Idi Amin - die dunkelste Ära Ugandas

von Arne Perras, Kampala (SZ vom 28.02.2007)

Blutrünstiger Schlächter und Charmeur. Das Bild des früheren ugandischen Diktators Idi Amin ist widersprüchlich. Im oscarprämierten Film "Der letzte König von Schottland" wird die Zeit seiner Schreckensherrschaft lebendig.

Nun bricht er noch einmal herein über Uganda: Seine Exzellenz Präsident auf Lebenszeit, Feldmarschall Al Hadji Doktor Idi Amin Dada, Träger des Viktoria-Kreuzes VC, des Militär-Kreuzes MC, Herr über alle Tiere der Erde und Fische in der See, Eroberer des Britischen Reiches in Afrika im Allgemeinen und in Uganda im Besonderen.

Oder einfach nur: "Der letzte König von Schottland". Mit diesem Titel schmückte sich Idi Amin besonders gerne, weil er damit die Engländer ärgern wollte.

Und so heißt auch der neueste Spielfilm über den ugandischen Diktator, dessen Hauptdarsteller Forest Whitaker gerade mit einem Oscar ausgezeichnet wurde. Am 15. März kommt das Filmporträt ins deutsche Kino, in Uganda ist es aber schon jetzt zu sehen.

Für viele, die Idi Amins Zeit miterlebt haben, ist der Gang ins Kino alles andere als leicht. Der Film ruft schmerzhafte Erinnerungen wach, schließlich starben unter dessen Schreckensherrschaft etwa 300 000 Menschen. Fast jeder Ugander hat damals einen Verwandten oder Freund verloren.

Kinos sind ausverkauft

Zwar ist die Macht Idi Amins schon seit langem gebrochen, er floh im Jahr 1979 und lebte danach bis zu seinem Tod 2003 im saudischen Exil. Aber das Bild Ugandas, das dieser Mann verkörpert, ist nicht so schnell zu zerstören. Das Symbol des Schlächters scheint wie in Stein gemeißelt, und es wirft einen düsteren Schatten bis in die Gegenwart.

Von Idi Amin hat nahezu jeder in der Welt schon mal gehört, aber wer weiß schon, wie es heute aussieht in Uganda? Kaum ein Ausländer macht sich bewusst, was für einen weiten Weg dieses Land und seine Leute zurückgelegt haben, um aus dem Tal der Tränen heraus zu kommen, in das sie Idi Amin einst trieb.

Insofern hätte man vielleicht vermuten können, dass die Ugander diesen Film über Idi Amin verwünschen. Dass sie es am liebsten gehabt hätten, er wäre gar nie gedreht worden, weil er doch nur alte Geister wachruft, die den Blick in die Zukunft verstellen. Aber so ist es nicht, im Gegenteil: Das größte Kino Kampalas ist in diesen Tagen ausverkauft, obgleich die Karten fast so viel kosten, wie ein Lohnarbeiter in einer Woche verdient.

Auch viele junge Leute strömen hinein, die Amin gar nicht mehr erlebt haben. Was sie sehen, ist freilich keine historische Dokumentation, sondern die Verfilmung eines Romans von Giles Folden. Es ist dies die gleichermaßen skurrile wie schockierende Geschichte eines jungen schottischen Doktors, der in den frühen siebziger Jahren nach Uganda kommt und überraschend von Amin zu seinem Leibarzt berufen wird.

"Von hinten perfekt getroffen"

Anfangs lässt er sich ganz einwickeln von dessen Charme und menschlicher Wärme. Doch nach und nach lernt er dann ganz andere Seiten des Diktators kennen. So entspinnt sich ein Drama auf Leben und Tod.

Auch Henry Kyemba hat sich den Film angesehen, er fände es "völlig falsch, wenn die Leute den Kopf in den Sand stecken und nichts mehr wissen wollen von damals". Dieser Kyemba muss nun ganz besonders viel wissen aus dieser Zeit, denn er war einst Amins Gesundheitsminister, bevor er in die alten Gemäuer der Universität Oxford flüchtete und seine Erlebnisse mit Amin als Buch niederschrieb. "State of Blood" heißt sein Werk.

Nun sitzt der schmale Mann auf der Terrasse seines Häuschens in der ugandischen Stadt Jinja und schlürft Tee. Hat Schauspieler Forest Whitaker diesen Idi Amin denn nun wirklich gut getroffen? "Von hinten ist er perfekt", sagt Kyemba. Wie der Mannläuft, einmalig.

"Als ich das sah, dachte ich, das ist wirklich Amin." Auch ansonsten findet er es erstaunlich, wie sich der Texaner Whitaker diese Rolle erarbeitet hat. "Das ist ein guter Versuch, Amin zu porträtieren." Aber das bedeutet nicht, dass Kyemba mit dem Film rundum zufrieden wäre.

Idi Amin in all seiner Widersprüchlichkeit

Manches, findet er, sei einfach zu seicht und locker dargestellt. "Das war ja damals kein Kaffeekränzchen", sagt er, in Anspielung auf die humorvollen Szenen, die den Film durchziehen. Vor allem stört es Kyemba, dass die Opfer so selten ins Blickfeld rücken. "Nicht einmal die öffentlichen Hinrichtungen kommen vor", beklagt er.

Von Kyembas Haus in Jinja sind es nur ein paar hundert Meter hinunter zum Nil, der dort aus dem Victoriasee entspringt. Die Sonne strahlt an diesem Vormittag, das Wasser fließt träge, und an den Ufern schießen kleine Königsfischer dahin, deren Gefieder in den schönsten Farben schillern. Kyembas Erinnerungen freilich zeichnen andere Bilder: Aufgedunsene Leichen, die im Wasser treiben. Hier, an der Quelle des Nils, ließ Idi Amin seine Opfer den Krokodilen zum Fraß vorwerfen.

Andererseits sind viele Ugander auch froh, dass der Film gerade nicht das allzu einfache Bild vom blutrünstigen Monster Amin aufwärmt, sondern versucht, den Mann in all seiner Widersprüchlichkeit darzustellen. Denn so brutal er auch war, Amin hatte offenbar auch anziehende Seiten. Er konnte charmant sein. Witzig, großmütig, kumpelhaft. Er war keiner, der auf dem hohen Ross daher kam, sondern seine Herkunft aus dem einfachen Volk hochhielt.

"Ich bin du", ruft er in einer Filmszene in die Menge. Und das Volk tobt. Oder er gibt den bescheidenen Patron: "Ich esse nie, bevor meine Soldaten nicht gegessen haben." Seht her, ich bin ein einfacher Mann, der euch da unten nicht vergisst. Diese Botschaft kam an, zumindest am Anfang seiner Herrschaft.

Lächelnder Folterknecht

"Außerdem hat Amin damals den Briten die Stirn geboten", sagt Abby Mukiibi Nkaaga. "Das machte ihn in den Augen vieler zum Helden." Nkaaga ist einer der ugandischen Schauspieler, die Forest Whitaker im Film zur Seite stehen. Er ist Idi Amins Sicherheitschef, oder besser gesagt: sein Folterknecht.

Den gibt er so überzeugend, dass man sich jetzt im Gespräch darüber wundert, dass dieser Mann überhaupt ein menschliches Lächeln hervorbringen kann. Abby Mukiibi aber hat Humor, er moderiert ja jeden Morgen eine Comedy-Show im Radio.

Gut möglich, dass dieser Mann noch einen Karriere-Sprung vor sich hat, jetzt, da er mit Whitaker vor der Kamera stand, und dessen Oscar ja irgendwie auch auf den ganzen Film und seine Darsteller abfärben wird. John Nagenda, Berater des Präsidenten Yoweri Museveni, jedenfalls glaubt, dass der Film jungen ugandischen Talenten neue Chancen eröffne und die Filmbranche in Uganda ankurbeln werde. Wie auch den Tourismus, denn der Film werde doch neugierig machen, wie es heute um dieses Land stehe.

Es ist wohl ein gutes Zeichen, dass sich Uganda dem düsteren Erbe Amins stellt: Präsident Yoweri Museveni hat sich dafür eingesetzt, dass der Film im Lande selbst gedreht wurde, und nicht, wie ursprünglich geplant, in Südafrika. 47 Jahre lang war Museveni nicht ins Kino gegangen, aber Forest Whitaker wollte er dann doch sehen: vor allem diesen abrupten Wechsel von Brutalität und Charme, der Amin eigen war und den Whitaker so überzeugend zeige.

Sichern der Zukunft

Amin "konnte mit Journalisten lachen, während auf seinen Befehl hin Massaker verübt wurden", sagt Museveni nach der Filmpremiere in der Hauptstadt Kampala.

Henry Kyemba hofft, dass sich nun auch die jungen Leute mehr mit Idi Amin befassen werden. Der Film könne aber nur ein Anfang sein, um diese Zeit aufzuarbeiten. Viel mehr noch müsste erforscht und dokumentiert werden. "Wenn die Jüngeren erfahren, wie es damals war, dann werden sie besser darauf achten, dass so etwas nicht noch einmal passiert."

So helfe die Geschichte, die eigene Zukunft zu sichern. Und hat sich diese Land nicht auch schon weit entfernt von den Zeiten Amins? Niemand braucht mehr zu zittern an irgendwelchen Straßensperren, an denen grimmige Soldaten die Leute schikanieren.

"Damals bin ich nach sechs Uhr nicht mehr vor mein Tor gegangen", erinnert sich Kyemba. "Heute kann ich auch nachts herumlaufen, wie ich will." Uganda ist viel sicherer geworden - wenn man vom nördlichen Teil des Landes absieht, wo die Menschen noch immer die Rebellentruppe LRA fürchten.

Deren Kämpfer verschanzen sich zwar jetzt im Kongo und im Südsudan, aber noch haben sie kein Friedensabkommen unterzeichnet. Mit diesem Konflikt muss Uganda also erst noch fertig werden.

Mann der Waffe

Doch wie konnte Amins Herrschaft, die das Land in den Abgrund riss, überhaupt geschehen? "Perle Afrikas" nannten die Briten ihr Protektorat einst. Von allen Kolonialgebieten Ostafrikas war es am weitesten entwickelt. Makarere, die Universität Kampalas, galt als das "Oxford Afrikas".

Amin war eben ein Mann der Waffe, er stieg in der britischen Kolonialarmee auf. Deshalb war sein Verhältnis zu den Engländern auch so widersprüchlich. Einerseits verdankte er ihnen seine Karriere, andererseits erlebte er dort demütigende Momente. Wenn er Teller für die Herren putzte. Oder die Latrinen graben musste.

Als die Kolonialmacht abzog, "da war niemand mehr da, der den Tiger zähmen konnte", glaubt Autor und Ex-Minister Kyemba. Armeechef Amin ergriff seine Chance und stürzte Präsident Obote, was die Briten anfangs auch gar nicht störte, ein Memorandum der Regierung schätzte ihn damals sogar als einen "prächtigen Typen" ein.

So nahm das Verderben schließlich seinen Lauf. Gnadenlos ließ Diktator Idi Amin jeden verfolgen, von dem er sich irgendwie bedroht fühlte. Feinde witterte er überall.

Von der Paranoia, die Amin zunehmend überfiel, bekamen manche freilich gar nichts mit. Zum Beispiel einige seiner 52 Kinder. Tochter Hagira war erst acht Jahre alt, als der Diktator flüchten musste. Es gebe ein "kleines Sicherheitsproblem", sagte er ihr damals.

Papa war der Beste

Danach setzte sich Amin erst nach Libyen und dann Saudi-Arabien ab, die Kinder seiner fünften Frau Madina schickte er in den Kongo, wo Präsident Mobutu sich um alles kümmerte. "Es fehlte uns dort an nichts", sagt Hagira, die seit 1993 wieder in Kampala lebt und sich nach langem Zögern zu einem Gespräch bereit findet. "Wir fuhren schick in die Ferien und gingen oft Einkaufen, das hat alles Mobutu bezahlt."

Von ihrem Vater, dessen Verbrechen die ganze Welt entsetzte, spricht sie in den höchsten Tönen: "Er war ein sehr liebevoller Vater und hatte immer Zeit für uns", sagt sie. Er spielte gerne und brachte ihnen das Schwimmen bei. Nie war er ungeduldig, nie wurde er zornig. Und geschlagen hat er seine Kinder auch nicht. So will Hagira Amin nicht glauben, dass ihr Vater so grausame Seiten hatte. "Wenn er jemand getötet hat, dann höchstens, um sich selbst zu verteidigen", beharrt sie. [Woher kommt bloß das Vorurteil, daß jemand, der seine Feinde schlecht behandelt, nicht zugleich seine Freunde und Verwandte gut behandelt kann? Wo liegt da ein Widerspruch? Anm. Dikigoros]

Auch sie habe eine Einladung zur Filmpremiere bekommen, sagt die Tochter. Doch sie lehnte ab. Sie scheut die Öffentlichkeit in Kampala, "wir müssen vorsichtig sein, denn viele hier hassen unseren Vater noch immer". Neugierig ist sie dennoch auf den Film, sobald er auf DVD erscheint, will sie ihn sich zu Hause auf dem Sofa ansehen. "Da geht es schließlich um meinen Vater, das kann ich nicht wegschieben."

Andere freilich, die zur Zeit Amins lebten, wollen sich den "Letzten König von Schottland" lieber gar nicht ansehen. Die Erinnerung holt sie auch ohne Film ein. Selbst an so friedlich wirkenden Orten wie dem frisch herausgeputzten Serena-Hotel, der teuersten Adresse der Stadt.

Amins berüchtigte Folterkammern

Hier plätschern unter Palmen kleine Wasserfälle in den Pool. Doch ältere Bewohner von Kampala senken die Stimme, wenn sie von den Gemäuern sprechen, die später umgebaut wurden: Dort sollen sich einst Amins berüchtigte Folterkammern verborgen haben.

Etwas weiter oben auf dem Hügel öffnen sich die Tore zum Kampala-Klub, wo der Diktator nachmittags zum Schwimmen ging und mit den Gästen auch mal nett plauderte. Am Pool steht der Geschäftsmann Charles Sabune, der immer noch verwirrt ist, wenn er an Idi Amin zurückdenkt.

Als der Präsident damals alle Asiaten aus dem Land jagte, da hat er, Sabune, davon reichlich profitiert. "Ich hab eines der Geschäfte durch Amin bekommen", erzählt er. Danach ging es mit seiner Karriere aufwärts. Aber das war längst nicht alles.

Sabunes Bruder war damals nämlich in der Studentenbewegung aktiv, die gegen Amin protestierte. Eines Tages wurde der junge Mann dann von ein paar Männern abgeholt - und niemand hat ihn jemals wieder gesehen. "Ja, so war Amin", seufzt Sabune und starrt ins Wasser. "Er gibt dir ein Geschäft, und er tötet deinen Bruder."


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