautafeln feststellen soll. "Wir suchen noch immer weiter nach Quellen", sagte Karl-Heinz Steinle vom Projektteam. "Vielleicht erkennt der eine oder andere Besucher einen Namen wieder und kann uns Tipps geben."

Die 500 Quadratmeter große Ausstellung erlebt der Besucher dreigeteilt. Neben allgemeinen Informationen über die Verfolgung Homosexueller während des Dritten Reiches in Berlin und im KZ Sachsenhausen werden die Biographien vieler Dutzend Opfer präsentiert. "Wir wollen damit auch die Diskussion um die längst fällige Rehabilitierung und Entschädigung der homosexuellen Häftlinge voranbringen", erklärte Bildungsminister Steffen Reiche. Das Brandenburgische Kulturministerium hat die Ausstellung ebenso finanziell unterstützt wie die Stiftung Deutsche Klassenlotterie. In beiden Teilen Deutschlands seien die Schwulen von der Erinnerung an die NS-Opfer ausgeschlossen worden, meinte Reiche. "Im Westen standen die Opfer rassistischer Verfolgung im Vordergrund, während die DDR sich auf das Gedenken an Kommunisten und Antifaschisten beschränkte." Es sei ein Skandal, dass eine Rehabilitierung der verfolgten Homosexuellen auch 55 Jahre nach Kriegsende noch immer nicht erfolgt ist.

"In der NS-Ideologie galt Homosexualität als heilbare Krankheit", erinnerte Gedenkstättenleiter Günter Morsch. "Schwerste körperliche Arbeit wurde deshalb angeordnet." Das erkläre den Einsatz homosexueller Häftlinge in den Straf- und Arbeitskommandos des Klinkerwerks nahe dem KZ Sachsenhausen. Im Klinkerwerk, dessen Reste zu einem Geschichtspark umgestaltet werden sollen, wurden allein im Juli und August 1942 zwischen 300 und 400 Schwule ermordet. Die Ausstellung zeigt 89 Sterbeurkunden.

Die Dokumentation kann bis zum 30. Juli, außer montags, von 8.30 bis 16.30 Uhr besichtigt werden, ab 1. April bis 18 Uhr. Zur Ausstellung erschien im Verlag rosa Winkel ein Katalog. Gleichzeitig mit der Ausstellung in Sachsenhausen zeigt das Berliner Schwule Museum im Mehringdamm 61 Biographien von 30 Schwulen während des Krieges, außer dienstags täglich von 14 bis 18 Uhr, sonnabends bis 19 Uhr.

(Tagesspiegel vom 27.3.2000)

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