Nachkriegsverbrechen der Amerikaner und
Franzosen an deutschen Kriegsgefangenen

von RUDOLF GRAF CZERNIN (Staatsbriefe 1998)

Anmerkungen und ergänzende Links: Nikolas Dikigoros

Daß eine große Anzahl von deutschen Kriegsgefangenen in den Jahren 1945 und 1946 in amerikanischen und französischen Kriegsgefangenenlagern starb, war bekannt, wurde allerdings nie besonders erwähnt. Vierzig Jahre danach erfuhr die Weltöffentlichkeit durch das aufsehenerregende Buch des kanadischen Redakteurs James Bacque, „Other losses", daß es sich dabei um Verbrechen viel größeren Ausmaßes gehandelt hat, als bisher angenommen.

Bacques Buch erschien 1991 in deutscher Fassung unter dem Titel „Der geplante Tod". Die Akten, die diese Verbrechen bekunden und belegen, wurden teils vernichtet, teils verfälscht, und teils wurden sie jahrzehntelang als „geheim" unter Verschluß gehalten. In mühevoller Kleinarbeit und nach jahrelangen Recherchen hat Bacque die Mosaiksteine dieser erschütternden Verbrechen zusammengetragen. Dabei ging es ihm nicht um "Aufrechnen", um das Wühlen in alten Wunden oder um das Aufreißen neuer Gräben, sondern, wie jedem redlichen Historiker, allein darum, der geschichtlichen Wahrheit zu ihrem Recht zu verhelfen.

Nachdem große Teile Deutschlands bereits in der Hand der Westalliierten waren, kam es zu den ersten Massengefangennahmen deutscher Soldaten. Viele Hunderttausende befanden sich in Gefangenenlagern der Alliierten, sowohl in Deutschland als auch in Frankreich und Belgien. Da Briten, Kanadier und Amerikaner die Genfer Konvention unterzeichnet hatten, waren sie dazu verpflichtet, die deutschen Kriegsgefangenen, so gut es ging, gemäß den Bestimmungen dieser Konvention zu behandeln - was sie auch taten. Nicht zuletzt auch deshalb, da sich auf der anderen Seite ebenfalls Hunderttausende ihrer eigenen Soldaten in deutscher Kriegsgefangenschaft befanden und eine schlechte Behandlung der deutschen Kriegsgefangenen zu Repressalien auf der Gegenseite geführt hätte.

Dies änderte sich jedoch schlagartig mit der bedingungslosen Kapitulation der Deutschen Wehrmacht und dem Ende des Krieges am 8. Mai 1945, da ab diesem Zeitpunkt deutscherseits keinerlei Repressalien gegenüber Kriegsgefangenen der Alliierten in deutschen Lagern mehr zu erwarten beziehungsweise nicht mehr möglich waren.

Die Schweiz war während des Krieges Deutschlands diplomatische Schutzmacht. Dies gab ihr und dem Schweizerischen Roten Kreuz verschiedene Rechte, darunter jenes, Kriegsgefangenenlager mit deutschen Wehrmachtsangehörigen jederzeit auf die Einhaltung der Bestimmungen der Genfer Konvention hin kontrollieren und inspizieren zu können - freilich nur im Westen, da die Sowjets diese Konvention nie unterzeichnet haben. Unter direkter Mißachtung der Verpflichtungen, die die USA mit ihrer Unterzeichnung der Genfer Konvention eingegangen waren, verweigerte die Regierung der Vereinigten Staaten dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz ab dem 8. Mai 1945 die Erlaubnis, Kriegsgefangenenlager zu betreten, die deutschen Kriegsgefangenen zu besuchen und ihnen, auf welche Art und Weise auch immer, Hilfe angedeihen zu lassen. Gleichzeitig „entließ" sie die Schweiz als Schutzmacht Deutschlands. Die Nachricht des US-Außenministeriums, mit der dem Schweizer Botschafter in Washington dies mitgeteilt wurde, trägt das Datum 8. Mai 1945.

Nach der bedingungslosen Kapitulation und dem Abhandenkommen jeglicher deutschen Regierung - Großadmiral Dönitz war von Hitler in den letzten Kriegstagen zu dessen Nachfolger und damit zum Regierungschef ernannt, von den Alliierten aber mitsamt seiner Regierung verhaftet worden - wäre die Rolle der Schweiz als Schutzmacht nicht weniger, sondern, im Gegenteil, noch wichtiger geworden. Denn nach dem 8. Mai wurde von den Amerikanern den hunderttausenden deutschen Kriegsgefangenen in amerikanischer Hand der PoW-Status (Prisoner of War-Status) entzogen, und sie wurden als „Disarmed Enemy Forces" bezeichnet beziehungsweise eingestuft, was die Engländer und Kanadier mit ihren deutschen Kriegsgefangenen zu tun verweigerten. Dieser völkerrechtswidrige Akt der Amerikaner - Kriegsgefangenen ihren Status zu nehmen - entkleidete letztere nicht nur jeden kriegs- und völkerrechtlichen Schutzes, sondern entband die Amerikaner auch von der in der Genfer Konvention vorgeschriebenen Verpflichtung, Kriegsgefangene ausreichend zu ernähren. Auf diese Weise wurde nahezu eine Million deutscher Soldaten zum Hungertod verurteilt - einem geplanten Tod. Geplant vom Oberbefehlshaber der amerikanischen Streitkräfte in Europa und späteren Präsidenten der Vereinigten Staaten, General Eisenhower, und genehmigt von den CCS - den kombinierten Stabschefs -, wie James Bacque eindeutig nachweist und an Hand zahlreicher Dokumente belegt.

Alle Entscheidungen über die Behandlung der Gefangenen wurden ausschließlich von der US-Armee in Europa getroffen, wenngleich die Engländer und Kanadier sich nicht an alle diese Entscheidungen hielten, wie etwa die Aberkennung des PoW-Status. Eine dieser Entscheidungen war, deutsche Kriegsgefangene den Franzosen zu übergeben. Sie verstieß ebenfalls gegen die Genfer Konvention, da sie nur unter der Voraussetzung hätte erfolgen dürfen, daß die Franzosen gemäß dieser Konvention handeln würden, was sie aber nicht taten, sondern die ihnen übergebenen rund 700.000 deutschen Kriegsgefangenen genauso behandelten wie die Amerikaner, ja zum Teil sogar noch schlimmer.

Nicht nur dem Schweizerischen Roten Kreuz wurde der Zutritt zu den Kriegsgefangenenlagern der Amerikaner und Franzosen sowie jede Hilfe für deutsche Kriegsgefangene verweigert, auch anderen, sich spontan bildenden Hilfsorganisationen wurde die Erlaubnis dazu nicht erteilt.

Nachweisbar befanden sich nach Kriegsende in Lagerhäusern noch immer die proteinhaltigen 13.500.000 Lebensmittelpakete des Roten Kreuzes, die im Mai 1945 vom Internationalen Komitee übernommen worden und für deutsche Kriegsgefangene bestimmt waren. Auf Weisung der Amerikaner und unter der Verantwortung Eisenhowers durften sie nicht verteilt werden. Allein diese Pakete des Roten Kreuzes hätten mit allergrößter Wahrscheinlichkeit den hunderttausendfachen Hungertod deutscher Kriegsgefangener in amerikanischen und französischen Lagern verhindert und sie bis zum Frühjahr 1946 am Leben erhalten, als die Entlassung derÜberlebenden begann.

Dies alles wurde damals verheimlicht und unter Lügen verdeckt, bis das Rote Kreuz sowie die beiden französischen Tageszeitungen „Le Monde" und „Le Figaro" scharfe Kritik an den Zuständen in den Lagern übten und versuchten, öffentlich die Wahrheit zu sagen. Eine dieser Lügen war die Behauptung, es übersteige die Kräfte Frankreichs und der USA, die deutschen Kriegsgefangenen am Leben zu erhalten. Wenn es ihre Kräfte überstieg - weshalb haben sie sie dann nicht unverzüglich entlassen und nach Hause zu ihren Familien geschickt, statt sie dem Hungertod preiszugehen? Der Krieg war ja längst zu Ende, und es gab keinerlei Grund mehr, die Gefangenen zu Hunderttausenden in provisorisch errichteten Lagern mit Stacheldrahtverhauen und unter freiem Himmel festzuhalten.

„Der Widerstand gegen diese düsteren Greuel reichte nicht annähernd aus, um das Gewissen der Nation (gemeint ist die französische) zu wecken, die sich mit Stolz ihrer 'Mission Civilisatrice' rühmte", schreibt James Bacque gegen Ende seines Buches.

Und im letzten Satz heißt es: „Unter allen diesen Leuten, von denen man glaubte, daß sie guten Willens seien und anständig, gab es so gut wie niemanden, der die Männer schützte, in deren sterbenden Leibern sich unsere tödliche Heuchelei ausdrückte..."

[Zitiert aus: Rudolf Czernin, Das Ende der Tabus (Ausgabe 1998), S. 251-253]


Literaturhinweise:

Czernin, Rudolf, Das Ende der Tabus. Aufbruch in der Zeitgeschichte, 280 S. - Gebunden, 5. Aufl. 2001
Verlagswerbung: "Nach Ansicht des Autors herrschen auch heute noch in vielen Bereichen der Zeitgeschichtsschreibung Tabus, die nach Auffassung der 'political correctness' nicht in Frage gestellt werden dürfen. Unter Berufung auf Historiker wie Ernst Nolte [...] unterzieht er vieles, was bislang als Lehrmeinung galt oder gilt, einer Revision."

Bacque, James, Verschwiegene Schuld. Die alliierte Besatzungspolitik in Deutschland nach 1945, 312 S. - Gebunden, Großformat, 2002
Der kanadische Autor hat sich bereits durch sein Buch "Der geplante Tod" einen Namen gemacht. Nicht nur die Rote Armee ließ im Osten ihren Haß an den Deutschen aus, sondern ebenso Amerikaner, Briten und Franzosen im Westen. Millionen Deutsche kamen erst nach Kriegsende durch alliierte Hungerblockaden, Vertreibung und Zwangsarbeit ums Leben - unter Verantwortung vor allem der Westalliierten. Der Band auf neuestem Forschungsstand stellt dar, was man sich unter "Befreiung" vorzustellen hat.


zurück zu ZEITGESCHICHTE

zurück zu Literatur Zeitgeschichte