Thomas Stamford Raffles

(6.7.1781 - 5.7.1826)

[Thomas Stamford Raffles]

Tabellarischer Lebenslauf
zusammengestellt von
Nikolas Dikigoros

1781
06. Juli: Thomas Stamford Raffles wird als einziger Sohn (neben vier Schwestern) des Kapitäns der Handelsmarine Benjamin Raffles und seiner Ehefrau Anne, geb. Lyde (einer Holläünderin) auf einem Schiff vor Port Morant (Jamaika) geboren.*

1790-95
Raffles besucht die Mansion House Academy, ein Internat in Hammersmith.

1795
Raffles tritt in die Dienste der British East India Company [EIC] ein, zunächst als [Ab-]Schreiber (das Kopierpapier ist noch nicht erfunden - man schreibt mit Feder und Tinte -, geschweige denn der Kopier-Apparat :-) in deren Londoner Zentrale.
In seiner Freizeit erlernt er Fremdsprachen, u.a. Bahasa [Johor-Malaiisch], die Lingua franca Südostasiens.

1804
Raffles heiratet Olivia Marianne Fancourt, geb. Devenish, die Witwe eines Feldschers, der für die EIC in Madrās tätig gewesen war.

1805
Raffles läßt sich nach Prince of Wales Island, eine Insel vor der Westküste Malayas (heute "Penang") versetzen, als Hilfssekretär des örtlichen Gouverneurs Lord Dundas.
Dort fällt er ob seiner Sprachkenntnisse Lord Minto, dem General-Gouverneur von Indien, auf, der ihn als britischen Interessenvertreter nach Malak[k]a schickt, einem noch immer nicht unbedeutenden Hafen an der Westküste Malayas, den die Niederländer 1641 den Portugiesen abgenommen hatten.


1810
Juli: Frankreich - mittlerweile ein "Kaiserreich" unter Napoléon Bonaparte - annektiert die Niederlande; damit werden deren Kolonien für England zu Feindesland; Raffles muß Malakka verlassen.**

1811
Raffles entwirft einen Feldzugsplan zur Eroberung von Insulinde [Niederländisch-Indien, heute "Indonesien"]. Binnen 6 Wochen ist die Hauptinsel Java genommen, und die Holländer kapitulieren.
September: Zur Belohnung wird Raffles zum Lieutenant-Gouverneur von Insulinde ernannt.
Er nimmt seinen Dienstsitz nicht im versumpften Batavia (heute "Jakarta", von "Jaya-kota [Siegburg]"), sondern in der sundanesischen*** Hauptstadt Buitenzorg [Sanssouci].

1811-14
Raffles macht sich nach Kräften an die Ausmistung des Saustalls, den die 1799 faillierte Vereenigte Oost-Indië-Compagnie [VOC - Gegenstück zur britischen EIC] hinterlassen hat. [Die "Batavische Republik" als deren Erbin/Rechtsnachfolgerin hat die Zügel ebenfalls schleifen lassen.] Er wirft Aufstände nieder, mit denen seine Vorgänger seit Jahrzehnten nicht fertig geworden sind, tritt auch dem Hanswurst Sultan von Yogyakarta - der sich noch immer für den Herrn der tausend Inseln hält - kräftig in den A... und führt ein neues Abgabensystem ein, das die faulen Kanaken**** zur Arbeit anhält und später als Vorbild für das segensreiche "Cultuurstelsel" dient.

1814
Da Raffles auch kulturell interessiert ist - ein seltener Luxus unter "Staatsmännern" nicht nur der damaligen Zeit - nimmt er die Freilegung der altindischen Tempel in Prambanan und des buddhistischen Tempelbergs***** Borobodur in Angriff.


Nein, liebe Leser, um ein großer Entdecker/Erforscher alter Kulturen zu sein, muß man nicht eigenhändig in der Erde herum buddeln oder den Urwald roden - das haben auch die anderen Archäologen, die Dikigoros Euch auf dieser Reise durch die Vergangenheit vorstellt, nicht getan. Der Unterschied ist nur, daß sie die Arbeit ihrer Hilfskräfte meist persönlich beaufsichtigten, während Raffles am Schreibtisch saß und die Aufsicht vor Ort anderen überließ: Colin MacKenzie in Prambanan und Hendrik Cornelius am Borobodur.
Die EIC weiß ihm für all das jedoch wenig Dank, unterstellt ihm, entweder unfähig zu sein oder aber in die eigene Tasche gewirtschaftet zu haben - offenbar hatte sie erwartet, daß er das Millionengrab Java binnen kürzester Zeit in eine Goldgrube verwwandeln würde - und setzt ihn ab. Da jedoch auch sein Nachfolger nicht sieht, wie er aus der Insel Gewinn schlagen soll, geben die Briten Insulinde im
August großzügig an die Niederlande - die inzwischen ein Königreich geworden sind - zurück (Convention/Vertrag von London).******

1815-17
Nach London zurück gekehrt, schreibt Raffles ein Buch über die Geschichte Javas.

[Raffles,

1817
Oktober: Nachdem Raffles die gegen ihn erhobenen Vorwürfe entkräftet hat, wird er zum Lieutenant-Gouverneur von Bencoolen ernannt und wieder nach Südostasien abgeschoben in Marsch gesetzt. (De iure stellt das eine Rehabilitierung dar, de facto jedoch eher eine Strafversetzung.)*******

1818
Raffles erkennt angesichts der traurigen Gegenwart sehr schnell, daß Bencoolen nicht nur in der Vergangenheit so gut wie nutz- und wertlos war, sondern dies auch in absehbarer Zukunft bleiben wird.
November: Raffles reist nach Calcutta und überredet überzeugt den neuen General-Gouverneur, Lord Hastings, von der Notwendigkeit, einen anderen, günstiger gelegenen Ort als Stützpunkt und Handelshafen jenseits Sumatras zu suchen.

1819
Januar/Februar: Raffles wird an vor der Südspitze der Halbinsel Malakka fündig und handelt dem Sultan von Johor das versumpfte Inselchen Singapura ab, wo er einen neuen Hafen anlegt.
Auch dafür weiß man ihm wenig Dank. Die britische Regierung - die keine Spannungen mit den Niederlanden wünscht - sägt setzt Lord Hastings ab und steht kurz davor, auch Raffles abzuberufen und "Singapore" aufzugeben

1822
.

1824
März: Die Niederlande erkennen im zweiten Londoner Vertrag Singapore als britischen Besitz an und erhalten dafür Bencoolen.

1826
05. Juli: Thomas Stamford Raffles stirbt in London. Ein christliches Begräbnis wird ihm - der Legende nach, weil er gegen die allerchristlichste Sklaverei war - verwehrt.


*Moderne Historiker pflegen anzumerken, daß Großbritannien damals gerade sein "1. Kolonialreich" verloren habe (durch die Unabhängigkeitserklärung der USA 1776) und daher bestrebt gewesen sei, sich ein neues aufzubauen; aber das ist eine verzerrte Retroperspektive. "Neu-Belgien", das man im 17. Jahrhundert den Niederländern abgenommen und in "Neu-England" umbenannt hatte, war so ziemlich die unwichtigste britische Kolonie: Sie hatte kaum Bodenschätze und eine aufmüpfige Bevölkerung, die ihre Steuern und Zölle nicht zahlen wollte. Viel wichtiger waren Kanada und ["Ost-"]Indien, die man den Franzosen im 18. Jahrhundert abgenommen hatte (in einem Krieg, den die Preußen nach der Dauer ihrer eigenen Beteiligung den "7-jährigen Krieg" nannten) und die Inseln der Karibik ["West-Indien"], vor allem Jamaika, denn dort gab es Zuckerrohr, das nicht nur als Süßstoff diente (die Zuckerrübe war noch nicht erfunden), sondern auch zur Herstellung von Rum, auf den England als seefahrende Nation dringend angewiesen war. (Britische Seeleute hatten Anspruch auf 1/2 Pint Rum pro Tag, ohne dessen Zusatz das oft mehrere Wochen alte Trinkwasser selbst abgekocht so gut wie ungenießbar war.)

**Nanu - erst jetzt? könnten Leser fragen, die sich mit jener dunkelsten Epoche der niederländischen Geschichte weniger gut auskennen. So wie Napoléon dem Spuk der 1. Französischen Republik ein Ende bereitet hatte, indem er sich zum Kaiser ernannte, so gedachte er auch dem Spuk der - um nichts besseren - "Batavischen Republik" ein Ende zu machen, indem er seinen Bruder Luigi ("Louis") 1806 zum "König von Holland" ernannte. [Die Revoluzzer hatten Holland abgeschafft und anstelle der alten Provinzen neue "Departements" nach französischem Vorbild eingerichtet. Die ehemalige Provinz Holland nannten sie "Departement Amstel".] Aber er hatte sich getäuscht: Sein Bruder war keine willfährige Marionette, die alles mitmachte. Als es ihm zu bunt wurde, warf er den Krempel hin, dankte ab und ging nach Österreich ins Exil. Darauf schaffte Napoléon Holland zum zweiten Mal ab. Da ein Segelschiff von Europa nach Südostasien damals 5-6 Monate unterwegs war, dauerte es ebenso lange, bis diese Nachricht in Malakka eintraf.

***Im Westen spricht man von den "großen Sunda-Inseln" und den "kleinen Sunda-Inseln"; aber das ist hier nicht gemeint. Java (und seine beiden vorgelagerten Mini-Inseln) teilte sich traditionell in vier Regionen, die sich ethnisch, kulturell, religiös und vor allem sprachlich mehr oder weniger stark unterschieden: Im Osten sprach man Balinesisch, im Nordosten Maduresisch, in der Mitte Javanisch und im Westen Sundanesisch. [Ein Sonderfall war Batavia im Nordwesten, wo man eine Form des Johor-Malaiischen sprach, die später als "Omong Jakarta" berühmt-berüchtigt wurde.] Heute sind all diese Unterschiede infolge der kulturellen Gleichschaltung im Verschwinden begriffen.

****[Verballhornte] Selbstbezeichnung der Malaiien (von "anak-anak", [Landes-]Kinder), nach heutigen Gender-Maßstäben politisch korrekter als das vor allem in Malaysia gebräuchlichere "bumiputra [Söhne der Erde]", das man leicht als "sexistisch" mißverstehen könnte (obwohl es richtig verstanden natürlich auch die Töchter einschließt - aber tut das unser Wort "Studenten" nicht auch?)!

*****Nein, liebe Leser, der Begriff "Tempelpyramide" ist eine Beleidigung für jene Anlage, die nicht nur aus groben Steinquadern mit mehr oder weniger Verputz besteht, wie die Pyramiden in Ägypten und Mittelamerika, sondern aus hunderten kleinen Gebetsnischen mit dem Kopf, der Büste oder sogar dem ganzen Körper Buddhas. Man braucht kein Anhänger desselben und kein Spezialist für alte Heiligtümer zu sein, um zu sehen, daß das eine ganz außergewöhnliche Arbeit ist, in ihrer Art einmalig auf der Welt.

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