Das Spiel mit dem Feuer

Die Ukraine ist ein großer NATO-Militärstützpunkt geworden

von Thomas Röper (Anti-Spiegel, 23. November 2021)

Bilder, Links und Anmerkungen: Nikolas Dikigoros

Die USA und die NATO treiben den Konflikt der Ukraine mit Russland voran, was die westlichen Medien aber ignorieren. Immer mehr Manöver und Waffenlieferungen haben die Ukraine zu einem NATO-Stützpunkt werden lassen.

Es ist bemerkenswert, wie konsequent die westlichen Medien die Provokationen ignorieren, die die NATO an Russlands Grenzen vorantreiben. Vor allem die Ukraine wird dabei benutzt, deren radikal-nationalistische Führung nur darauf wartet, den Konflikt im Donbass mit Gewalt zu lösen. Indem die USA den Radikalen in Kiew Rückendeckung signalisieren, spielen sie mit dem Feuer, denn die USA werden – auch wenn die Radikalen in der ukrainischen Regierung diese Illusion haben mögen – für den Donbass kaum einen großen Krieg mit Russland riskieren. Erst vor einigen Tagen habe ich die Provokationen der US-geführten NATO zusammengefasst, den Artikel finden Sie hier.

Die schnell wachsenden Spannungen waren am Sonntag ein großes Thema im Nachrichtenrückblick des russischen Fernsehens. Um zu zeigen, wie in Russland darüber berichtet wird, habe ich den Beitrag des russischen Fernsehens übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Die Ukraine ist ein großer NATO-Militärstützpunkt geworden

Noch vor Jahresende könnten Gespräche zwischen den russischen und US-amerikanischen Präsidenten Putin und Biden stattfinden. Das hat der Sekretär unseres Sicherheitsrates Nikolaj Patruschew bekannt gegeben. Wenn dem so ist, ist das Treffen praktisch so schnell wie möglich erwarten – innerhalb eines Monats, denn das westliche Weihnachtsfest lässt solche internationalen Kontakte in der letzten Jahreswoche nicht zu.

Die Tagesordnung ist klar. Präsident Putin selbst hebt die folgenden Themen hervor: die Ukraine und die höchst aggressiven Aktionen der Nato in der Nähe unserer Grenzen. In seiner Rede am 18. November auf der erweiterten Sitzung des Außenministeriums nannte Wladimir Putin die Dinge beim Namen.

„Zu den akutesten und heikelsten Themen gehört für uns natürlich in erster Linie die innere Krise in der Ukraine, die leider noch lange nicht gelöst ist. Die Ukraine kommt ihren Verpflichtungen aus dem Minsker Abkommen sowie den im Normandie-Format getroffenen Vereinbarungen nachweislich nicht nach. In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, dass unsere westlichen Partner die Situation noch verschärfen, indem sie Kiew mit modernen tödlichen Waffen beliefern und provokative Militärmanöver im Schwarzen Meer durchführen. Strategische Bomber fliegen 20 km von unserer Staatsgrenze entfernt und bekanntlich tragen sie sehr schwere Waffen. Ja, wir äußern ständig unsere Bedenken in dieser Hinsicht, wir sprechen von „roten Linien“, aber wir verstehen natürlich, dass unsere Partner sehr eigen sind und – wie kann ich das vorsichtig ausdrücken – eine sehr oberflächliche Haltung zu all unseren Warnungen einnehmen. Unsere Bedenken und Warnungen bezüglich der NATO-Osterweiterung wurden völlig ignoriert“, sagte das Staatsoberhaupt.

Aber das ist nur die eine Seite. Und die „Oberflächlichkeit“ der Reaktionen der NATO war in der Vergangenheit. Die „roten Linien“, die Russland in Bezug auf die Ukraine gezogen hat, oder besser gesagt, in Bezug auf die militärische Erschließung ihres Territoriums durch die NATO, zwingen die NATO eindeutig zum Nachdenken, denn in diesem Fall ginge es nicht mehr um eine regionale Auseinandersetzung. Russland untermauert seine Argumente in vielerlei Hinsicht. So hat es beispielsweise die schnellste Rakete der Welt, die strategische Zirkon, erfolgreich getestet.

Außerdem haben wir demonstrativ den alten sowjetischen Satelliten Celina-D in der Erdumlaufbahn abgeschossen. So wurden die Tests des russischen Anti-Satellitensystems, dessen Genauigkeit Sergej Schoigu als „Juwelierhaft“ bezeichnete, abgeschlossen. Das bedeutet, dass die NATO, wenn sie die „rote Linie“ überschreitet, riskiert, alle 32 GPS-Satelliten auf einmal zu verlieren, was alle ihre Raketen, Flugzeuge und Schiffe blind machen würde, ganz zu schweigen von den Bodentruppen. Die Amerikaner hören es das, sie können es gar nicht überhören.

Putin drückte es so aus: „Dennoch zeigen unsere jüngsten Warnungen eine gewisse Wirkung: Eine gewisse Anspannung ist bei ihnen entstanden. In diesem Zusammenhang sehe ich zwei Dinge. Erstens müssen wir diesen Zustand so lange wie möglich aufrechterhalten, damit sie nicht auf die Idee kommen, uns einen unnötigen Konflikt an unseren westlichen Grenzen zu bescheren, denn wir brauchen keine Konflikte. Der zweite Punkt ist die Notwendigkeit, ernsthafte und langfristige Garantien für Russland einzuholen, um unsere Sicherheit an dieser Grenze zu gewährleisten, denn Russland kann nicht so leben und ständig darüber nachdenken, was morgen dort passieren könnte“.

Das ist auch das Hauptthema des Treffens zwischen Putin und Biden: langfristige Garantien für die gegenseitige Sicherheit. Es wurde alles ausgesprochen. Und es ist klar, in welchem Zusammenhang. Im Zusammenhang mit der militärischen Vereinnahmung der Ukraine durch die NATO. Für Russland ist das kategorisch inakzeptabel.

Aus der Ukraine berichtet unser Korrespondent.

Die Ukraine hat sich in einen großen Truppenübungsplatz verwandelt – es vergeht kein Tag, an dem in dem Land kein Manöver läuft. Zurzeit finden gleichzeitig im Gebiet Cherson an der Grenze zur Krim Schießübungen und in der Nähe von Zhytomyr Manöver von Luftlandeeinheiten statt. Hinter jedem dieser Manöver stehen mindestens NATO-Ausbilder, wenn nicht NATO-Soldaten, die die ukrainische Armee seit Jahren beraten.

„Sie lassen die Offiziere der ukrainischen Armee einfach durch ihre Schulen, durch ihr Ausbildungssystem laufen und machen die Offiziere zu ihren eigenen. Das heißt, sie rekrutieren sie de facto“, so Andrej Manoilo, Professor für Politikwissenschaft an der Staatlichen Lomonossow-Universität Moskau.

In den meisten Fällen sind jedoch NATO-Soldaten beteiligt. Im Sommer in der Nähe von Lwow das Manöver „Drei Schwerter“ der Ukraine mit Polen. In der Nähe von Melitopol das Manöver Cossack Mace unter britischer Schirmherrschaft. Im September mit rumänischen Truppen das Manöver Riverian für Landungen vom Meer aus mit rumänischen Truppen. In der Region Lwow das Manöver Rapid Trident mit 2.500 Soldaten aus Europa. Im Oktober das Manöver Warrior Watcher. In den Gebieten Mykolaiv, Zhytomyr, Vinnytsia und Khmelnytskyi werden die Flugplätze auf die Einhaltung der NATO-Standards überprüft. Jährlich finden das Marinemanöver Sea Breeze und das landesweite Manöver Combined Endeavour statt.

Besonderes Augenmerk wird auf Spezialeinheiten gelegt. Hier bilden die Amerikaner in der Nähe von Kirowograd Kampftaucher aus und in Mykolajiw lernen die ukrainischen „SEALs“ unter dem Kommando britischer Experten, auch zivile Schiffe zu kapern.

Im Vergleich zu 2020 nehmen dreimal so viele Kriegsschiffe und U-Boote und fünfmal so viele Flugzeuge teil, ausländische Truppen von bis zu 12.500 Soldaten können sich legal dauerhaft in der Ukraine aufhalten. Das ist eine große NATO-Militärbasis.

„Dies ist eine Vereinnahmung des ukrainischen Territoriums. Das ist offensichtlich. Ich glaube zwar nicht, dass die NATO viel Geld in die Verbesserung der Infrastruktur steckt, aber in gewissem Maße erfolgen Verbesserungen zur Unterbringung der NATO-Streitkräfte. Eine Etage des ukrainischen Geheimdienstes SBU ist mit Amerikanern besetzt, eine Etage des Verteidigungsministeriums ist ebenfalls von ausländischen Beratern belegt“, so der Militärexperte Evgeni Buschinski.

Das Datum, an dem das angefangen hat, kann man klar benennen: Der 21. November 2013. Demonstranten kamen zum Maidan in Kiew. In den ersten Tagen waren es nur wenige Studenten, aber die Aktion wurde von Beginn an von allen westlichen Botschaften aufmerksam verfolgt, die forderten, dass die Regierung nicht einmal die aggressiven Provokateure anfassen durfte – „das seien ja noch Kinder“. Und Mitte Dezember wuchs sich der Maidan zu einem riesigen Lager mit Barrikaden, Zelten und zentraler Versorgung aus.

Historische Bilder: Die stellvertretende US-Außenministerin Nuland verteilt Brötchen auf dem Maidan. Und das ist ein Flugzeug, aus dem die Geldsäcke entladen wurden, die als Diplomatenpost getarnt zur US-Botschaft geschickt wurden. Dieses Geld wurde verwendet, um die Proteste zu befeuern. Westliche Diplomaten kontrollierten jeden Schritt der Demonstranten, selbst als es zu Zusammenstößen mit der Polizei kam. Und dann kamen Schießereien und es war klar zu sehen, dass die Schüsse von den Demonstranten kamen, weshalb die Ermittlungen lange Zeit ruhten und die ukrainischen Behörden es nicht wagten, die Ereignisse zu untersuchen. Erst diese Woche meldete die Generalstaatsanwaltschaft erwartungsgemäß, dass der damalige Präsident Janukowitsch schuld sei.

„Insgesamt 877 Zivilisten und 132 Polizisten kamen in diesen schrecklichen Tagen zu Schaden. Jeder weiß, dass ich bei Pressekonferenzen normalerweise keine Namen nenne, aber heute ist es anders. Heute ist in der Tat ein wichtiger Tag für die ganze Nation. Wir sprechen über den vierten Präsidenten der Ukraine, Viktor Janukowitsch“, sagte die ukrainische Generalstaatsanwältin Iryna Venediktova.

Dabei waren, als Janukowitsch am 21. Februar 2014 auf Drängen des Westens das Friedensabkommen mit dem Maidan unterzeichnete, die Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Polens die Garanten des Abkommens dabei. Aber schon am nächsten Tag stürmten Demonstranten die Präsidentenresidenz und haben alle Vereinbarungen gebrochen. Die Garanten sind nicht eingeschritten. Nur wenige erinnern sich daran, aber vor dem Maidan hatte die Ukraine den Status eines blockfreien Landes, der in der Verfassung des Landes verankert war. Das wurde sofort aufgehoben; unter Poroschenko wurde stattdessen der „Weg in die NATO“ in die Verfassung geschrieben.

Unter Selensky wurde zum ersten Mal in der Geschichte des Landes eine Militärdoktrin verabschiedet, die diesen Kurs bestätigt: „Die Umsetzung der Strategie wird die Integration der Ukraine in den euro-atlantischen Raum und den Erwerb der NATO-Mitgliedschaft erleichtern. Das Dokument sieht eine aktive Beteiligung an internationalen Friedens- und Sicherheitsoperationen vor.“

Außerdem wird der einzige militärische Gegner der Ukraine genannt: Russland. Und es ist klar, wer diesen Konflikt vorantreibt. Der neue ukrainische Verteidigungsminister Resnikov eilte sofort nach seiner Ernennung in die USA. Die gesamte Führungsspitze der Armee und der Befehlshaber des militärischen Nachrichtendienstes Budanow sind mitgefahren. Direkt aus Washington berichtet er den Ukrainern, was er dort gehört hat.

„Der Plan Moskaus ist ganz einfach: Destabilisierung von innen. Es wird vorgeschlagen, alle inneren ukrainischen Probleme auf Russland zu schieben, selbst die Tatsache, dass die Heizsaison im Land noch immer nicht vollständig beginnen kann“, so Kirill Budanow.

„Jetzt gibt es aufgrund der Energiekrise ein besonderes Problem. Und es ist so ernst, dass wir jetzt zum Beispiel nachts draußen minus 5 Grad hatten und unsere Heizungen kalt sind“, sagte der politische Analyst Mikhail Pogrebinsky.

Bilder aus dem Kiewer Umland, ein paar Kilometer von der Hauptstadt entfernt. „Wir sitzen drei oder vier Tage ohne Strom und Wasser“, sagen die Anwohner. Die Stromausfälle, die das Land seit zwei Jahrzehnten nicht mehr erlebt hat, werden nur von Präsident Selensky ignoriert

„Stromausfälle können nur diejenigen erschrecken, die ihre Logik und ihr kritisches Denken ausgeschaltet haben. Ein einfacher Rat: Um keine falschen Geschichten über Stromausfälle zu hören, schalten Sie besser bei einigen Kanälen den Ton aus. Oder besser noch, schauen Sie die gar nicht, das spart Nerven und Strom“, so Selensky.

All das ist das Erbe des Maidan, nach dem das Land einen rapiden wirtschaftlichen, politischen und sozialen Niedergang erlebte. Die ukrainische Landwirtschaft kann nicht einmal mehr genug Gurken produzieren – sie wurden erstmals aus Russland importiert.

Dafür wird die Ukraine mit Waffen vollgepumpt, allein die USA haben der Ukraine in den letzten acht Jahren Militärhilfe im Wert von 2,5 Milliarden Dollar geleistet. Und dabei zeigen sie gleich, in welche Richtung es geht, indem sie die einzige Möglichkeit für eine friedliche Lösung – das Minsker Abkommen – verletzen.

„Ist Minsk tot?“, fragte eine Journalistin den Präsidenten im Interview.

„Es wurde ja schon halbtot geboren. Was 2015 unterzeichnet wurde, ist meines Erachtens kaum noch aktuell. Wir müssen eine neue Agenda eröffnen“, sagte Selensky.

Es fällt auf, dass die ukrainische Regierung nach Reisen in die USA verstärkt zur Aufkündigung des Vertrags aufruft.

„Minsk ist kein faires Abkommen. Es handelt sich um ein Dokument, das mit vorgehaltener Waffe, einem Maschinengewehr oder sogar einer Panzerkanone unterzeichnet wurde. Das Minsker Abkommen muss modernisiert werden“, sagte der ukrainische Verteidigungsminister Alexej Resnikov. Das ist derselbe neue Verteidigungsminister, der die USA um die Stationierung amerikanischer Raketen auf ukrainischem Gebiet bittet.

Ende der Übersetzung

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