Der Tod in Polen
Die volksdeutsche Passion.

Kapitel 12:
Der Verschlepptenzug
aus dem Thorner Gebiet (Teil 2)


Als man den Thorner Zug auf dem Gutshof Jarantonice unterbringen wollte, erwies sich bald, daß die von weitem gesehenen Scheunen alle von Soldaten besetzt waren. So blieben für die Gefangenen nur die Pferdeställe übrig, die meterhoch mit altem Mist bedeckt, zudem meist noch halb mit Pferden angefüllt waren. Lediglich für die Frauen fand sich eine leere Wagenremise, sie erhielten auch ausreichend frisches Stroh dazu, die Männer aber pferchte man so eng in die Ställe, daß auch hier nicht einmal alle liegen konnten.

Dennoch wirft sich erst einmal alles nieder, versinkt alsbald in einen schweren Schlaf. Aber dieser Schlaf währt nicht lange, viel zu rasch weckt sie der Hunger wieder. Während sich die Junaki ringsum in den Dörfern Lebensmittel requirieren, denkt kein einziger an die Gefangenen - sollen sie auch diesen zweiten Tag nicht das geringste erhalten? Erst gegen Mittag gelingt es einigen Deutschen, ein paar neugierig herumstehende Bauern heranzurufen. "Verkauft uns ein wenig Brot!" sagen sie, zeigen ihre letzten Zloty.

"Wir dürfen nicht!" sagen die Bauern.

"Ein bißchen Milch!"

"Wir haben nicht..." sagen die Bauern.

"Ein paar Äpfel?"

"Ein paar Äpfel?" Sie überlegen lange, gehen dann davon. Als sie nach einer Weile wiederkommen, haben sie einen Korb mit Äpfeln, sie sind noch völlig grün, dazu einfach irgendwelches Fallobst, auf dem Gutshof ringsum gesammelt, von den Soldaten hochmütig verschmäht. "Zehn einen Zloty!" sagen die Bauern. "Oh, diese Christen, diese frommen Gläubigen..." denkt Dr. Raapke.

Man kauft ein paar Körbe, verteilt sie äußerst genau. Sie verschwinden in wenigen Augenblicken, wie gut sie doch tun, stillen gleichzeitig den Durst ein wenig. Ein alter Kutscher, der diesem Essen zusieht, geht plötzlich kopfschüttelnd fort, kommt schließlich mit einem Brot zurück. "Zwanzig Zloty gebt..." sagt er mitleidig. "Oh, diese gute Seele!" denkt Dr. Raapke wieder. "Wir tun ihr wirklich leid, aber das Geschäft bleibt ruhig darüber stehen, das wird trotz allem nicht vergessen..." Das Brot ist so frisch, daß es noch heiß ist, Gift für die leeren Mägen.

Kaum hat ein Polizist den Handel gesehen, als auch er sich menschenfreundlich herandrängt. "Gebt mit achtzig Zloty, besorge ich euch vier!" sagt er kameradschaftlich. Ein paar warnen, haben sie nicht bittere Erfahrungen mit solchen Helfern gemacht, aber die Hungrigen lassen sich nicht abhalten. Noch einmal werden achtzig Zloty gesammelt, die vier Brote aber treffen niemals ein...

Im Laufe des Vormittags läßt der Kommandant den Pfarrer Dietrich rufen, mustert ihn mit verkniffenen Augen von oben bis unten. "Ich brauche einen Mittelmann", sagt er schließlich, "mit dem ich mancherlei Erfordernisse besprechen kann. Sie übernehmen diese Stellung, geben aber vorher Ihr Ehrenwort, daß Sie keinen Fluchtversuch machen!"

"Ich gebe es!" sagt Pfarrer Dietrich. "Jetzt habe ich also demnach das Recht, mit allen Leuten meines Zuges zu sprechen?"

"Aber nur polnisch!" unterbricht der Kommandant.

"Darf auch während des Marsches von einer Abteilung zur anderen gehen?" fährt Pfarrer Dietrich fort, die verwunderlich günstige Stimmung des Kommandanten bis zum Letzten nützend.

Der Kommandant nickt. "Sprechen Sie jedoch ein überflüssiges Wort, hängen Sie als erster am nächsten Baum!" setzt er hinzu.

"Ich möchte dann gleich folgenden Vorschlag machen", fährt Dietrich ungerührt fort, "unsere Frauen könnten den Wachen in der Gutsküche kochen. Wenn sie dann etwas Mittagessen abbekämen, wäre beiden Teilen damit gedient."

"Ein guter Vorschlag", sagt der Kommandant, "es mag so sein!"

Damit ist schon viel gewonnen, bekommen wenigstens die Frauen Nahrung, können sicher dabei den Männern etwas zuschieben. Aber diese Hoffnung trügt; als die Suppe endlich fertig ist, kommen sie wohl jeder zu einem Schöpflöffel, den Männern aber einen Topf voll durchzuschmuggeln, erweist sich bald als völlig ausgeschlossen. Aber wenn auch die Frauen nicht satt werden, sie können doch wenigstens trinken, sich am Kartoffelwaschwasser satt trinken...

Schon über Mittag wird es in den Ställen unerträglich schwül, zudem ist der alte Pferdemist unter ihnen so heiß, als lägen sie alle auf glühenden Steinen. Der Dunst des Ammoniaks steigt beizend in ihre Gesichter, daß die vom Staub ohnehin entzündeten Augen haltlos tränen, der erneut ausbrechende Schweiß mischt sich mit dem Staub, der ihre Leiber wie feiner Sand bedeckt, daß es sie am ganzen Körper wie mit Nadeln sticht. Nach dem Füttern werden die Pferde ausgiebig getränkt - wie folgen aller Augen gierig aufgerissen den vollen Kübeln, wie schneidet das Geräusch des Wassers in ihre Ohren, wenn die Pferde mit schlagenden Lippen darin spielen! "Gebt uns doch einen Kübel!" ruft ein alter Mann verzweifelt.

"Polnisches Wasser euch?" ruft der Soldat. "War euch der polnische Staat nicht gut genug, braucht ihr auch kein polnisches Wasser!"

Als die Pferde fertig getränkt sind, stellt er die leeren Kübel achtlos fort. Kaum ist er aus dem Stall hinaus, stürzen sich einige auf diese Kübel. In einigen finden sich kleine Reste mit aufgeweichtem Häcksel durchmischt, doch die schalen Neigen werden verteilt, daß jeder wenigstens die aufgeschwollenen Lippen netzen kann. "Abends werden die Pferde nochmals getränkt", sagt ein Bauernsohn tröstlich, der sich bei Pferden auskennt, "da bekommen wir vielleicht nochmals einen Schluck..."

Als der Abend herniedersinkt, kommen die Soldaten zurück. Sie schütten den Pferden Hafer in die Krippen, viele Deutsche schleichen ungesehen hinzu, nehmen eine Handvoll heraus, kauen ihn mit vieler Mühe zu einem Brei, aber sie können kaum mehr Speichel bilden, es dauert fast eine Viertelstunde, bis sie ihn endlich hinunterschlucken können.

Bei diesen Arbeiten im Stall können die Soldaten sich nicht enthalten, die Gefangenen höhnisch mit den neuesten Nachrichten zu versorgen. "Wißt ihr schon", sagt der eine, "Berlin ist nur mehr ein großer Schutthaufen!"

"Mussolini hat Selbstmord begangen!" setzt ein zweiter hinzu.

"Euer Hitler hat abgedankt!" fährt ein dritter fort.

"Ist nach Doorn zum Kaiser geflüchtet!" schließt ein vierter triumphierend.

Die Deutschen müssen trotz dieses Unsinns ernst bleiben, ein Lächeln würde die Soldaten schon zur Raserei bringen, sicher einigen Gefangenen das Leben kosten. Wie als Gegenbeweis ihrer kindlichen Lügen heult es bei den letzten Worten auf, kommt ein ganzes Geschwader von Westen angebraust, wirft auch tatsächlich einige Bomben auf in der Nähe marschierende Truppenverbände ab. Diesem Fliegerangriff haben die Gefangenen eine zweite Nacht in Jarantonice zu danken. Sind die Junaki zu einem Weitermarsch noch nicht wieder fähig, oder haben Sie Angst vor einer Wiederholung dieses Angriffs auf dem Marsche? Jedenfalls wird an diesem Abend nicht aufgebrochen, sie dürfen auch die Nacht noch in den Ställen zubringen. Als Pfarrer Dietrich das dem Trupp des Dr. Raapke mitteilt, der mit achtzig Kameraden in einem Stalle liegt, tritt plötzlich ein Soldat hinter den Pferden hervor, stellt sich breitbeinig vor den Pfarrer hin. "Zeig mal deine Bibel!" sagt er lauernd.

Pfarrer Dietrich holt das Testament hervor, zeigt ihm ruhig das kleine Bändchen.

"Das ist nicht die richtige!" ruft der Soldat störrisch.

"Ich kenne keine andere!" sagt Pfarrer Dietrich.

"Du kennst nicht - oh - wie du lügst! 'Mein Kampf' ist eure Bibel - nicht das Neue Testament!" lacht der Soldat.

Endlich tränken sie wiederum die Pferde, gibt es wieder einen Schluck Wasser, außerdem aber haben sie noch das Glück, daß eines der letzten Pferde nicht austrinkt, ein Kübel fast gefüllt stehenbleibt. Dann senkt sich langsam die Nacht auf sie herab, aber die Nacht ist schlimmer als der Tag. Kommt es nur durch die Dunkelheit, kommt es dadurch, daß sie kein Maß der Zeit mehr haben? Ist eine dieser sieben Stunden nicht länger als sonst eine ganze Nacht, von dem Durst, von dem Hunger, von der Hitze, von all diesem auf eine fast endlose Dauer zerdehnt? Zudem sind jetzt die Fliegen von der kühlen Nacht ins Warme geflüchtet, wie eine von den Polen ausgedachte Folter sitzen sie zu Millionen auf ihnen, lassen niemanden die Augen schließen, kriechen wie dicke müde Würmer in ihre Nasen, in die vor Durst weit klaffenden Münder...

Die Frischesten flüstern leise miteinander, suchen sich durch Gespräche die Nacht zu kürzen. "Da sitzen wir nun", sagt der alte Rausch, der Besitzer einer großen Gravierfabrik, dessen Sohn als einer der ersten in die Zelle Raapkes kam, den er aber seit dem Nachtmarsch nicht mehr sah, "der Fabrikbesitzer neben dem Lehrling, der Arbeiter neben dem Bankdirektor. Hier ist die wahre Volksgemeinschaft, von der wir immer aus dem Reiche hörten, wir brauchen sie nach der Befreiung nicht erst zu lernen."

"Und woraus ist sie hier erstanden?" sagt Dr. Raapke leise. "Weil man uns nicht einzeln, nicht eine Schicht von uns bekämpft, sondern als ganzes Volk vernichten will. Sie hätten, so gesehen, nichts Dümmeres tun können, um uns für alle Zeiten unvergeßlich zusammenzuschweißen!"

"Hoffentlich vergessen wir es nie wieder!" sagt der alte Rausch gedankenvoll.

"Sagen Sie doch mal", fängt Raapke wieder an, "ich erinnere mich an einzelne Erzählungen, von unseren schönen Stammtischabenden her. Sie staken doch mitten im russischen Bürgerkrieg: haben die Russen eigentlich so an den Weißen gehandelt, wie die Polen hier mit uns umgehen?"

Der alte Rausch sinnt eine Weile, sagt dann mit Entschiedenheit: "Erstmals war damals Bürgerkrieg, also der Krieg, der immer der furchtbarste ist. Und man hat Tausende erschossen, hat Zehntausende umkommen lassen. Aber auf 'lassen' liegt hier das Gewicht, Epidemien taten dazu das meiste, dazu die allgemeinen Hungersnöte. Und was man erschoß, das erschoß man eben, solche Quälereien aber, wie sie hier alltäglich sind, die waren dort vereinzelt, in jenen Fällen eben, in denen man jemand fing, der vor dem Umsturz andere geschunden. Wen haben wir geschunden, wem nahmen wir was weg? Das ist der große Unterschied, ist doch eine gänzlich andere Voraussetzung... Ich habe damals auch viele Deportiertenzüge gesehen, aber ich habe bei Gott nicht erlebt, daß man sie nicht wenigstens notdürftig verpflegte, ich habe bei Gott nicht erlebt, daß man sie nicht trinken ließ, wenn sie in der Sonnenhitze an Brunnen vorüberzogen! Und ich habe nicht erlebt, daß man die Frauen derart bestialisch quälte, und habe nicht erlebt, daß man zu Tausenden auch noch die Leichen schändete - dazu war der Russe viel zu gut, hat er eine viel zu reine Seele! Und wenn dort schauerliche Dinge geschahen, so waren meist befreite Sträflinge die Täter, oftmals auch Letten, oft Chinesen - hier aber ist es das Volk an sich, das Volk als Ganzes, sind es die Intellektuellen, ist es fast jeder Soldat, sind es auch viele Bauern! Und was das wichtigste ist, hier sind es Waffenlose, an denen dies alles geschieht - während es dort doch meist Offiziere waren, die man mit Waffen in den Händen fing..." Er ist dabei merklich erregt geworden, der alte Rausch, ringt jetzt ein wenig nach Atem.

"Das ist gut, mein Lieber!" sagt Dr. Raapke laut. "Das wollen wir uns merken, denn der Vergleich sagt mehr darüber aus, als eine lange Erzählung über die Sache selbst! Ist gleichzeitig ein so unanfechtbares Urteil, wie es kein zweites geben kann, dazu noch eins, das die Polen für dies Jahrhundert zum letzten Volk unserer Erde stempelt!"

"Hörte ich nicht oft einen Soldaten sagen", fängt der alte Rausch jetzt wieder an, "wenn ihnen ein Weißer schwer verwundet in die Hände fiel und der rote Judenkommissar ihn unverbunden verrecken lassen wollte: 'Verbindet ihn trotzdem ein wenig um Gotteslohn - auch ihn hat eine Mutter in Schmerzen geboren!' Habt ihr das je gehört, von einem Polen nur einmal gehört?"

"Und das ist vielleicht eine der größten Schanden der polnischen Kirche", fällt Raapke ein, "daß sie in keinem einzigen Falle mildernd dazwischentrat. Als man einen katholischen Pater aus seinem Kloster herausholte, weil er ein Deutscher war, fand sein Oberer nicht ein einziges Wort für ihn. Als der Posener Kardinal an einem Verschlepptenzuge vorbeifuhr, sich ein paar katholische Deutsche an seinen Wagen hingen, ihn um Hilfe für die mitziehenden Kinder anflehten, wandte er seinen frommen Kopf wortlos nach der anderen Seite. Als in einem Dorf die Frauen vor den Soldaten zu ihrem Pfarrer flüchtete, antwortete dieser ihnen vor allen Soldaten mit wüsten Schmähungen: 'Geht doch euren Hitler um Hilfe an, was kommt ihr jetzt zu mir...'"

Der Dunst beizt, die Hitze frißt, die Fliegen quälen. Alle Augenblicke stöhnt jemand auf, ein paar weinen hörbar vor sich hin. Der Gaumen schmerzt vor Trockenheit, die Augen brennen vom Dunst des Mistes, die Magen krampfen sich in kleinen Abständen, als ob sie eine rohe Faust zusammendrücke.

"Und die Lehrer!" sagt unvermittelt ein Mann, der eine Schar Kinder hat. "Meine Kinder haben mir oft erzählt, was sie in den polnische Schulen trieben. Da gab es zum Beispiel dreimal in der Woche eine sogenannte Instruktionsstunde, zu deren Anfang der Lehrer ein großes Bild des Führers zeigte. 'Wer ist das?' 'Der Hitler ist's!' riefen die Kinder, 'der Verderber Polens!' 'Was geschieht mit ihm, wenn er in unsere Hände fällt?' fragte der Lehrer weiter. 'Wir werden ihn rösten!' schrien die einen. 'In Stücke schneiden!' schrien die anderen. 'Durch eine Mühle drehen!' schrien die dritten. So machten sie die ganze Stunde nichts anderes, als sich Qualen für ihn zu ersinnen - was wundern wir uns über die Quälereien, die sie dann an uns Deutschen verübten?"

"Und wer von uns möchte nicht im Gegensatz dazu beschwören", denkt Dr. Raapke dabei, "daß man im Reiche vom Staate her eine ehrliche Verständigung wollte? Verbot man nicht zum Beispiel alle Bücher, die etwas Negatives über Polen enthielten?"

"Eine beliebte Frage an die Kinder in den Schulen war auch", fuhr der Mann fort, "warum die meisten Deutschen alle hohe Stiefel trügen? Damit sie eine bessere Haltung haben, denn ohne lange Stiefel sind sie alle schlapp! antworteten die Kinder. Eine andere diese: Was werden wir nach dem Kriege mit ihnen tun? Wir werden sie alle auf einen einzigen Scheiterhaufen werfen! Und eine dritte: Wieviel dürfen von ihnen übrigbleiben? Soviel unter einem Birnbaum Platz haben!"

Sie kommen in ihrem Gespräch nicht weiter, denn plötzlich horchen alle erschrocken auf. Aus der Remise der Frauen dringen schrille Schreie herüber, wird dort jemand vergewaltigt oder sind es wieder Wahnsinnsausbrüche? Es sind nur ein paar Wahnsinnsausbrüche, sind nur zwei Frauen, die um jeden Preis ins Freie wollen. "Ich muß doch zu meinen Kindern, die verhungern mir doch inzwischen!" schreit die eine immer wieder, während die andere plötzlich der Meinung ist, im nächsten Augenblick fiele eine Bombe in die Remise. Aber auch dort stehen ein paar Unüberwindliche am Tore Wache, werfen ihre Angriffe mit den letzten Kräften zurück, wieder ist das tapfere Fräulein Buller unter ihnen.

Die gellenden Schreie sind jedoch der Tropfen, der den Kelch auch bei den Männern zum Überlaufen bringt. Eine Handvoll der seelisch Schwächsten springt plötzlich auf, dringt auch dort stöhnend auf das Tor ein. "Ich verbrenne hier!" schreit einer von ihnen. "Meine ganze Haut ist schon voller Blasen, ich will ins Wasser, will meine Brände endlich einmal kühlen..." Vor dem Tor entspinnt sich ein verzweifelter Kampf, gelingt es dieser Handvoll, aus dem Stalle auszubrechen, schießen die Soldaten zweifellos ohne Ziel in alle hinein. Es bleibt den letzten Unentwegten nichts übrig, als sie schließlich mit harten Schlägen zurückzutreiben. So sinken sie denn am Ende erschöpft auf den Mist zurück, einer von ihnen aber wiederholt wohl dreißigmal monoton: "Laßt mich doch wenigstens telephonieren, laßt mich doch wenigstens daheim Bescheid sagen..."

Endlich zeigt sich dennoch an den Fenstern des Stalles das erste Frühlicht, fällt der Irrsinn dieser Nacht noch einmal wie ein Spuk von allen ab. Auch die Wildesten sind plötzlich wieder vernünftig, folgen apathisch allen Anweisungen der Führer. Nur einer erleidet noch am hellen Morgen einen Rückfall, erhebt sich mit feierlicher Gebärde, als Pfarrer Dietrich zu einer dienstlichen Besprechung in das Tor tritt. "Es gibt keinen Gott mehr", ruft er ihm entgegen, "ich weiß es jetzt bestimmt! Laßt uns den Teufel anbeten, ihr, meine Glaubensbrüder, er allein kann uns hier helfen!" fährt er in predigendem Tone fort. "Er ist's allein, dem diese Welt gehört, er ist's allein, dem alle Menschen dienen..."

Pfarrer Dietrich starrt ihn einen Augenblick lang hilflos an, tritt dann entschlossen auf ihn zu, schlägt ihm mit weit ausholender Bewegung schallend ins Gesicht. "Schämen Sie sich", ruft er dabei, "Sie wollen ein Mann sein, reden solch ein dummes Zeug? Nehmen Sie sich gefälligst zusammen, wie es Schwächere als Sie vermögen..."

Dieser klare Schlag, dieses klare Wort dazu, dieses beide wirkt wie ein kaltes Bad. Der Irre taumelt jählings zurück, fährt sich wie erkennend über die Stirn, sinkt dann kraftlos auf den Dung nieder, bricht in ein verzweifeltes Weinen aus.

Und wieder geht die Sonne auf, wieder beginnt der Hunger, wieder quält der Durst. Von neuem erwerben sie sich Äpfel, trinken sie die Reste der Tränkeimer. Pfarrer Dietrich hat es durchgesetzt, daß man sie zu ihren Bedürfnissen hinausführt, aber sie haben fast keine mehr. Wenn sich bei solchem Anlaß das Tor öffnet, sehen sie draußen die Junaki fressend sitzen, von ihrem Überfluß die Hunde fütternd. Oh, hätten sie doch diese Brocken, wie glücklich wollten sie damit sein... Aber bitten tut niemand, tut auch jetzt niemand - noch hat der Stolz sie nicht verlassen, noch sind ihre Seelen stärker als alle Qualen des gemeinen Leibes...

Als es dämmert, kommt plötzlich der Befehl zum Weitermarsch, zum Weitermarsch nach Wloclawek.

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