Der Tod in Polen
Die volksdeutsche Passion.

Kapitel 2:
Ein Bromberger Schicksal - die Familie Schmiede


Auch die Familie des Gärtners Schmiede wartet aufs Essen, sechs kleine Kinder laufen wie Füllen um die große Mutter, endlich erscheint die Magd mit der ersehnten Schüssel in der Tür. Sie wollen sich gerade setzen, als der Lehrling ins Zimmer tritt. "Was Neues wieder?" fragt der Meister. "Immer nur dieser Ruf", sagt der Lehrling, "seit einer Stunde schon! Führt Nr. 59 aus, heißt es nur immer wieder, führt Nr. 59 aus, ich verstehe das nicht..."

Meister Schmiede beißt sich auf die Lippen, bringt ihn mit einem raschen Blick zum Schweigen. Aber die Frau hat es schon bemerkt, fragt aus ihrem Kinderkreis herüber: "Sie werden doch nicht irgendeine Teufelei...?"

"Was sollten sie denn mit uns tun? Wir sind doch lauter Zivilisten! Haben noch immer unsere Pflicht getan, unsere Steuern besser als die Polen gezahlt, als brave Soldaten in ihrem Heere gedient... Und daß wir keine Waffen haben, das weiß doch schließlich auch jeder - einmal haben sie jedes Haus schon zehnmal danach durchsucht, zum andern sind die Grenzen seit Monaten so abgesperrt, daß man nicht einmal ein Taschenmesser durchschmuggeln konnte! Was noch an Schießeisen vorhanden war, haben sie uns längst abgenommen, neue aber konnte kein einziger von uns erhalten, was sollten wir also beim besten Willen gegen sie unternehmen? Vielleicht jagen sie uns aus der Stadt, wenn sie Bromberg den Deutschen überlassen müssen, damit müssen wir natürlich rechnen..."

"Sollten wir nicht doch fliehen?" sagt Frau Schmiede in jäher Angst.

"Erst gestern sagte der Pinczewski zu uns", wirft die junge Frau Ristau ein, die Frau eines schmiedeschen Arbeiters, der in der Gärtnerei seit Jahren hilft, "sobald der Krieg ausgebrochen ist, werden wir euch Hitlern die Beine auseinander reißen, daß eure Eingeweide den Staub auflecken..."

"Macht euch nicht die Köpfe heiß!" schneidet der Meister sie ab. "Im übrigen ist es zu spät, die Truppen flüchten schon zurück - wer jetzt zwischen sie gerät, ist gefährdeter als in seinem Hause..."

Er hatte recht, es war zu spät. Denn um diese Stunde brachen die Polen schon zu ihrem Werke auf, wälzten sich mit einem Schlage Tausende durch die Straßen Brombergs - wie ein sengender Strom glühender Lava füllten sie alle Gassen, stießen wie in hitzigem Fieber in alle deutschen Häuser hinein. Die Kerne dieser Haufen bildeten Soldaten, die Mitläufer bestanden aus Pöbel, die Wegweiser waren oft Gymnasiasten.

Als eins der ersten Häuser erreichten sie die Schmiedesche Gärtnerei, war sie ob ihrer Größe in jenem Stadtteil nicht besonders verhaßt? Es ist ein Soldatentrupp mit aufgepflanzten Bajonetten, aber was haben sie für wilde Gesichter, sind sie vielleicht alle maßlos betrunken? Schmiede begrüßt sie mit vorsichtiger Höflichkeit, kann jedoch vor Aufregung nicht Polnisch. "Polnisch kannst du nicht, Hurensohn, aber Waffen hast du!" schreit ein Soldat.

"Ich habe nie eine Waffe gehabt, aber haltet doch ruhig Haussuchung!" sagt Schmiede entgegenkommend.

"Noch lange Haussuchung - drei Schritte zurück!" schreit der Soldat als Antwort, hebt ruckartig sein Gewehr...

Schmiede ist sofort tödlich getroffen, seine Frau wirft sich entsetzt neben ihn, nun geben sie auch drei Schüsse auf sie ab, aber seltsamerweise trifft kein einziger mehr. Da springt sie wieder auf, ruft wie eine Irre nach ihren Kindern, reißt sie mit sich zur Tür hinaus, flüchtet mit allen in den Keller hinab.

Diese allgemeine Flucht geschieht so plötzlich, daß die Polen zu weiteren Schüssen nicht mehr kommen. So gelangen alle heil in den Keller, sechs kleine Kinder mit ihrer Mutter, ihr alter Vater namens Adam, der Gärtnereiarbeiter mit seiner Frau, der junge Lehrling, schließlich die Magd. Der Keller ist als Luftschutzkeller eingerichtet, es stehen zwei Wasserfässer in ihm, außerdem ein paar volle Essigflaschen, in der Ecke ein Korb mit Handtüchern. Sie verrammeln noch gerade die Kellertür, da fallen schon die nächsten Schüsse, durchschlagen die starken Bohlen, zerschmettern klirrend das Fenster. Alle werfen sich auf den Boden, um Deckung zu suchen, die Mutter liegt dicht hinter der Mauer, hat alle Kinder zu sich heruntergerissen, liegt wie eine Henne über ihren Küchlein.

Eine Weile liegen sie so, trösten die schreienden Kinder, während oben an den Fenstern Stiefel vorbeirennen. Sie plündern anscheinend das ganze Haus, neben Soldatenstiefeln schleifen Vorhänge vorbei, polternd krachen Möbel aus dem ersten Stock, vor einem Kellerfenster bildet sich ein Trümmerhaufen, der aber allmählich auch noch fortgeschleppt wird. Plötzlich aber hebt der Lehrling den Kopf, sein junges Gesicht wird noch um einen Ton bleicher, schließlich stößt er mit flatternden Lippen aus: "Es brennt oben..."

Nun hören es alle, es brennt wahrhaftig, ganz deutlich knistern die Flammen, knallend platzen die Scheiben über ihnen, dann schlägt es auch schon den Rauch hinab. "Sie wollen uns alle verbrennen!" schreit der Lehrling kopflos, klettert in irrsinniger Angst aus dem Fenster, aber er hat sich draußen kaum aufgerichtet, als ihn ein Kopfschuß auf das Pflaster wirft. "Nur heraus mit allen", schreien ein paar Weiber, "damit wir's euch wie ihm machen..."

Aber die Mutter nimmt den Kampf auf, den Kampf gegen die Hitze, gegen den immer beißender werdenden Rauch. Sie kriecht zu dem Korb, nimmt Handtücher heraus, taucht sie ins Wasserfaß, schüttet ein wenig Essig darauf, legt jedem der Kinder eins auf den Mund. Es sind so kleine Kinder darunter, daß sie es nicht verstehen, immer wieder werfen sie die Tücher fort, drohen dann augenblicklich zu ersticken. Von Minute zu Minute wird es heißer, die Eisenträger über ihnen glühen schon, biegen sich nicht einige merklich durch?

"Ich will nicht verbrennen, will nicht lebendig begraben werden!" schreit die junge Frau Ristau jählings, nimmt ihren Mann an der Hand, stürzt zur Kellertür hinaus. Sie kommen jetzt seltsamerweise bis auf die Straße, auf dieser aber brandet es ringsum von Pöbel. Man erkennt die beiden sofort als Deutsche, die Zivilisten schreien den Soldaten hetzend zu: "Die müßt ihr niederschießen, das sind echte Hitlerowzi!"

Ehe die Frau für ihren Mann noch bitten kann, zerreißt ihm eine Kugel aus nächster Nähe den Kopf. Ein Soldat wirft sich auf ihn, zieht ihm die neuen Schuhe von den Füßen, die er seit seiner Trauung nur dreimal getragen hat, wirft sie als Belohnung für den Verrat den Angebern hin. Dann quält er ihm den Trauring vom Finger, als aber die Frau schluchzend um ihn als Andenken bittet, gibt er ihr einen Schlag mit dem Kolben in den Rücken, daß sie bewußtlos auf ihren Mann niederstürzt. Aber sie reißen sie gleich wieder an ihren Haaren auf, zwingen ihr durch Schläge die Hände über den Kopf, jagen sie nun mit schrillem Johlen im Laufschritt durch die Straßen. Aber sie ist längst nicht mehr die einzige, alle Straßen sind voll von solchen Jagden, alle zehn Schritte taumeln auf diese Weise ein paar Deutsche, die meisten sind von Schlägen schon blutüberströmt, einige tragen auch schon schwere Schüsse am Leibe, sie werden sofort mit Kolben totgeschlagen, wenn sie mitten im Lauf aus Schwäche zusammenbrechen.

Frieda
Ristau
Ehefrau Frieda Ristau, 31 Jahre, zugehörig zur Mordgruppe Eichdorf-Netzheim; Mutter von 3 Kindern, die durch Zufall dem Mord entgingen. Sprengschuß des Schädels, Gewehrschuß von Hinterhauptsgegend aus.
Sekt.-Nr. - Br. 88 (OKW./H.S.In.)
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Frau Ristau aber schafft es, sie bricht nicht gänzlich zusammen, erreicht mit letzten Kräften die Kommandantur. Vor einem Tische sitzt ein Offizier, er hat einen glatten Scheitel, hat gepflegte Fingernägel, sieht gelangweilt in ihr zerstörtes Gesicht. "Erschießt mich doch auch", schreit die Frau auf, "ich will nicht mehr..."

Da winkt der Offizier ab, sie jagen sie wieder hinaus, ein Soldat brüllt ihr nach: "Eine Kugel ist für dich zu schade, du häßliche Hitler, aber erschlagen wird man dich schon noch!"

Die junge Frau kommt heil wieder hinaus, sieht sie so furchtbar aus in ihrem Schmerz, mit ihren übers Gesicht gefallenen Haaren, die über und über vom Blut ihres Mannes besudelt sind, daß auch die Rasendsten vor ihr zurückweichen? Sie wäscht sich in einem Graben das Blut vom Gesicht, schleicht eilends zum Schmiedeschen Anwesen zurück. Nicht weit vom Gartentor liegt immer noch ihr Mann, ein johlender Haufen tanzt um ihn herum, vom brennenden Hause fallen schaurige Schatten auf ihn, durch diese Schatten sieht sein zerrissenes Gesicht aus, als lächelte er leise vor sich hin. "Du verfluchter Hitler lachst noch?" ruft ein Soldat höhnisch auf ihn herab, läuft zu einer Abfalltonne, kommt mit zwei gefüllten Händen zurück. Ein halbes Dutzend reißt ihm den Abfall aus den Händen, alle zielen sie nun damit nach seinem Kopfe, einem Jungschützen aber ist auch das noch nicht genug, mit hysterischem Schreien stopft er ihm den Schmutz in den offenen Mund...

Wohnhaus 
Schmiede
Erdgeschoß und aufgedeckte Keller in dem durch Brandstiftung völlig zerstörten Wohnhaus Schmiede. In den Kellern mußten 16 Personen 8 Stunden lang die Hitze aushalten, weil durch die Fenster geschossen wurde. Erst später konnten die Volksdeutschen in einen anderen Kellerrraum kriechen, dessen Decke betoniert war.

Dieser Tanz um die Guillotine dringt trotz des Feuerlärms bis in den Keller, in dem Frau Schmiede immer noch mit ihren Kindern kauert. Es wird allmählich so heiß in dem Raum, daß ihr die Kleider tropfend an den Gliedern kleben, die steinernen Wände werden langsam so glühend, daß man sie mit den Händen kaum mehr berühren kann. Die Kinder schreien ununterbrochen, immer wieder legt sie ihnen Essigtücher auf die Münder, aber immer noch muß sie alles auf dem Bauche kriechend machen, sonst peitschen sofort wieder Kugeln durch die Fenster. Draußen wird es allmählich Nacht, das schauerliche Geheul ums Haus wirkt jetzt auf die Kinder, daß sich fast alle in Schreikrämpfen winden. Kurz vor Mitternacht geht ein scharfes Prasseln über ihnen nieder, die eisernen Träger biegen sich fast durch, aber sie halten schließlich doch aus, wohl ist das Haus über ihnen zusammengestürzt, aber es hat sie nicht alle miteinander begraben.

Mit dem Zusammensturz des Hauses verläuft sich die Menge, aber erst gegen Morgen wagt die Frau hinauszuschleichen. Sie will von Bekannten etwas für die Kunder zu essen holen, aber schon nach kurzem Weg fällt auch sie einer Streife in die Hände. Man schleppt sie sofort weiter zur Polizeistation, aber es sind nur mehr junge Zivilisten auf der Wache, ein Sechzehnjähriger unterschreibt die Todesurteile. Man stößt sie in einen der vielen Räume, in denen schon Hunderte von Deutschen zusammen gepfercht sind, sie fällt einer Bekannten bewußtlos in die Arme, wird aber im nächsten Augenblick durch furchtbares Geschrei wieder erweckt. Ein polnischer Soldat hat zur Tür hereingebrüllt, daß man sie jetzt alle mit Gas umbringen werde. Durch ein Fenster schiebt sich tatsächlich ein Rohr, von draußen kommt ein seltsam blasendes Geräusch, schon glauben alle, den Mandelgeruch des Gelbkreuzgases zu verspüren. Ein sinnloser Tumult bricht aus, viele fallen betend auf die Knie, ein Pfarrer spricht klingend das Vaterunser - aber es sinkt keiner um von diesem Gas, man hat gar kein Gas in diesem Wachtgebäude, man hat sich nur an ihren Qualen weiden, nur seinen Spaß mit ihnen haben wollen...

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