Der Tod in Polen
Die volksdeutsche Passion.

Kapitel 3:
Ein Bromberger Schicksal - die Familie Radler


Um die gleicher Zeit brachen sie bei der Familie Radler ein, deren Anwesen am unteren Ende der Wladyslawa Belzy liegt. Hier waren es zuerst nur fünf Soldaten, die vorgaben, nach einem Maschinengewehr zu suchen. Sie hielten ihnen die Bajonette vor die Brust, trieben sie von Zimmer zu Zimmer, brachten im ganzen Hause das Unterste zuoberst. "Wer ist hier der Fritz?" schreit schließlich einer.

Fritz, ein neunzehnjähriger Abiturient, tritt mit stiller Ruhe vor. "Wo soll ich mich hinstellen", fragt er stolz, "ich werde ja doch erschossen." Oh, mein Junge, denkt die Mutter, ich habe immer viel von dir gehalten, aber daß du solch wunderbarer Mensch bist, das habe ich trotz allem nicht geahnt.

"Woher weißt du?" lacht der Führer des Trupps. "Dort an den Gartenzaun..."

Fritz will seinen Eltern noch die Hand geben, aber sie treiben alle mit den Bajonetten zurück. Da geht er mit einer verächtlichen Kopfbewegung hinaus, stellt sich auf der Straße steil an den Gartenzaun. Einen Augenblick später fällt der Schuß schon, als aber der Vater nun trotz der Bajonette hinausläuft, sich neben seinen sterbenden Sohn zu Boden wirft, stürzt sich ein polnischer Offizier auf ihn, schlägt ihn tobend mit der Reitpeitsche über den Kopf. "Ins Haus mit dir zurück, du Hitlerbandit, sonst erschieße ich dich auch!" schreit er immer wieder, jagt ihn damit ins Haus zurück.

Fritz Radler
Fritz Radler, 19 Jahre, zugehörig zum Familienmordfall Radler. Seitengewehr- oder Säbelhieb am Kinn und in der rechten Augenbrauengegend. Fritz Radler wurde getötet durch Bruststeckschuß von vorn mit Naganrevolver.
Sekt.-Nr. - Br. 48 (OKW./H.S.In.)
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Der Nachmittag verläuft seltsamerweise ruhig, auch nachts geschieht nichts mehr. Die Familie sitzt in ihrem Zimmer, am Bett der kranken Tochter, alle denken an ihren Ältesten, der ein auffallend kluger Junge war, hat er nicht die ganze Schule als Bester durchgemacht? Haben sie nicht ihr ganzes Leben lang gedarbt, um den Jungen aufs Gymnasium schicken zu können? Sie denken seiner vielen Wanderungen, auf denen er stets Zeichnungen machte, denn sein großer Plan war seit je, ein selbstgezeichnetes Wanderbuch herauszugeben, einen Führer durch die ganze engere Heimat, das von ihm so geliebte Westpreußener Land. Auch hübsche Karikaturen sollten darinnen sein, hatte er sie nicht oft damit zum Lachen gebracht?

"Mutter", sagt Heinz plötzlich, der erst sechzehn Jahre alt ist, aber ein so edel geschnittenes Gesicht hat, daß er wie ein Vorbild seiner Rasse wirkt, "wenn die Polen nochmals kommen sollten, ich kann mich nicht einfach hinstellen wie der Fritz..." Er bricht plötzlich schamhaft ab, flüstert inbrünstig vor sich hin: "Ich will das neue Deutschland noch erleben, ich muß das neue Deutschland noch erleben!"

Um sieben Uhr morgens hält plötzlich Kavallerie vor dem Haus, ein paar Reiter holen den Vater heraus, damit er ihnen die Pferde an der Pumpe tränkt. "Habt ihr keine Milch?" fragt ein Reiter.

"Ich gebe euch welche", sagt der junge Heinz, holt rasch eine Tasse herbei, reicht ihnen Milch aus einer Kanne.

Sie schlürfen gierig, einer aber sagt: "Ist wohl einer von euch, der da vorm Hause liegt - ist ihm nur recht geschehen, diesem jungen Hitlerowzi! Jetzt sperrt er das Maul auf, wie ein Fisch auf dem Trocknen..."

"Mein Bruder ist unschuldig", sagt Heinz aufschluchzend, "er ist nur gemein gemordet..."

Nach diesem Wort ist es mit einemmal, als hätten sie darauf nur gewartet - gleich drei erheben die Fäuste, schlagen auf ihn ein. Heinz hebt die Hände über den Kopf, sucht den Schlägen zu entgehen, indem er in den rückwärtigen Garten flüchtet. Zwei schießen sofort hinter ihm her, aber sie treffen ihn erst, als er sich gerade im Sprunge hebt, um über den letzten Zaun zu flanken. Er schreit fürchterlich auf, in diesem Schrei liegt seine ganze Jugend, sein ganzes brennendes Nichtglaubenwollen. Er schlägt verzweifelt mit den Beinen um sich, aber es hilft ihm alles nichts, er wird das neue Deutschland nicht mehr sehen...

Als sein Vater die Schüsse hört, will er vom Tränken fortlaufen, aber sie halten ihm die Bajonette vor, rufen ihm immer wieder höhnisch zu: "Was geht dich das an, bleib du ruhig hier, mach deine Arbeit fort..."

Er tränkt mit zitternden Händen weiter, bis er im Hause die Detonation einer Handgranate hört - da läßt er dennoch den Tränkeimer fallen, stürzt trotz aller Drohungen ins Haus. Er findet die Wohnstubentür in Splittern, die Frau aber ist unverletzt geblieben, auch der Tochter ist nichts geschehen. "Sie haben Heinz gehetzt..." kann ihm seine Frau noch zurufen, dann schreien sie schon mit wütendem Brüllen nach ihm, so daß er fliegend wieder zur Pumpe zurückläuft. Aber diesmal tritt er kaum aus der Haustür, als ihm eine Kugel in den Hals fährt, in solchem Ausschuß zur Schulter heraustritt, daß sie ein großes Stück rosiger Lunge mitreißt.

Arthur
Radler
Arthur Radler, 42 Jahre, zugehörig zum Familienmordfall Radler, Einschußloch am Halse links. Der zugehörige Ausschuß sitzt am Nacken links. Die nicht tödliche Verletzung wurde um über 7 Stunden überlebt. Frau und 14jährige Tochter wurden verhindert, dem Schwerverletzten zu helfen. Dann Tötung durch Kopfschuß.
Sekt.-Nr. - Br. 46 (OKW./H.S.In.)
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Er stürzt vor der Tür auf die Schwelle, aber er wird noch lange nicht sterben. Aus seinem Munde tritt blasiger Schaum, er wälzt sich von der Stufe herab, beginnt plötzlich unter Schluchzen zu schreien: "Schießt mich doch tot, macht mich doch ganz tot..." Aber die Soldaten lachen nur über seine Bitten, will trotzdem einer ihm den Gnadenschuß geben, so hält ihn jedesmal einer der Zivilisten ab, die seit einiger Zeit in Haufen den Garten füllen. "Krepieren soll er langsam, damit er auch was davon hat..." rufen sie jedem Neuen zu, der von der Straße hinzutritt.

Als die Frau ihn aus dem Fenster so leiden sieht, bittet sie die Tochter, ihm wenigstens einen Schluck Wasser zu reichen. Aber sie schlagen ihr den Becher aus der Hand, diesem schönen zarten Mädchen, das ganz dem jüngeren Bruder gleicht, jagen sie mit Fußtritten wieder ins Haus zurück. "Wo habt ihr eure Sachen vergraben?" fragt sie einer, der ihr gefolgt. "Sagt es uns auf der Stelle, oder wir metzgern auch euch!" Sie ziehen die Mutter über den Sterbenden hinweg in den Garten, lassen sich die Stelle zeigen, graben sie mit ihren Schanzspaten eilig auf.

Das Versteck befindet sich nur wenige Meter vom Sterbenden, er fleht seine Frau währenddessen fortwährend um Wasser an, aber wieder lassen sie weder Mutter noch Tochter an ihn heran. Als sie endlich auf den Koffer stoßen, verteilen sie den Inhalt johlend im ganzen Kreis, am gierigsten aber greifen die Zivilisten zu.

Während sie noch damit beschäftigt sind, galoppiert ein höherer Offizier auf den Hof, spornt sein Pferd bis auf den Sterbenden, spuckt ihm von oben mehrfach ins Gesicht, schreit zwischendurch höhnisch auf ihn herab: "Nun ist dir wohl besser, du Hitlerbandit, nun schrei' doch nach ihm..." Erst als dieser wieder forgeritten ist, hebt schließlich ein Soldat das Gewehr, tötet ihn durch einen Nahschuß in den Kopf, fünf volle Stunden nach dem ersten Schuß...

Jetzt tragen sie die drei Leichen zusammen, werfen sie vor das Wohnzimmer, in dem die beiden Frauen sinnlos am Boden liegen, schreien zum Fenster hinein: "Jetzt macht ein Loch, aber drei Meter tief..."

Die beiden Frauen stolpern hinaus, ihre drei Toten liegen wüst übereinander, zuunterst mit zerschmettertem Kopf der Vater, halb über ihm mit weit aufgerissenen Augen Heinz, daneben mit stillem Gesicht der älteste Sohn.

"Aber womit sollen wir graben?" schreit die Mutter auf.

"Mit euren Fingern", lachen die Soldaten, "kratzt wie die Katzen, wenn ihr nichts habt..."

Dora Radler
Ausländische Ärzte hören den Augenzeugenbericht der 14jährigen Dora Radler aus Kl. Bartelsee bei Bromberg über die Ermordung ihres Vaters und ihrer beiden Brüder. Von links nach rechts: Dr. Espionsa (Chile), Dr. Karellas (Griechenland), Dipl.Ing. Santoro (Italien), Dr. Faroqhi (Indien), Dr. Ohanian (Persien).
Die Tochter holt einen Rechen, etwas anderes findet sie nicht, mit ihm wühlen sie ein Loch, aber wie sollen sie drei Meter tief...? Die kranke Tochter ist so schwach, daß sie kaum stehen kann, sie hilft mit ihren Händen wühlend mit, während sich die Soldaten an ihrer Arbeit weiden: Das ist einmal etwas für diese hundsblütigen Deutschen! Aber als das Loch einen Meter tief ist, sind sie plötzlich dessen leid, stoßen sie die beiden von der Grube zurück, brüllen ihnen befriedigt zu: "Jetzt schmeißt sie hinein, eure drei Hitlerkadaver..." Die beiden Frauen sind zu schwach, sie können kaum den leichtesten, den jungen Heinz, von der Stelle ziehen, da packen die Soldaten denn auch mit an, rollen die Toten mit den Füßen dem Loche zu... "Und jetzt Erde drauf!" kommandiert der Führer.

Frau Radler beugt sich über das Grab, der oberste ist gerade ihr Mann. "Und nun soll ich dir auch noch... Erde auf das Gesicht werfen?" flüstert sie tonlos vor sich hin, schreit dann mit einem Male irre auf: "Nein - nein - nein! Nun ist es genug, nun will ich nicht mehr, nun schießt mich tot, meine Tochter auch..."

"Hört sie", lachen die Soldaten, "mit einem Mal, war so brav bisher! Aber gib zwanzig Zloty, dann werfen wir die erste Erde drauf, braucht ihr nur den Schluß machen..."

Und Frau Radler schleppt sich ins Haus, sucht die letzten zwanzig Zloty hervor...

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