Warum ausgerechnet Anschläge auf Touristen? Sind sie nicht gerade diejenigen, die, in höherem oder geringerem Maße, Interesse an einer fremden Kultur zeigen und deren Geld der lokalen Wirtschaft zufließt? (Gegenfrage: Was hat es denn mit "Interesse an einer fremden Kultur" zu tun, wenn eine Horde Analfabeten halbnackt am Strand herum läuft, Schweinefleisch frißt, Alkohol säuft und herum krakeelt? Dikigoros hat auf seinen Reisen nie viel Geld an die Wirtschaft der besuchten Länder fließen lassen; aber er hat sich zuvor wenigstens die Grundkenntnisse der Landessprache angeeignet und über die Gepflogenheiten des Gastlandes informiert. Und wenn ihm dessen Sprache, die Küche und/oder die religiösen Bräuche nicht zugesagt haben, dann ist er gar nicht erst hin gefahren! Ihm wäre auch nie die Schnapsidee gekommen, auf Bali eine Disco für westliche Touristen zu frequentieren!)
Man muss das Phänomen wohl aus einem anderen Blickwinkel betrachten. Ein terroristischer Anschlag ist nicht zuletzt auch ein symbolischer Akt. Folglich kann er wie jeder andere Kommunikationsakt analysiert werden. Terroristisches Handeln ist zwar immer kriminell, hat aber jeweils spezifische Hintergründe und ist im Rahmen unterschiedlicher Diskurse und Kontexte zu
situieren.
Um Terrorismus effektiv bekämpfen zu können, muss man ihn verstehen und analysieren. Sicherheitsmaßnahmen sind zwar unerlässlich, aber keinesfalls ausreichend. Sie können nicht die Grundlage einer Strategie zur Terrorprävention bilden.
Terrorismus, dem Touristen zum Opfer fallen, ist stets ein politisch oder kulturell motivierter Akt.
Es lassen sich vier Ziele unterscheiden, die mit terroristischen Anschlägen auf Touristen verfolgt werden:
Kulturell motivierter Terrorismus ist ein weniger bekanntes Phänomen. Dabei gibt es durchaus namhafte Autoren, die die
politischen Ziele der terroristischen Anschläge auf Touristen in den arabischen und islamischen Ländern für kulturell bedingt
halten. In der akademischen Debatte um die terroristischen Anschläge auf Touristen, die in den 1990er Jahren in Ägypten verübt wurden, wurde immer wieder betont, welch große Rolle kulturelle Elemente dabei gespielt hätten.
"Islamistische Aktivisten haben möglicherweise das Gefühl, dass sie drastische Maßnahmen gegen die Entwicklungen ergreifen müssen, durch die sie ihre nationale Kultur, Tradition und Religion bedroht sehen", schrieb beispielsweise der ägyptische
Intellektuelle Salah Wahab. (Anm. Dikigoros: Schön wäre es, wenn auch Europäer ihre nationale Kultur, Tradition und Religion durch islamische Immigranten bedroht sähen und entsprechend handelten!)
Seit dem 11. September 2001 hat der kulturelle Hintergrund terroristischer Anschläge an Bedeutung gewonnen. Das Ausmaß der
Zerstörung, der muslimische Hintergrund der Täter und die Tatsache, dass es sich um einen Selbstmordanschlag handelte, haben
entsprechenden Theorien zu neuer Popularität verholfen. Dennoch bleibt es ein fragwürdiges Unterfangen, "Kultur" auf Religion zu reduzieren.
Die Ressourcen für einen interkulturellen Dialog sind in der Tat begrenzt und großen Bevölkerungsgruppen oft nicht zugänglich. Die entsprechenden Technologien, etwa das Fernsehen oder das Internet, erscheinen gegenüber direkter Interaktion von Angesicht zu Angesicht defizitär, und der Austausch, der auf Regierungsebene statt findet, ist großen Teilen der Bevölkerung ebenso wenig zugänglich wie der auf kultureller Ebene.
Auch aus den Migrationsbewegungen ist bislang kein interkultureller Begegnungsraum entstanden. Es gibt keine Schnittmenge zwischen Herkunftsland und Exilheimat der Migranten - Gesellschaft und Kultur der beiden Länder bleiben strikt voneinander getrennt.
Anm. Dikigoros: Völlig richtig - und daraus folgt, daß es zur Vorbeugung gegen Terroranschläge jener "Migranten" nur ein Mittel gibt, pardon, zwei: eines für Noch-nicht-angekommene und eines für Schon-angekommene:
Umso wichtiger erscheint vor diesem Hintergrund der internationale Tourismus, der es ermöglicht, den "Anderen" in seiner jeweiligen Heimat zu entdecken und kennen zu lernen. Solche direkten Kontakte können in ihrer Bedeutung kaum unterschätzt werden - man denke an die Millionen europäischer Touristen, die auch nach den terroristischen Anschlägen in Luxor und Djerba noch arabische Länder bereisen. (Anm. Ach ja? Dikigoros denkt da eher an die vielen Reisebüro, die auf Reisen dorthin spezialisiert waren und plötzlich Pleite machten, weil kaum noch ein Tourist so dumm war, dort hin zu wollen - Öger & Co. lassen grüßen!)
Es sieht also so aus, als hätten die Terroristen ihr Ziel verfehlt. (Anm. Dikigoros: na kaum!) Auch scheinen - kurzfristigen ökonomischen und politischen Auswirkungen der Anschläge auf Touristen zum Trotz - die radikalen Ideologien des Terrors auf lange Sicht an Popularität einzubüßen. Interessant ist in dieser Hinsicht der Anschlag auf arabische Arbeiter, der im Juli 2005 an einer Bushaltestelle in Sharm El-Sheikh verübt wurde.
Einerseits scheinen die Terroristen nach der Devise "Wer nicht für uns ist, ist gegen uns" zu verfahren: Wer Teil der
Tourismus-Industrie ist, wird zum Feind stilisiert. Andererseits wird gerade durch solche Anschläge eine Diskussion über
Konservatismus, Liberalismus und Toleranz in den Gesellschaften der arabischen Länder angestoßen.
Das Oberhaupt der Al-Azhar-Universität, Scheich Muhammad Sayyid Tantawi, hat in einem Interview nach den jüngsten Terroranschlägen in Sharm El-Sheikh erklärt, die muslimischen Ägypter müssten es "tolerieren, wenn ausländische Touristen Alkohol trinken, denn ihnen ist dies nicht verboten."
Wie aber steht es um muslimische Ägypter, die ebenfalls Alkohol trinken? Was ist mit Muslimen, die Alkohol ausschenken? Oder den Eigentümern der Lokalitäten, in denen Alkohol ausgeschenkt wird? Wie viel von der Gesellschaft ihres Gastlandes bekommen Touristen überhaupt zu sehen?
Die große Mehrheit der Europäer, die arabische Länder bereisen, wird im Rahmen organisierter Touren dirigiert. Die Touristen
bleiben in mehr oder weniger isolierten lokalen Gemeinschaften wie Sharm El-Sheikh, im ägyptischen Hurgada, in der marokkanischen Hafenstadt Agadir, in Port el Kantaoui und in Djerba in Tunesien oder am Jumeirah-Strand in Dubai. Der Kontakt zur Bevölkerung und ihrer Kultur bleibt begrenzt.
Seit dem 11. September 2001 ist diese Abschottung im Namen der Sicherheit noch größer geworden. Doch Abschottung, so konnte man in den letzten drei Jahren feststellen, führt keineswegs zu größerer Sicherheit. Im Gegenteil, die räumliche Isolation bringt die Touristen nur noch mehr in Gefahr, und quasi "nebenbei" führt sie auch zu einer Entfremdung der in der Tourismus-Industrie beschäftigten Einheimischen - ein in seiner Bedeutung nicht zu unterschätzender Umstand.
Überspitzt ausgedrückt: Panische Absonderungs- und Absicherungsmaßnahmen führen dazu, dass ein ganzer einheimischer
Wirtschaftszweig, nämlich der Fremdenverkehr, zu einem Fremdkörper im Land wird.
Dies ist besonders tragisch angesichts der Potentiale, die dem Tourismussektor innewohnen: Er ist ein Wirtschaftszweig, der von persönlichen Begegnungen lebt und eine Botschaft transportiert; er ist eine Wirtschaft, die dazu beiträgt, dass Menschen
unterschiedlicher Herkunft einander begegnen und miteinander in einen interkulturellen Dialog treten.
Eine erfolgreiche touristische Wirtschaft benötigt politische Stabilität, Frieden, Sicherheit und die Möglichkeit zu einem
freien und offenen Dialog. Nur ein interkultureller Dialog wird verhindern können, dass der Tourismussektor weiterhin von
Gewaltakten beeinträchtigt wird.
*Dr. Ala Al-Hamarneh, Zentrum für Forschung zur Arabischen Welt (ZEFAW)
Geographisches Institut der Universität Mainz, 55099 Mainz