Zarah Leander, die Nazisirene

Ein Erinnerungspuzzle mit Lücken

von Angelika Warning (Nazisirene.de, 2001)

"Merci, mon ami, es war wunderschön, lässt sich über meine Laufbahn sagen!"

Zarah Leander blickt zurück auf den Nationalsozialismus. Für sie eine Zeit, in der sie bei der UFA von 1937 - 1943 zur bestverdienenden und beim Publikum zur heißgeliebten Filmschauspielerin und Sängerin Deutschlands avancierte.

"Ich bin eine Frau mit Vergangenheit in bewegter Zeit, ich hab viel erlebt und hab nichts bereut."

Hier werden die Schlager der Leander auf eine Weise präsentiert, die sie in einem besonderen Sinne unvergesslich machen.

"Ich habe immer nur Liebeslieder gesungen."

Indem die Leander in diesem Stück den verzweifelten Versuch unternimmt, ihre Vergangenheit glorreich und sich selbst als unschuldig darzustellen, hat sie am Ende ein Wertesystem verteidigt, das uns bis heute begleitet und zum Nachdenken anregen sollte.

Aus nostalgisch verklärten Erinnerungsstücken wird eine mit schwarzem Humor besetzte Tragikomödie.

"Ich bin ein Wunder. ...Ich stehe und falle damit, dass man mich anbetet."

Zum historischen und politischen Hintergrund der NAZISIRENE

Im Blickpunkt: Die leichte Muse

Bis heute entbehrt es nicht eines gewissen Chics, Zarah-Leander-Filme und ihre Schlager bedenkenlos und unreflektiert zu goutieren und Bild- und Tonträgern wahre Nostalgie-Orgien zu entlocken. Und so richtet das Theaterstück "Zarah Leander - DIE NAZISIRENE, oder Ein Erinnerungspuzzle mit Lücke" nach Andreas Marber seinen Fokus auf das Wesen der "leichten Muse" und die Art und Weise wie Kurzsichtigkeit zum Star-Dasein führen konnte.

Es gibt keine Kunst ohne Tendenz

1933 verkündete Joseph Goebbels in einer Rede vor der Filmindustrie, dass die Reichsregierung die Filmkunst nicht fesseln wolle, sie wolle auch keineswegs, dass ausschließlich Gesinnungsfilme produziert würden, weil man genau wisse, dass das Publikum auch Entspannung und leichte Kost brauche. Aber auch diese leichte Ware müsse aus einem Geiste heraus entwickelt werden, der der "neuen Zeit" nicht zuwider laufe. Für diese "leichte Kost" wurde Zarah Leander aus Schweden nach Deutschland geholt.

Zarah Leander als Propaganda-Instrument faschistischer Herrschaft

Zarah Leander wird zum Ufa-Filmstar mit unrühmlicher deutscher Vergangenheit: Während des Faschismus wird sie systematisch in einer von Goebbels kontrollierten Filmindustrie zum führenden, bestverdienenden Star aufgebaut. Sie wird zum Propaganda-Instrument faschistischer Herrschaft. Zwischen 1937 und 1943 übernimmt sie die Hauptrollen in 10 Ufa-Filmen. Selbstverständlich ist das nicht das ganze künstlerische Leben der Leander. Ab den späten Vierzigern folgen fast 30 Jahre einer Bühnenkarriere mit Musicals und Konzerttourneen - nicht nur im deutschsprachigen Europa. In ihren durchaus unterschiedlichen Bühnenprogrammen bewegt sie sich vor wechselndem politischen und historischen Hintergrund und spielt Rollen vom Vamp bis zur Tuntenkönigin.

Trotz der Unterschiedlichkeit ihrer Auftritte existieren sie in einem gemeinsamen gedanklichen Kontext: Alle Entwürfe des Stars Zarah Leander beziehen sich auf ein Bild, das durch ihre Filme und ihre Funktion als Star zur Zeit des Faschismus geprägt wurde und das sie selbst bis zur letzten Auftrittsminute durch das nostalgisch verklärte Präsentieren ihrer Ufa-Schlager unterstützte.

Wo steht denn geschrieben, dass ausgerechnet Künstler etwas von Politik verstehen müssen?

In der Rolle der Zarah Leander setzt sich eine "Unpolitische" mit den ihr gemachten Vorwürfen auseinander. Man erlebt eine Frau, die beteuert, dass sie doch einfach nur Filme und Lieder über die Liebe gemacht habe. In ihren Memoiren aus dem Jahr 1972 ("Es war so wunderbar. Mein Leben.") hielt sie bis zuletzt ungebrochen an ihrer Vergangenheit fest:

"Wo steht denn geschrieben, dass ausgerechnet Künstler etwas von Politik verstehen müssen? Ich bin fast froh darüber, dass man mir das Etikett 'politischer Idiot' aufgeklebt hat. Wenn ich das aber wirklich bin, sollte man mich mit grundlosen Anklagen wegen einer politisch fragwürdigen Vergangenheit in Ruhe lassen."

Ich habe das nicht gewusst - Ich habe das nicht gewollt

Die Bedeutung der Zarah Leander wird in "Zarah Leander - DIE NAZISIRENE, oder Ein Erinnerungspuzzle mit Lücke" im Zusammenhang mit anderen Künstlerinnen und Künstlern mit ähnlichen Biographien gesehen. Eine alleinige Bezeichnung als "Opfer" oder "Instrument" des NS-Regimes lässt das Theaterstück nicht zu, da die notwendige Frage nach der individuellen politischen Verantwortung der Kunstausübenden gestellt wird, und so erscheint die Leander trotz ihrer Leugnung in einem nationalsozialistischen Zusammenhang.

Im Stück stellt die Rolle der Regieassistentin einen Bezug zur Gegenwart her, indem sie verkündet: "Sollten Sie eines Tages zur Rechenschaft gezogen werden, dass den Frauen in Deutschland, und das sind Millionen, das Recht verweigert wird, über sich selbst zu bestimmen, dann drücken Sie auf der Musikbox Zarah Leander und sagen Sie: 'Das haben wir nicht gewußt'. Wenn Sie Glück haben stimmt das. Sollten Sie zur Rechenschaft gezogen werden darüber, dass in Deutschland Ausländer und Homosexuelle an den Straßenecken geschlachtet werden, dann drücken Sie Hans Albers und sagen: 'Das haben wir nicht gewollt'. Da brauchen Sie schon mehr als Glück, dass das stimmt!"

"Es herrschten außen herum für viele ungünstige Umstände"

"Zarah Leander - DIE NAZISIRENE oder Ein Erinnerungspuzzle mit Lücke" greift in seiner Form die Bedingungen der Vorführsituation von Filmen im Kino der damaligen Zeit auf: In der Regel wurden die Spielfilme durch ein Rahmenprogramm aus Wochenschauen und (sogenannten) Dokumentationen begleitet, um die ZuschauerInnen in eine eindeutige politische Richtung zu lenken.

Bild und Text korrespondieren mit den "ungünstigen Umständen" im Nationalsozialismus, und die "unvergesslichen" Schlager der Zarah Leander werden in einen Kontext mit bitterem Nachgeschmack gestellt. Der nostalgisch verklärte, rosa Blick auf den Ufa-Star in dieser Zeit wird zum schwarz-humorigen Blickpunkt, der weiterhin viele Fragen offen lässt und andere beantwortet.


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